Differentielle und Persönlichkeitspsychologie (DLBPSDPP01) Kursbuch PDF

Summary

This is a course book for Differentielle und Persönlichkeitspsychologie, offered by the IU Internationale Hochschule. It covers topics such as personality theories and interindividual differences. The book is structured into various lessons and chapters, focusing on understanding the characteristics that differentiate individuals and the role of genetic and environmental factors.

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DIFFERENTIELLE UND PERSÖNLICHKEITSPSYCHOLOGIE DLBPSDPP01 DIFFERENTIELLE UND PERSÖNLICHKEITSPSYCHOLOGIE IMPRESSUM Herausgeber: IU Internationale Hochschule GmbH IU International University of Applied Sciences Juri-Gagarin-Ring 152 D-99084 Erfurt Postanschrift: Albert-Proeller-Straße 15-19 D-86675 Buc...

DIFFERENTIELLE UND PERSÖNLICHKEITSPSYCHOLOGIE DLBPSDPP01 DIFFERENTIELLE UND PERSÖNLICHKEITSPSYCHOLOGIE IMPRESSUM Herausgeber: IU Internationale Hochschule GmbH IU International University of Applied Sciences Juri-Gagarin-Ring 152 D-99084 Erfurt Postanschrift: Albert-Proeller-Straße 15-19 D-86675 Buchdorf [email protected] www.iu.de DLBPSDPP01 Versionsnr.: 001-2023-1116 Janina Pollak © 2023 IU Internationale Hochschule GmbH Dieses Lernskript ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Lernskript darf in jeglicher Form ohne vorherige schriftliche Genehmigung der IU Internationale Hochschule GmbH (im Folgenden "IU") nicht reproduziert und/oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Die Autor:innen/Herausgeber:innen haben sich nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, die Urheber:innen und Quellen der verwendeten Abbildungen zu bestimmen. Sollte es dennoch zu irrtümlichen Angaben gekommen sein, bitten wir um eine dementsprechende Nachricht. 2 INHALTSVERZEICHNIS DIFFERENTIELLE UND PERSÖNLICHKEITSPSYCHOLOGIE Einleitung Wegweiser durch das Studienskript................................................. 6 Literaturempfehulungen.......................................................... 7 Übergeordnete Lernziele.......................................................... 8 Lektion 1 Grundlagen der Differentiellen Psychologie 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 Einführung in interindividuelle Differenzen..................................... Geschichte der Differentiellen Psychologie..................................... Abgrenzung der Differentiellen Psychologie.................................... Zentrale Begriffe............................................................. Inhaltliche Konzepte der Differentiellen Psychologie............................ Lektion 2 Persönlichkeitstheorien 2.1 2.2 2.3 2.4 10 12 16 19 21 27 Psychodynamische Theorien.................................................. 28 Bedürfnis- und Motivationstheorien........................................... 35 Lerntheorien................................................................ 37 Kognitive und Handlungstheorien............................................. 40 Lektion 3 Interindividuelle Differenzen im Persönlichkeitsbereich 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 9 45 Modellierung von Persönlichkeitsstrukturen.................................... 46 Persönlichkeitstheoretische Konzepte von Cattell............................... 48 Persönlichkeitstheoretische Konzepte von Eysenck............................. 51 Das Fünf-Faktoren-Modell (FFM) der Persönlichkeit.............................. 56 Biologische Theorien......................................................... 57 Lektion 4 Determinanten interindividueller Unterschiede 69 4.1 Genetische Faktoren......................................................... 70 4.2 Umweltfaktoren............................................................. 73 4.3 Gruppenunterschiede........................................................ 78 Verzeichnisse Literaturverzeichnis.............................................................. 88 Abbildungsverzeichnis........................................................... 92 3 EINLEITUNG HERZLICH WILLKOMMEN WEGWEISER DURCH DAS STUDIENSKRIPT Dieses Studienskript bildet die Grundlage Ihres Kurses. Ergänzend zum Studienskript stehen Ihnen weitere Medien aus unserer Online-Bibliothek sowie Videos zur Verfügung, mit deren Hilfe Sie sich Ihren individuellen Lern-Mix zusammenstellen können. Auf diese Weise können Sie sich den Stoff in Ihrem eigenen Tempo aneignen und dabei auf lerntypspezifische Anforderungen Rücksicht nehmen. Die Inhalte sind nach didaktischen Kriterien in Lektionen aufgeteilt, wobei jede Lektion aus mehreren Lernzyklen besteht. Jeder Lernzyklus enthält jeweils nur einen neuen inhaltlichen Schwerpunkt. So können Sie neuen Lernstoff schnell und effektiv zu Ihrem bereits vorhandenen Wissen hinzufügen. In der IU Learn App befinden sich am Ende eines jeden Lernzyklus die Interactive Quizzes. Mithilfe dieser Fragen können Sie eigenständig und ohne jeden Druck überprüfen, ob Sie die neuen Inhalte schon verinnerlicht haben. Sobald Sie eine Lektion komplett bearbeitet haben, können Sie Ihr Wissen auf der Lernplattform unter Beweis stellen. Über automatisch auswertbare Fragen erhalten Sie ein direktes Feedback zu Ihren Lernfortschritten. Die Wissenskontrolle gilt als bestanden, wenn Sie mindestens 80 % der Fragen richtig beantwortet haben. Sollte das einmal nicht auf Anhieb klappen, können Sie die Tests beliebig oft wiederholen. Wenn Sie die Wissenskontrolle für sämtliche Lektionen gemeistert haben, führen Sie bitte die abschließende Evaluierung des Kurses durch. Die IU Internationale Hochschule ist bestrebt, in ihren Skripten eine gendersensible und inklusive Sprache zu verwenden. Wir möchten jedoch hervorheben, dass auch in den Skripten, in denen das generische Maskulinum verwendet wird, immer Frauen und Männer, Inter- und Trans-Personen gemeint sind sowie auch jene, die sich keinem Geschlecht zuordnen wollen oder können. 6 LITERATUREMPFEHULUNGEN ALLGEMEIN Asendorpf, J. B. (2018). Persönlichkeit. Was uns ausmacht. Springer. Neyer, F. J. & Asendorpf, J. B. (2018). Psychologie der Persönlichkeit (6., vollständig überarbeitete Aufl.). Springer. Rauthmann, J. F. (2016). Grundlagen der Differentiellen und Persönlichkeitspsychologie. Eine Übersicht für Psychologie-Studierende. Springer. Stemmler, G. et al. (2016). Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung (8., überarbeitete Auflage). Kohlhammer. LEKTION 1 Shaw, T. J. et al. (2018). You ≠ me: individual differences in the structure of social cognition. Psychological Research. LEKTION 2 Watts, T. W., Duncan, G. J. & Quan, H. (2018). Revisiting the Marshmallow Test: A Conceptual Replication Investigating Links Between Early Delay of Gratification and Later Outcomes. In Psychological Science, 29(7), 1159–1177. LEKTION 3 Tackett, J. L., Rodriguez, L. M. & Rinker, D. V. (2015). A Personality-Based Latent Class Analysis of Emerging Adult Gamblers. Journal of Gambling Studies, 31(4), 1337–1351. LEKTION 4 Tekes, B. et al. (2019). The Relationship Between Hofstede’s Cultural Dimensions, Schwartz’s Cultural Values and Obesity. Psychological Reports, 64(3), 968–987. 7 ÜBERGEORDNETE LERNZIELE Der Kurs Differentielle und Persönlichkeitspsychologie ist ein Grundlagenfach der Psychologie, das sich von den anderen Grundlagenfächern in einem bedeutsamen Punkt unterscheidet: Während die anderen Fächer sich mit den Gemeinsamkeiten menschlichen Erlebens und Verhaltens beschäftigen, liegt in der Differentiellen Psychologie, wie der Name schon andeutet, der Schwerpunkt auf den Unterschieden zwischen den Menschen. Es geht um die Fragen, was die Besonderheit und Individualität eines Menschen ausmacht, was uns voneinander unterscheidet und wie diese Unterschiede kategorisiert, gemessen, in Theorien eingebettet, erklärt und untersucht werden können. Wie können wir die interindividuellen Unterschiede zwischen Menschen beschreiben, erklären und vorhersagen? Welchen Einfluss haben die Genetik und die Biologie, welchen die Umwelt, welche Rolle spielen soziale Faktoren und wie hängt das alles zusammen? Außerdem werden auch die intraindividuellen Unterschiede innerhalb eines Menschen zu verschiedenen Zeitpunkten betrachtet. Als Grundlagenfach ist die Differentielle Psychologie für viele Anwendungsfächer der Psychologie essenziell, beispielsweise für die psychologische Diagnostik, die Klinische Psychologie, die Bildungspsychologie und die Wirtschaftspsychologie. 8 LEKTION 1 GRUNDLAGEN DER DIFFERENTIELLEN PSYCHOLOGIE LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – wie sich die Differentielle Psychologie im Verlauf der Geschichte entwickelt hat. – was die Unterschiede zwischen Differentieller und Allgemeiner Psychologie sind. – wie zentrale Begriffe der Differentiellen Psychologie wie Variablen, Skalen und Konstrukte definiert sind. – was der Unterschied zwischen nomothetischen, idiografischen und idiothetischen Methoden ist. – wie die Unterschiede zwischen Menschen durch die Untersuchung ihrer Verhaltensweisen, Gewohnheiten, Dispositionseigenschaften und Merkmale besser verstanden werden können. 1. GRUNDLAGEN DER DIFFERENTIELLEN PSYCHOLOGIE Aus der Praxis Fallbeispiel 1: Anna und Lukas erwarten ein Baby, die kleine Sophia. In drei Monaten ist es so weit. Neugierig und voller Erwartung machen sich die beiden Gedanken darüber, wie ihre Tochter wohl sein wird. Wie wird sie aussehen? Wie wird sie sich entwickeln? Wird sie eher lustig und aktiv sein oder mehr zurückgezogen und beobachtend? Wird sie nach dem Papa oder nach der Mama kommen? Oder ganz anders sein? Annas Mutter meint: „Ach, Babys sind doch alle gleich. Unterschiede zeigen sich erst später, je nachdem, wie man die Kinder erzieht.“ Hat sie Recht damit? Kommen wir als unbeschriebene Blätter auf die Welt und werden nur durch unsere Umwelteinflüsse geformt? Welche Rolle spielt die Genetik? Fallbeispiel 2: Annas jüngerer Bruder David ist gerade mitten in den Vorbereitungen für das Abitur. Danach möchte er gerne eine Fachhochschule für Digital Design besuchen. Die Fachhochschule hat viel mehr Bewerber und Bewerberinnen als freie Studienplätze, deshalb führt sie einen Aufnahmetest durch. Dabei müssen die Studienbewerber verschiedene Denkaufgaben bewältigen, eine Mappe mit Designentwürfen einreichen und in der Gruppe ein Rollenspiel durchführen. Die Fachhochschule erhofft sich dadurch, herauszufinden, wer am besten geeignet ist, das Studium erfolgreich zu absolvieren. 