Anatomie und Physiologie - Kursbuch PDF

Summary

Dieses Studienbuch beschreibt die Anatomie und Physiologie des menschlichen Körpers. Es enthält Lektionen zu Zytologie, Nervensystem, Hormonsystem, Herz-Kreislauf-System, Blut- und Immunsystem, Atmungssystem, Verdauungssystem und Urogenitalsystem. Die Lektionen sind nach didaktischen Kriterien strukturiert und enthalten zahlreiche Informationen und visuelle Darstellungen. Ergänzend zu den Inhalten des Skripts sind weitere Medien aus der IU Online-Bibliothek sowie Videos verfügbar.

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ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DLBEWAUP01-01 ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE IMPRESSUM Herausgeber: IU Internationale Hochschule GmbH IU International University of Applied Sciences Juri-Gagarin-Ring 152 D-99084 Erfurt Postanschrift: Albert-Proeller-Straße 15-19 D-86675 B...

ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DLBEWAUP01-01 ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE IMPRESSUM Herausgeber: IU Internationale Hochschule GmbH IU International University of Applied Sciences Juri-Gagarin-Ring 152 D-99084 Erfurt Postanschrift: Albert-Proeller-Straße 15-19 D-86675 Buchdorf [email protected] www.iu.de DLBEWAUP01-01 Versionsnr.: 001-2024-0626 N.N. Coverbild: Adobe Stock. © 2023 IU Internationale Hochschule GmbH Dieses Lernskript ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Lernskript darf in jeglicher Form ohne vorherige schriftliche Genehmigung der IU Internationale Hochschule GmbH (im Folgenden „IU“) nicht reproduziert und/oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet wer- den. Die Autor:innen/Herausgeber:innen haben sich nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, die Urheber:innen und Quellen der verwendeten Abbildungen zu bestimmen. Sollte es dennoch zu irrtümlichen Angaben gekommen sein, bitten wir um eine dement- sprechende Nachricht. 2 INHALTSVERZEICHNIS ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Einleitung Wegweiser durch das Studienskript................................................. 8 Basisliteratur..................................................................... 9 Weiterführende Literatur......................................................... 10 Übergeordnete Lernziele......................................................... 12 Lektion 1 Zytologie 13 1.1 Strukturelle Organisation menschlicher Zellen.................................. 14 1.2 DNA, RNA und Proteinbiosynthese............................................. 20 1.3 Zellzyklus und Zellteilung..................................................... 21 1.4 Transportprozesse........................................................... 27 Lektion 2 Zentrales Nervensystem 31 2.1 Die Nervenzelle (Neuron)..................................................... 32 2.2 Das zentrale Nervensystem................................................... 35 2.3 Das periphere Nervensystem.................................................. 40 2.4 Vegetatives Nervensystem und somatisches Nervensystem...................... 41 2.5 Willkürmotorik.............................................................. 42 2.6 Sinnesorgane................................................................ 43 Lektion 3 Endokrines System 47 3.1 Chemische Einteilung der Hormone........................................... 48 3.2 Wichtige Hormondrüsen...................................................... 49 3.3 Wirkungsweise der Hormone.................................................. 52 3.4 Wichtige Hormone des Menschen............................................. 52 Lektion 4 Herz-Kreislauf-System 57 4.1 Lage und Anatomie des Herzens............................................... 58 4.2 Herzwand und Koronargefäße................................................ 60 4.3 Kammerzyklus und Reizleitung................................................ 62 4.4 Kreislauf und Blutdruck...................................................... 63 3 Lektion 5 Blut und Immunsystem 69 5.1 Zusammensetzung und Aufgaben des Blutes................................... 70 5.2 Bestandteile des Blutes....................................................... 71 5.3 Immunsystem............................................................... 75 5.4 Lymphatisches System....................................................... 79 5.5 Blutstillung und Blutgerinnung................................................ 80 Lektion 6 Atmungssystem 83 6.1 Allgemeine anatomische Einteilung............................................ 84 6.2 Alveolen, Blut-Luft-Schranke und Gasaustausch................................ 89 6.3 Steuerung der Atmung, Atemmechanik und Ventilation.......................... 90 Lektion 7 Verdauungssystem 93 7.1 Allgemeine anatomische Einteilung............................................ 94 7.2 Anhängende exokrine Drüsen................................................. 99 7.3 Motilität und Peristaltik..................................................... 100 7.4 Verdauung der Makronährstoffe, Sättigung und Hunger........................ 101 Lektion 8 Urogenitalsystem 105 8.1 Lage, Aufgabe und Funktion der Nieren....................................... 106 8.2 Hormonelle Einflüsse auf die Niere........................................... 110 8.3 Geschlechtsorgane......................................................... 111 Lektion 9 Bewegungsapparat 119 9.1 Histologie von Knorpel und Knochen......................................... 120 9.2 Anatomie der Knochen und des Skeletts...................................... 121 9.3 Histologie und Physiologie von Muskelgewebe................................ 123 9.4 Anatomie der Skelettmuskulatur............................................. 126 9.5 Echte und unechte Gelenke.................................................. 127 Lektion 10 Haut, Haare und Nägel 133 10.1 Haut und Hautdrüsen...................................................... 134 10.2 Haare und Nägel........................................................... 137 4 Anhang Literaturverzeichnis............................................................. 142 Abbildungsverzeichnis.......................................................... 145 5 EINLEITUNG HERZLICH WILLKOMMEN WEGWEISER DURCH DAS STUDIENSKRIPT Dieses Studienskript bildet die Grundlage Ihres Kurses. Ergänzend zum Studienskript ste- hen Ihnen weitere Medien aus unserer Online-Bibliothek sowie Videos zur Verfügung, mit deren Hilfe Sie sich Ihren individuellen Lern-Mix zusammenstellen können. Auf diese Weise können Sie sich den Stoff in Ihrem eigenen Tempo aneignen und dabei auf lerntyp- spezifische Anforderungen Rücksicht nehmen. Die Inhalte sind nach didaktischen Kriterien in Lektionen aufgeteilt, wobei jede Lektion aus mehreren Lernzyklen besteht. Jeder Lernzyklus enthält jeweils nur einen neuen inhaltlichen Schwerpunkt. So können Sie neuen Lernstoff schnell und effektiv zu Ihrem bereits vorhandenen Wissen hinzufügen. In der IU Learn App befinden sich am Ende eines jeden Lernzyklus die Interactive Quizzes. Mithilfe dieser Fragen können Sie eigenständig und ohne jeden Druck überprüfen, ob Sie die neuen Inhalte schon verinnerlicht haben. Sobald Sie eine Lektion komplett bearbeitet haben, können Sie Ihr Wissen auf der Lern- plattform unter Beweis stellen. Über automatisch auswertbare Fragen erhalten Sie ein direktes Feedback zu Ihren Lernfortschritten. Die Wissenskontrolle gilt als bestanden, wenn Sie mindestens 80 % der Fragen richtig beantwortet haben. Sollte das einmal nicht auf Anhieb klappen, können Sie die Tests beliebig oft wiederholen. Wenn Sie die Wissenskontrolle für sämtliche Lektionen gemeistert haben, führen Sie bitte die abschließende Evaluierung des Kurses durch. Die IU Internationale Hochschule ist bestrebt, in ihren Skripten eine gendersensible und inklusive Sprache zu verwenden. Wir möchten jedoch hervorheben, dass auch in den Skripten, in denen das generische Maskulinum verwendet wird, immer Frauen und Män- ner, Inter- und Trans-Personen gemeint sind sowie auch jene, die sich keinem Geschlecht zuordnen wollen oder können. 8 BASISLITERATUR Faller, A. (2020): Der Körper des Menschen. 18. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart [E-Book]. Menche, N. (2020): Biologie Anatomie Physiologie. 9. Auflage, Elsevier Verlag, München [E- Book]. 9 WEITERFÜHRENDE LITERATUR LEKTION 1 Pape, H. (2019): Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapitel: Funktion und Interaktion von Zellen [E-Book]. Silbernagl, S. (2018): Taschenatlas Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapi- tel: Grundlagen, Zellphysiologie [E-Book]. LEKTION 2 Pape, H. (2019): Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapitel: Integrative Funk- tionen des Gehirns [E-Book]. Silbernagl, S. (2018): Taschenatlas Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapi- tel: Nerv und Muskel, Arbeit; Vegetatives Nervensystem; Zentralnervensystem und Sinne [E-Book]. LEKTION 3 Pape, H. (2019): Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapitel: Endokrines Sys- tem [E-Book]. Silbernagl, S. (2018): Taschenatlas Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapi- tel: Hormone, Reproduktion [E-Book]. LEKTION 4 Pape, H. (2019): Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapitel: Das Herz [E- Book]. Silbernagl, S. (2018): Taschenatlas Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapi- tel: Herz und Kreislauf [E-Book]. LEKTION 5 Pape, H. (2019): Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapitel: Blut: Ein flüss- iges Organsystem [E-Book]. 