Agoraphobie PDF - Heilpraktiker-Prüfungstrainer
Document Details
Uploaded by MercifulEnglishHorn
LMU München
Tags
Summary
This document provides information about agoraphobia, including its definition, symptoms, causes, and diagnosis. It also discusses treatment options for the anxiety disorder. The document focuses on the subject matter of agoraphobia and is ideal for mental health professionals, students, or anyone interested in the disorder.
Full Transcript
# Heilpraktiker-Prüfungstrainer Psychotherapie ## Spicker: Agoraphobie ### Synonym Platzangst ### Definition Bei dieser Angststörung steht die Angst vor Situationen, in denen sich die Patienten hilflos fühlen (z.B. Menschenansammlungen, weite, offene Plätze), im Mittelpunkt. ### Häufigkeit und...
# Heilpraktiker-Prüfungstrainer Psychotherapie ## Spicker: Agoraphobie ### Synonym Platzangst ### Definition Bei dieser Angststörung steht die Angst vor Situationen, in denen sich die Patienten hilflos fühlen (z.B. Menschenansammlungen, weite, offene Plätze), im Mittelpunkt. ### Häufigkeit und Ursachen Etwa 0,2-4% der Bevölkerung sind betroffen, meist beginnt die Symptomatik im jungen Erwachsenenalter. Frauen sind bis zu 4-mal häufiger betroffen als Männer. Wie bei den meisten psychischen Störungen wird eine Kombination verschiedener Faktoren für die Entstehung der Störung verantwortlich gemacht: - **genetische Faktoren:** Verwandte 1. Grades von Betroffenen haben ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. - **Aufrechterhaltung der Störung durch Konditionierung:** Ein primär neutraler Stimulus (z.B. Situation, in der Angst aufgetreten ist) wird im Sinne der klassischen Konditionierung zum Angstobjekt, wenn er wiederholt mit unangenehmen Ereignissen (Angstgefühle) gekoppelt ist. Die Patienten vermeiden daher die angstauslösenden Situationen, was zwar zu einer kurzfristigen Entlastung im Sinne einer negativen Verstärkung (Belohnung durch Wegfallen der negativen Konsequenz = Angst), aber auch zu einer Persistenz der „Grundangst“ führt (operante Konditionierung). Auch die unterstützende Haltung der Bezugspersonen, die z.B. den Patienten in Angstsituationen begleiten oder ihm helfen, diese zu vermeiden, kann die generelle Problematik weiter verstärken. - **psychodynamische Sicht:** Unsichere primäre Bindungen sollen dazu führen, dass in Konfliktsituationen ein eher regressives Verhalten „gewählt" wird. - **neurophysiologische Erklärungen:** Angenommen wird eine Überempfindlichkeit des Angstnetzwerkes im Gehirn. Lerntheoretisches Modell zur Entstehung einer Panikstörung bzw. einer Agoraphobie (nach: Senf et al., Praxis der Psychotherapie, Thieme, 2020). ### Symptomatik Die Betroffenen haben oft Angst, das eigene Haus zu verlassen, Geschäfte zu betreten, sich in Menschenmengen zu begeben, auf öffentliche Plätze zu gehen oder alleine zu verreisen. Sie vermeiden die auslösenden Situationen (Vermeidungsverhalten) und können im Extremfall letztlich die eigene Wohnung nicht mehr alleine verlassen. Den auslösenden Situationen ist eine Angst vor Kontrollverlust gemeinsam. Die Betroffenen befürchten, dass sie im Falle einer Panik oder potentiell bedrohlicher Körperzustände nicht schnell genug „flüchten“ könnten, Hilfe nicht schnell genug verfügbar wäre oder sie in peinliche Situationen geraten könnten. Ein Schlüsselsymptom ist das Auftreten von Ängsten bei Fehlen einer sofort verfügbaren „Fluchtmöglichkeit“. Die Agoraphobie tritt häufig zusammen mit einer Panikstörung auf: Befinden sich die Patienten in einer auslösenden Situation, entwickeln sie eine Panikattacke. ## Diagnosestellung Für die Diagnosestellung nach ICD-10 müssen folgende Kriterien erfüllt sein: - Die psychischen und körperlichen Symptome (Schwitzen, Händezittern, Herzklopfen, Blutdruckerhöhung) müssen von der Angst herrühren und nicht auf anderen Symptomen wie Wahn- oder Zwangsgedanken beruhen. - Die Angst muss in ≥ 2 der folgenden umschriebenen Situationen auftreten: in Menschenmengen, auf öffentlichen Plätzen, bei Reisen mit weiter Entfernung von Zuhause oder bei Reisen alleine - Die Vermeidung der phobischen Situation muss ein entscheidendes Symptom sein. ## Differenzialdiagnosen Abzugrenzen sind v.a. folgende psychische Störungen mit Angstsymptomatik: - **(alleinige) Panikstörung:** Auftreten von Panikattacken ohne eruierbaren Auslöser, ohne spezifische Angstsituation - **generalisierte Angststörung:** lang andauernde, nicht objekt- oder situationsbezogene (frei flottierende) Angst - **spezifische Phobie:** Angst vor Objekten oder nichtsozialen Situationen, z.B. Angst vor engen Räumen (Klaustrophobie) - **soziale Phobie:** Angst vor sozialen Situationen - **hypochondrische Störung:** Angst vor Krankheit oder Ansteckung - **depressive Episode:** zeitlich begrenzte Zukunftsangst - **Schizophrenie, sonstige wahnhafte Störungen:** Angst vor nicht existenten Verfolgern etc. - **Zwangsstörung:** Angst, begleitet von Zwangsgedanken und/oder -handlungen ## Therapie und Prognose Eine bewährte Behandlung der Agoraphobie ist die Expositionstherapie (Konfrontationstherapie), die im Rahmen einer Verhaltenstherapie durchgeführt wird: Mit Hilfe des Therapeuten stellt sich der Betroffene seinen Ängsten und lässt sie in voller Stärke zu, um zu erleben, dass die Angst unbegründet ist und mit der Zeit ganz von allein nachlässt. Es gibt verschiedene Arten der Konfrontationstherapie (Reizkonfrontation in vivo): - **systematische Desensibilisierung (graduierte Exposition):** stufenweise Annäherung an steigende Angstreize - **Flooding:** Der Patient wird (unter therapeutischer Begleitung) direkt dem maximalen Angstreiz ausgesetzt, dabei soll er solange in der Situation bleiben, bis sich die Angst verringert. Für die medikamentöse Therapie können Antidepressiva angewendet werden. Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine haben ein hohes Abhängigkeitspotenzial und sind daher zu vermeiden. Unbehandelt ist der Verlauf meist chronisch, unter Verhaltenstherapie ist die Prognose günstig. Die Betroffenen haben ein erhöhtes Risiko für Depressionen und Abhängigkeitserkrankungen.