1.1 Einführung in interindividuelle Differenzen Allgemeine Psychologie Die Allgemeine Psychologie beschäftigt sich damit, welche grundlegenden Gesetzmäßigkeiten und psychischen Funktionen allen Menschen gemein sind. In der Psychologie gibt es zwei verschiedene Herangehensweisen. Die eine fragt: Wie kann das Erleben und Verhalten von Menschen allgemein beschrieben werden? Welche universellen Gesetzmäßigkeiten gibt es dabei? Das ist die Betrachtungsweise der Allgemeinen Psychologie. Beispielsweise würde hier eine große Gruppe von Menschen dabei beobachtet werden, wie sie eine bestimmte Situation wahrnimmt und darauf reagiert. Anschließend würde daraus ein Mittelwert gebildet und ein allgemeines Gesetz entwickelt werden. Grundsätzlich geht es also darum, „Gesetzmäßigkeiten des Verhaltens und Erlebens des durchschnittlichen Individuums“ zu untersuchen (Stemmler et al. 2016, S. 22). Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass die individuellen Unterschiede übersehen werden: Auf manche Menschen wird das entwickelte Gesetz sehr genau zutreffen und auf andere gar nicht. Beispielsweise gibt es eine allgemeine Forschung zur „typischen“, normgerechten sprachlichen Entwicklung von Kindern. Das heißt aber nicht, dass bei der kleinen 10 Sophia alles genau so ablaufen wird – sehr wahrscheinlich wird sie sich in manchen Punkten vom durchschnittlichen Kind unterscheiden: Vielleicht kann sie z. B. schon früher und elaborierter sprechen als viele andere Kinder, weist dafür aber in anderen Entwicklungsbereichen Verzögerungen auf und zeigt sich z. B. erst einmal ungeschickter in ihren Bewegungen. In der Differentiellen Psychologie interessieren wir uns genau dafür: Was macht die Unterschiede zwischen den Menschen aus? Warum sind wir nicht alle gleich? Und wie kann unsere Individualität psychologisch verstanden und beschrieben werden? Es geht also darum, „das Charakteristische einzelner Menschen“ (Stemmler et al. 2016, S. 22) zu beschreiben, dasjenige also, was die kleine Sophia als einzigartigen Menschen ausmacht und von anderen unterscheidet. Darüber hinaus können so auch Kriterien erkannt werden, die es ermöglichen, besonders geeignete Bewerber – etwa für die Fachhochschule – herauszufinden. Differentielle Psychologie Die Differentielle Psychologie beschäftigt sich mit den Unterschieden zwischen den Menschen und innerhalb eines Menschen im Verlauf der Zeit. Einerseits geht es dabei also um interindividuelle Differenzen zwischen verschiedenen Menschen (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 23). Andererseits geht es aber auch um intraindividuelle Unterschiede innerhalb desselben Menschen zwischen verschiedenen Zeitpunkten. Letzteres betrifft die Frage, inwieweit wir uns im Laufe des Lebens entwickeln, verändern und auch dazulernen können. Ist es möglich, dass z. B. manche der Fachhochschulbewerber noch nicht alle passenden Eigenschaften für ein erfolgreiches Studium mitbringen, diese aber im Laufe der Zeit entwickeln können? Werden die Kinder, die im Gymnasium als hochbegabt getestet wurden, auch im späteren Erwachsenenalter noch überdurchschnittlich intelligent sein? Werden Menschen im Laufe ihres Berufslebens zuverlässiger als bei Berufseintritt? Anwendung findet die Differentielle Psychologie z. B. dann, wenn es darum geht, eine möglichst gute Passung von Umwelt und Individuum herzustellen: Wer sind die geeigneten Bewerber und Bewerberinnen für einen Studien-, Ausbildungs- oder Arbeitsplatz? Wie kann die Fachhochschule für Digital Design, bei der David sich beworben hat, die Besten herausfiltern? Aber auch: Wie kann ich herausfinden, welcher Ausbildungsweg, welcher Arbeitsplatz und welche Umgebung am besten zu meiner individuellen Persönlichkeit passt? Und in welchem Ausmaß ist es möglich, meine Persönlichkeit zu verändern, zu entwickeln, zu optimieren? 11 1.2 Geschichte der Differentiellen Psychologie Antike Die Geschichte der Differentiellen Psychologie reicht bis in die Antike zurück. Schon im chinesischen Kaiserreich um 1100 v. Chr. wurden unter den Bewerbern für eine Beamtenlaufbahn Tests in Musizieren, Bogenschießen, Reiten, Schreiben und Rechnen durchgeführt, um die geeignetsten herauszufinden. Auch im Judentum finden sich im Alten Testament Hinweise auf eine Vorauswahl. Der Feldherr Gideon rief seine Soldaten zuerst mit dem Spruch „Wer blöde und verzagt ist, der kehre um“ zur Selbstprüfung auf. Dies alleine führte schon zum Ausscheiden der Mehrzahl der Soldaten: Nur 10.000 von ursprünglich 32.000 blieben übrig. Diese wurden nun dabei beobachtet, wie sie mit Entbehrungen, etwa Durst, umgehen, und alle, die zum Trinken niederknieten oder wie Hunde vom Wasser leckten, wurden aussortiert, bis nur noch 300 Soldaten übrig waren (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 33). Aus der lateinischen Sprache stammt das Wort „persona“, von dem sich auch das Wort Persönlichkeit ableitet. Ausgehend von der Bezeichnung für Tonmasken im Theater entwickelte sich das Wort „persona“ zuerst als eine Bezeichnung für die Masken und Rollen, die Menschen im öffentlichen Leben tragen und einnehmen, und schließlich auch als Bezeichnung für die Persönlichkeit dahinter (vgl. Schütz et al. 2015, S. 211). Heute steht Persönlichkeit sowohl für die individuelle Einzigartigkeit eines Menschen als einer Kombination von verschiedenen Eigenschaften („sie hat eine freundliche, fröhliche, hilfsbereite Persönlichkeit“) als auch für besonders auffallende Menschen („George Clooney ist wirklich eine Persönlichkeit“) (vgl. Asendorpf 2017, S. 21). Mittelalter und Neuzeit Für den langen Zeitraum zwischen Antike und Neuzeit finden sich kaum geschichtliche Belege für eine auf Kriterien basierende Selektion von Bewerbern für Aufgaben und viele frühe Errungenschaften und Erkenntnisse der Menschheit gerieten wieder in Vergessenheit. Phrenologie Die Phrenologie geht von der Idee aus, dass von der Form des Schädels auf die Ausprägung der Sinne (z. B. für Farben) geschlossen werden kann. 12 Erst mit dem Wiederaufkommen des wissenschaftlichen Denkens in der Neuzeit wurde wieder verstärkt Augenmerk auf die Unterschiede zwischen Individuen gelegt. Franz Joseph Gall (1758–1828) entwickelte die Theorie der Phrenologie. Zwar wurde diese Theorie mittlerweile wissenschaftlich widerlegt, dennoch legte Gall mit diesem Zugang die Basis für die heutige Hirnforschung (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 33). Im 19. Jahrhundert begann das Interesse für die Forschung zu den Unterschieden zwischen Menschen rasant zuzunehmen, beflügelt durch die Evolutionstheorie Charles Darwins (1809–1882) und die Vererbungslehre Gregor Mendels (1822–1884). In seinem Buch „The Origin of Species by Means of Natural Selection“ stellte Darwin die damals revolutionäre These auf, dass die Eigenschaften von Menschen und Tieren nicht zufällig seien. Stattdessen postulierte er, dass es eine Evolution gibt, eine fortschreitende Entwicklung, in deren Rahmen sich nach dem Prinzip des „Survival of the Fittest“ immer diejenigen Individuen durchsetzen (durch längeres Überleben und erfolgreichere Fortpflanzung), die am besten an ihre Umwelt angepasst sind (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 34). Der Augustinermönch Gregor Mendel beschäftigte sich damit, Pflanzen zu kreuzen und zu untersuchen, welche Merkmale sich in welcher Form auf die nächste Pflanzengeneration weitervererben. Dabei entdeckte er Gesetze der Vererbung und legte damit die Grundlagen für die Vererbungslehre (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 34). Survival of the Fittest Das Prinzip des „Survival of the Fittest“ bedeutet das Überleben der an ihre jeweilige Umwelt bestangepassten Individuen einer Spezies. Francis Galton (1822–1911), ein Cousin des Evolutionsforschers Charles Darwin, interessierte sich als erster für die Entwicklung von Tests, um die kognitiven Fähigkeiten von Menschen zu messen. Im Rahmen seines anthropometrischen Labors auf der International Health Exhibition in London ließ er im Jahr 1884 die visuellen, akustischen Fähigkeiten sowie die Gedächtnisleistung und Tastfähigkeit von Ausstellungsbesuchern testen (vgl. Asendorpf 2017, S. 120). Mental Tests und ihre Folgen Weitere Vorläufer von späteren Intelligenztests entwickelte James McKeen Cattell (1860– 1944). Er ging davon aus, dass für hohe Intelligenz vor allem gut entwickelte Sinnesorgane notwendig seien. Deshalb fokussierten sich seine „Mental Tests“ auf Themen wie die Reaktionszeit, die Schmerzempfindlichkeit und die Fähigkeit, visuelle, auditive, taktile oder kinästhetische Reize zu unterscheiden (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 37). Diese frühen Tests korrelierten aber noch kaum mit externen Variablen wie Schulerfolg oder Einschätzung durch Lehrer und Lehrerinnen, waren also noch nicht gut geeignet, um z. B. schulischen oder beruflichen Erfolg vorherzusagen. Binet und Stern Die nächste Weiterentwicklung ging von dem französischen Pädagogen Alfred Binet (1857–1911) aus. Er erkannte die mangelnde Aussagekraft der „Mental Tests“ und entwickelte die Idee, aussagekräftigere Merkmale zu untersuchen, die tatsächlich für die schulische Leistung und Entwicklung von Kindern ausschlaggebend sein könnten: Merkmale wie „Gedächtnis, Vorstellungskraft, Aufmerksamkeit, Verständnis, Suggestibilität, Willensstärke […]“ (Stemmler et al. 2016, S. 38). Vom französischen Bildungsministerium bekam Binet den Auftrag, Tests zu entwickeln, die Kinder mit Sonderschulbedarf von normalbegabten Kindern unterscheiden sollten. Es gelang ihm, zunächst 30 Aufgaben zu entwickeln, die diese beiden Gruppen voneinander differenzieren konnten. Später entwickelte er noch weitere Tests für alle Altersstufen von drei bis zehn Jahren. Im Test wurden die Kinder jeweils mit dem Durchschnitt ihrer eigenen Altersstufe verglichen: Durchschnittlich intelligente Kinder konnten 50 bis 75 % der Aufgaben ihrer eigenen Altersstufe lösen – war das der Fall, dann entsprach ihr Intelligenzalter ihrem Lebensalter (vgl. Neyer/Asendorpf 2018, S. 150). 13 Tabelle 1: Beispieltestaufgaben aus dem Binet-Test Für 6-Jährige: „Kennt Morgen und Nachmittag“ Für 8-Jährige: „Benennt vier Farben – rot, gelb, blau und grün“ Für 11-Jährige: „Nennt 60 Wörter in drei Minuten“ Quelle: Stemmler et al. 2016, S. 40. Damit war es nun erstmals möglich, ein Intelligenzalter zu berechnen: Bis zu welchem Alter kann ein Kind alle Aufgaben lösen? Das ist das Grundalter. Dann wird pro Aufgabe einer höheren Altersstufe, die es lösen kann, ein Fünfteljahr dazu gezählt (da fünf Aufgaben einem Jahr entsprechen). Dabei wird aber nicht unterschieden, für welches Jahr diese weiteren Aufgaben vorgesehen sind (ob es sich z. B. um Aufgaben für 9-Jährige oder für 11-Jährige handelt, die ein erst 7-Jähriges Kind zu lösen vermag). Diese Methode hatte allerdings einen gravierenden Nachteil: Sie rechnete nur den Unterschied zwischen realem Alter und Intelligenzalter in Jahren aus, setzte die beiden aber nicht zueinander in Bezug. Das ist deshalb problematisch, weil z. B. zwei Jahre Unterschied je nach Lebensalter etwas ganz anderes bedeuten: eine Vierjährige auf dem Entwicklungsstand einer Zweijährigen ist stark entwicklungsverzögert, während der Rückstand einer Elfjährigen, die auf dem Niveau einer Neunjährigen ist, mitunter kaum merkbar sein kann (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 41). Dafür fand der Hamburger Psychologe William Stern (1871–1938) 1911 eine Lösung, indem er den Intelligenzquotienten erfand. Dieser war damals noch ein tatsächlicher Quotient und setzte das Intelligenzalter zum Lebensalter in Bezug: Intelligenzalter Lebensalter Normstichprobe Eine Normstichprobe entspricht wichtigen demografischen Merkmalen der Testperson: zum Beispiel wird die Leistung eines 20-jährigen männlichen Studenten in einem Intelligenztest mit 20–25-jährigen Männern mit ebenfalls höherer Bildung verglichen. 