10 Silbernagl, S. (2018): Taschenatlas Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapi- tel: Blut [E-Book]. LEKTION 6 Pape, H. (2019): Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapitel: Atmung [E- Book]. Silbernagl, S. (2018): Taschenatlas Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapi- tel: Atmung [E-Book]. LEKTION 7 Pape, H. (2019): Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapitel: Funktion des Magen-Darm-Trakts, Energiehaushalt und Ernährung [E-Book]. Silbernagl, S. (2018): Taschenatlas Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapi- tel: Ernährung, Verdauung [E-Book]. LEKTION 8 Pape, H. (2019): Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapitel: Die Funktion der Nieren; Sexualfunktionen, Schwangerschaft und Geburt [E-Book]. Silbernagl, S. (2018): Taschenatlas Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapi- tel: Niere, Hormone, Reproduktion [E-Book]. LEKTION 9 Pape, H. (2019): Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapitel: Sensomotori- sche Systeme: Körperhaltung und Bewegung [E-Book]. Silbernagl, S. (2018): Taschenatlas Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapi- tel: Nerv und Muskel, Arbeit [E-Book]. LEKTION 10 Pape, H. (2019): Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapitel: Somatoviszerale Sensibilität [E-Book]. Silbernagl, S. (2018): Taschenatlas Physiologie. 9. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, Kapi- tel: Hautsinne [E-Book]. 11 ÜBERGEORDNETE LERNZIELE Im Kurs Anatomie und Physiologie erhalten Sie einen Überblick über den Aufbau des menschlichen Körpers und über die wichtigsten Stoffwechselvorgänge. Sie werden mit den Funktionen sämtlicher Organe vertraut gemacht, und sie werden ver- stehen, wie Organsysteme zusammenarbeiten. Dadurch werden Sie nach und nach Zusammenhänge erkennen und einen Eindruck bekommen, wie komplex der menschliche Organismus ist. Die menschliche Zelle als Grundlage der menschlichen Gewebe und Organe wird genauso besprochen wie das Nervensystem und das Hormonsystem als wichtige Informationssys- teme unseres Körpers. Das Herz, das Blut und der Kreislauf als Versorgungssysteme, das Immunsystem als Schutz vor Infektionen und Pathogenen, aber auch der Respirations- trakt, der uns den Gasaustausch (O2 und CO2) mit der Umgebung ermöglicht oder auch der Gastrointestinaltrakt, der es uns ermöglicht, Nährstoffe, Baustoffe und energiereiche Moleküle in den Körper aufzunehmen, werden im vorliegenden Kurs in verständlicher Form besprochen und erklärt. Weitere Themen, wie das Urogenitalsystem, das Reproduktion und Entgiftung möglich macht, der Bewegungsapparat und die Haut als flächenhaft größtes Sinnesorgan des Men- schen, vervollständigen das Skript und runden diesen spannenden Themenbereich ab. Aufbauend auf dem Basiswissen, das dieser Kurs vermittelt, werden Sie in der Lage sein, weiterführende fachspezifische Zusammenhänge zu verstehen. 12 LEKTION 1 ZYTOLOGIE LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – wie Zellen aufgebaut und organisiert sind. – welche Aufgaben die einzelnen Zellbestandteile haben. – wie die Erbsubstanz DNA aufgebaut ist. – welche Teilungs- bzw. Arbeitsphasen Zellen durchlaufen. – wie Stoffe in der Zelle und in die Zelle transportiert werden. 1. ZYTOLOGIE Einführung Die Organe und Gewebe des menschlichen Körpers sind regenerations- und anpassungs- fähig. Wenn wir uns verletzen, z. B. einen Knochen brechen oder uns in den Finger schnei- den, kann sich das verletzte Gewebe regenerieren, d. h. es kann heilen. Wenn unser Körper neuen Belastungen ausgesetzt wird, z. B. weil uns gute Vorsätze in ein Fitnessstudio trei- ben, wird unser Körper sich an diese Belastungen anpassen und sich verändern. Um sol- che Regenerations- und Anpassungsvorgänge zu verstehen, muss man zunächst Grund- kenntnisse über diejenige Einheit erlangen, die Grundlage dieser Vorgänge ist: die menschliche Zelle. Die folgende Lektion gibt einen Überblick über diese kleinste funktio- nelle Einheit des menschlichen Körpers. 1.1 Strukturelle Organisation menschlicher Zellen Der menschliche Körper ist aus Zellen aufgebaut. Die Anzahl dieser Zellen variiert z. B. mit der Körpergröße und dem Alter und wird in unterschiedlichen Quellen zum Teil sehr unter- schiedlich angegeben. Schätzungen liegen zwischen 30 Billionen (Menche 2020, S. 32) und 75 Billionen (Faller 2020). Allgemeine Merkmale von Zellen, die jedoch nicht von allen Zellen vollständig geteilt wer- den, sind: 1. Metabolismus (Stoffwechsel), 2. Reaktions- und Regulationsvermögen, 3. Wachstum und Neubildung, 4. Reproduktion (Fortpflanzung) und Vererbung (DNA als Informationsträger). Wichtige Beispiele für Zellen, die nicht sämtliche genannten Merkmale teilen, sind die Erythrozyten (Rote Blutkörperchen), die über keinen Zellkern und keine DNA verfügen oder die Nervenzellen (Neurone) des Gehirns, von denen die allermeisten nachgeburtlich nicht mehr teilungsfähig sind. Gewebe Zellen im Verband bilden Gewebe, welche wiederum in spezialisierten Organen (Herz, Der Begriff Gewebe wird Leber, Lunge usw.) unterschiedlichste Funktionen wahrnehmen. definiert als Verband gleichartiger Zellen, die eine gemeinsame Auf- Zellmembran und Zytoplasma gabe erfüllen. Die menschliche Zelle wird von einer Zellmembran umgeben. Den gesamten Inhalt der Zelle bezeichnet man als Zytoplasma (Faller 2020). 14 Abbildung 1: Die menschliche Zelle Quelle: Getty Images o. J. Das Zytoplasma lässt sich weiter einteilen in seinen flüssigen Bestandteil, das Zytosol, in das Zytoskelett, das die Zelle von innen her stabilisiert, und in die Zellorganellen, die als „kleine Organe“ das Überleben der Zelle sichern und ihre Funktionen ermöglichen. Zytoplasma = Zytosol + Zytoskelett + Zellorganellen Zu den Zellorganellen zählen z. B. die Mitochondrien oder das Endoplasmatische Retiku- lum, die im Folgenden ausführlich besprochen werden. Der Zellkern (Nukleus) wird von den allermeisten Autoren ebenfalls zu den Zellorganellen gerechnet (Menche 2020, S. 34), gelegentlich aber auch als separates Zellorganell geführt (Faller 2020). Nicht zu den Zellorganellen gerechnet werden in aller Regel diejenigen zellulären Struktu- ren, die nicht von einer eigenen Membran umhüllt sind, wie z. B. die Ribosomen (Faller 2020). Aufbau der Zellmembran Die Zellmembran umgibt die Zelle und grenzt sie gegen die Umgebung ab. Alles, was innerhalb der Zelle liegt, bezeichnet man als intrazellulär (iz), der Bereich außerhalb der Zelle wird als extrazellulär (ez) bezeichnet (Menche 2020, S. 33). 15 Die Zellmembran selbst besteht aus einer Doppelschicht aus Phospholipiden, die die Zelle v. a. gegen wasserlösliche Substanzen abgrenzt. Diese Phospholipide sind amphiphile Moleküle, d. h. sie besitzen jeweils einen wasserliebenden (hydrophilen) Teil sowie einen fettliebenden (lipophilen) Teil. Die lipophilen Anteile sind in der doppelschichtigen Anord- nung in Richtung Membran-Inneres orientiert, die hydrophilen Anteile bilden die äußere und innere Oberfläche der Membran. Somit bildet die Zellmembran eine Abgrenzung, die nach außen (extrazellulär, ez) und innen (intrazellulär, iz) hin hydrophile Eigenschaften hat – sowohl die extra- als auch die intrazelluläre Flüssigkeit sind wässrig. Im Inneren der Dop- pelschicht hingegen gleicht die Zellmembran einer wasserabstoßenden Barriere, die was- serlösliche Moleküle kaum durchdringen können (Faller 2020). Abbildung 2: Die Zellmembran Quelle: Ralf K. Reinhardt 2020. Die Durchdringbarkeit der Membran wird mit den Begriffen permeabel (gut durchdring- bar), semipermeabel (nur für einige Stoffe durchdringbar) oder impermeabel (nicht durch- dringbar) beschrieben. Als wichtiger Bestandteil der Membran ist darüber hinaus Cholesterin zu nennen. Es erhöht die Stabilität der Membran und reguliert die sog. Fluidität, d. h. die Fließfähigkeit der Membran, was wiederum die Fähigkeit zur seitlichen Beweglichkeit (Lateraldiffusion) der eingelagerten Membranproteine beeinflusst. In die Zellmembran eingelagert sind zahlreiche sog. Transmembranproteine, zu denen Rezeptoren, Kanal- oder Tunnelproteine, ATP-abhängige Pumpen oder Zelladhäsionsmo- leküle (Zellverbindungsmoleküle) gerechnet werden. 16 Rezeptoren sind Bindungsstellen für Moleküle, die die Zellmembran nicht durchdringen ATP können – ein Beispiel für solche Moleküle wären wasserlösliche Hormone wie Insulin. Auf- Adenosintriphosphat (ATP) ist ein energierei- gabe der Rezeptoren ist es, die Wirkung der an sie gebundenen Moleküle, man spricht ches Molekül, das v. a. in auch von Liganden, ins Innere der Zelle zu übermitteln. Als Folge dieser sog. Signaltrans- den Mitochondrien gebil- duktion werden im Zellinneren sog. zweite Botenstoffe (second messenger) gebildet, die det wird und energiever- brauchende Stoffwechsel- dann ihrerseits z. B. intrazelluläre Enzyme aktivieren oder inaktivieren. prozesse speist. Eine weitere mögliche Aufgabe von Rezeptoren ist das Öffnen bzw. Schließen der Kanal- oder Tunnelproteine, die dann wiederum ganz selektiv bestimmte Stoffe in die Zelle las- sen. Dieser Vorgang wird als rezeptorvermittelte Endozytose bezeichnet. Endozytose Mit diesem Begriff wird die Aufnahme von Stoffen ATP-abhängige Pumpen können unter Energieverbrauch z. B. Ionen auch gegen ein Kon- in die Zelle bezeichnet. zentrationsgefälle in eine Zelle oder aus einer Zelle transportieren. Dieser Vorgang ist u. a. Das Gegenteil davon – die für Nervenzellen extrem wichtig. Abgabe von Stoffen – bezeichnet man als Exo- zytose. Zelladhäsionsmoleküle sind Moleküle, die Kontakt zwischen den einzelnen Zellen eines Gewebes herstellen. Der Grund dafür kann einfach Stabilisierung der Zellen gegeneinan- der sein oder aber auch die Kommunikation der Zellen untereinander. Außen an der Membran befinden sich (zumindest bei kernhaltigen Zellen) sog. Zellerken- nungsmoleküle (HLA oder MHC), die die Zelle als zum Körper gehörend identifizieren. Die MHC HLA-Moleküle sind, wie z. B. auch die Blutgruppenantigene der Erythrozyten, Glykopro- Die Abkürzungen HLA bzw. MHC stehen für teine, d. h. sie bestehen aus einem Eiweißanteil, der mit einem Zuckeranteil verbunden ist Human Leucocyte Anti- (Silbernagl 2018). gen (HLA) bzw. für Major Histocompatibility Com- plex (MHC). Nukleus Der Zellkern (Nukleus) kommt bei sog. eukaryontischen Zellen vor (synonym: Eukaryon- ten), prokaryontische Zellen (z. B. Escherichia coli, das zu unseren Darmbakterien gehört) Eukaryonten besitzen keinen Zellkern (Menche 2020, S. 34f.). Die Benennung ist nicht einheitlich geregelt: Euka- ryonten werden teilweise Nicht jede menschliche Zelle verfügt über genau einen Zellkern. Skelettmuskelzellen kön- auch als Eukaryoten nen bis zu mehreren 100 davon haben, Erythrozyten hingegen (Rote Blutkörperchen) bezeichnet, Prokaryonten werden dann Prokaryoten haben gar keinen. Die allermeisten Zellen allerdings haben einen einzigen Zellkern. genannt. Der Zellkern ist von einer Kernhülle umgeben. Im Inneren des Zellkerns findet sich das Erbmaterial, die DNA. In ihr sind die genetischen Informationen gespeichert und zwar jeweils der komplette Bauplan des Menschen in doppelter Ausfertigung (2n). Die Anzahl der menschlichen Gene ist unter Wissenschaftlern nicht unstrittig. Gesichert scheint die Gene Existenz von ca. 30.000 Genen, also 30.000 DNA-Abschnitten, die in einem Prozess, der als Hierbei handelt es sich um relativ kurze Transkription bezeichnet wird, kopiert werden. Die Kopien dieser Gene – man spricht von Abschnitte der DNA, die mRNA-Molekülen – können nach dieser Transkription noch einmal durch komplizierte Pro- jeweils den Bauplan für zesse verändert werden, sodass jedes von ihnen nicht nur für ein Protein, sondern für ein Eiweiß enthalten. durchschnittlich drei unterschiedliche Proteine codiert. Im Prozess der Proteinbiosyn- these, in dem die Sequenz der mRNA in eine Abfolge aus Aminosäuren übersetzt wird (Translation), können somit nach heutigem Stand der Wissenschaft aus ca. 30.000 Genen ca. 90.000 unterschiedliche Proteine hergestellt werden (National Human Genome Research Institute 2021). 