Konjunkturelle Schwankungen WiSe 2024-25 PDF

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Universität Münster

2024

Nadine Riedel

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economic fluctuations macroeconomics business cycles economic theory

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This document is lecture notes on economic fluctuations and business cycles. It discusses the causes and effects of economic fluctuations, and how governments may intervene to mitigate the effects. The lecture notes also cover topics in macroeconomic theory, and the real side of economic fluctuations.

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Konjunkturelle Schwankungen Prof. Dr. Nadine Riedel WiSe 2024-25 Einführung Die folgende Abbildung zeigt, dass das reale BIP um seinen langfristigen Trend schwankt. Diese Schwankungen werden Konjunkturzyklen genannt. Das erste Ziel dieser Vorlesung ist, die Gründe für diese Schwank...

Konjunkturelle Schwankungen Prof. Dr. Nadine Riedel WiSe 2024-25 Einführung Die folgende Abbildung zeigt, dass das reale BIP um seinen langfristigen Trend schwankt. Diese Schwankungen werden Konjunkturzyklen genannt. Das erste Ziel dieser Vorlesung ist, die Gründe für diese Schwankungen zu verstehen. Ein zweites Ziel besteht darin, zu verstehen, wieso und wie staatliche Institutionen einschreiten sollten, um die Schwankungen abzumildern. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 1 / 36 0 0.0 Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 2 / 36 Inhaltsverzeichnis 1. Makroökonomisches Gleichgewicht und Konjunkturschwankungen 2. Stabilisierung durch Fiskalpolitik Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 3 / 36 1. Makroökonomisches Gleichgewicht und Konjunkturschwankungen 1.1 Auslöser konjunktureller Schwankungen Schwankungen in der wirtschaftlichen Aktivität (d. h. Produktion) treten auf, weil Firmen ihr Produktionsniveau verändern wollen (d. h. aggregiertes Güterangebot verändert sich) oder die aggregierte Nachfrage nach Gütern sich verändert. Die Theorien, die die Auslöser für Veränderungen in der aggregierten Güternachfrage und dem aggregierten Güterangebot sind, fallen in drei Kategorien. 1. Technologische Schocks (Theorie realer Konjunkturzyklen) Da Technologie A die Produktion der Firmen beeinflusst, können Veränderungen in der Technologie (auch technologische Schocks genannt) Konjunkturschwankungen auslösen. Beispiel:. Die Erfindung des Spinnrades oder eine bessere Arbeitsteilung hatten einen dramatischen Einfluss auf die Produktion. Anmerkung. Rein technologische Theorien können ”Booms” (d. h. Phasen wirtschaftlicher Expansion) erklären, jedoch keine Rezessionen (da technologische Rückschritte unplausibel sind). Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 4 / 36 1 Makroökonomisches Gleichgewicht und Konjunkturschwankungen 1.1 Auslöser konjunktureller Schwankungen 2. Stimmungsschwankungen (J.M. Keynes) selffulfilling proecy Keynes betonte sich ändernde Stimmungen, was Veränderungen in den Erwartungen und Veränderungen in der (tatsächlichen oder wahrgenommenen) Unsicherheit für Unternehmen und Haushalte einschließt. Stimmungsschwankungen können zu Veränderungen beim Konsum der privaten Haushalte und bei den Unternehmensinvestitionen und somit bei der aggregierten Güternachfrage führen. Beispiel. Angenommen, Unternehmen und Haushalte schätzen die zukünftigen wirtschaftlichen Aussichten pessimistischer ein. Unternehmen könnten als Reaktion darauf ihre Investitionen kürzen und die Beschäftigung reduzieren. Haushalte könnten ihren Konsum einschränken, um mehr für ”schlechte Tage” zu sparen. Anmerkung. Erwartungen neigen dazu, sich selbst zu erfüllen, d. h. pessimistische Erwartungen lösen Reaktion der Marktteilnehmer aus, die diese Erwartungen (teilweise oder vollständig) rechtfertigen. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 5 / 36 1 Makroökonomisches Gleichgewicht und Konjunkturschwankungen 1.1 Auslöser konjunktureller Schwankungen 3. Andere Disruptionen. Z. B.: Finanzielle Disruptionen: Wenn z.B. das Platzen einer Vermögenspreisblase die Banken dazu veranlasst, die Kreditvergabe einzuschränken, könnten Unternehmen und Haushalte gezwungen sein, Konsum und Investitionen zu reduzieren. Schocks bei den Inputpreisen: Wenn z. B. die Ölpreise steigen, steigen auch die Produktionskosten, was zu einer Verringerung des aggregierten Güterangebots führt. Unabhängig von den Gründen führen Veränderungen in der Gesamtgüternachfrage und im Gesamtgüterangebot zu Veränderungen in der Produktion und damit in der Arbeitsnachfrage. Im Folgenden werden wir Konjunkturschwankungen durch ihre Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt darstellen. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 6 / 36 1.2 Schwankungen unter flexiblen Löhnen Wir konzentrieren uns durchgehend auf Rezessionen (eine Analyse von ”Booms” finden Sie in der Übung). Die folgende Abbildung veranschaulicht die Beziehung zwischen der Güterproduktion und dem Arbeitsmarktgleichgewicht. Das obere Feld stellt die Güterproduktion anhand einer Darstellung der aggregierten Produktionsfunktion dar. Die Linksverschiebung der Arbeitsnachfragekurve führt zu einem neuen Arbeitsmarktgleichgewicht w1 , L1 und einer Verringerung der Produktion von Y0 auf Y1. Man beachte, dass sich Produktion und Beschäftigung in die gleiche Richtung bewegen, ein Muster, das auch in den Daten sichtbar ist. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 7 / 36 1 Makroökonomisches Gleichgewicht und Konjunkturschwankungen 1.2 Schwankungen unter flexiblen Löhnen Bn a B A a a * 3 a Lu Lo. a Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 8 / 36 1.3 Schwankungen unter starren Löhnen Vorbemerkung. Man beachte, dass bei flexiblen Löhnen die Löhne sinken, wenn die Produktion und damit die Arbeitsnachfrage zurückgeht. Es ist auch zu beachten, dass sinkende Löhne einen gegenläufigen E!ekt haben, weil sie die Einstellung von Arbeitskräften attraktiver machen. Diese ausgleichende Kraft ist nicht mehr vorhanden, wenn die Löhne nach unten starr sind, wie die folgende Abbildung veranschaulicht. Auch hier verschiebt sich die Arbeitsnachfrage nach links. Wenn die Löhne nicht sinken können und auf dem ursprünglichen Niveau bleiben, ist der Rückgang der Beschäftigung (auf L2 ) und damit der Produktion (auf Y2 ) ausgeprägter als zuvor. Man beachte, dass eine Rezession bei starren Löhnen mit einer Arbeitslosigkeit in Höhe von L0 → L2 verbunden ist. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 9 / 36 1 Makroökonomisches Gleichgewicht und Konjunkturschwankungen 1.3 Schwankungen unter starren Löhnen Bn a B A a 3 A ⑨ a a ↳ Lo. a Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 10 / 36 1.4 Multiplikatoren Definition Multiplikatoren sind Folgee!ekte, die die Auswirkungen eines anfänglichen Schocks auf die Wirtschaft verstärken. Beispiele für Multiplikatoren nach einem Schock, der zu einem Rückgang der Beschäftigung geführt hat, sind: Entlassungen reduzieren das Haushaltseinkommen → Haushalte reduzieren den Konsum → die Gesamtgüternachfrage sinkt → die Produktion und damit die Arbeitsnachfrage sinkt noch weiter. Unternehmen rechnen mit einer geringeren Güternachfrage und reduzieren daher ihre Investitionen → die Gesamtgüternachfrage sinkt → die Produktion und damit die Arbeitsnachfrage sinken. Geringere Güternachfrage reduziert Unternehmensgewinne → die Preise von Vermögenswerten (Aktien, Anleihen,...) fallen → Wohlstand sinkt → Güternachfrage und damit Arbeitsnachfrage sinkt. Preise von Vermögenswerten fallen → Verluste für Banken → könnten mit einer Kürzung der Kreditvergabe reagieren → Senkung von Konsum und Investitionen → Güternachfrage und damit Arbeitsnachfrage sinken. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 11 / 36 1 Makroökonomisches Gleichgewicht und Konjunkturschwankungen 1.4 Multiplikatoren Multiplikatoren können zu einem Teufelskreis führen. h z b n v d P Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 12 / 36 1 Makroökonomisches Gleichgewicht und Konjunkturschwankungen 1.4 Multiplikatoren Note. Multiplika- toren können starke d Veränderungen in h Produktion und Beschäftigung bewirken, A 3 selbst wenn der ur- sprüngliche Schock auf · die Ökonomie gering war, insbesondere bei h Lohnrigidität. h h - Die nächste Abbil- d dung veranschaulicht dies, indem sie nur die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt zeigt. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 13 / 36 1.5 Korrigierende Marktmechanismen in der mittleren First Mittelfristig (2-3 Jahre) wirken die folgenden Marktmechanismen den Auswirkungen einer Rezession entgegen. 1. Das von den Unternehmen bevorzugte Produktionsniveau und damit die Nachfrage nach Arbeitskräften erholt sich, wenn überschüssige Lagerbestände verkauft wurden. Beispielsweise besteht nach dem Ende eines Wohnungsbaubooms wenig Bedarf an weiteren Baumaßnahmen, was zu einer Linksverschiebung der Arbeitsnachfragekurve führt. Sobald der Bestand an Häusern verkauft ist, beginnt der Bau neuer Häuser wieder, was zu einer Rechtsverschiebung der Arbeitsnachfragekurve führt. 2. Das von den Unternehmen bevorzugte Produktionsniveau und damit die Arbeitsnachfrage erholt sich mit dem technischen Fortschritt. So führten beispielsweise neue Bohrtechnologien nach der Rezession zwischen 2007 und 2009 zu einer raschen Expansion des Energiesektors in den USA. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 14 / 36 1 Makroökonomisches Gleichgewicht und Konjunkturschwankungen 1.5 Korrigierende Marktmechanismen in der mittleren First R h ↳ · h h h b p h Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 15 / 36 2. Stabilisierung durch Fiskalpolitik 2.1 Einleitende Bemerkungen Wir haben gesehen, dass insbesondere bei Vorhandensein von Multiplikatoren und Lohnrigidität selbst moderate Änderungen der Gesamtgüternachfrage und des Gesamtgüterangebots zu großen Schwankungen in der Produktion (und damit im Einkommen) und der Beschäftigung führen können. Diese Schwankungen verursachen Kosten und sind daher unerwünscht. Arbeitskräfte verlieren während Zeiten der Arbeitslosigkeit Humankapital. Haushalte bevorzugen einen gleichmäßigen Einkommens- und Konsumstrom gegenüber einem unbeständigeren. Beispiel: In einem Jahr e20,000 und im nächsten Jahr e0 zu haben ist schlechter als in beiden Jahren e10,000 zu haben. Starke Einkommensrückgänge (wie z. B. während der Weltwirtschaftskrise ab 1929) führen zu einem Anstieg von politischem Extremismus und Instabilität. Diese Kosten rechtfertigen den Einsatz konjunkturdämpfender Maßnahmen zur Glättung der Konjunkturzyklen. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 16 / 36 2.2 Antizyklische Fiskalpolitik Antizyklische Fiskalpolitik zielt darauf ab, Konjunkturschwankungen durch Anpassung von Staatsausgaben und/oder Steuern und Transfers zu verringern. Expansive Fiskalpolitik bezieht sich auf höhere Staatsausgaben und niedrigere Steuern / höhere Transfers. Restriktive Fiskalpolitik bezieht sich auf geringere Staatsausgaben und höhere Steuern / geringere Transfers. Wir unterscheiden zwischen zwei Bestandteile der Fiskalpolitik 1. Automatische Maßnahmen, die kein aktives Handeln der Regierung erfordern. Beispiel: Die Steuereinnahmen gehen während einer Rezession automatisch zurück, weil Arbeitslose keine Einkommenssteuer zahlen müssen. 2. Diskretionäre Maßnahmen, die bewusst als Reaktion auf wirtschaftliche Schwankungen erlassen werden. Beispiel: Höhere Infrastrukturausgaben während einer Rezession. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 17 / 36 2 Stabilisierung durch Fiskalpolitik 2.2 Antizyklische Fiskalpolitik Expansive Fiskalpolitik führt zu einer Erhöhung der aggregierten Güternachfrage entweder direkt über eine erhöhte Nachfrage seitens der Regierung, oder indirekt durch das Erhöhen des Haushaltseinkommens, wodurch die Arbeitsnachfragekurve nach rechts verschoben wird. Die folgenden Abbildungen veranschaulichen die Auswirkungen einer expansiven Fiskalpolitik im Falle flexibler und starrer Löhne (die rezessive Arbeitsnachfragekurve beinhaltet bereits Multiplikatore!ekte). Es ist zu beachten, dass der positive Beschäftigungse!ekt im Falle flexibler Löhne weniger ausgeprägt ist, da steigende Löhne als Gegenkraft auf die Beschäftigung und damit die Produktion wirken. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 18 / 36 2 Stabilisierung durch Fiskalpolitik 2.2 Antizyklische Fiskalpolitik t F ö d h A D C D h h h r L ↳ d u r Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 19 / 36 2 Stabilisierung durch Fiskalpolitik 2.2 Antizyklische Fiskalpolitik t F R h C D A h h h t Lu ↳ y h b Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 20 / 36 2.3 Faktoren, die die Wirksamkeit der antizyklischen Fiskalpolitik bestimmen Die erzeugte Rechtsverschiebung der Arbeitsnachfragekurve hängt von den folgenden Faktoren ab. 1. Das Ausmaß der Lohnrigiditäten (siehe Abbildungen oben). 2. Das Ausmaß der Multiplikatore!ekte. Antizyklische Fiskalpolitik kann wie jeder andere Schock Folgewirkungen für die Wirtschaft haben. Beispiel: Höhere Staatsausgaben erhöhen die Beschäftigung und damit das Haushaltseinkommen, was zu mehr Konsum führt und die Arbeitsnachfragekurve weiter nach rechts verschiebt. 3. Sparreaktionen der Haushalte. Eine expansive Fiskalpolitik wird in der Regel durch Staatsverschuldung finanziert. Die privaten Haushalte könnten antizipieren, dass eine höhere Staatsverschuldung heute höhere Steuern in der Zukunft bedeutet (um die Schulden zurückzuzahlen). Um diese höheren Steuern in der Zukunft zu bezahlen, könnten die Haushalte heute ihren Konsum einschränken und ihre Ersparnisse erhöhen. Diese negative Konsumreaktion ist als Ricardianische Äquivalenz bekannt und kann auch die expansive Wirkung der Fiskalpolitik (teilweise oder vollständig) aufheben. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 21 / 36 2 Stabilisierung durch Fiskalpolitik 2.3 Faktoren, die die Wirksamkeit der antizyklischen Fiskalpolitik bestimmen 4. Verdrängungse!ekte. Höhere Staatsverschuldung kann private Investitionen verdrängen. Beispiel: Angenommen, die privaten Haushalte teilen ihre Ersparnisse in Staatsanleihen und in Vermögenswerte, die private Investitionen finanzieren (Aktien, von Unternehmen ausgegebene Anleihen,...), auf. Wenn der Staat mehr Anleihen ausgibt, könnten die Haushalte einen Teil ihrer Ersparnisse von den Unternehmen in Staatsanleihen umschichten. Der Wechsel erfolgt, weil der Staat attraktivere Bedingungen anbieten kann (der Staat kann höhere Zinsen anbieten und seine Anleihen könnten als weniger riskant angesehen werden). Folglich führt die staatliche Kreditaufnahme zu einem Rückgang der privaten Investitionen, der die expansive Wirkung der Fiskalpolitik (teilweise oder vollständig) aufheben kann. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 22 / 36 nur Karelatice Investitichen Privatsektor nicht kausalität, da A - nicht von Investionen von Privatsektor-> Staats- & schelden sonder anders- , raum E ↑ - Valiablen sind ausgelassen, die zu grundeliegen und & [ beide Achsen beeinflussen S T.. E C & L - Staatsschulden/ Schuldenfinanzierung Staatsausgaben 2 Stabilisierung durch Fiskalpolitik 2.3 Faktoren, die die Wirksamkeit der antizyklischen Fiskalpolitik bestimmen Empirische Belege für die Verdrängungse!ekte Vorbemerkung. Das Testen auf Verdrängungse!ekte ist aufgrund folgender Faktoren schwierig Umgekehrte Kausalität: Die Staatsausgaben könnten steigen, um einen Rückgang der Investitionen auszugleichen, was bedeutet, dass private Investitionen auch die Staatsausgaben antreiben. Verzerrung durch ausgelassene Variablen: eine expansive Fiskalpolitik ist in der Regel eine Reaktion auf einen Abschwung, in dem die