14 × 100 = Intelligenzquotient Dieses leicht verständliche Konzept wurde sehr populär und bis in die 1970er-Jahre basierten die meisten Intelligenztests auf dieser Formel. Heute hingegen wird Intelligenz anders ermittelt, nämlich durch Vergleich mit einer Normstichprobe. Erfassung der Persönlichkeit – neuere Forschung im 20. Jahrhundert Um die weitere Forschung in der Differentiellen Psychologie im 20. Jahrhundert und darüber hinaus besser verstehen und einordnen zu können, ist es wichtig, sich über Forschungsperspektiven und Menschenbilder von Forschungsströmungen Gedanken zu machen. Denn je nachdem, welches Menschenbild jemand hat, werden in der Forschung andere Schwerpunkte gesetzt. Es gibt also keine völlig objektive Forschung: Jeder Forscher und jede Forschungsrichtung besitzen ihre spezifische Geschichte und entwickeln eine eigene Sicht auf die Welt. Diese beeinflussen, was überhaupt als wichtig und interessant wahrgenommen wird und welche Forschungszugänge dafür als passend angesehen werden. Einige Beispiele dafür: Tiefenpsychologische Perspektive Eine der bekanntesten Perspektiven ist die tiefenpsychologische von Sigmund Freud (1856–1939). Diese rückt vor allem Vorgänge innerhalb der Psyche in den Fokus. Freud unterscheidet das moralische Über-Ich, das alltägliche Ich und das eher triebhafte Es und postuliert deren Kämpfe im Inneren des Menschen. Diese Konflikte werden von Abwehrmechanismen in Schach gehalten, z. B. indem sie verdrängt oder sublimiert (auf eine andere Tätigkeit umgelenkt) werden. Nachdem all diese Theorien sich auf das verborgene Innenleben der Menschen beziehen und sie nicht immer durch äußeres Verhalten gemessen werden können, führt eine tiefenpsychologische Sichtweise auch zu entsprechenden Forschungsmethoden: Traumarbeit, Introspektion, Selbstanalyse oder projektive Tests wie z. B. die Rorschach-Tests. (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 42). Phänomenologische Perspektive Der phänomenologischen Perspektive entspringen die humanistischen Schulen der Psychotherapie, deren wichtigster Vertreter Carl Rogers (1902–1987) ist. Hier geht es um die Würde und Einzigartigkeit des einzelnen Menschen, um authentische Beziehungen, um die Betonung des freien Willens und die Möglichkeit, sich selbst neu zu entscheiden und die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Im Fokus steht der Mensch als Wesen, das wandlungs- und entwicklungsfähig ist. Gleichzeitig wird mit der Individualität auch die Subjektivität betont, somit wird es in der Forschung wichtig, individuelle unterschiedliche Sichtweisen zu verstehen. Denn es wird davon ausgegangen, dass man einen Menschen nur wirklich verstehen kann, wenn man sein Inneres versteht (vgl. Schütz et al. 2015, S. 215). Damit werden Selbstberichte und biografische Analysen zu den wichtigsten Forschungsinstrumenten (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 43). Verhaltenstheoretische Perspektive In der verhaltenstheoretischen Perspektive kommt es zu einer Abkehr von den zuvor überwiegend nach innen gerichteten Methoden. Prominente Vertreter sind Pawlow, Thorndike und Skinner. Es wird davon ausgegangen, dass alle relevanten psychischen Eigenschaften sich auch in einem beobachtbaren Verhalten zeigen müssen und dass dieses Verhalten erlernbar, konditionierbar und damit auch veränderbar ist. Damit werden wissenschaftliche Messungen, Verhaltensbeobachtungen und Laborexperimente die Mittel der Wahl (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 43). Dispositionelle Perspektive Wird das Verhalten durch Eigenschaften eines Menschen oder durch die jeweilige Situation geprägt? Oft durch beides. Die dispositionelle Perspektive legt den Schwerpunkt der Untersuchung darauf, dass es verschiedene Eigenschaften – sogenannte Dispositionen – gibt, die zwischen unterschiedlichen Menschen variieren, aber innerhalb eines Menschen nicht nur zufällig auftreten. Stern, Allport und Murray sind bekannte Vertreter und große Teile der Differentiellen Psychologie basieren auf dieser Sichtweise. Hier werden nun stan- 15 dardisierte Fragebögen und Beobachtungsinventare zur Selbst- und Fremdeinschätzung entwickelt, um Eigenschaften von Menschen zu messen und sie mit anderen vergleichen zu können (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 44). Insgesamt zeigt sich, dass jede Perspektive bestimmte Eigenschaften betont und andere ausblendet, aber keine die Gesamtheit der menschlichen Psyche erfassen kann. Narrative Perspektive – neuere Entwicklungen Zu den neueren Entwicklungen, um die Unterschiede zwischen Menschen zu verstehen, gehören die narrativen Ansätze (vgl. McAdams 2013). Dabei wird davon ausgegangen, dass wir Menschen uns selbst subjektive Geschichten über unser Leben erzählen und dadurch Sinn finden (vgl. Schütz et al. 2015, S. 216). Weitere neuere Entwicklungen gibt es auch im Bereich der Biopsychologie und Hirnforschung: Hier wird untersucht, inwieweit sich Persönlichkeitseigenschaften auch physiologisch messen lassen (vgl. Stemmler/Wacker 2010). 1.3 Abgrenzung der Differentiellen Psychologie Entwicklung und Aufgaben der Differentiellen Psychologie Wie oben schon beschrieben, ist keine Sichtweise selbstverständlich – und auch nicht, sich für Individualität und individuelle Differenzen zwischen Menschen überhaupt zu interessieren. Man könnte ja auch davon ausgehen, dass alle gleich sind oder zumindest sein sollten und dass etwa Kinder ein unbeschriebenes Blatt sind, eine Tabula rasa, wie in der Neuzeit postuliert wurde (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 35). Multivariate Unterschiedlichkeit Dies bedeutet, dass sich Individuen in unzähligen Merkmalsausprägungen voneinander unterscheiden können. Hingegen gibt es eine schier unendliche Liste an Merkmalen, in denen sich Menschen, aber auch andere Lebewesen wie Tiere und Pflanzen, voneinander unterscheiden können. Die Kombination der unterschiedlichen Ausprägungen dieser Merkmale führt dann zur Individualität des Einzelnen: Niemand hat genau die gleiche Kombination an Merkmalsausprägung wie ein anderer. Dies nennt sich multivariate Unterschiedlichkeit (vgl. Schmitt/ Altstötter-Gleich 2010, S. 7). Ein einzelnes Merkmal, z. B. eine bestimmte Ausprägung eines Persönlichkeitsmerkmals wie Extraversion, kommt bei vielen Menschen vor. In seiner Kombination mit anderen Merkmalen, z. B. einer Ausprägung der Merkmale Offenheit für neue Erfahrungen und Verträglichkeit sowie verschiedener kognitiver und anderer Fähigkeiten, kommt es in Summe zur Individualität des Einzelnen. Was sind also die Wurzeln des Interesses an einer individuellen Betrachtungsweise der einzelnen Menschen in der Psychologie? Der geschichtliche Überblick hat gezeigt, dass diese Wurzeln schon weit, und zwar bis in die Antike, zurückreichen. Schon damals bestand das Interesse, für bestimmte Aufgaben die Besten auszuwählen oder zumindest die ungeeigneten Bewerber auszusortieren. 16 Nun kommen in der jüngeren Geschichte noch zwei bedeutende Faktoren dazu: der Protestantismus und der Kapitalismus. Im Protestantismus gibt es die Vorstellung, dass der Einzelne sich als Individuum – und nicht nur als Teil einer sozialen Gruppe – vor Gott beweisen und Gott gegenübertreten muss. Wie schon Max Weber (1864–1920) in seinem monumentalen Werk „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ schrieb, kann der Einzelne im Protestantismus durch weltlichen Erfolg belegen, dass er von Gott gesegnet und auserwählt ist (vgl. Weber 1922). Dadurch rückt der Einzelne in den Fokus. Protestantismus Der Protestantismus bezeichnet die christlichen Glaubensrichtungen, die auf die Reformation des 16. Jahrhunderts zurückgehen. Ergänzend dazu geht es im Kapitalismus um stetigen Wettbewerb und Fortschritt. Um wirtschaftlichen Erfolg überprüfen und über die Zeit beobachten und steuern zu können, braucht es Instrumente zu dessen Messung und Quantifizierung. Damit werden dann auch Unterschiede zwischen einzelnen Mitarbeitern, z. B. in der Eignung für eine bestimmte Aufgabe, in ihrer Produktivität oder in ihrer Schnelligkeit, bedeutsam. Des Weiteren brachte der Kapitalismus eine zunehmende berufliche Spezialisierung mit sich. Wenn nicht mehr die meisten Menschen die gleichen Aufgaben (historisch oft in der Landwirtschaft) ausführen, sondern spezialisierte Berufe ergreifen, wird es u. a. relevant zu bestimmen, wer für welchen Beruf besonders gut geeignet ist (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 46) und warum sich bestimmte Personen für bestimmte Aktivitäten und Berufe interessieren. Kapitalismus Der Kapitalismus zeichnet sich insbesondere durch die Betonung von Marktmechanismen und durch Privateigentum aus. Bedeutende Grundlagenwerke für die Differentielle Psychologie schufen die aus dem vorigen Lernzyklus schon bekannten Forscher Binet, Henri und Stern. Binet und Henri behandelten in ihrem Werk „La Psychologie individuelle“ (1895) die Frage, welche Unterschiede es zwischen Menschen gibt. Dieser Gedanke wurde in Sterns Buch „Psychologie der individuellen Differenzen“ fortgeführt, wo er sich mit der Frage befasste, was zu diesen Differenzen führt. Wie können diese Differenzen nun genauer erfasst und untersucht werden? Dazu hat die Differentielle Psychologie verschiedene Untersuchungsmethoden entwickelt: Variationsforschung: Ein Merkmal wird an mehreren Individuen untersucht, z. B. wie variiert der Wortschatz zwischen verschiedenen 2-jährigen Kindern? Korrelationsforschung: Zwei oder mehr Merkmale werden an mehreren Individuen untersucht. Hier geht es um das Entdecken von Zusammenhängen, z. B. wie hängt die Lesefähigkeit in der Grundschule mit der Verarbeitungsgeschwindigkeit zusammen? Psychografie: Ein Individuum wird in Bezug auf mehrere Merkmale untersucht. Es wird also ein psychologisches Profil eines Menschen erstellt, z. B. das berufliche Interessensund Begabungsprofil von David Müller. Komparationsforschung: Zwei oder mehr Individuen werden in Bezug auf mehrere Merkmale untersucht. Wie unterscheiden sich beispielsweise die Kandidaten Schulze und Meyer voneinander in Bezug auf ihre Eignung für die ausgeschriebene Stelle als Projektmanager (Interessen, Begabungen, Vorerfahrungen etc.)