17 Funktionell spielt der Zellkern also eine unabdingbare Rolle bei der Zellteilung, hat aber andererseits auch einen entscheidenden Einfluss auf den Zellstoffwechsel, indem er Gene beherbergt, nach denen Enzyme gebildet werden können, die dann ihrerseits den Stoff- wechsel der Zellen steuern. Mitochondrien Mitochondrien werden vereinfachend als Kraftwerke der Zelle angesprochen. Sie wandeln Zellatmung in einem Prozess, der als Zellatmung bezeichnet wird, Energie um, indem sie aus Nähr- Bei der Zellatmung wer- stoffen und Sauerstoff das energiespeichernde Molekül Adenosintriphosphat (ATP) rege- den Nährstoffe oxidativ abgebaut. Aus Adenosin- nerieren (Faller 2020). ATP kann dann – sozusagen als universale Energiewährung – die diphosphat (ADP) + Phos- verschiedensten physiologischen Vorgänge mit Energie versorgen, indem es ein Phosphat phat entsteht das ener- abspaltet und die dabei freiwerdende Energie zur Verfügung stellt. Regeneriert wird das giereichere ATP. Endprodukte sind CO2 dabei entstandene Adenosindiphosphat (ADP) dann wiederum v. a. in den Mitochondrien, und Wasser. indem in komplizierten Stoffwechselvorgängen das Phosphat unter Energieverbrauch wieder angehängt wird. Ribosomen Die Ribosomen sind der Ort der Proteinbiosynthese (Menche 2020, S. 35). Hier werden Aminosäuren (AS) aneinandergehängt, und es entstehen Peptide (kürzere Aminosäureket- ten) oder Proteine (Eiweiße). Die Information über die Reihenfolge, in der die Aminosäuren aneinandergehängt werden sollen, bekommen die Ribosomen über die sog. Boten-RNA (messenger [m]RNA). Das Übersetzen der mRNA-Sequenz in die Abfolge von Aminosäuren (AS) wird als Translation bezeichnet. Der Vollständigkeit halber sei die Transfer [t]RNA noch erwähnt. Sie transportiert die ein- zelnen Aminosäuren zu den Ribosomen und ist wichtig für deren korrekten Einbau (Faller 2020). Endoplasmatisches Retikulum Das Endoplasmatische Retikulum (ER) bildet als membranöse Struktur innerhalb der Zelle quasi einen „Raum im Raum“. Wie ein Schrank oder eine Truhe grenzt es Räume innerhalb der Zelle ab, in denen Stoffe abgekapselt oder neu gebildet werden können (für weiterfüh- rende Literatur, auch zu den folgenden Zellorganellen, siehe Menche 2020, S. 33ff. und Fal- ler 2020). Beispiele für Zellen, bei denen sich reichlich ER finden, wären hormonbildende Zellen. Sie bilden Hormone in sehr konzentrierter Form, die mit ihrem eigenen Stoffwechsel nicht in Kontakt kommen dürfen und daher innerhalb der Zelle abgekapselt werden. Ein weiteres Beispiel mit anderem physiologischem Hintergrund wären Fresszellen (Makrophagen). Sie nehmen Fremdstoffe auf und kapseln sie innerhalb der Zelle ab. 18 Handelt es sich im beispielhaften Fall der hormonbildenden Zellen um Hormone, die zu den Proteinen gerechnet werden oder zumindest einen Proteinanteil tragen, dann finden sich auf dem entsprechenden ER Ribosomen. Sie verleihen der ER-Membran ein raues Aussehen, und man spricht dann auch von rauem ER. Selbstverständlich kommt raues ER nicht nur bei hormonbildenden Zellen vor, sondern generell bei Zellen, die Stoffe bilden und abgeben (sezernieren), die eiweißhaltig sind, so z. B. auch Membranproteine. Werden im ER Stoffe gebildet, die keinerlei Eiweißanteil haben – so wie z. B. die Geschlechtshormone Testosteron oder Östrogen, deren Ausgangsstoff das Cholesterol ist – dann verfügt das ER über keine Ribosomen, seine Membran ist glatt, und man spricht vom glatten ER. Es dient zudem der Calcium- und Kohlenhydratspeicherung. Glattes ER findet sich auch bei den oben genannten Fresszellen. Golgi-Apparat Im Golgi-Apparat wird das, was im ER hergestellt wurde, in Bläschen (Vesikel) verpackt, die dann mit der Plasmamembran verschmelzen, wobei der Inhalt nach außen in den extra- zellulären Raum und z. B. ins Blut abgegeben wird (Exozytose). Lysosomen Lysosomen tragen ihre eigentliche Aufgabe im Namen. Es sind Körper (gr. Soma) bzw. Vesi- kel (Bläschen), die Stoffe oder Strukturen auflösen (gr. Lysis: Lösung) können. Dafür ent- halten sie verschiedenste Verdauungsenzyme, die eingesetzt werden, um aufgenommene Fremdkörper zu verdauen oder auch z. B. altersbedingt degenerierte Zellorganellen abzu- bauen. Peroxisomen Peroxisomen sind ebenfalls membranumschlossene Vesikel, die unterschiedliche Stoff- wechselendprodukte der Zelle abbauen. Sie enthalten zahlreiche Enzyme, die u. a. das sehr reaktive und damit gefährliche Wasserstoffperoxid [H2O2] in Sauerstoff und Wasser umwandeln. Zentriolen Zentriolen sind aus röhrenförmigen Eiweißgebilden (Mikrotubuli) aufgebaute Strukturen. Sie sind paarig ausgebildet und bilden während der Zellteilung (Mitose, Meiose) die sog. Zentrosomen, die Ausgangspunkte für Spindelfasern sind. Sie übernehmen hier Transport- und Stützaufgaben. Zytoskelett Das Zytoskelett ist eine aus Eiweißfilamenten aufgebaute Struktur. Es besteht aus Mikrotu- buli, die intrazelluläre Bewegung und intrazellulären Transport möglich machen, aus Aktinfilamenten, die die äußere Form der Zelle stabilisieren und aus sog. Intermediärfila- menten, die ähnliche Funktionen wie Mikrotubuli und Aktinfilamente haben, aber etwas kräftiger und stabiler sind. 19 1.2 DNA, RNA und Proteinbiosynthese DNA Die menschliche DNA (Desoxyribonukleinsäure [DNS]) liegt im Zellkern in Form von 46 Die Abkürzung DNA steht fadenförmigen Molekülen, den sog. Chromosomen, vor. Jedes dieser Chromosomen ist für die englische Bezeich- nung deoxyribonucleic ein unglaublich dünner Faden mit lediglich ca. 2 nm (0,000002 mm) Durchmesser, hat aber acid. eine durchschnittliche Länge von ca. 4,3 cm. Multipliziert man diese 4,3 cm mit der Anzahl der Chromosomen, so kommt man auf eine Gesamtlänge der DNA von ca. 2 m pro Zellkern (fh-muenster.de 2020). Betrachtet man die fadenförmigen DNA-Stränge mithilfe komplexer Röntgenstrukturanaly- sen, dann zeigen sich zwei parallel verlaufende Stränge, die in Längsrichtung umeinander- gewunden sind – ähnlich einer sehr langen Wendeltreppe. Fachsprachlich bezeichnet man diese gewundene Struktur aus zwei Strängen als Doppelhelix. Bleibt man bei diesem Bild, dann könnte man in den Stufen der Wendeltreppe sog. Nukle- obasen sehen, von denen jeweils zwei miteinander verbunden sind und zusammen eine Stufe bilden. Die Bezeichnungen der Nukleobasen sind Adenin (A), Thymin (T), Guanin (G) und Cytosin (C). Der eigentliche Strang, das Rückgrat der DNA (vergleichbar mit dem Geländer der Wendel- treppe), wird gebildet aus einander abwechselnden Zucker- und Phosphatmolekülen. Der Zucker (Desoxyribose bei DNA, Ribose bei RNA) dient den Nukleobasen zur „Befestigung“, wobei die Stufen der Wendeltreppe stets von den Paaren „Adenin + Thymin“ bzw. „Guanin + Cytosin“ gebildet werden (Silbernagl 2018). In der Abfolge der einzelnen Basen entlang der DNA-Einzelstränge ist die Information verschlüsselt, nach der an den Ribosomen, aus- Proteinogene Amino- gehend von 21 unterschiedlichen sog. proteinogenen Aminosäuren, Proteine gebildet säuren werden (Silbernagl 2018). Bis 1986 ging man allge- mein davon aus, dass die vom Menschen selbst Die RNA unterscheidet sich geringfügig von der DNA, weil bei ihr Ribose (statt Desoxyri- gebildeten Eiweiße aus 20 bose) zusammen mit Phosphat das Rückgrat bildet und weil die Nukleobase Thymin verschiedenen Amino- säure-Bausteinen gebil- durch Uracil ersetzt ist. Im Übrigen ist die RNA meist einzelsträngig und kommt nicht als det werden. Heute kennt Doppelhelix vor. man Selenocystein als 21. Aminosäure der Protein- biosynthese. Proteinbiosynthese Proteine (Eiweiße) sind aus Aminosäuren (AS) aufgebaut. Die meisten Proteine sind zwi- schen 100 und 500 AS lang, das längste bekannte Protein (Titin) ist aus 30.000 AS aufge- baut. Kürzere Aminosäureketten werden als (Poly-)Peptide (10 – 100 AS) bzw. Oligopeptide (4 – 10 AS) bezeichnet (Menche 2020, S. 25). Insgesamt 21 verschiedene Aminosäuren stehen der menschlichen Zelle zur Verfügung, um sie durch sog. Peptidbindungen zu verknüpfen und daraus Proteine bzw. Peptide auf- zubauen. Die Art, wie diese Aminosäureketten geknäuelt und gefaltet sind – ihre räumliche Struktur also – ist für jedes einzelne Protein einzigartig. 20 Der Bauplan unserer selbst gebildeten Proteine ist in der DNA verschlüsselt. Derjenige Abschnitt der DNA, der den Bauplan für ein spezielles Protein enthält – in der Molekularbi- ologie würde man sagen, „der für ein bestimmtes Protein codiert“ – wird als Gen bezeich- net. Gebildet werden die Proteine an den Ribosomen – verschlüsselt ist ihr Bauplan, wie bereits besprochen, in der DNA. Die DNA befindet sich im Zellkern und kann den Zellkern nicht verlassen. Die Ribosomen befinden sich im Zytosol, was bedeutet, dass die Informa- tion über das zu bildende Protein aus dem Zellkern übermittelt werden muss. Das ist Auf- gabe der Boten-RNA (mRNA). Sie wird bei der sog. Transkription als Kopie der DNA gebil- det, umfasst allerdings nur ein einzelnes Gen und dient den Ribosomen als Vorlage (Matrize) bzw. Bauplan für ein bestimmtes Protein. Den Vorgang der Übersetzung der mRNA-Information in eine Aminosäureabfolge nennt man Translation. Eine wichtige Rolle spielt hierbei noch die Transfer-RNA (tRNA). Sie liefert die jeweiligen Aminosäuren an, und spielt eine entscheidende Rolle dabei, den genetischen Code der mRNA in die korrekte Aminosäureabfolge zu übersetzen. 