Investitionen aus anderen Gründen zurückgehen (z. B. aufgrund pessimistischer Erwartungen). Um zu prüfen, ob Verdrängungse!ekte vorliegen, stützen sich Ökonomen in der Regel auf indirekte Evidenz, die sich auf Branchenunterschiede im Investitionsverhalten bezieht. Unternehmen können Investitionen entweder intern (durch Verwendung des freien Cashflows) oder extern (durch Eigenkapital, Schulden,...) finanzieren. Die Theorie sagt voraus, dass der Verdrängungse!ekt bei Unternehmen, die stärker auf externe Finanzierung angewiesen sind (z. B. weil der Cashflow gering ist), stärker ausgeprägt ist. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 23 / 36 2 Stabilisierung durch Fiskalpolitik 2.3 Faktoren, die die Wirksamkeit der antizyklischen Fiskalpolitik bestimmen Evidenz zum Investitionsverhalten chinesischer Unternehmen nach der Einführung eines umfangreichen Konjunkturpakets als Reaktion auf die globale Krise 2008 bestätigen diese Vorhersage. Die geraden, durchgezogenen Linien in der nächsten Abbildung zeigen die Investitionen (im Verhältnis zu den Vermögenswerten) als Funktion der Staatsverschuldung für die Batterieindustrie (die stark auf externe Finanzierung angewiesen ist) und die Papierindustrie (die nicht stark auf externe Finanzierung angewiesen ist). Die horizontale Linie stellt die durchschnittliche Investitionsquote dar. Die gestrichelten Linien stellen Konfidenzintervalle dar, die die mit jeder statistischen Schätzung verbundene Unsicherheit messen. Darüber hinaus stellen die Autoren fest, dass die Staatsverschuldung die Sensibilität der Investitionen gegenüber Cashflows erhöht, was ebenfalls mit einer Verdrängung in Einklang steht. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 24 / 36 2 Stabilisierung durch Fiskalpolitik 2.3 Faktoren, die die Wirksamkeit der antizyklischen Fiskalpolitik bestimmen o m h Stan auf Außenfinanzierung angewiesen 2008 Finanzkrise Investitionskurven 1 Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 25 / 36 2.4 Quantifizierung der Auswirkungen antizyklischer Fiskalpolitik Die kombinierte Wirkung aller vier oben genannten Faktoren (Lohnrigidität, Multiplikatoren, Ricardianische Äquivalenz und Verdrängungse!ekte) wird als Fiskalmultiplikator bezeichnet, der misst, wie stark Beschäftigung und BIP auf die Fiskalpolitik reagieren. Die empirische Quantifizierung der Auswirkungen antizyklischer Fiskalpolitik auf die gesamte Volkswirtschaft ist schwierig, da sich viele andere Faktoren, die die Beschäftigung und das BIP bestimmen, gleichzeitig mit den Staatsausgaben ändern. Die akademische Literatur konzentriert sich daher auf die Schätzung lokaler Fiskalmultiplikatoren durch den Vergleich von Beschäftigung und BIP in Gebieten, die (mehr) staatliche Ausgaben erhalten, mit solchen, die keine (oder weniger) erhalten. Dennoch bleibt auch die empirische Quantifizierung lokaler Fiskalmultiplikatoren aufgrund der umgekehrten Kausalität schwierig. Die Staatsausgaben werden potenziell in die Regionen gelenkt, die von der Rezession am stärksten betro!en sind (oder bei denen dies erwartet wird). Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 26 / 36 2 Stabilisierung durch Fiskalpolitik 2.4 Quantifizierung der Auswirkungen antizyklischer Fiskalpolitik Buchheim und Watzinger (2021) umgehen dieses Problem, indem sie ein e15.8 Mrd. schweres Infrastrukturinvestitionsprogramm in Deutschland, das ein wichtiger Bestandteil des Konjunkturpakets von 2008 während der Weltfinanzkrise war, als Untersuchungsgegenstand nutzen. Das Programm sah vor, dass 65 Prozent der Mittel für Investitionen in die Bildungsinfrastruktur fließen mussten, insbesondere für die Verbesserung der Energiee”zienz bestehender Gebäude. Dies bedeutet, dass mehr Mittel aus diesem Programm an Gemeinden mit mehr Schulen geflossen sind. Die Anzahl der Schulen steht jedoch (plausibel) in keinem Zusammenhang mit dem Ausmaß der Rezession in einer Gemeinde. → Die Zuweisung dieser Mittel erfolgte nicht an Regionen, die stärker von der Rezession betro!en waren, wodurch das Problem der umgekehrten Kausalität gelöst wurde. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 27 / 36 2 Stabilisierung durch Fiskalpolitik 2.4 Quantifizierung der Auswirkungen antizyklischer Fiskalpolitik Die folgende Abbildung fasst die Auswirkungen des Programms auf die Beschäftigung zusammen: Sie zeigt den durchschnittlichen Anstieg der Zahl der Arbeitsplätze pro Investition von e100,000 in jedem Quartal zwischen 2007 und 2013 relativ zur Zahl der Arbeitsplätze im vierten Quartal 2008, dem letzten Quartal vor Verabschiedung des Konjunkturprogrammes. Da solche Projekte vor ihrer Durchführung geplant und genehmigt werden müssen, zeigte das Projekt schnell Wirkung: Die Beschäftigung stieg bereits im Jahr 2010 an. Insgesamt schuf das Programm 4.2 Arbeitsplatzjahre pro e100,000 an Investitionen, was durchschnittliche Kosten pro Arbeitsplatzjahr von e24,000 impliziert. Verglichen mit den durchschnittlichen Arbeitskosten im Baugewerbe von mindestens e45,000, bedeuten die Ergebnisse, dass e100,000 an Investitionen ca. e190,000 an zusätzlichen Löhnen scha!en. Diese Ergebnisse können in äquivalente BIP-Zuwächse umgerechnet werden, was bedeutet, dass das BIP für jeden ausgegebenen Euro um ca. e1.50 gestiegen ist. Dies ist der ”Konsensschätzung” von e1.70 in der Literatur sehr ähnlich (siehe Chodorow-Reich (2019)). Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 28 / 36 2 Stabilisierung durch Fiskalpolitik 2.4 Quantifizierung der Auswirkungen antizyklischer Fiskalpolitik Zitier , unwichti m simus Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 29 / 36 2.5 Optimale Fiskalpolitik Frage. Sollte die Regierung die Ausgaben erhöhen oder wäre es besser, die Steuern zu senken oder Transfers zu erhöhen? Bislang keine schlüssige Antwort (weder theoretisch noch empirisch). Argumente für höhere Staatsausgaben Die Haushalte sparen in der Regel einen Teil eines Transfers oder einer Steuersenkung, der dann nicht sofort in die Nachfrage einfließt. Dies steht im Gegensatz zu den höheren Staatsausgaben. Evidenz (Broda und Parker (2014)) Untersuchen die Auswirkungen des US-Konjunkturgesetzes von 2008, das Zahlungen an Haushalte von bis zu 300 pro Haushaltsmitglied (insgesamt fast 100 Mrd. US-Dollar) verteilte. Wann genau die Haushalte das Geld erhielten, hing von ihrer Sozialversicherungsnummer ab, die zufällig zugewiesen wurde. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 30 / 36 2 Stabilisierung durch Fiskalpolitik 2.5 Optimale Fiskalpolitik Evidenz (Broda und Parker (2014)) fortgesetzt Durch den zufälligen Zeitpunkt der Auszahlung können die Autoren die Konsumreaktion messen, indem sie die Konsumänderungen der Haushalte, die das Geld bereits erhalten haben, mit den Konsumänderungen der Haushalte vergleichen, die es nicht erhalten haben. Ergebnisse. Die Haushalte geben 50 bis 90 Prozent des Geldes innerhalb der ersten drei Monate aus. Die Konsumreaktion fällt bei Haushalten mit niedrigem Einkommen und bei Haushalten mit Liquiditätsengpässen (definiert als Haushalte, deren liquide Mittel nicht ausreichen, um die Ausgaben von zwei Monaten zu decken) stärker aus. Die Evidenz deutet darauf hin, dass ein Teil des Transfers an die Haushalte nicht sofort in die Nachfrage einfließt, was bedeutet, dass der Fiskalmultiplikator größer sein könnte, wenn der Staat die Ausgaben erhöht. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 31 / 36 2 Stabilisierung durch Fiskalpolitik 2.5 Optimale Fiskalpolitik Evidenz für den Fiskalmultiplikator bei Änderungen der Einkommensteuer Zidar (2019) stellt jedoch fest, dass Einkommenssteuersenkungen die Beschäftigung über zwei Kanäle beeinflussen: 1. Höhere Haushaltseinkommen, die die Güternachfrage erhöhen (siehe oben). 