? Wie unterscheiden sich in der Stadt aufgewachsene von auf dem Land aufgewachsenen Kindern in Bezug auf 17 ihre Bildungssozialisation? Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es zwischen den Schriftstellern Goethe und Schiller (vgl. Schütz et al. 2015, S. 218; vgl. Stern 1911). Differentielle und Allgemeine Psychologie Zur Wiederholung: Die Differentielle und Allgemeine Psychologie stehen von ihrer Grundherangehensweise her in einem Spannungsfeld zueinander. In der Allgemeinen Psychologie geht es, wie der Name schon sagt, darum, allgemeingültige Prinzipien zu finden, die erklären, wie Menschen wahrnehmen und sich verhalten. Die hier übliche Methode ist meistens das Experiment: Es wird eine unabhängige Variable systematisch variiert und gemessen, wie sich die Variation dieser Variable auf die abhängige Variable auswirkt. Zum Beispiel werden Patienten mit einer Angststörung zufällig in drei Gruppen eingeteilt: Die eine wird mittels kognitiver Verhaltenstherapie behandelt, die andere mittels Gesprächstherapie und die dritte erhält erst einmal keine Behandlung (das ist die Kontrollgruppe). Es wird untersucht, inwiefern sich kognitive Verhaltenstherapie und Gesprächstherapie in ihrer Wirksamkeit unterscheiden, verglichen miteinander und mit einer nicht behandelten Gruppe. Hier wäre also die Art der Behandlung die unabhängige Variable. Die abhängige Variable könnte die Veränderung der Angstsymptomatik in den drei Gruppen sein. Es werden also Gruppen von Menschen untersucht und miteinander verglichen – alle zufälligen individuellen Unterschiede zwischen diesen Menschen sind Messfehler und sollten sich bei guter, repräsentativer Stichprobenziehung gegenseitig ausmitteln. Das heißt, ein Ergebnis könnte sein, dass im Durchschnitt kognitive Verhaltenstherapie und Gesprächstherapie gleich wirksam sind (= die Angstsymptomatik verringert sich im gleichen Ausmaß in beiden Gruppen). Das sagt aber noch nichts über einzelne behandelte Patienten aus. Es kann durchaus sein, dass bei einem die kognitive Verhaltenstherapie viel besser wirkt als die Gesprächstherapie oder umgekehrt – oder auch, dass beide bei diesem individuellen Menschen nicht wirksam sind. Das ist aber nicht das Hauptinteressensgebiet der Allgemeinen Psychologie. Denn diese interessiert es normalerweise nicht, warum und wie sich Menschen in Bezug auf das entdeckte allgemeine psychologische Gesetz unterscheiden. Das Ziel ihrer Forschung ist Allgemeingültigkeit und Gesetzmäßigkeit. Die Differentielle Psychologie hingegen möchte genau die interindividuellen Unterschiede zwischen Menschen besser verstehen. Für sie ist es interessant, warum unter gleichen Bedingungen nicht alle Menschen gleich reagieren und sie möchte verstehen, wie und warum sich Menschen unterscheiden. Die untersuchten Fragestellungen ähneln oft denen in anderen Disziplinen der Psychologie, wie etwa der Entwicklungspsychologie, die sich mit Prozessen und Strukturen menschlicher Entwicklung über die gesamte Lebensspanne von der Geburt bis ins Greisenalter beschäftigt (vgl. Schütz et al. 2015, S. 27) oder in der Arbeits- und Organisations- 18 psychologie, wo es um menschliches Verhalten und Erleben im Arbeitskontext geht. Was diese Disziplinen alle von der Differentiellen Psychologie unterscheidet, ist wiederum, ähnlich wie in der Allgemeinen Psychologie, ihr Fokus auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten. Eng verbunden mit der Differentiellen Psychologie ist hingegen das Anwendungs- und Methodenfach der Psychologischen Diagnostik (vgl. Schütz et al. 2015, S. 28), denn diese beschäftigt sich mit Methoden zur Erstellung von Persönlichkeits- oder Intelligenzprofilen von Menschen und richtet ihr Augenmerk ebenfalls auf die Unterschiede zwischen Menschen. Die Differentielle Psychologie kann also als Grundlagendisziplin für die Methoden angesehen werden, die in der Psychologischen Diagnostik praktisch angewandt werden. 1.4 Zentrale Begriffe Zentrale Begriffe der Differentiellen Psychologie können dabei behilflich sein, ein einheitliches Verständnis davon zu erlangen, was mit einem gewissen Begriff gemeint ist. Variablen und Skalen Eine Variable ist eine veränderliche Größe, also eine Eigenschaft, die verschiedene Ausprägungsgrade annehmen kann. Beispiele hierfür wären etwa die Körpergröße oder das Gewicht. Wenn wir von „Messen“ sprechen, dann meinen wir damit, einer Variable einen bestimmten Ausprägungsgrad zuzuordnen, z. B., indem wir feststellen, dass Lisa 170 cm groß ist. Diese Ausprägungsgrade können wiederum verschiedene Qualitäten haben und je nachdem, welche Qualität sie haben, kann auf unterschiedliche Weise damit weitergearbeitet werden. Diese unterschiedlichen Qualitäten nennt man Skalenniveaus. Das Skalenniveau mit den geringsten Anforderungen an die Qualität der Daten ist die Nominalskala. Das bedeutet, dass verschiedenen Ausprägungen einer Variablen einfach willkürlich unterschiedlich Bezeichnungen zugeordnet werden, z. B. rot, blau, gelb und grün – ohne dass es möglich ist, diese in eine bestimmte, fixe Reihenfolge zu bringen. Die verschiedenen Ausprägungen unterscheiden sich qualitativ voneinander, sind aber nicht quantitativ (mit Zahlen) vergleichbar. Das Merkmal des Geschlechts stellt solch ein Merkmal dar. Hat eine Variable Ordinal- oder Rangskalenniveau, so können ihre Ausprägungen in eine klare Reihenfolge gebracht werden. Jedoch ist es nicht automatisch so, dass die Abstände zwischen den Ausprägungen gleich sind. Ein Beispiel dafür sind etwa Schulnoten: Der Unterschied im Leistungsniveau zwischen einer 5 und einer 6 kann deutlich höher sein als der zwischen einer 1 und einer 2. Klar ist dennoch, dass eine 5 immer eine bessere Note ist als eine 6 und eine 1 eine bessere Note als eine 2 (und die beiden eine bessere Note als eine 5 oder 6) (vgl. Neyer/Asendorpf 2018, S. 83). 19 Die nächsthöhere Genauigkeit haben Daten, die Intervallskalenniveau aufweisen: Hier wird nun gefordert, dass auch die Abstände zwischen den Messpunkten auf der Skala gleichbleibende Abstände abbilden. Es muss aber nicht unbedingt einen absoluten Nullpunkt geben. Ein Beispiel dafür ist die in Grad Celsius angegebene Temperatur. Dieses Skalenniveau ist ausreichend für die meisten in der Psychologie gängigen statistischen Testverfahren. Die höchste Datenqualität hat die Absolut- oder Verhältnisskala. Hier gibt es einen absoluten Nullpunkt, zu dem alle Daten im Verhältnis stehen; somit drückt ein doppelt so hoher Wert auf der Skala auch einen doppelt so hohen realen Wert aus. Ein Beispiel wäre etwa die Anzahl an Kindern in einer Schulklasse. Ein doppelt so hoher Wert auf der Skala, etwa 20 statt 10, bedeutet auch, dass real doppelt so viele Kinder in der Klasse sind. In der Psychologie kommt diese Skala kaum vor (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 56). Konstrukte Konstrukte Ein Konstrukt ist ein nicht empirisch feststellbarer Sachverhalt einer psychologischen Theorie. Viele Eigenschaften, die in der Psychologie interessant sind und die wir erforschen möchten, können nicht direkt beobachtet werden. Beispiele für Konstrukte sind etwa Intelligenz, Angst oder Extraversion. Wir können Hinweise auf die Intelligenz einer Person beobachten, z. B. ihr Verhalten in einer bestimmten Situation oder ihr Abschneiden in einem Intelligenztest. Ähnliches ist bei Angstzuständen der Fall. Hier beobachten wir beispielsweise eine erhöhte Pulsfrequenz, ein Erröten oder eine zittrige Stimme – alles Indikatoren, die auf Angst hinweisen können, aber nicht die Angst selbst sind und auch andere Ursachen haben könnten (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 57). Persönlichkeit Auch Persönlichkeit ist ein Konstrukt, das nicht direkt wahrnehmbar ist. Was ist Persönlichkeit überhaupt? Damit wir von Persönlichkeit sprechen können, braucht es zeitliche und situative Stabilität. Persönlichkeit ist somit mehr als das Verhalten in einer Situation, muss also etwas sein, das über die Tagesverfassung hinausgeht. Sie will das Individuelle, Besondere an einem Menschen erfassen (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 58). Nach Asendorpf ist Persönlichkeit „die Gesamtheit aller individuellen Besonderheiten, in denen sich jemand von anderen unterscheidet“ (Asendorpf 2017, S. 4). Nomothetische, idiographische und idiothetische Methoden Idiografische Methoden Diese sind besonders in den Geisteswissenschaften verbreitet und möchten die Individualität jedes Einzelnen darstellen, ohne den Anspruch zu erheben, allgemeine Gesetze zu entwickeln. 20 Idiografische Methoden nehmen den Einzelnen und seine Einzigartigkeit in den Blick: Es wird versucht, auf so individuelle Art wie möglich den Einzelnen zu beschreiben. Dem sind schon dadurch Grenzen gesetzt, dass es keine individuelle Sprache dafür gibt und für alle sprachlichen Beschreibungen die allgemeine, kollektiv verständliche Sprache benutzt werden muss. Ein Beispiel dafür wäre eine Fallstudie über einen einzelnen Menschen, z. B. über eine Frau, die im jungen Erwachsenenalter Schizophrenie entwickelt hat, und wie sie es geschafft hat, wieder in die Realität zurückzufinden, wie es im Buch „Ich habe dir nie einen Rosengarten versprochen“ von Hannah Green (2000) beschrieben ist. Nomothetische Methoden möchten allgemeingültige Regeln und Gesetze ableiten, also z. B ein Persönlichkeitsmodell entwickeln, das grundsätzlich für alle Menschen gilt. Ein Beispiel hierfür wäre etwa eine Skala zur Messung von Extraversion und Introversion. Die Individualität des Einzelnen kann auch hier dargestellt werden, nämlich durch den Platz, den er innerhalb dieses Systems einnimmt. Auch eine Kombination von Rangplätzen in verschiedenen Skalen, die insgesamt dann einen sehr einzigartigen Platz ergeben, sind möglich. Beispielsweise kommt in vielen Persönlichkeitstests die Dimension der Extraversion (mit dem Gegenpol der Introversion) zur Anwendung. Nomothetische Methoden Diese Art von Methoden ist in den Naturwissenschaften verbreitet und möchte mehr erreichen als nur eine Einzelfalldarstellung: Regeln finden, die für alle gelten. Dabei wird davon ausgegangen, dass alle Menschen prinzipiell irgendwo auf der Skala zwischen Extraversion und Introversion eingeordnet werden können, nur ihre Plätze unterscheiden sich; zum Beispiel erreicht Maria auf der Skala einen Wert von 86 von 100, während Daniel bei 52 liegt, somit ist Maria als extravertierter zu bezeichnen. Idiothetische Methoden wiederum versuchen, die Vorzüge von idiografischen und nomothetischen Methoden miteinander zu verbinden. Hier geht es darum, den Einzelnen zwar individuell zu beschreiben, aber das doch auf eine Weise zu tun, die interindividuelle Vergleiche möglich macht (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 62). Beispielsweise würden mehrere Einzelfallstudien zur Schizophrenie wie die von Hannah Green durchgeführt und dann z. B mit qualitativen Methoden analysiert werden, um das Verbindende herauszufinden und eine neue Theorie der Schizophrenie zu entwickeln. Idiothetische Methoden Diese gehen von Einzelfällen aus und möchten aus verschiedenen Einzelfällen die Gemeinsamkeiten herausfiltern, um dennoch allgemeine Gesetze entwickeln zu können. 