1.3 Zellzyklus und Zellteilung Die meisten menschlichen Gewebe bestehen aus Zellen, die sich in einem stetigen Wech- sel zwischen einer Arbeitsphase (Interphase) und einer Teilungsphase (Mitose) befinden. Die Teilungen sind notwendig, um Wachstum und Anpassung zu ermöglichen und ganz besonders auch, um ggf. abgestorbene Zellen zu ersetzen. Auffällig und in Bezug auf ihren Zellzyklus erwähnenswert sind einerseits die allermeisten Nervenzellen des Gehirns, die nachgeburtlich keinerlei Zellteilung mehr zeigen, sich also das ganze Leben über in der Arbeitsphase befinden und andererseits z. B. die Schleim- häute, die eine hohe Teilungsrate (Proliferationsrate) vorweisen, was wiederum zur Folge hat, dass sie sich z. B. nach einer Verletzung sehr schnell regenerieren können (Faller 2020). Interphase Menschliche Zellen, zumindest diejenigen, die zur Zellteilung fähig sind, durchlaufen sog. Zellzyklen. Ein Zellzyklus besteht aus einer sog. Teilungsphase – bei normalen Körperzel- len als Mitose bezeichnet – und aus einer Interphase, der Phase zwischen den Teilungen, in der die Zelle ihrer eigentlichen Arbeit nachgeht (Menche 2020, S. 43ff.). Die Interphase wird noch einmal aufgeteilt in die G1-Phase, die S-Phase und die G2-Phase. 21 Abbildung 3: Zellzyklus einer menschlichen Tumorzelle in Kultur Quelle: Ralf K. Reinhardt 2020. In der G1-Phase ist die Zelle gewissermaßen im Arbeitsmodus. Zellen, die nicht zur weite- ren Teilung befähigt sind, z. B. die meisten Nervenzellen, befinden sich ständig in dieser Phase. Man spricht dann auch von einer G0-Phase. In der G1-Phase liegen die 46 Chromosomen in der Einzelstrangversion, also als Einchro- matidchromosomen, vor. Die DNA kann abgelesen und kopiert werden, die Zelle kann Pro- teine herstellen, Zellorganellen werden ggf. ergänzt. Die Zelle geht ihrer Arbeit nach. Wird die Zelle nun, z. B. durch den Einfluss von Hormonen, gewissermaßen beauftragt, sich zu teilen, muss sie zunächst ihr genetisches Material verdoppeln, um nach der Teilung 2n in jeder der beiden neu entstandenen Zellen die normale Menge (2n) an DNA zu haben. Ein einfacher Erbsatz, der für den kompletten Men- schen steht, wird mit In der sog. Synthesephase (S-Phase) wird jeder der 46 Chromosomenstränge verdoppelt, einem n bezeichnet. 2n aus 46 Einchromatidchromosomen (Einstrangchromosomen) werden 46 Zweichromatid- steht für den doppelten chromosomen (Zweistrangchromosomen). Aus einem doppelten Erbsatz (auch Chromo- Erbsatz, den menschliche Zellkerne stets enthalten. somensatz genannt, 2n) wird ein vierfacher Erbsatz (4n). Zu beachten ist, dass die beiden Chromatiden (Stränge) der Chromosomen (das ursprüngliche und das neu gebildete) jeweils am sog. Zentromer zusammenhängen. Weil der Begriff Chromosom für „zusam- menhängende Gene“ steht, zählt man am Ende der S-Phase weiterhin 46 Chromosomen, allerdings sind es jetzt 46 Zweichromatidchromosomen statt 46 Einchromatidchromoso- men. In der G2-Phase schließlich wird die eigentliche Mitose vorbereitet und ganz wichtig: Die in der S-Phase neu gebildete DNA wird korrekturgelesen und ggf. repariert. 22 Die Dauer der einzelnen Phasen kann man nicht auf die Minute genau angeben. Ganz besonders die G1-Phase kann sehr unterschiedlich lang sein. Beispielhaft bezogen auf den Zellzyklus menschlicher Tumorzellen in Gewebekultur würde die G1-Phase etwa acht Stunden dauern, S-Phase wäre ca. sechs Stunden lang und die G2-Phase etwa vier Stun- den. Die anschließende Mitose dauert in etwa eine Stunde, sodass ein kompletter Zellzyklus in ca. 19 Stunden durchlaufen sein sollte (Munk 2000, S. 13ff.). Teilungsphase (Mitose) Der Begriff Mitose steht für die Teilung einer eukaryontischen Zelle. Streng genommen handelt es sich um die Teilung des Zellkerns. Die darauffolgende Teilung des Zytoplasmas, die Zytokinese, wird von den meisten Autoren nicht zur Mitose gerechnet (Menche 2020, S. 43ff.). Bei der Mitose entstehen aus einer diploiden (2n) Mutterzelle, d. h. aus einer Körperzelle mit dem normalen, doppelten Erbsatz, zwei zur Mutterzelle genetisch identische, eben- falls diploide Tochterzellen. Damit das passieren kann, wurde die DNA-Menge bereits in der S-Phase der Interphase vorab verdoppelt (4n). Zu Beginn der Mitose liegt innerhalb des Zellkerns also ein vierfa- cher Erbsatz vor. Die 46 Chromosomen verfügen jeweils über zwei Stränge, man spricht von Zweichromatidchromosomen. Die Mitose selbst wird in mehrere Phasen eingeteilt, wobei teilweise von vier Phasen und teilweise von fünf Phasen gesprochen wird. Die fünf Phasen der Mitose sind: 1. Prophase, 2. Prometaphase (wird meist der Prophase zugerechnet), 3. Metaphase, 4. Anaphase, 5. Telophase. 23 Abbildung 4: Phasen der Mitose (+ Zytokinese) Quelle: Ralf K. Reinhardt 2020. Die erste Phase der Mitose wird als Prophase bezeichnet. Hier trennen sich die beiden Zentrosomen sog. Zentrosomen und wandern an entgegengesetzte Pole der Zelle aus. Von ihnen wird Das sind zylinderförmige später die Mitosespindel ausgehen. Eiweißstrukturen, die zum Zytoskelett gerech- net werden. Weil die Chromosomen zunächst noch als lange, dünne, fadenförmige Moleküle vorliegen und weil sie in dieser Form nicht sortiert oder angeordnet werden könnten, ohne sich inei- nander zu verknäueln und verknoten, werden sie in eine Transportform gebracht. Ähnlich einem Wollfaden, der zunächst in ein Wollknäuel aufgeknäuelt wird, werden die Chromo- somen um sog. Histone gewickelt, man spricht davon, dass die Chromosomen kondensie- ren. Durch diesen Prozess werden die Chromosomen bedeutend kürzer und dicker. Erst jetzt sind sie mit dem Lichtmikroskop zu sehen. Das ist übrigens auch der Grund, warum sehr viele Lehrbücher die Chromosomen als x-förmige Zweichromatidchromosomen zei- gen, die in der eigentlichen Arbeitsphase der Zelle so gar nicht vorkommen. Die nun folgende Prometaphase wird in den meisten Lehrbüchern der Prophase zuge- rechnet. Hier zerfällt die Hülle des Zellkerns, und es werden, ausgehend von den Zentroso- men, Mikrotubuli, sog. Teilungsspindeln, gebildet, die am Zentromer der Chromosomen ansetzen. In der Metaphase werden die Chromosomen durch die Mikrotubuli in die Äquatorialebene der Zelle gezogen. In der Anaphase werden die 46 Zweichromatidchromosomen jeweils getrennt. Das X wird gewissermaßen auseinandergerissen, und die beiden Schenkel – die Chromatiden – wer- den zu den entgegengesetzten Polen gezogen. Ist dieser Prozess beendet, befinden sich an jedem der beiden Pole 46 Einchromatidchromosomen, genau die Art und Anzahl an Chro- mosomen der einstigen Mutterzelle. 24 Die letzte Phase der Mitose ist die Telophase. Die Mikrotubuli lösen sich auf, an jedem der beiden Pole entsteht eine neue Kernhülle, und die Chromosomen werden wieder entknäu- elt, sie dekondensieren. Nun werden die Zellen getrennt, d. h., es folgt die Zytokinese (Menche 2020, S. 43ff.). Meiose Die Meiose unterscheidet sich von der Mitose dadurch, dass zwei Teilungsschritte hinterei- nander erfolgen, und dass die Teilungsprodukte jeweils nur einen einfachen Erbsatz (n) enthalten und genetisch nicht mit der Mutterzelle identisch sind. Sie kommt ausschließ- lich bei der Bildung von Eizelle und Spermium vor. Zunächst kommt es in Vorbereitung der Meiose, wie auch bei der Mitose, zu einer Verdop- pelung des Erbguts. Aus 46 Einchromatidchromosomen werden 46 Zweichromatidchro- mosomen. Das normalerweise diploide Erbgut (2n) wird verdoppelt (4n). Die nun folgende erste meiotische Teilung, die auch als Reduktionsteilung bezeichnet und (wie bei der Mitose) in eine Pro-, Meta-, Ana- und Telophase eingeteilt wird, zeigt nun aber wesentliche Unterschiede zur klassischen Mitose. Abbildung 5: Wichtige Phasen der Meiose Quelle: Ralf K. Reinhardt 2020. So kommt es in der Prophase der ersten meiotischen Teilung zu einer Paarung der homo- logen Chromosomen (Zweichromatidchromosomen). Sie legen sich dabei nebeneinan- der und überkreuzen jeweils ihre Chromatiden. Dabei tauschen sie gleich große Chromati- denstücke aus. Dieser Vorgang wird als Crossing Over bezeichnet. 25 Homologe Chromo- Die auf das Crossing Over folgenden Phasen der ersten meiotischen Teilung unterscheiden somen sich von der klassischen Mitose dadurch, dass in der Anaphase nicht die einzelnen Zwei- Der menschliche Zellkern enthält 22 Paare sog. chromatidchromosomen getrennt werden, sondern die homologen Zweichromatidchro- Autosomen sowie 2 Chro- mosomen. Die Xe bleiben gewissermaßen intakt, die beiden homologen Xe werden aber mosomen, die für das zu jeweils gegenüberliegenden Polen gezogen. Geschlecht stehen (XX oder XY). Die Autosomen- paare werden jeweils als In der Telophase der ersten meiotischen Teilung finden sich somit an den beiden Polen homolog bezeichnet, weil der Zelle jeweils 23 Zweichromatidchromosomen. sie dieselben Genorte (Loci) enthalten. Jedes autosomale Gen kommt Bei der zweiten meiotischen Teilung, der Äquationsteilung, werden dann die Zweichroma- somit mindestens zwei- mal vor. tidchromosomen getrennt, d. h., aus 2 x 23 Zweichromatidchromosomen werden 4 x 23 Einchromatidchromosomen, also exakt die Ausstattung eines Spermiums oder einer Eizelle. Das Besondere an der Meiose ist also erstens das Crossing Over, bei dem Gene zwischen den Chromosomen ausgetauscht und somit quasi „neu gemischt“ werden und zweitens die zwei Teilungsschritte, die am Ende haploide (n) Teilungsprodukte hervorbringen. Im Fall der Spermatogenese entstehen somit aus einer Stammzelle vier Spermien, bei der Bildung der Eizelle (Oogenese) werden drei der vier Teilungsprodukte zu inaktiven sog. Polkörperchen und nur eines zur Eizelle. Verschmelzen Eizelle und Spermium bei der Befruchtung miteinander, entsteht eine sog. Zygote mit diploidem (2n) Erbsatz, die sich fortan mitotisch teilt, bis bei den Zellen der Keimbahn – und nur dort – wieder Meiosen durchlaufen werden, um