2. Eine Verschiebung des Arbeitsangebots nach rechts, weil der Nettolohnanstieg (ceteris paribus) das Arbeiten attraktiver macht. Zidar schätzt die Kosten (d. h. die notwendige Steuersenkung) für ein zusätzliches Arbeitsplatzjahr, wobei er zwischen Steuersenkungen für die oberen 10 Prozent der Einkommensverteilung und die unteren 90 Prozent unterscheidet. Ergebnisse. Nur die Steuersenkungen für die unteren 90 Prozent hatten signifikante Auswirkungen auf das BIP und die Beschäftigung, die Steuersenkungen für die oberen 10 Prozent hatten keine erkennbaren Auswirkungen. Quantitativ gesehen betragen die Kosten (d. h. die notwendigen Steuereinnahmeverluste) pro Arbeitsplatzjahr 31,500 für eine Steuersenkung bei den unteren 90 Prozent. Dies kommt den US-Zahlen für höhere Staatsausgaben sehr nahe. Die nächste Abbildung veranschaulicht die Beschäftigungse!ekte einer Steuererhöhung. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 32 / 36 2 Stabilisierung durch Fiskalpolitik 2.5 Optimale Fiskalpolitik Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 33 / 36 2 Stabilisierung durch Fiskalpolitik 2.5 Optimale Fiskalpolitik Argumente gegen höhere Staatsausgaben 1. Politische Verzögerungen Während die Belege in Buchheim und Watzinger (2019) darauf hindeuten, dass Verbesserungen der bestehenden Infrastruktur die Wirtschaft schnell ankurbeln, sind Investitionen in die Kerninfrastruktur (Verkehr, Informationstechnologie und Versorgungseinrichtungen) mit erheblichen Verzögerungen bei der Umsetzung verbunden (Planung, Entwurf,...). Evidenz: Leduc und Wilson (2013) dokumentieren, dass es bis zu sieben Jahre dauert, bis die Mittel für die Kerninfrastruktur ausgegeben werden. Investitionen in die Kerninfrastruktur werden also die Nachfrage dann erhöhen, wenn die Rezession bereits vorbei ist. Infolgedessen könnten diese Investitionen prozyklisch sein und die Konjunkturzyklen verstärken (anstatt sie zu glätten). Dies steht im Gegensatz zu Steuersenkungen und Transferleistungen, die in der Regel zeitnah ausgegeben werden (siehe oben). Krise Urbei ist Stimmlis kommt erst nach dem Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 34 / 36 2 Stabilisierung durch Fiskalpolitik 2.5 Optimale Fiskalpolitik 2. Politische Verschwendung Die längerfristigen Folgen der antizyklischen Fiskalpolitik hängen von der Art der finanzierten Projekte ab. Politische Entscheidungsträger könnten Anreize haben, Ressourcen zu ihrem eigenen Vorteil ine”zient auszugeben (z. B. durch die Finanzierung von Investitionen in ihrem Wahlbezirk, die gesellschaftlich nicht wünschenswert sind). Solche verschwenderischen Ausgaben sind wahrscheinlicher, wenn die Mittel schnell ausgegeben werden müssen. Dies legt nahe, dass es besser ist, das Geld direkt an die Haushalte zu geben. Die Gegner dieser Ansicht argumentieren jedoch, dass die Haushalte zwar zusätzliche Mittel für den Konsum ausgeben, der Staat jedoch Investitionsprojekte (wie Infrastruktur) finanzieren kann, die das langfristige Wachstumspotenzial der Wirtschaft erhöhen. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 35 / 36 2 Stabilisierung durch Fiskalpolitik 2.5 Optimale Fiskalpolitik Literature Buchheim, L. and Watzinger, M. (2023): The Employment E!ects of Countercyclical Public Investments, American Economic Journal: Economic Policy, 15 (1): 154–73. Chodorow-Reich, G. (2019): Geographic Cross-Sectional Fiscal Spending Multipliers: What Have We Learned?, American Economic Journal: Economic Policy, 2019, vol. 11 (2), pp. 1–34. Huang, Yi, Pagano, Marco and Panizza, Ugo (2019): Local crowding out in China, Journal of Finance, forthcoming. Leduc, S., Wilson, D.J., 2012. Roads to Prosperity or Bridges to Nowhere? Theory and Evidence on the Impact of Public Infrastructure Investment. NBER Macroeconomics Annual 2012. O. Zidar (2019): Tax Cuts for Whom? Heterogeneous E!ects of Tax Changes on Growth and Employment, Journal of Political Economy, vol. 127(3), pp. 1437-1472. Nadine Riedel Konjunkturelle Schwankungen 36 / 36

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