1.5 Inhaltliche Konzepte der Differentiellen Psychologie Verhaltensweisen Eine Ebene, auf der Menschen sich unterscheiden können, sind ihre Verhaltensweisen. Behavioristisch ausgedrückt könnte man das so verstehen, dass Menschen auf den gleichen Reiz unterschiedlich reagieren. Beispielsweise geht in einem Einkaufszentrum auf einmal eine Sirene los: Manche Menschen werden vielleicht erst einmal still werden und sich umschauen, andere werden vielleicht mit ihrem Nachbarn ein Gespräch beginnen, andere werden so schnell wie möglich das Einkaufszentrum verlassen usw. Diese Verhaltensweisen sind also beobachtbar und messbar – die Gründe, auf die sie zurückzuführen sind, sind aber nicht immer direkt beobachtbar (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 64). Verhaltensweisen Die Verhaltensweisen sind das beobachtbare Verhalten eines Menschen in einem bestimmten Moment. Verhaltensgewohnheiten Wenn sich eine Person einmal auf eine bestimmte Art und Weise verhält, kann dieses Verhalten auch rein zufällig sein. Um deshalb Aussagen über Eigenschaften von Menschen treffen zu können, ist es wichtig, sich ein Verhalten anzuschauen, dass sich über verschiedene Zeitpunkte und Kontexte wiederholt. Zeigt sich ein Verhalten in gleichen Situationen wieder, so hat es eine hohe Stabilität. Anna beispielsweise hat vor jeder Prüfungssitua- 21 tion Schlafschwierigkeiten, dieses Verhalten ist also sehr stabil. Des Weiteren kann zwischen absoluter Stabilität, relativer Stabilität und Strukturstabilität unterschieden werden. Absolute Stabilität bedeutet, dass die Ausprägung einer Persönlichkeitseigenschaft sich über die Zeit nicht ändert, z. B. wäre das der Fall, wenn jemand mit 20 Jahren genau das gleiche Ausmaß an Extraversion zeigt wie mit 40 Jahren. Relative Stabilität hingegen bezieht sich auf den Vergleich zwischen verschiedenen Personen und darauf, dass die Unterschiede zwischen diesen über die Zeit konstant bleiben. Beispielsweise hat Anna mit 20 einen IQ von 105 und Paul einen IQ von 100. Mit 50 hat Anna einen IQ von 100 und Paul einen von 95, der Unterschied ist also gleich geblieben. Strukturstabilität beschreibt schließlich die Zusammenhänge zwischen Merkmalen über die Zeit hinweg. Beispielsweise könnten Intelligenz und Introversion im Alter von 15 Jahren zu 0,5 korrelieren und im Alter von 60 ebenfalls zu 0,5, dann ist Strukturstabilität gegeben (vgl. Schmitt/Altstötter-Gleich 2010, S. 13). Konsistenz hilft uns, zu erfassen, ob ein Verhalten sich nicht nur in einer Situation zeigt, sondern generalisiert werden kann. Zeigt sich dieses Verhalten auch in anderen ähnlichen Situationen, z. B. vor Vorstellungsgesprächen, dann hat es außerdem eine hohe Konsistenz. Es geht also um den Zusammenhang zwischen Reizen (z. B. eine Prüfungssituation) und einer Reaktion (Schlafstörungen in der Nacht davor, erhöhtes Schwitzen während der Prüfung). Verhaltensgewohnheiten Diese beschreiben Verhalten von Menschen, das sich in mehreren Situationen und zu verschiedenen Zeitpunkten zeigt. Verhaltensgewohnheiten, auf Englisch Habits, sind „gelernte Verbindungen zwischen Reizen und Reaktionen“. Die Lerntheorie geht davon aus, dass die Konstanz zwischen einem bestimmten Reiz und einer Reaktion immer dann besonders hoch ist, wenn die Verbindung zwischen den beiden durch ausreichende Wiederholungen stabilisiert wurde. (Stemmler et al. 2016, S. 66). Dispositionseigenschaften und Verhaltensmerkmale Wenn wir jemandem eine bestimmte Eigenschaft, z. B. Fleiß, zuschreiben, dann gehen wir damit davon aus, dass...... es in diesem Merkmal Unterschiede zwischen den Menschen gibt (nicht alle Menschen sind gleich fleißig, sonst würde es keinen Sinn ergeben, diese Eigenschaft extra zu erwähnen); dieses Verhalten sich in ähnlichen Situationen immer wieder zeigt (Stabilität); und das Verhalten in unterschiedlichen Situationen, die etwas miteinander zu tun haben, auftritt (Konsistenz). 22 Wir beobachten also ähnliche Verhaltensweisen eines Menschen in verschiedenen Situationen und fassen diese zu einer nicht direkt beobachtbaren Überkategorie zusammen, z. B. Fleiß oder Freundlichkeit. Davon ausgehend erwarten wir, dass der Mensch sich in Zukunft auch wieder ähnlich verhalten wird, also eine Disposition oder Handlungsbereitschaft zu einem bestimmten Verhalten zeigt (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 67). Verhaltensmerkmale wiederum sind die beobachtbaren Verhaltensweisen, die als Indikatoren für eine bestimmte Disposition dienen können. Beispielsweise könnte ein Kind, das bereitwillig anderen bei den Hausaufgaben hilft, auf den Boden gefallene Gegenstände anderer aufhebt und sich anbietet, beim Tragen schwerer Gegenstände zu helfen (→ Verhaltensmerkmale) eine Disposition zur Hilfsbereitschaft ausweisen. Disposition Eine Disposition ist eine Neigung zu einem bestimmten Verhalten und macht dieses Verhalten wahrscheinlicher. Im hierarchischen Eigenschaftsmodell nach Eysenck wird der hierarchische Zusammenhang zwischen den verschiedenen Ebenen der Beschreibung von Persönlichkeit dargestellt: Am unmittelbarsten beobachtbar sind Verhaltensreaktionen von Menschen in spezifischen Situationen, die für sich allein genommen aber noch nicht viel über die Persönlichkeit aussagen. Öfter auftretende Verhaltensreaktionen wiederum können auf der nächsten Ebene zu Verhaltensgewohnheiten zusammengefasst werden. Mehrere Verhaltensgewohnheiten wiederum ergeben eine Eigenschaft, auch Trait genannt. Und mehrere Eigenschaften können schlussendlich zu Typen zusammengefasst werden, beispielsweise die Eigenschaften Geselligkeit, Aktivität und weitere zum Typus Extraversion. 23 Abbildung 1: Hierarchisches Eigenschaftsmodell nach Eysenck Quelle: erstellt im Auftrag der IU 2023, in Anlehnung an Eysenck/Wilson 1991. Verhaltensvorhersage Verhaltensvorhersagen sind in vielen Bereichen der Psychologie wichtig: in der Personalauswahl, in der Studienplatzvergabe oder auch im forensischen Bereich bei der Prognose von Rückfallwahrscheinlichkeiten von Straftätern. Um Verhalten vorhersagen zu können, sind besonders zwei Aspekte wichtig: Wie stark ist eine relevante Eigenschaft (z. B. Impulsivität, Gewissenhaftigkeit etc.) bei der betreffenden Person ausgeprägt? Wie stark ist der Zusammenhang (die Korrelation) zwischen dieser Eigenschaft und dem vorherzusagenden Verhalten? Wäre die Korrelation zwischen der Eigenschaft und dem Verhalten 1, dann könnte aus der maximalen Ausprägung der Eigenschaft das Verhalten mit Sicherheit vorhergesagt werden. In der Psychologie ist das aber nie der Fall, hier sind Korrelationen immer kleiner als 1. Wir können also Verhalten immer nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersagen, aber nie mit Sicherheit. 24 Zustände Ein weiterer wichtiger Begriff in der Differentiellen Psychologie sind Zustände. Diese wurden erstmals von Raymond Cattell beschrieben (vgl. Cattell 1950). Die vorher beschriebenen Eigenschaften werden als stabil angesehen, ihre Stabilität ist ein wichtiger Faktor für ihre Definition. Davon können die Zustände (engl. States) als temporär und zeitlich fluktuierend unterschieden werden (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 80). Beispiele dafür sind die momentane Stimmung, das Ausmaß an Entspannung oder die Aktivierung. Zustände können Veränderungsmuster in Abhängigkeit von z. B. Tageszeit, Wochentag oder Jahreszeit aufweisen. Zustände Sie beschreiben die aktuelle, momentane Befindlichkeit, die sich auch schnell wieder ändern kann. Das Gesamtverhalten eines Menschen ist immer eine Kombination aus zeitlich überdauernden Verhaltenseigenschaften und -merkmalen sowie momentanen Zuständen. Typen Typen als quantitative Abschnitte auf Dimensionen Die Bezeichnung Typen wird in der Differentiellen Psychologie einerseits für Extrempunkte einer Skala verwendet, z. B. stark Introvertierte vs. stark Extrovertierte. Wenn die jeweilige Variable aber multimodal organisiert ist, also verschiedene Gipfel hat, kann es auch mehr als zwei Typen geben, je nach Häufigkeitsverteilung auf dem Kontinuum. Typen als qualitative Beschreibungsklassen Andererseits können mit Typen auch qualitativ unterschiedliche Kategorien gemeint sein, wie die in der Antike von Hippokrates (460-377 v. Chr.) und später Galen beschriebene Typologie, die die Menschen auf Basis ihrer Körpersäfte in Sanguiniker, Choleriker, Melancholiker und Phlegmatiker einteilte (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 83). ZUSAMMENFASSUNG In der Differentiellen Psychologie geht es um die Frage nach Unterschieden. Wie sehr und in welchen Eigenschaften unterscheiden sich verschiedene Menschen voneinander (interindividuelle Unterschiede)? Und wie sehr entwickeln und verändern sich Menschen im Laufe ihres Lebens (intraindividuelle Unterschiede)? Im Gegensatz dazu interessiert sich die Allgemeine Psychologie für allgemeine Gesetzmäßigkeiten, die möglichst für alle Menschen in gleicher Form gelten sollen. 25 Die Geschichte der Differentiellen Psychologie reicht bis in die Antike zurück, sowohl bei den Chinesen als auch im Judentum finden sich Beispiele dafür. Nach kaum dokumentierten Fortschritten im Mittelalter entwickelte sich das Fach schließlich ab der Neuzeit rasant weiter: Charles Darwins Evolutionstheorie und Gregor Mendels Vererbungslehre machten auf die Wichtigkeit interindividueller Unterschiede aufmerksam. Cattell entwickelte erste Vorläufer für Tests mentaler Fähigkeiten, die wiederum von Binet und Stern zu den ersten Intelligenztests weiterentwickelt wurden. Verschiedene Forschungsparadigmen im 20. Jahrhundert haben die Schwerpunkte auf je unterschiedliche Menschenbilder und methodische Zugänge gelegt. Die wichtigsten davon sind die tiefenpsychologische, die phänomenologische, die verhaltenstheoretische, die dispositionelle sowie die narrative Perspektive. Protestantismus und Kapitalismus führten zur Betonung der Individualität und des einzelnen Menschen: Nun wurde es wichtiger, Unterschiede zwischen Menschen genauer erfassen zu können. Methoden dazu sind die Variationsforschung, die Korrelationsforschung, die Psychografie und die Komparationsforschung. In der Differentiellen Psychologie unterscheidet man verschiedene Skalenniveaus: Nominalskalen, Ordinal- oder Rangskalen, Intervallskalen und Absolutskalen. Die Persönlichkeit von Menschen ist nicht direkt messbar, sie ist ein Konstrukt. Konstrukte können wir nur über Indikatoren, die beobachtbares Verhalten anzeigen, näherungsweise erfassen. Idiografische Methoden betrachten das Individuum, nomothetische Methoden wollen allgemeine Gesetze erstellen. Idiothetische Methoden versuchen, beides zu verbinden. Verhaltensgewohnheiten sind Verhaltensweisen, die zeitlich stabil immer wieder auftreten. Verschiedene inhaltlich verwandte Verhaltensgewohnheiten können zu einer Disposition zusammengefasst werden. Eine Disposition für ein bestimmtes Verhalten bedeutet, dass es wahrscheinlicher ist, sich in einer passenden Situation gemäß dieser Disposition zu verhalten. Dispositionen können bei der Verhaltensvorhersage helfen. Zustände wiederum sind wechselhaft und beschreiben die momentane Befindlichkeit. 