erneut Spermien bzw. Eizellen zu bilden (Menche 2020, S. 45f.). Regeneration und Anpassung Regeneration beschreibt die Wiederherstellung des gesunden Normalzustands, also z. B. die Heilung des verletzten Gewebes nach einer Schnittverletzung. Anpassung steht für das Reagieren auf geänderte Belastungssituationen, z. B. wenn infolge sportlichen Trainings die Muskulatur an Volumen gewinnt (Pape 2019). Wichtige Begriffe in diesem Zusammenhang sind (Silbernagl 2018): Hypertrophie Gewebewachstum durch Volumenzunahme der Zellen die Zellzahl bleibt konstant Bsp.: Wachstum der Skelettmuskulatur Atrophie Geweberückgang durch Volumenabnahme der Zellen die Zellzahl bleibt konstant Bsp.: Rückbildung der Skelettmuskulatur 26 Hyperplasie Gewebewachstum durch vermehrte Zellteilung das Zellvolumen bleibt konstant Bsp.: Tumorwachstum Aplasie Geweberückgang durch Abnahme der Zellzahl das Zellvolumen bleibt konstant Bsp.: Anämie („Blutarmut“) Die Definitionen und die Verwendung der genannten Begriffe sind nicht einheitlich gere- gelt. Teilweise wird z. B. der Begriff Aplasie für das vollkommene Fehlen eines kompletten Organs infolge pathologischer Entwicklung in der Embryonal- bzw. Foetalphase gebraucht. Der Begriff Atrophie steht dann für die Ausbildung eines verkleinerten bzw. ver- kümmerten Organs. Die Begriffe Hypoplasie und Hypotrophie werden oft synonym zu Aplasie und Atrophie verwendet. Hinsichtlich des Zelltods werden die Begriffe Nekrose (pathologischer Zelltod) und Apop- tose (programmierter Zelltod) unterschieden. Apoptose Programmierter Zelltod kommt z. B. im Laufe der Embryonalentwicklung vor, wenn Gewebe, die 1.4 Transportprozesse nur beim Embryo vor- kommen (z. B. „Schwimmhäute“ zwi- Bei den Transportprozessen im zellulären Bereich können der intrazelluläre Transport schen den Fingern) gezielt abgebaut werden. (Transport innerhalb der Zelle) und der transmembranäre Transport (Transport durch die Zellmembran aus der oder in die Zelle) unterschieden werden (siehe dazu Menche 2020, S. 37ff.). Transportprozesse innerhalb der Zelle erfolgen in der Regel durch Vesikel, die über sog. Vesikel Motorproteine (z. B. Kinesin oder Dynein) entlang der Mikrotubuli des Zytoskeletts bewegt Das sind flüssigkeitsge- füllte „Bläschen“, deren werden. Kinesin transportiert Vesikel in Richtung der Peripherie der Zelle (anterograd), Hülle einer Membran Dynein transportiert Vesikel in die entgegengesetzte Richtung (retrograd). gleicht oder aus Protei- nen gebildet ist. Der Transport durch die Zellmembran erfolgt teilweise passiv und teilweise aktiv. Passiver Transport verbraucht keine Energie. Die betreffenden Stoffe bewegen sich entlang eines Konzentrationsgradienten hin zu derjenigen Seite der Membran, auf der sie in geringerer Konzentration vorliegen. Lipophile (fettliebende) und sehr kleine unpolare Moleküle dif- fundieren dabei direkt durch die Membran hindurch. Alle anderen Moleküle finden ihren Weg durch sog. Tunnelproteine, die ggf. wiederum durch spezielle Rezeptoren geöffnet oder geschlossen werden können und teilweise selektiv nur einen ganz bestimmten Stoff durchlassen. Eine andere Möglichkeit ist der Transport durch spezielle Carrier, die selbst sehr gut durch die Membran kommen und andere Moleküle dabei als Fracht mitnehmen können. Aktiver Transport verbraucht Energie, z. B. in Form von ATP, und kann auch entge- gen einen chemischen Gradienten, d. h. in Richtung höherer Konzentration, stattfinden. Im Einsatz sind hier spezielle Transportproteine, die auch als Pumpen bezeichnet werden. 27 Werden mehrere Stoffe gleichzeitig in dieselbe Richtung transportiert, spricht man von einem Symport; der Transport unterschiedlicher Stoffe in entgegengesetzte Richtungen wird als Antiport bezeichnet. In Bezug auf den passiven Transport ist der Begriff der Diffusion wichtig, also die gerich- tete Bewegung von Stoffen hin zu einem Ort niedrigerer Konzentration sowie die Osmose, die für die gerichtete Bewegung von Wasser als Lösungsmittel hin zum Ort der höheren Isotonisch Konzentration wasserlöslicher Stoffe steht. Der Begriff isotonisch steht für eine ausgegli- Isotonische Getränke sind chene Konzentration wasserlöslicher Stoffe auf beiden Seiten einer Membran. Hypoto- besonders im sportlichen Bereich beliebt. Sie ent- nisch beschreibt Flüssigkeiten mit einer vergleichsweise niedrigeren Konzentration was- sprechen in ihrer Elektro- serlöslicher Stoffe; Flüssigkeiten mit einer vergleichsweise höheren Konzentration werden lytzusammensetzung der als hypertonisch bezeichnet. des menschlichen Blutes, und können deswegen sehr gut und ohne grö- Ergänzend zu erwähnen ist der sog. membranverlagernde Transport, bei dem kurze ßere Regulation durch die Abschnitte der Zellmembran bläschenartig eingestülpt werden können, um Stoffe aus der Niere verwertet werden. Umgebung in die Zelle aufzunehmen (Endozytose), oder aber intrazelluläre Vesikel (Bläs- chen) mit der Zellmembran verschmelzen und dabei ihren Inhalt nach außen abgeben (Exozytose). ZUSAMMENFASSUNG Der menschliche Körper ist aus Zellen aufgebaut, die einen weitgehend ähnlichen Bauplan zeigen. Sie alle sind von einer Plasmamembran umgrenzt, in ihrem Inneren befindet sich eine wässrige Flüssigkeit, die als Zytosol bezeichnet wird, und im Zytosol sind die Zellorganellen. Von innen her stabilisiert werden die Zellen durch das Zytoskelett. Zu den Zellorganellen wird u. a. der Zellkern gerechnet, der das Erbgut DNA beinhaltet, das wiederum den gesamten Bauplan des Menschen speichert. Nicht alle Zellen verfügen über genau einen Zellkern. Rote Blutkörper- chen kommen ohne Zellkern aus, Skelettmuskelzellen haben über 100 davon. Weitere wichtige Zellorganellen sind die Mitochondrien (Energiestoff- wechsel), die Ribosomen (Proteinbiosynthese) und das Endoplasmati- sche Retikulum (Abgrenzung von Räumen innerhalb der Zelle). Zellen vermehren sich durch Teilung. Zunächst teilt sich der Zellkern, dann werden die neuen Zellen abgeschnürt. Im Bereich der nicht geschlechtlichen Körperzellen spricht man beim Teilungsvorgang von einer Mitose, die Geschlechtszellen (Eizelle und Spermium) werden durch die Meiose gebildet. 28 Die Teilungsprodukte der Mitose sind genetisch identische Tochterzel- len, während durch die Meiose genetisch nicht identische Zellen entste- hen, die einen reduzierten Erbsatz aufweisen. Werden menschliche Gewebe verletzt, können sie sich in vielen Fällen regenerieren. Werden sie Belastungen ausgesetzt, können sie sich anpassen. Wichtige Begriffe in diesem Zusammenhang sind Hypertro- phie, Hyperplasie, Atrophie und Aplasie. Um sich zu regenerieren oder anzupassen sind eine Vielzahl an Stoff- wechselvorgängen notwendig, die u. a. auch den Stofftransport inner- halb der Zelle oder in die Zelle bzw. aus der Zelle umfassen. Hier werden aktive, energieverbrauchende Vorgänge von passiven Vorgängen unter- schieden. 29 LEKTION 2 ZENTRALES NERVENSYSTEM LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – wie Nervenzellen (Neurone) aufgebaut sind. – wie Gehirn und Rückenmark anatomisch und funktionell eingeteilt werden können. – welche Komponenten zum peripheren Nervensystem gerechnet werden. – wie sich das vegetative und das somatische Nervensystem unterscheiden. – über welche Sinne der Mensch verfügt und wie sie wahrgenommen werden. 2. ZENTRALES NERVENSYSTEM Einführung Zum zentralen Nervensystem zählen das Gehirn und das Rückenmark. Insbesondere das Gehirn ist mit seinen über 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen) das komplizierteste aller Organe. Es steht mit zahlreichen unterschiedlichen Rezeptoren in Verbindung und erhält durch sie Informationen aus unserer Umwelt (Afferenzen). Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen – all diese Informationen werden vom Gehirn verarbeitet und wenn nötig wird auf sie reagiert, z. B. indem das Gehirn über das System der Willkürmotorik unsere Muskeln ansteuert (Efferenzen) und Bewegung möglich macht. Ohne dass es uns bewusst wird, sogar während wir schlafen, reguliert das Gehirn zudem unsere sog. Vital- funktionen und steuert so lebenswichtige Vorgänge wie die Atmung oder den Blutdruck. Darüber hinaus verarbeitet es komplexeste Informationen und ermöglicht uns, unseren Alltag und unser Leben zu planen, zu lernen, Erinnerungen zu speichern und eine Persön- lichkeit zu entwickeln. 2.1 Die Nervenzelle (Neuron) Zelluläre Grundlage des Nervensystems ist das Neuron. Mindestens 100 Milliarden Neu- rone finden sich im menschlichen Gehirn. Die schnellsten unter ihnen leiten elektrische Impulse mit einer Geschwindigkeit von bis zu 430 km/h (120 m/sec) und sie können bis zu 500 einzelne Impulse pro Sekunde versenden (Faller 2020). 32 Abbildung 6: Grundstruktur eines Neurons Quelle: Getty Images Plus o. J.a. Nervenzellen sind prinzipiell nach einem einheitlichen Schema aufgebaut, wobei es zahl- reiche Ausnahmen und Spezialisierungen gibt. Der eigentliche Zellkörper der Nervenzelle, in dem sich auch der Zellkern befindet, wird als Perikaryon oder Soma bezeichnet. Die verästelten Fortsätze am Zellkörper sind die sog. Dendriten. Sie sind, ähnlich kleinen Antennen, für die Aufnahme von Reizen verant- wortlich. Die allermeisten Nervenzellen besitzen Dendriten; sind sehr viele davon ausge- bildet, spricht man von einem multipolaren Neuron. Elektrische Impulse, sog. Aktionspotentiale, die die Nervenzellen selbst erzeugen und in Richtung der nachgeschalteten Zelle von sich weg leiten, verlassen den Zellkörper über das Axon. Nervenzellen haben immer genau ein Axon, d. h. niemals mehr als eins und stets mindestens eins. Nervenzellen ohne Axon gibt es nicht. Das Axon kann sich in der Peripherie vielfach aufspalten und 1.000-fach verzweigen. Sämt- liche dieser über 1.000 Verzweigungen gehen aber dennoch von einem Axon aus und rea- gieren gemeinsam (spektrum.de 1999). Das Ende der Axone bilden sogenannte präsynaptische Endknöpfchen. In ihnen ist eine chemische Substanz, der sogenannte Neurotransmitter, gespeichert. Erreicht ein Aktions- potential das präsynaptische Endknöpfchen, dann wird dort der Neurotransmitter ausge- schüttet. 33 Myelinscheide Die Umhüllung des Axons wird als Myelinscheide oder Schwannsche Scheide bezeichnet. Die Myelinscheide wird Die meisten Neurone verfügen über eine solche Umhüllung. Man bezeichnet sie als mark- gebildet von Gliazellen (Oligodendrozyten [ZNS], haltige Neurone. Schwann-Zellen [PNS]). Sie bildet eine elektrische Die Myelinscheiden werden unterbrochen von sog. Ranvierschen Schnürringen. An den Isolierung und ermöglicht saltatorische Erregungs- Ranvierschen Schnürringen ist das Axon nicht umhüllt, es liegt frei, und die Aktionspoten- leitung. tiale springen von Schnürring zu Schnürring. Wegen dieser sprunghaften Weiterleitung spricht man auch von saltatorischer Erregungsleitung. Von einer Myelinscheide umgebene Axone werden auch als Nervenfaser bezeichnet. Bündel solcher Nervenfasern bilden einen Nerv (Menche 2020, S. 72). Neurotransmitter Neurotransmitter sind Botenstoffe. Ähnlich den Botenstoffen des übrigen Körpers, die man als Hormone bezeichnet, vermitteln sie Informationen auf chemischem Wege. Sie werden in den präsynaptischen Endknöpfchen der Neurone gespeichert und freigesetzt, wenn ein elektrischer Impuls, ein Aktionspotential, die präsynaptischen Endknöpfchen erreicht. An der Zielzelle – das ist in der Regel eine andere Nervenzelle, es kann aber auch z. B. eine Muskelzelle sein – befinden sich Rezeptoren für diese Neurotransmitter, an die sie andocken und so auf die nachgeschaltete Zelle einwirken können. Es sind zahlreiche unterschiedliche Neurotransmitter bekannt. Besonders wichtig und in ihrer Wirkung gut untersucht sind Dopamin, Serotonin und Azetylcholin. Dopamin ist u. a. durch den sog. Morbus Parkinson bekannt, bei dem es in zu niedriger Konzentration gebil- det wird und die drei hauptsächlichen Symptome Rigor (Muskelsteifheit), Tremor (Zittern) und Akinese (Bewegungsarmut) verursacht. Serotonin ist verantwortlich für Stimmungen oder Affekte und spielt bei der Entwicklung und Behandlung von Depressionen eine wichtige Rolle. Azetylcholin ist der einzige Neuro- transmitter, über den elektrische Reize von der Nervenzelle auf Muskelzellen übertragen werden können, um so die Muskulatur zu steuern (Silbernagl 2018). Reizleitung und Reizübertragung Die Informationsverarbeitung zwischen Nervenzellen erfolgt in der Regel, indem sich elektrische Phänomene, die Weiterleitung von Aktionspotentialen entlang der Axone, abwechseln mit chemischen Phänomenen, also der Ausschüttung von Neurotransmittern aus dem präsynaptischen Endknöpfchen (Faller 2020). Rezeptoren für Neurotransmitter finden sich auf den Dendriten, aber auch auf dem Zell- körper. Die präsynaptischen Endknöpfchen bilden zusammen mit dem angrenzenden Teil der nachgeschalteten Zelle die Synapse. Die beiden die Synapse bildenden Zellen berüh- ren sich an der Synapse nicht, sie kommen sich aber sehr nahe. Der synaptische Spalt zwi- schen ihnen ist gerade mal ca. 20 Nanometer breit. 34 Nervenzellen können sehr viele afferente (zuführende) Synapsen bilden; die ausgeschüt- teten Neurotransmitter können jeweils erregend (exzitatorisch) oder hemmend (inhibito- risch) auf die nachgeschaltete Zelle wirken. Überwiegt in Summe die Erregung, dann wird die betreffende Nervenzelle selbst aktiv und sendet Impulse (Aktionspotentiale) über ihr Axon in die Peripherie zu den präsynaptischen Endknöpfchen. Die chemische Übertragung in der Synapse ist in medizinischem Zusammenhang auch deswegen interessant, weil sie die Möglichkeit bietet, auf ebenfalls chemischem Wege (über Medikamente) in diese Übertragung einzugreifen und so möglicherweise Erkrankun- gen wie Depressionen zu behandeln. 2.2 Das zentrale Nervensystem Zum zentralen Nervensystem (ZNS) zählen das Gehirn und das Rückenmark. Nervenbah- nen und Nervengeflechte, die außerhalb des ZNS verlaufen, werden zum peripheren Ner- vensystem (PNS) zusammengefasst. Die Einteilung des Nervensystems erfolgt teilweise nach rein anatomischen Gesichtspunk- ten, d. h., es werden anatomisch abgrenzbare Bereiche sowie deren Funktion beschrie- ben. Teilweise erfolgt die Einteilung aber auch nach funktionellen Gesichtspunkten, und es werden z. B. sämtliche Bereiche zusammengefasst, die an der Regulation bestimmter Körperfunktionen beteiligt sind. Das Gehirn Das menschliche Gehirn wiegt durchschnittlich 1.375 g (Männer) bzw. 1.245 g (Frauen), also grob geschätzt ca. zwei Prozent des Körpergewichts, es verbraucht aber 20 Prozent unserer Energie. Über 100 Milliarden Neurone verarbeiten Informationen, die das Gehirn über lediglich ca. 2,5 Millionen afferente Neurone erreichen bzw. über ca. 1,5 Millionen efferente Neurone wieder verlassen. Die Speicherkapazität dieses faszinierenden Organs ist nahezu unbegrenzt (zum Themengebiet Gehirn siehe z. B. Menche 2020, S. 151ff. sowie zahlreiche weiterführende neurologische Literatur). Die jeweils genannten Zahlen können geringfügig unterschiedlich sein. Das liegt daran, dass es sich weitgehend um Schätzun- gen handelt, weil objektive Messmethoden fehlen und die Spielräume bzw. Variationen zwischen Menschen groß sind. Nach anatomischen Gesichtspunkten kann das Gehirn in sechs Abschnitte gegliedert wer- den. 35 Abbildung 7: Sechs Abschnitte des Gehirns (Sagittalschnitt) Quelle: Thieme Bilddatenbank 2021a. Direkt an das Rückenmark grenzt das Verlängerte Mark (Medulla oblongata). Sie spielt eine bedeutende Rolle hinsichtlich der Regulation der Vitalfunktionen, d. h., hier werden Kreislauf, Atmung und andere wichtige Lebensfunktionen gesteuert. Darüber hinaus wer- den in der Medulla oblongata komplexe Reflexe (Fremdreflexe) verarbeitet. Nicht zuletzt ist die Medulla oblongata Sitz und Ursprung unserer Instinkte und Triebe, die das mensch- liche Verhalten sehr stark prägen. Die Brücke (Pons) kann man sich als gigantische Umschaltstation vorstellen. Sie verbindet unterschiedliche Abschnitte des Gehirns, beinhaltet wichtige Regulationszentren der Atmung, verbindet und verschaltet das Kleinhirn mit dem Rest des Gehirns. In der Brücke beginnen auch die für die Willkürmotorik sehr wichtigen Pyramidenbahnen. Das Mittelhirn (Mesencephalon) bildet zusammen mit der Brücke und dem verlängerten Mark den Hirnstamm. Hier liegen sog. Kerngebiete (Nervenzellansammlungen) der Moto- rik, und hier wird auch die Schmerzwahrnehmung maßgeblich verarbeitet. Das Krank- heitsbild des Morbus Parkinson hat seine Ursache in einer Rückbildung der sog. Substan- tia nigra, die Teil des Mittelhirns ist. Das Kleinhirn (Cerebellum) gleicht einer extrem großen externen Festplatte, auf der v. a. erlernte Bewegungsabläufe gespeichert werden können. Das Kleinhirn ist unabdingbar für Feinmotorik, Gleichgewicht und Bewegung allgemein. 36 Im Zwischenhirn (Diencephalon) wird u. a. der Tag-Nacht-Rhythmus – über eine Erhö- hung des Melatoninspiegels bei Dunkelheit – entscheidend durch die Zirbeldrüse (Epi- physe) gesteuert. Hier liegt auch der Thalamus, der umgangssprachlich auch als Tor zum Bewusstsein bezeichnet wird. Er filtert die meisten unserer Sinneseindrücke, damit unser Gehirn nicht von einer Fülle von Eindrücken überlastet wird. Anatomisch betrachtet ganz unten im Zwischenhirn liegt der Hypothalamus. Er ist von großer Bedeutung als Schalt- stelle zwischen dem Gehirn und unserem Hormonsystem. Von unten her mit dem Hypo- thalamus verbunden ist die Hypophyse, die eingeteilt werden kann in den Hypophysen- vorderlappen (Adenohypophyse) und den Hypophysenhinterlappen (Neurohypophyse). Hypophysenhinter- Während die Neurohypophyse die Neurohormone Vasopressin (= Antidiuretisches Hor- lappen Die Neurohypophyse ist mon [ADH], Adiuretin) und Oxytocin (u. a. auch als „Wehenhormon“ bekannt) abgibt, bil- ein sog. Neurohämalor- det die Adenohypophyse u. a. sog. glandotrope Hormone, mit denen sie periphere Hor- gan, d. h., sie bildet die mondrüsen, z. B. die Schilddrüse, steuert. Hormone, die sie abgibt, nicht selbst, sondern speichert sie lediglich. Das Großhirn (Telencephalon) schließlich ermöglicht uns Menschen höhere kognitive Gebildet werden Vaso- pressin und Oxytocin im Funktionen. Es besteht aus zwei Halbkugeln (Hemisphären) und kann eingeteilt werden in Hypothalamus. die sog. Großhirnrinde (Neokortex) und in tieferliegende Kerngebiete (Nervenzellansamm- lungen). Zu den tieferliegenden Bereichen gehören die sog. Basalganglien, die bei der Ver- arbeitung der Willkürmotorik eine wichtige Rolle spielen, aber auch das Limbische Sys- tem, zu dem die Mandelkerne (Amygdala; Verarbeitung von Emotionen und Ängsten) und der Hippokampus (Kurzzeitspeicherung und Lernen) gehören. Im Neokortex werden höhere Funktionen wie Sehen, Fühlen, Sprechen, Hören, Schmecken sowie unsere kom- plexe Willkürmotorik verarbeitet. Hier werden Erinnerungen gespeichert, und hier werden auch die sog. Exekutiven Funktionen als Grundlage unserer Persönlichkeit und unseres Wesens verarbeitet. Der Neokortex ist anatomisch in sog. Lappen aufteilbar, von denen es Lappen pro Großhirnhemisphäre vier verschiedene gibt, denen jeweils bestimmte Funktionen Üblicherweise werden 4 Lappen der Großhirn- zugeordnet werden können: rinde unterschieden. Einige Autoren zählen 1. Lobus frontalis (Stirnlappen) > Willkürmotorik und Exekutive Funktionen ergänzend den Palaeokor- tex („Riechhirn“) und den 2. Lobus parietalis (Scheitellappen) > Sensibilität und Berührungsempfindung Lobus insularis (Bewer- 3. Lobus occipitalis (Hinterhauptslappen) > Sehen tung von Schmerzen) dazu. 4. Lobus temporalis (Schläfenlappen) > Hören und Sprechen (einseitig) 37 Abbildung 8: Vier Lappen des Neokortex Quelle: Thieme Bilddatenbank 2021b. Das Rückenmark Das Rückenmark (Medulla spinalis) bildet zusammen mit dem Gehirn das zentrale Nerven- system (ZNS). Es schließt direkt an die Medulla oblongata des Hirnstamms an und verläuft als ein solider Strang innerhalb des sog. Wirbelkanals abwärts bis etwa zum zweiten Len- denwirbel (L2). Ab L2 verlaufen die paarigen Wurzeln der Spinalnerven ohne gemeinsame Hülle einzeln weiter nach caudal, also in Richtung Steißbein. Dieser Bereich erinnerte die frühen Anatomen wegen seiner einzeln und frei verlaufenden Nervenwurzeln offenbar an den Schwanz eines Pferdes – er wurde und wird bis heute Cauda equina (lat. Pferde- schwanz) genannt. Betrachtet man den Querschnitt durch das Rückenmark, dann fällt zunächst die schmet- terlingsförmige graue Substanz auf, die von der