26 LEKTION 2 PERSÖNLICHKEITSTHEORIEN LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – wodurch sich die psychodynamischen Theorien von Freud und Jung auszeichnen. – welche Bedürfnis- und Motivationstheorien es in der Differentiellen Psychologie gibt. – welche Bedeutung die verschiedenen Lerntheorien für die Differentielle Psychologie haben. – welche kognitiven und Handlungstheorien es gibt. 2. PERSÖNLICHKEITSTHEORIEN Aus der Praxis Fallbeispiel 1: Lisa und Lena sind zwei junge Studentinnen der Soziologie an der Universität München. Während Lisa das Studium leichtfällt, fühlt sich Lena oft fremd an der Uni; sie hat das Gefühl, nicht dazuzugehören. Beide sind gleichermaßen sehr intelligent und haben das Abitur mit Bestnoten absolviert. Woran kann es liegen, dass Lena sich so fremd an der Uni fühlt? Wie würden die verschiedenen persönlichkeitspsychologischen Theorien diesen Unterschied zwischen den Studentinnen erklären? Fallbeispiel 2: Die drei Geschwister Jasmin, Alex und Marina sind zur Feier des 80. Geburtstags ihrer Tante Gerti eingeladen. Alle drei haben keine große Lust, hinzugehen, weil sie sich der Tante emotional nicht sehr nahe fühlen. Schlussendlich entscheidet Jasmin sich dazu, die Feier zu besuchen, während Alex und Marina der Feier fernbleiben. Wie kann das erklärt werden? 2.1 Psychodynamische Theorien Zu den ältesten psychologischen Theorien, die das Verhalten von Menschen erklären sollen, gehören die psychodynamischen Theorien. Diese gehen davon aus, dass es innerhalb der Psyche verschiedene Kräfte gibt, die miteinander in Konflikt liegen. Je nachdem, welche dieser Kräfte gerade die Oberhand gewinnt, kann sich also ein sehr unterschiedliches und widersprüchliches Verhalten von Menschen zeigen (vgl. Schütz et al. 2015, S. 214). Sigmund Freud Sigmund Freud (1856–1939) ist einer der Urväter der Psychologie. Sein Verdienst ist es, dass in der Wissenschaft und auch in der Bevölkerung das Interesse am Unbewussten geweckt und den Menschen nun Begriffe zur Verfügung gestellt wurden, die sie für die Diskussion von Vorgängen im Inneren ihrer Psyche verwenden konnten. Er versuchte also, mit verschiedenen theoretischen Modellen eine Landkarte der Seele zu erstellen (vgl. Helle 2019, S. 10). Das dynamische Modell Freud ging in seinem Weltbild davon aus, dass das Seelenleben auf dem Fluss von Energien beruht. Jeder Mensch habe ein gewisses Ausmaß an Energien zur Verfügung, die Gesamtenergiemenge sei also fix. Das bedeutet, jede Tätigkeit, für die Energie aufgewandt wird, geht auf Kosten einer anderen Tätigkeit – die Energiereserve wird sozusagen erschöpft. Handeln ist Verarbeiten von Energie (Neyer/Arsendorpf 2018, S. 10). Unterschiede zwischen den Menschen können sich also nach dieser Theorie daraus erklären, 28 wofür diese Menschen Energie verwendet haben und wie viel ihnen noch zur Verfügung steht. Es könnte z. B. sein, dass Jasmin noch Energie hat, mit der sie zur Feier der Tante gehen kann, während die Energie ihrer Geschwister dafür nicht mehr reicht. Woher kommt nun diese Energie? Nach Freud sind die Ursache dafür angeborene, biologisch gesteuerte Triebe. Es gibt zwei Grundtriebe: einerseits den Sexualtrieb (Eros) als Selbsterhaltungstrieb (Erhaltung der eigenen Art), dessen Energieform die Libido ist, und andererseits den Aggressionstrieb (Thanatos) als Todestrieb mit Destrudo als zerstörerischer Energie (vgl. Rauthmann 2015, S. 85). Der Triebbegriff Freuds hat sich im Laufe der Zeit verändert, so hat er sich zuerst mit dem Sexualtrieb befasst und diesen erst später durch den Todestrieb ergänzt (vgl. Freud 1915). Triebe sind körperliche Spannungszustände, die nach Entladung streben. Dabei möchte biologische Energie in psychische Energie umgewandelt werden (vgl. Rauthmann 2017, S. 84). Entladen werden können die Spannungszustände über Triebbefriedigung an Triebobjekten. Beispielsweise spürt jemand den Trieb nach Sex und könnte diesen über gelebte Sexualität mit einem Partner oder einer Partnerin ausleben. Außerdem können Triebe aber auch abgewehrt werden und z. B. auf Fantasien oder Träume verschoben werden. Tabelle 2: Abwehrmechanismen nach Sigmund Freud Mechanismus wehrt ab durch Verdrängung innere und äußere Reize Verdrängung ins Unbewusste Projektion innere Reize Projektion eigener Triebimpulse auf andere Verschiebung innere Reize Verschiebung des Triebziels auf ein anderes Objekt Reaktionsbildung innere Reize Verkehrung ins Gegenteil Verleugnung äußere Reize nicht wahrhaben wollen Rationalisierung eigenes Verhalten Erklärungen zur Rechtfertigung des Verhaltens abgeben, um dadurch das eigentliche Verhalten umzudeuten Sublimierung innere Reize Befriedigung der Triebimpulse durch akzeptable Ersatzhandlungen Regression Trauma Rückzug auf frühkindliche Stufe der Triebregulation Quelle: erstellt im Auftrag der IU 2020, in Anlehnung an Neyer/Asendorpf 2018, S. 12. Freud ging davon aus, dass diese Triebe allen Menschen zu eigen sind, es allerdings interindividuelle Unterschiede in ihrer Stärke geben könnte (vgl. Rauthmann 2017, S. 85). 29 Das Strukturmodell Unterschiede im Verhalten von Menschen können auch dadurch erklärt werden, welcher Anteil dieser Menschen das jeweilige Handeln bestimmt. In seinem Strukturmodell unterscheidet Freud drei Instanzen der Energieverarbeitung: das Es, das Ich und das Über-Ich. Abbildung 2: Freuds Strukturmodell Quelle: erstellt im Auftrag der IU 2023, in Anlehnung an Freud 2010. Das Es ist die älteste Instanz in uns, es begleitet uns seit unserer Geburt und funktioniert nach den Prinzipien Lust suchen und Schmerz vermeiden. Es handelt sich also um angeborene Triebe, die ihre unmittelbare Befriedigung suchen, beispielsweise Instinkte nach Hunger, Durst, Körperkontakt oder Sexualität (vgl. Rauthmann 2017, S. 87). Die moderne Hirnforschung würde darunter die uralten Bereiche des Reptilienhirns verstehen: den Hirnstamm und die Amygdala, also den Sitz von Überlebensinstinkten und Gefühlen. Das Ich wiederum ist eine vermittelnde Instanz zwischen dem Es und den Ansprüchen der Außenwelt. Dabei kann es auf mindestens zwei Arten vorgehen: Es kann versuchen, die Triebansprüche des Es anzupassen oder zu unterdrücken. Oder es kann versuchen, die Außenwelt so zu verändern, dass die Ansprüche des Es erfüllt werden können. 30 Schließlich bildet sich im Laufe der Erziehung durch Anpassung an die vorherrschenden kulturellen Normen das Über-Ich heraus. Dieses hat diese Normen internalisiert und versucht, das Es zu kontrollieren, um ihnen möglichst gut zu entsprechen (vgl. Neyer/Asendorpf 2018, S. 9ff.). Dieses Modell könnte erklären, warum Jasmin zur Geburtstagsfeier ihrer Tante geht, während ihre Geschwister daheimbleiben: Möglicherweise hat sie ein stärkeres Über-Ich als die beiden und fühlt sich deshalb stärker den Normen der Familie verpflichtet. Das topografische Modell Das topografische Modell von Sigmund Freud kann helfen, zu erklären, warum Menschen manchmal scheinbar irrational handeln und selbst nicht verstehen, warum sie gewisse Handlungen vollziehen oder unterlassen. Dieses Modell beschreibt die drei Ebenen des Seelenlebens, die sogenannten Bewusstheitsebenen: das Unbewusste, das Vorbewusste und schließlich das Bewusste. Es wird auch als Eisbergmodell bezeichnet, vergleichbar einem Eisberg, bei dem der überwiegende Teil unsichtbar unter Wasser ist und nur eine kleine Spitze sichtbar über der Wasseroberfläche hervorragt (vgl. Helle 2019, S. 12). Abbildung 3: Das topographische Modell als Eisbergmodell Quelle: erstellt im Auftrag der IU 2023, in Anlehnung an Freud 1923. Zum Bewussten können alle Inhalte unseres momentanen Befindens zählen: das, was wir gerade denken, fühlen, wahrnehmen, was wir uns vorstellen und woran wir uns erinnern (vgl. Neyer/Asendorpf 2018, S. 10). Bewusste Das Bewusste nehmen wir bewusst wahr, können es aktiv beschreiben und darüber Auskunft geben. Der Zugang zum Vorbewussten hingegen ist schon etwas schwieriger. Hier reicht die Stärke, mit der die Inhalte in uns gespeichert sind, gerade nicht mehr, um sie hervorzurufen (vgl. Helle 2019, S. 11). 31 Vorbewusste Das Vorbewusste speichert die Inhalte, die uns jederzeit bewusst werden könnten. Wir spüren, dass wir diese Erinnerungen eigentlich haben, aber im Augenblick können wir sie nicht abrufen (vgl. Neyer/Asendorpf 2018, S. 10). Ein Beispiel dafür könnte etwa der Name eines lieben Gastgebers und Freundes auf einem längst vergangenen Urlaub sein: Wir erinnern uns an den Urlaub und versuchen, seinen Namen wieder hervorzurufen, aber er fällt uns erst einmal nicht ein. Unbewusste Das Unbewusste ist für unser Bewusstsein nicht aktiv erreichbar. Das Unbewusste hingegen liegt noch eine Schicht tiefer in uns vergraben. Auch wenn wir uns sehr anstrengen, ist es uns nicht zugänglich, sondern schlummert tief in uns und steuert von dort unser Verhalten mit. Dabei ist das Unbewusste seinem Wesen nach auch am weitesten von unserem Alltagsbewusstsein entfernt: Wie in Träumen oder Fantasien kann es dabei zu einer Verschmelzung von Orten, Zeitpunkten oder logischen Gegensätzen kommen. Nach Freud ist das Es immer unbewusst, denn das Ich möchte ja die Triebimpulse aus dem Es nicht zulassen und verdrängt es deshalb ins Unbewusste, wo es weiterhin auf unsere Gefühle und Motivation einwirken kann. Aber auch Teile des Über-Ichs und Ichs können unbewusst sein (vgl. Neyer/Asendorpf, 2018, S. 10). Im Inneren der Menschen tobt nach Freud ein Kampf, der viel Energie beanspruchen kann: Einerseits möchte das Unbewusste an die Oberfläche kommen und drängt mit immer stärkerer Kraft nach oben, je bedeutsamer es ist (vgl. Helle 2019, S. 12). Andererseits gibt es Mechanismen in uns, die das Unbewusste unbewusst halten möchten. Uns Menschen kann das Unbewusste Angst machen, weil darin viel verborgen sein kann, mit dem wir lieber nicht konfrontiert werden möchten: z. B. Ängste, Träume und Wünsche, die nicht dem entsprechen, was gerade in der Gesellschaft von uns gewünscht wird. Deshalb wenden wir Energie auf, um das Unbewusste vom Bewussten und vom Vorbewussten fernzuhalten und abzutrennen – Energie, die uns dann bei unseren alltäglichen Aufgaben fehlen kann. Dies geschieht nach Freud mit den Mechanismen von Widerstand und Abwehr. Widerstand bedeutet, aktiv etwas zu tun, um zu verhindern, dass Unbewusstes bewusst wird, z. B. eine Therapie abzulehnen (vgl. Helle 2019, S. 12). Abwehr hingegen ist ein Prozess innerhalb der Psyche, der nicht beobachtet werden kann, und funktioniert mithilfe verschiedener Abwehrmechanismen wie z. B. Verdrängung oder Verleugnung. Das Entwicklungsmodell Freuds Entwicklungsmodell geht davon aus, dass der Mensch in seiner Entwicklung vom Baby bis zum Jugendlichen unterschiedliche Phasen durchläuft. Reste aus dieser Entwicklung können auch das Verhalten im Erwachsenenalter noch prägen. Jede dieser Phasen hat Freud einer erogenen Körperregion zugeordnet, die in dieser Phase im Vordergrund steht (vgl. Rauthmann 2017, S. 88). 