sog. weißen Substanz umgeben ist. 38 Abbildung 9: Rückenmark (Querschnitt) Quelle: Ralf K. Reinhardt 2020. In der weißen Substanz verlaufen v. a. Axone, d. h., hier finden sich die aufsteigenden (afferenten) und absteigenden (efferenten) Bahnen, und hier wird Information zum Gehirn oder vom Gehirn in die Peripherie geleitet. In der grauen Substanz liegen Nervenzellkör- per, d. h., hier finden Verschaltungen statt. Die weiße Substanz lässt sich weiter gliedern in einen Vorderstrang, einen Seitenstrang und einen Hinterstrang; die graue Substanz wird analog in ein Vorderhorn, ein Seitenhorn und ein Hinterhorn aufgeteilt. Am Vorderhorn der grauen Substanz entspringen die motorischen Wurzeln der Spinalner- ven. Sie leiten als sog. efferente Neurone Efferenzen, d. h. vom zentralen Nervensystem (ZNS) wegführende Signale, in die Peripherie. Am Hinterhorn münden die afferenten (zum ZNS hinführenden) Anteile der Spinalnerven. Die eigentlichen Spinalnerven treten paar- weise zwischen den Wirbelkörpern aus. Der Mensch besitzt insgesamt 31 paarige Spinal- nerven (Menche 2020, S. 160ff.). Hirnhäute und Liquor Das Gehirn und das Rückenmark sind gleichermaßen von drei Hirnhäuten (Meningen) umgeben. Direkt an das Periost des Knochens grenzt die Dura mater (Harte Hirnhaut). Auf Periost sie folgt die Arachnoidea (Spinnwebenhaut). Die Pia mater liegt als weiche Hirnhaut dem Das Periost, umgangs- sprachlich als Knochen- Gehirn bzw. dem Rückenmark direkt auf. haut bezeichnet, umgibt den Knochen allseitig, nur Zwischen den Häuten ergeben sich Räume. Der Raum zwischen der Pia mater und der nicht an den Gelenkflä- chen. Arachnoidea wird als Subarachnoidalraum bezeichnet. In ihm findet sich der Liquor cere- brospinalis, eine klare, glukosereiche Flüssigkeit, die das Gehirn und das Rückenmark all- seitig umgibt, als Puffer oder Stoßdämpfer wirkt und bei Erkrankungen des zentralen Ner- 39 vensystems von großem diagnostischem Interesse ist. Der Subduralraum zwischen Dura mater und Arachnoidea ist physiologisch nicht sichtbar, er tritt erst in Erscheinung, wenn sich z. B. bei Subduralblutungen Blut in ihm sammelt und Raum fordert. Eine Besonderheit des Rückenmarks ist, dass hier (im Gegensatz zum Gehirn) die Dura mater nicht mit dem Periost des umgebenden Knochens verwachsen ist. Dadurch entsteht ein weiterer Raum, der sog. Epiduralraum oder Periduralraum (Menche 2020, S. 170). 2.3 Das periphere Nervensystem Das periphere Nervensystem (PNS) ist derjenige Teil des Nervensystems, der außerhalb des zentralen Nervensystems (also außerhalb von Gehirn und Rückenmark) in der Peri- pherie verläuft. Zum peripheren Nervensystem gehören: die 12 Hirnnerven, die 31 Spinalnerven und das enterische Nervensystem. Hirnnerven Die zwölf Hirnnerven entspringen direkt dem Gehirn, in erster Linie dem Hirnstamm. Zu den Hirnnerven, die, wie auch die Spinalnerven, paarig sind, gibt es jeweils einen rechten und einen linken. Sie werden üblicherweise mit einer römischen Ziffer bezeichnet. Zu den Hirnnerven gehören u. a.: der Nervus olfactorius (I), der unseren Geruchssinn zum Gehirn übermittelt, der Nervus opticus (II), der von den Augen zum Gehirn läuft, der Nervus trigeminus (V), der als „Empfindungsnerv“ das gesamte Gesicht sensibel innerviert, der Nervus facialis (VII), der als „Bewegungsnerv“ die gesamte mimische Muskulatur steuert oder auch der Nervus vagus (X), der als Hauptnerv des Parasympathikus nicht nur den Kopf- und Halsbereich innerviert, sondern auch in den Bauchraum (Abdomen) zieht. Für eine vollständige Liste aller zwölf Hirnnerven siehe Faller 2020. Spinalnerven Die 31 Spinalnerven sind gemischt, d. h., sie führen sowohl efferente Nerven aus dem Rückenmark als auch afferente Nerven in das Rückenmark. Sie treten zwischen den ein- zelnen Wirbelkörpern aus, was sie z. B. bei Bandscheibenvorfällen recht verletzbar macht. 40 Enterisches Nervensystem Das enterische Nervensystem schließlich entspricht einem Nervenzellgeflecht, das den gesamten Magen-Darm-Trakt durchzieht und starken Einfluss auf den Prozess der Verdau- ung hat. Es wird umgangssprachlich auch als „Bauchhirn“ bezeichnet und arbeitet auto- nom (selbstständig), wird aber von Sympathikus und Parasympathikus in seiner Aktivität beeinflusst. Zu den Einflussgebieten des enterischen Nervensystems gehören die Darm- motilität, also die allgemeine Beweglichkeit des Darms, sowie die Durchblutung des Darms (Faller 2020). Selbstverständlich werden auch alle bis hierhin nicht genannten Nerven der Arme, der Beine und des restlichen Körpers zum peripheren Nervensystem gerechnet. 2.4 Vegetatives Nervensystem und somatisches Nervensystem Das vegetative Nervensystem, wie auch das somatische Nervensystem, sind nach funkti- onellen Parametern definiert. Anatomisch gehören zu beiden sowohl Anteile des zentralen Nervensystems als auch Anteile des peripheren Nervensystems. Aufgabe des vegetativen Nervensystems, das auch als viszerales Nervensystem oder als autonomes Nervensystem bezeichnet wird, ist es, unsere Vitalfunktionen (Blutdruck, Atmung, Verdauung usw.) zu regulieren, ohne dass wir uns dessen bewusst sind und ohne dass wir bewusst eingreifen können bzw. müssen. Dem vegetativen Nervensystem sind darüber hinaus diverse Hormondrüsen sowie ganze Organsysteme wie das Blutgefäßsys- tem oder die Sexualorgane untergeordnet. Nach funktionellen Gesichtspunkten wird das vegetative Nervensystem eingeteilt in das sympathische Nervensystem und das parasym- pathische Nervensystem. Um das sympathische Nervensystem (kurz: Sympathikus) bzw. das parasympathische Ner- vensystem (kurz: Parasympathikus) zu verstehen, sollte man sich zunächst mit dem sog. Fight-or-Flight-Syndrom vertraut machen. Fight-or-Flight-Syndrom Nach derzeitiger Lehrmei- nung entwickelte sich das Das Fight-or-Flight-Syndrom ist ein neurophysiologischer Anpassungsmechanismus, der Fight-or-Flight-Syndrom es uns ermöglicht, unsere Körperfunktionen in Stresssituationen dahingehend anzupas- im Laufe der Evolution bei sen, dass wir kämpfen (fight) oder flüchten (flight) können. Der Blutdruck und der Herz- Menschen und Tieren gleichermaßen und ist schlag werden erhöht, das Blut wird aus dem Verdauungssystem in die Muskulatur umge- sozusagen als fertiges lenkt, die Pupillen weiten sich und der Stoffwechsel wird insgesamt angekurbelt. Das alles Programm im Gehirn vor- handen. Es muss nicht ist eine Funktion des Sympathikus. Sein Gegenspieler, der Parasympathikus, bringt uns erlernt werden. nach überstandener Stresssituation wieder zur Ruhe und macht die Wirkung des Sympa- thikus rückgängig. 41 Neben dem Sympathikus und dem Parasympathikus wird das enterische Nervensystem zum vegetativen Nervensystem gerechnet. Das enterische Nervensystem bildet ein funkti- onell und anatomisch eigenständiges System. Es wird aus anatomischer Sicht dem peri- pheren Nervensystem zugerechnet, aus funktioneller Sicht gehört es zum vegetativen Ner- vensystem. Das somatische Nervensystem unterscheidet sich funktionell vom vegetativen Nervensys- tem dahingehend, dass es unserer Willkür und unserem Bewusstsein unterliegt. Die Wahr- nehmung unserer Umwelt durch unsere Sinnesorgane gehört ebenso zum somatischen (oder animalischen) Nervensystem wie auch die bewusste Steuerung unserer Muskulatur über die Willkürmotorik (Menche 2020, S. 163ff.). 2.5 Willkürmotorik Die Willkürmotorik umfasst sämtliche Muskeln, die bewusst gesteuert werden können, also neben der Muskulatur des Bewegungsapparats auch z. B. die mimische Muskulatur, das Zwerchfell oder die Zunge. Steuerzentrale Die Steuerzentrale der Willkürmotorik liegt im Stirnlappen des Großhirns, also im Neo- Die Steuerzentrale des kortex. Von dort aus ziehen sog. primäre Motoneurone (1. Motoneurone) in den Pyrami- Großhirns hat Zugriff auf eine Vielzahl erlernter denbahnen durch das Rückenmark in die Peripherie. Auf derjenigen Höhe, in der der Bewegungsabläufe, die jeweils anzusteuernde Muskel liegt, werden die primären Motoneurone auf sekundäre im Kleinhirn gespeichert Motoneurone (2. Motoneurone) umgeschaltet, die dann durch das periphere Nervensys- werden. tem zum Muskel ziehen. Abbildung 10: Zentrale Regulation der Willkürmotorik Quelle: Ralf K. Reinhardt 2020. Am Muskel wird der Impuls des zweiten Motoneurons mithilfe des Neurotransmitters Aze- tylcholin übertragen, was letztendlich zur Kontraktion führt. 42 Ein Sonderfall der Willkürmotorik sind automatisierte Bewegungsabläufe, die durch häu- fige Wiederholungen so „in Fleisch und Blut“ übergegangen sind, dass sie nahezu ohne bewusste Steuerung ausgeführt werden können. Man spricht von reflexartigen Bewegun- gen, muss diese Bewegungsabläufe aber deutlich von den echten Reflexen abgrenzen. Echte Reflexe müssen nicht gelernt werden, sie laufen immer gleich ab, werden im ein- fachsten Fall vom Rückenmark aus gesteuert (z. B. der Patellarsehnenreflex) oder bezie- hen im komplizierteren Fall den Hirnstamm mit ein (z. B. Abstützreaktion beim Sturz). 2.6 Sinnesorgane In der klassischen Einteilung nach Aristoteles (384–322 v. Chr.) werden fünf Sinne des Men- schen unterschieden: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen. In der modernen Literatur wird oft das Gleichgewicht als sechster Sinn dazugerechnet (Frings 2019, S. 293). Die Sinnesorgane verfügen über sog. Rezeptoren, die Informationen aus der Umwelt in elektrische Impulse umwandeln, welche dann wiederum von unserem Nervensystem ver- arbeitet werden können. Der Mensch verfügt über fünf spezielle Rezeptoren, die jeweils einen speziellen, sog. adäquaten Reiz im Rahmen der Signaltransduktion umwandeln können. Beispiele für Rezeptoren bzw. deren adäquate Reize sind: Photorezeptoren (Licht) > Auge; Mechanorezeptoren (z. B. Berührung) > Haut, Zunge; Chemorezeptoren (z. B. Geschmack) > Zunge, Nase, Blutgefäße; Thermorezeptoren (Wärme) > Haut, Zunge; Nozizeptoren (Schmerzen) > Kompletter Körper (außer Gehirn und Leber). Sehen 70 Prozent der Informationen über die Umwelt kommen von den Augen. Mithilfe der Stäb- chen (Hell-Dunkel-Sehen) bzw. der Zapfen (Farbsehen) wird elektromagnetische Strahlung in optische Eindrücke übersetzt. Pro Auge stehen dafür beim Menschen ca. 6 Millionen Zapfen und 120 Millionen Stäbchen zur Verfügung. Sichtbares Licht umfasst einen Wellen- längenbereich von 400–750 nm (leicht abweichende Angaben in verschiedenen Quellen), und der Mensch kann mit seinen drei verschiedenen Zapfenarten (Rotzapfen, Grünzapfen, Blauzapfen) ungefähr 20 Millionen Farben unterscheiden (irtel.uni-mannheim.de 2020). 43 Hören Das Ohr wird eingeteilt in das äußere Ohr (Ohrmuschel und äußerer Gehörgang), das Mit- telohr (mit den Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel) und das Innenohr mit der knöchernen Schnecke und den darin enthaltenen Mechanorezeptoren. Wahrge- nommen werden können in jungen Jahren Frequenzen von ca. 16 Hz bis 20.000 Hz; schon sehr früh im Leben fallen aber bei den meisten Menschen die ganz hohen Frequenzen weg. Riechen Der Mensch hat ca. 400 verschiedene Duftstoffrezeptoren und kann damit über eine Billion Gerüche wahrnehmen (Bushdid 2014). Das Besondere an unserem Geruchssystem ist, dass praktisch nur die Bedeutung eines Geruchs analysiert wird – keine Einzelheiten (wie z. B. beim visuellen System). So ist es z. B. kein Problem, das Aussehen eines Gegenstands (z. B. Auto) zu beschreiben, während es nicht einfach ist, einen Geruch (z. B. Kaffeegeruch) in exakten Worten zu beschreiben. Man neigt hier eher dazu, Gefühle („angenehm“), Bedeutungen („steht für Frühstück“) oder Vergleiche („etwas, das bei Hitze geröstet wurde“) zu benutzen. Schmecken Schmecken wird über sog. Geschmackspapillen auf der Oberseite der Zunge ermöglicht. Ursprünglich wurde von vier Geschmacksqualitäten (süß, sauer, salzig, bitter) gesprochen, später kamen umami (fleischig) und fettig dazu. Scharf ist kein Geschmack, was seine eng- lische Übersetzung (hot) sehr deutlich ausdrückt. Es ist eine überstarke Reizung der Wär- merezeptoren der Zunge. Fühlen Das Fühlen ermöglichen uns zahlreiche unterschiedliche Rezeptoren in der Haut. Teilweise handelt es sich um ganz feine sog. Haarfollikelsensoren, die bereits reagieren, wenn sie nur um den Bruchteil eines Millimeters geschert werden. Gleichgewicht Der sechste Sinn schließlich, das Gleichgewicht, wird über die sog. Bogengänge und die beiden Maculaorgane Sacculus und Utriculus im Innenohr vermittelt (siehe dazuMenche 2020, S. 193ff.). ZUSAMMENFASSUNG Zum zentralen Nervensystem (ZNS) gehören das Rückenmark und das Gehirn. 44 Kleinste funktionelle Einheit des Nervensystems ist das Neuron. Es besteht aus Dendriten, dem Zellkörper, dem Axon und den präsynapti- schen Endknöpfchen. Mit den Dendriten kann das Neuron Informatio- nen aufnehmen und zur weiteren Analyse an den Zellkörper weiterlei- ten. Über das Axon kann das Neuron selbst elektrische Signale über teils weite Strecken übermitteln, die dann am präsynaptischen Endknöpf- chen zur Ausschüttung von Neurotransmitter führen. Das menschliche Gehirn kann nach anatomischen Gesichtspunkten in sechs Abschnitte eingeteilt werden. Das verlängerte Mark, die Brücke und das Mittelhirn werden zum Hirnstamm zusammengefasst. Aufgabe des Hirnstamms ist die Steuerung lebenswichtiger Vitalfunktionen. Hauptsächliche Aufgabe des Kleinhirns ist es, erlernte Bewegungsab- läufe zu speichern, um sie dem Großhirn und der Willkürmotorik zur Ver- fügung zu stellen. Das Zwischenhirn steuert den Tag-Nacht-Rhythmus, filtert Sinneseindrücke, bevor sie an das Bewusstsein weitergeleitet wer- den und ist eine sehr wichtige Schnittstelle zwischen dem Nervensystem und dem Hormonsystem. Den komplexesten Teil des Gehirns bildet das Großhirn. In der Tiefe seiner beiden Halbkugeln liegen Kerngebiete der Motorik, aber auch das limbische System, zu dem die Mandelkerne (Emotionen) und der Hippokampus (Lernen) gehören. Die äußere Ober- fläche des Großhirns bildet die Großhirnrinde, deren Aufgabe es ist, die höheren kognitiven Funktionen des Menschen zu verarbeiten. Das Rückenmark verbindet das Gehirn mit der Peripherie. In ihm leiten afferente Bahnen Informationen zum Gehirn bzw. ziehen efferente Bah- nen in die Peripherie und dort v. a. zur Muskulatur. Drei Hirnhäute umgeben das Gehirn und das Rückenmark gleicherma- ßen. Zwischen der weichen Hirnhaut und Spinnwebenhaut befindet sich der Liquor cerebrospinalis, eine Flüssigkeit, die Gehirn und Rückenmark schützend umgibt. Zum peripheren Nervensystem (PNS) gehören die zwölf Hirnnerven, die 31 Spinalnerven und das enterische Nervensystem (Bauchhirn). Das vegetative Nervensystem ist nach seiner Funktion definiert. Zu ihm gehören diejenigen Anteile des ZNS und des PNS, deren Aufgabe es ist, die Vitalfunktionen unwillkürlich und unbewusst zu steuern. Die beiden Antagonisten des vegetativen Nervensystems sind der Sympathikus und der Parasympathikus. Funktionen, die willkürlich und bewusst ablaufen, werden dem somatischen Nervensystem zugerechnet. 45 Mithilfe seiner Sinnesorgane kann der Mensch Informationen aus der Umwelt erfahren und verarbeiten (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen, Gleichgewicht). Dafür stehen Photorezeptoren, Mechanorezep- toren, Chemorezeptoren, Thermorezeptoren und Nozizeptoren zur Ver- fügung. 46 LEKTION 3 ENDOKRINES SYSTEM LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – wie Hormone chemisch eingeteilt werden können. – wie hormonelle Regelkreise aussehen. – welche Hormondrüsen besonders wichtig sind und welche Aufgaben sie haben. – wie wasserlösliche bzw. fettlösliche Hormone an der Zielzelle wirken. 3. ENDOKRINES SYSTEM Einführung Hormone sind Botenstoffe, die innerhalb des menschlichen Körpers Informationen über- mitteln und Stoffwechselvorgänge steuern. Sie ergänzen dadurch die Arbeit des Nerven- systems, wirken im Vergleich zum Nervensystem langsamer, bewirken aber meist länger anhaltende Effekte als das Nervensystem. Hormone unterliegen oft Regelkreisen. Viele Hormondrüsen werden letztendlich vom Gehirn gesteuert und überwacht. Geraten diese Steuerungs- und Überwachungsvorgänge außer Kontrolle, sind die Folgen meist vielseitig und umfassend. Typische hormonregulierte Körpervorgänge sind das Wachstum, die Stoffwechseltätigkeit, Stressreaktionen, die Verdauung, das Gleichgewicht der Nährstoffe sowie zahlreiche Vor- gänge in Zusammenhang mit der Fortpflanzung. 3.1 Chemische Einteilung der Hormone Endokrine Drüsen Hormone sind chemische Botenstoffe, die von sog. endokrinen Drüsen gebildet und Die endokrinen Drüsen meist an das Blut abgegeben werden. Sie werden durch den Blutkreislauf über den ganzen bilden Hormone und geben sie an das Blut ab. Körper verteilt, wirken bereits in sehr niedrigen Konzentrationen und entfalten ihre Wir- Exokrine Drüsen bilden kung an denjenigen Zielzellen bzw. Geweben, die Rezeptoren für das jeweilige Hormon wässrige Sekrete und haben. Hormone können nach unterschiedlichen Kriterien eingeteilt werden (Menche geben sie an Oberflächen ab. 2020, S. 196ff.). Eine Möglichkeit ist, sie nach ihrem chemischen Aufbau einzuteilen. Unterschieden werden in aller Regel vier chemische Gruppen: Proteo- und Peptidhormone, Aminosäurederivate, Steroidhormone, Arachidonsäurederivate. Proteo- und Peptidhormone Zur Gruppe der Proteo- und Peptidhormone wird bspw. das Insulin gerechnet. Peptide sind, der Definition nach, kurze Proteine mit weniger als 100 Aminosäuren, im Fall von Insulin sind es 51. Ebenfalls zu den Peptidhormonen zählen die Neurohormone allgemein, das Kalzitonin der Schilddrüse, das Parathormon der Nebenschilddrüsen und die Relea- singhormone des Hypothalamus. Zu den im Vergleich längerkettigen Proteohormonen zählt z. B. das Erythropoetin der Nieren oder auch die Wachstumshormone. 48 Aminosäurederivate Wichtige Vertreter der Aminosäurederivate (Aminosäureabkömmlinge) sind Adrenalin, Noradrenalin oder auch Thyroxin. Die von der Aminosäure L-Tyrosin abgeleiteten Dopa- minderivate Adrenalin und Noradrenalin sind als Stresshormone bekannt, die ganz beson- ders bei akutem Stress eine wichtige Rolle spielen. Die jodhaltigen Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4), und Trijodthyronin (T3) bewirken eine generelle Aktivierung des Grundstoff- wechsels und begleiten in dieser Funktion zahlreiche Körperreaktionen. Steroidhormone Allen Steroidhormonen gemeinsam ist, dass sie sich vom Cholesterin ableiten, von dem das sog. Sterangrundgerüst stammt, das den Steroidhormonen lipophile (fettliebende) Eigenschaften verleiht. Zu den Steroidhormonen gerechnet werden z. B. Aldosteron, die menschlichen Sexualhormone (z. B. Östrogen oder Testosteron), oder das Kortisol, das bei langfristigen Stressreaktionen eine bedeutende Rolle spielt. Arachidonsäurederivate Die Arachidonsäurederivate sind eine kleinere Gruppe von Hormonen, die sich von der Arachidonsäure, einer mehrfach ungesättigten Fettsäure, ableiten. Ein konkretes Beispiel für ein Hormon dieser chemischen Gruppe wären die Prostaglandine, die als Gewebshor- mone unterschiedlichste physiologische Prozesse im menschlichen Körper vermitteln. 3.2 Wichtige Hormondrüsen Einige – aber nicht alle – Hormondrüsen des Menschen unterliegen einer Steuerung über Regelkreise. Oberste Instanz dieser Regelkreise ist der Hypothalamus des Zwischenhirns (Diencephalon). Er steuert die Aktivität des Hypophysenvorderlappens durch sog. Relea- sing-Hormone oder Inhibiting-Hormone; beispielhaft sei das Thyreotropin-Releasing-Hor- mon TRH genannt: Gibt der Hypothalamus dieses Hormon ab, dann sezerniert der Hypo- physenvorderlappen (Adenohypophyse) seinerseits das sog. Thyreoidea-Stimulierende- Hormon TSH, das wiederum die Aktivität der Schilddrüse steigert, woraufhin diese Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3) bildet und abgibt, was wiederum z. B. den Energie- stoffwechsel unserer Zellen beeinflusst. Ebenfalls über Regelkreise bzw. Hierarchien gesteuert werden die Keimdrüsen und die Nebennierenrinde. Im Folgenden wird eine Auswahl unterschiedlicher Hormondrüsen jeweils kurz beschrie- ben (zu den folgenden Hormonen siehe auch Faller 2020 oder Menche 2020, S. 196ff.). Schilddrüse Die Schilddrüse (Glandula thyroidea) liegt unterhalb des Kehlkopfs im vorderen Halsbe- reich. 49 Neben den jodhaltigen Aminosäureabkömmlingen Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3), die eine generelle Aktivierung des Grundstoffwechsels bewirken und in

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