32 Tabelle 3: Das psychoanalytische Entwicklungsmodell nach Sigmund Freud Psychosexuelle Entwicklungsstufe Arten des Lustgewinns Orale Phase (0–1 Jahr) Saugen, Lutschen, Einverleiben, Beißen Mutterbrust als erstes Beziehungsobjekt, aber auch Ambivalenz ihr gegenüber Das Es ist vorhanden. Anale Phase (1–3 Jahre) Ausstoßen (Kot) vs. Zurückhalten Kot als etwas Wertvolles Ich beginnt sich zu entwickeln, erste Ansätze eines Über-Ichs Phallische Phase (3–6 Jahre) Berühren, Vorzeigen der Genitalien Ödipuskonflikt, Identifikation mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil Volle Entwicklung des Ichs, Über-Ich-Entwicklung geht weiter Latenzperiode (6–11 Jahre) alle früheren Arten, aber insgesamt geringeres sexuelles Interesse Ausbau sozialer Beziehungen zu Gleichaltrigen Suche nach Balance zwischen den verschiedenen Persönlichkeitsinstanzen Genitale Phase (ab 11 Jahre) Wiederaktivierung kindlicher Arten des Lustgewinns auf dem Weg zur Entwicklung einer reifen Sexualität immer mehr außerfamiliale Liebesobjekte, Entfremdung gegenüber Zärtlichkeit mit den Familienangehörigen Objektbeziehung Persönlichkeitsorganisation Quelle: erstellt im Auftrag der IU 2020, nach Trautner 1991, S. 72f. u. Rothgang/Bach 2015. Außerdem postuliert Freud, dass in diesen Phasen prägende Erfahrungen gemacht werden können, die sich auch im Erwachsenenalter noch auf den Menschen und seinen Charakter auswirken. Das kann z. B. durch den Mechanismus der Fixierung geschehen: Hier bleibt ein Mensch auf einer bestimmten Entwicklungsstufe stehen und entwickelt sich nicht mehr weiter. Oder es kann auch zu einem Rückfall auf eine frühere Stufe kommen, zur sogenannten Regression (vgl. Rauthmann 2017, S. 88). Die Psychoanalyse als Erkenntnis- und Behandlungsmethode Freuds Ideen führen zur Entwicklung der Behandlungsmethode der Psychoanalyse und vieler anderer Schulen seiner Schüler, die darauf aufbauten, Elemente daraus verwendeten, weiterentwickelten, kritisierten oder abwandelten. Beispiele dafür sind etwa die Schulen von Jung, Adler, Erikson oder Murray. Auch die von Freud eingeführten Behandlungsmethoden z. B. der Introspektion, der Traumdeutung oder der freien Assoziation wurden in vielen weiteren Verfahren genutzt (vgl. Rauthmann 2017, S. 88). Carl Gustav Jung C. G. Jung (1875–1961) war einer der Schüler Sigmund Freuds, der dessen Theorien weiterentwickelte. In Freuds Psychoanalyse hatte die Sexualität einen prominenten Stellenwert, was Jung kritisierte. Ins Zentrum seiner Theorie der Analytischen Psychologie stellte 33 er die psychische Energie. Jung interessierte sich sehr für Spiritualität, Mystik und übernatürliche Phänomene, beschäftigte sich viel damit und ließ Konzepte aus diesen Bereichen in seine Theorie einfließen (vgl. Rauthmann 2017, S. 91). Auch Freuds topografisches Modell entwickelte Jung weiter: Er erweiterte es um die Ebene des Kollektiven. Somit unterscheidet er das persönliche Unbewusste vom kollektiven Unbewussten. Im persönlichen Unbewussten finden sich Inhalte, die unwichtig und deshalb nicht bewusst sind, genauso wie Inhalte, die dem Ich als bedrohlich erscheinen und deshalb unterdrückt werden. Außerdem kann es sich auch auf die Zukunft beziehen und auf das, was dann möglicherweise geschehen wird – auch hier zeigt sich wieder Jungs großes Interesse an Spiritualität, Mystik und dem über das alltägliche Leben Hinausgehenden (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 470). Während das persönliche Unbewusste maximal bis zur eigenen Geburt zurückgeht, sind im kollektiven Unbewussten nach Jung auch die „Reste des Ahnenlebens“ (Jung 1943, S. 87) enthalten, also Erinnerungen der Ahnen und generell der Menschheitsgeschichte. Kollektives Unbewusstes Das kollektive Unbewusste geht über das persönliche Unbewusste hinaus und bezieht die Erfahrungen der gesamten Menschheitsgeschichte mit ein. Das kollektive Unbewusste beinhaltet die Archetypen. Das sind nach Jung kulturell übergreifende Symbole, die sich in Märchen, Geschichten, Religion und Mystik wiederfinden. Menschen machen nach Jung eine individuelle Entwicklung durch, die sogenannte Individuation. Dabei begegnen ihnen verschiedene dieser Archetypen und danach werden sie aufgefordert, sich mit den damit verbundenen Themen auseinanderzusetzen und daran zu reifen (vgl. Rauthmann 2017, S. 92). Beispielsweise begegnen Menschen dem eigenen Schatten und werden dadurch veranlasst, sich selbst kritisch im Spiegel zu betrachten und sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Weitere wichtige Archetypen für Jung sind Anima und Animus. Die Anima ist der weibliche Anteil im Mann, der Animus der männliche Anteil in der Frau. Über die Auseinandersetzung mit den beiden können Menschen also lernen, auch den gegengeschlechtlichen Anteil in sich zu integrieren (vgl. Rauthmann 2017, S. 93). Auch zu den Unterschieden in der Persönlichkeit von Menschen entwickelte Jung eine eigene Theorie. Dabei unterschied er sogenannte Grundfunktionen von Einstellungen. Tabelle 4: Jungs Persönlichkeitsmodell Funktionen 34 Beantwortete Frage Einstellungen extravertiert (auf die äußere Welt fokussiert) introvertiert (auf die Dinge der inneren Welt fokussiert) Empfinden Ist etwas da? realistisch, fantasielos, genießerisch künstlerisch, an eigener Erlebniswelt interessiert Intuieren Wo ist es hergekommen und wo geht es hin? leicht gelangweilt, Möglichkeiten offenlassend, nicht verharrend träumerisch, fantasievoll Denken Was ist das, was da ist? tatsachenorientiert, objektiv, logisch, praktisch ideenorientiert, philosophisch, denkerisch Funktionen Beantwortete Frage Einstellungen Fühlen Was ist es wert? taktvoll, konservativ, hilfsbereit, emotional, sprunghaft non-konform, kühl, reserviert Quelle: erstellt im Auftrag der IU 2020, in Anlehnung an Rauthmann 2017, S. 94 u. Stemmler et al. 2016, S. 471. Der insbesondere im amerikanischen Raum sehr verbreitete und populäre Myers-BriggsTypen-Indikator basiert auf Jungs Persönlichkeitsmodell. In der wissenschaftlichen Psychologie hat dieser Typentest aber kaum Bedeutung, da er nicht den wissenschaftlichen Gütekriterien entspricht, insbesondere Reliabilität und Validität sind zweifelhaft (vgl. Rauthmann 2017, S. 94; Stemmler et al. 2016, S. 471). 2.2 Bedürfnis- und Motivationstheorien Die Bedürfnis- und Motivationstheorien gehören alle zu den humanistischen Theorien. Hier steht der Mensch mit seinen Bedürfnissen und seinem Wunsch nach Selbstverwirklichung und Authentizität im Vordergrund. Henry A. Murray Auch Henry A. Murray (1893–1988) baute auf den Ideen Sigmund Freuds auf und entwickelte diese weiter. Ihm war es wichtig, seine auf den psychodynamischen Modellen basierenden Ideen mit der akademischen Psychologie zu verbinden (vgl. Rauthmann 2017, S. 97). Er entwickelte das Konzept der Personologie, damit ist die „Erforschung der Persönlichkeit und der individuellen Merkmale einer Person“ (Rauthmann 2017, S. 97) gemeint. Die Konzepte des Es, Ich und Über-Ich von Freud kommen auch bei ihm vor, wenn auch in leicht abgewandelter Form. Zusätzlich führt er den Begriff des „Ich-Ideals“ ein. Dieses ist „ein idealisiertes Selbstbild, das wichtige persönliche Ziele und langfristige Pläne enthält“ (Rauthmann 2017, S. 98). Murray unterschied primäre Bedürfnisse von sekundären Bedürfnissen, sogenannten „Needs“. Primäre Bedürfnisse waren für ihn vor allem körperlich bedingt, wie Hunger oder Durst, während sekundäre Bedürfnisse etwa die Bedürfnisse nach Unabhängigkeit, Leistung oder Zugehörigkeit sind (Murray 1938). Die in der Person liegenden „Needs“ wiederum grenzte er von den „Presses“ ab, womit er den Einfluss der Umwelt meint. Aufbauend auf seine Forschung wurde von ihm gemeinsam mit Christiana D. Morgan (1897–1967) der Thematische Apperzeptionstest TAT entwickelt. Bei diesem werden Zeichnungen von Menschen in alltäglichen Situationen gezeigt, die von den Probanden durch Geschichten (Was passiert hier? Was denken und fühlen die abgebildeten Personen?) erklärt werden sollen (vgl. Murray 1943). 35 Abraham Maslow In der Arbeit von Abraham Maslow (1908–1970) stehen menschliche Bedürfnisse im Fokus, die er in einem Stufenmodell beschreibt. Dabei unterscheidet er zwischen Defizitbedürfnissen und Wachstumsbedürfnissen. Das Modell ist pyramidenförmig aufgebaut, deshalb heißt es auch „Bedürfnispyramide“. Er geht davon aus, dass zuerst die unteren Bedürfnisse erfüllt werden müssen, bis der Wunsch nach den oberen Bedürfnissen aktuell wird. Bei den unteren vier Bedürfnissen handelt es sich nach Maslow um Defizitbedürfnisse, während Selbstverwirklichung ein Wachstumsbedürfnis ist (vgl. Bridgman/Cummings 2019). Abbildung 4: Maslows Bedürfnispyramide Quelle: erstellt im Auftrag der IU 2023, in Anlehnung an Maslow 1943. Carl Rogers Carl Rogers (1902–1987) gilt mit seiner Therapieschule der Gesprächspsychotherapie – die auch Klientenzentrierte oder Personzentrierte Psychotherapie genannt wird – als einer der Mitbegründer der Humanistischen Psychotherapie. Zentral für diese Therapieschule ist der Glaube an die Wachstums- und Entwicklungsfähigkeiten des individuellen Menschen. Es wird davon ausgegangen, dass Menschen eine Tendenz zur Aktualisierung haben, also bestrebt sind, die eigenen Potenziale zu entwickeln (vgl. Helle 2019, S. 71). Diese Aktualisierungstendenz kann in Konflikt zu den Werten und Normen stehen, die einer Person durch die Umwelt vermittelt werden (vgl. Helle 2019, S. 71), z. B., wenn eine eigentlich sehr künstlerisch interessierte und begabte junge Frau von den Eltern unter 36 Druck gesetzt wird, statt einer künstlerischen Ausbildung eine als solide betrachtete Banklehre zu absolvieren. Wenn die junge Frau sich entgegen ihren Neigungen dem Wunsch der Eltern beugt, kann das dazu führen, dass sie einen inneren Konflikt entwickelt und ihre Selbstkongruenz leidet. Therapieziel in der humanistischen Therapie ist die Entwicklung der „fully functioning person“ (Rogers 1962), damit geht es auch um Selbstverwirklichung als Entwicklung der eigenen Potenziale und darum, Menschen dabei zu unterstützen, ein für sie authentisches Leben zu führen (vgl. Asendorpf 2017; Helle 2019, S. 67). Zentral für den therapeutischen Prozess nach Rogers ist die bedingungslose Wertschätzung des Therapeuten für den Klienten als Person, in Rogers Worten: „The therapist feels his client to be a person of unconditional self-worth; of value no matter what his condition, his behavior, or his feelings.“ (Rogers 1962, S. 1). Nach Rogers ist die Ursache für viele psychische Probleme, insbesondere für Neurosen, die Diskrepanz zwischen dem realen Selbst (wie die Person tatsächlich ist) und dem idealen Selbst (geprägt durch gesellschaftliche Idealvorstellungen) (Rogers, 1951). Selbstkongruenz Diese wird empfunden, wenn das eigene Verhalten mit den eigenen Werten übereinstimmt. Selbstverwirklichung Sie stellt die Verwirklichung der individuellen Potenziale, Wünsche, Sehnsüchte und Bedürfnisse dar. Bedingungslose Wertschätzung Diese bedeutet, dem Klienten unabhängig von seinem Zustand, Verhalten und seinen Gefühlen Wertschätzung entgegenzubringen. Unterschiede zwischen Menschen können sich also auch daraus erklären, wie sehr sie bisher in ihrem Leben darin unterstützt wurden und die Möglichkeit hatten, sich selbst zu entwickeln und zu verwirklichen oder wie sehr sie sich an einheitliche Maßstäbe anpassen und dadurch ihre Individualität nicht zum Ausdruck bringen konnten. 2.3 Lerntheorien Die Grundannahme der Lerntheorien ist, dass unterschiedliches Verhalten von Menschen nicht auf unterschiedliche Veranlagungen/Dispositionen zurückzuführen ist, sondern darauf, dass Unterschiedliches gelernt wurde. Durch Belohnung und Bestrafung, so lehrt etwa der Behaviorismus, hätten Menschen gelernt, welches Verhalten erstrebenswert sei (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 535). Damit richtet sich der Fokus der Aufmerksamkeit weg vom Inneren des Menschen hin auf dessen beobachtbares Verhalten. Nun geht es also nicht mehr darum, wovon eine Person innerlich angetrieben wird, sondern was sie tatsächlich macht. Behaviorismus Der Behaviorismus rückt das beobachtbare Verhalten der Menschen in den Fokus. Klassisches Konditionieren Klassisches Konditionieren geht auf den russischen Physiologen Iwan P. Pawlow (1849-1936) zurück. Berühmt sind seine Lernexperimente mit Hunden. Natürlicherweise beginnt der Hund, vermehrt Speichel zu produzieren, wenn er Futter sieht. Pawlow gewöhnte den Hund nun daran, dass vor jedem Bereitstellen von Futter eine Glocke läuten würde. Schließlich reagierte der Hund schon allein auf das Läuten der Glocke – auch ohne Futter – mit vermehrtem Speichelfluss (vgl. Schütz et al. 2015). Beim klassischen Konditio- 37 nieren werden also Assoziationen oder Zusammenhänge gelernt: Der unkonditionierte Reiz (Futter) wird mit dem bisher neutralen (später dann konditionierten) Reiz (Glocke) verbunden. Tabelle 5: Klassische Konditionierung Unkonditionierter Reiz Futter Unkonditionierte Reaktion Speichel Konditionierter Reiz Glocke Konditionierte Reaktion Speichelfluss folgt nun auch auf Glocke (auch ohne Futter) Quelle: erstellt im Auftrag der IU 2020, in Anlehnung an Schütz 2015, S. 103. Unterschiede in menschlichem Verhalten können also auch darauf zurückzuführen sein, dass durch klassisches Konditionieren und die Erfahrung, die Menschen im Leben gemacht haben, Unterschiedliches gelernt wird. Beispielsweise beobachtet ein kleines Kind, dass die Mutter jedes Mal, wenn sie eine Spinne sieht, einen spitzen Schrei ausstößt. Dadurch lernt das Kind, Angst vor Spinnen zu haben, es assoziiert sie mit einem Schrei und mit Gefahr. Hier hat das Kind am Modell der Mutter gelernt, Angst vor Spinnen zu haben (siehe auch Abschnitt „Lernen am Modell“ für eine genauere Ausführung dazu). Ist erst einmal eine Verbindung zwischen konditioniertem Reiz und Reaktion hergestellt, so reagiert der Mensch auch auf ähnliche Reize. Dies nennt man „Reizgeneralisation“. In gewissem Grad generalisiert diese Angst, die das Kind von der Mutter gelernt hat, nun also auch auf den Spinnen ähnliche Tiere, z. B. Tausendfüßler und Käfer, obwohl mit diesen keine Erfahrung gemacht und auch nicht beobachtet wurde. Ein anderes Kind, das diese Erfahrung nicht gemacht hat und dessen Mutter angstlos mit Spinnen umgegangen ist, entwickelt diese Angst möglicherweise nicht. Wie kann diese Angst nun z. B. im Rahmen einer Therapie wieder gelöscht werden? Löschen von konditionierten Reaktionen nennt man „Extinktion“. Dabei erlebt der Patient den ursprünglich konditionierten Reiz wieder, aber ohne die gewohnte Reaktion. Der Spinnenphobiker würde also mit Spinnen konfrontiert und dabei keinen Schrei der Mutter hören und außerdem über die Erfahrung lernen, dass von den Spinnen keine Gefahr ausgeht. Dies nennt man systematisches Desensibilisieren, ein Verfahren, das in der Behandlung von Ängsten und Phobien angewandt wird (vgl. Schütz et al. 2015, S. 104). Persönlichkeitsunterschiede zwischen Menschen können also auch dadurch erklärt werden, dass sie in ihrer individuellen Entwicklung unterschiedlichen Reizen ausgesetzt waren. Operantes Konditionieren Die Bezeichnung operantes Konditionieren wurde durch den amerikanischen Psychologen Burrhus F. Skinner (1904–1990) geprägt. Der Unterschied zwischen klassischem und operantem Konditionieren besteht darin, dass beim klassischen Konditionieren der Versuchs- 38 person etwas widerfährt, sie ist dabei passiv. Hingegen vollbringt beim operanten Konditionieren die Person aktiv eine Handlung. Diese Handlung kann dann entweder verstärkt oder bestraft werden. Bei Positiver Verstärkung folgt dem Verhalten eine angenehme Konsequenz (z. B. Belohnung), bei Negativer Verstärkung fällt eine unangenehme Konsequenz (z. B. Strafe) weg. Bei Positiver Bestrafung (Typ 1) kommt ein unangenehmer Reiz/Konsequenz (z. B. Strafe) hinzu, bei negativer Bestrafung fällt ein angenehmer Reiz/Konsequenz weg. Verstärkung erhöht die Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens, Bestrafung senkt diese (vgl. Schütz et al. 2015, S. 107). In seinem Artikel „How to discover what you have to say – A talk to students“ gibt Skinner (1981) Beispiele dafür, wie das operante Konditionieren bewusst eingesetzt werden kann, um sich selbst das wissenschaftliche Schreiben zu erleichtern. So könnte man etwa die Anzahl der schon geschriebenen Seiten jeweils bewusst feiern, um hier einen positiven Verstärker einzubauen. Weitere Verstärker können aber auch in der Freude darüber liegen, etwas verstanden zu haben, oder im positiven Feedback der Leserschaft bzw. des Publikums (vgl. Skinner 1981). Unterschiede zwischen Menschen können sich also auch dadurch erklären, was sie durch operantes Konditionieren in ihrem Leben gelernt haben und auch, wie sie sich selbst konditioniert haben. Beispielsweise könnte es in der Familie der Schülerin Lisa viele positive Verstärker für das Lernen gegeben haben: viele interessante Bücher im Bücherschrank, ein schöner Arbeitstisch für Lisa und Lob für gute Noten. Ihre Klassenkameradin Lena hingegen wohnt mit vielen Geschwistern in einer kleinen Wohnung, beim Erledigen der Hausaufgaben herrschen Lärm und Tumult, keiner interessiert sich für ihre Noten und die Eltern machen deutlich, dass für sie Mithilfe im Haushalt viel mehr zählt, als die Nase unnötig in Bücher zu stecken. Insgesamt hat Lisa also auch bei gleicher Intelligenz und sonst gleichen Persönlichkeitseigenschaften bessere Voraussetzungen, um gute Schulleistungen zu erbringen, als Lena. Lernen am Modell Eine Weiterentwicklung der Lerntheorien, die besonders die soziale Komponente miteinbezieht, ist die Theorie des Modelllernens von Albert Bandura (1925–2021). Unterschiedliches Verhalten von Menschen kann sich auch dadurch erklären, dass die Menschen unterschiedlichen Umwelten ausgesetzt waren und dort jeweils individuell etwas Unterschiedliches gelernt haben. Dabei wurde festgestellt, dass Menschen dazu tendieren, Verhalten, das sie beobachten, nachzumachen; sie lernen also am Modell. Besonders stark ist der Nachahmungseffekt, wenn beobachtet wird, dass das Modell für das gezeigte Verhalten positive Konsequenzen erfährt, also dafür belohnt wird (vgl. Bandura 1963) und wenn die Beobachter sich stark mit dem Modell identifizieren, weil dieses ihnen ähnlich ist (vgl. Bandura 1969). Diese Theorie kann uns helfen, die Bedeutung von Mentoring und Rollenmodellen zu verstehen. Beispielsweise kann es für Studierende aus bildungsfernem Elternhaus oft schwierig sein, sich die für ein Studium nötigen Einstellungen und Verhaltensweisen anzueignen, weil sie dafür in ihrem näheren Umfeld oft über keine Modelle verfügen, von denen sie sich das passende Verhalten abschauen könnten. Lisas Eltern sind Akademiker, bei ihr wird schon in der Schulzeit am Esstisch oft über aktuelle wissenschaftliche Theorien und neue 39 Entwicklungen in Kunst und Kultur diskutiert. Bei Lena hingegen wird abends „Bauer sucht Frau“ und „Germany’s next top model“ geschaut, sie kann hier kaum etwas für ihr Studium lernen. Wenn sie Mentoren außerhalb der Familie finden würde, z. B. über organisierte Mentoringprogramme, hätte sie damit neue Modelle zur Verfügung, an denen sie das lernen kann, was sie für ein erfolgreiches Studium braucht. Lernen am Modell könnte auch helfen zu erklären, warum Jasmin zur Geburtstagsfeier von Tante Gerti geht, ihre beiden Geschwister aber nicht. Jasmin hat sich als Jugendliche bei den Pfadfindern engagiert, bei denen sie gelernt hat, wie wichtig soziales Verhalten für den gesellschaftlichen Zusammenhang ist. Im Sinne von „Jeden Tag eine gute Tat“ hat sie dort eine prosoziale Einstellung entwickelt. Ihre Geschwister Alex und Marina waren nicht bei den Pfadfindern, die Pfadfinder waren also Teil der Umwelt, die nicht von allen drei Geschwistern geteilt wird. Die beiden hatten somit weniger Rollenmodelle für soziales Verhalten auch auf Kosten des eigenen unmittelbaren Lustgewinns. 2.4 Kognitive und Handlungstheorien George A. Kelly George A. Kelly (1905–1967) leitete mit seiner Psychologie der persönlichen Konstrukte die kognitive Wende in der Psychologie ein. Damit entwickelte sich die Psychologie sowohl über die psychodynamischen Triebtheorien als auch über die behavioristischen Verhaltenstheorien hinaus. Dabei betont er die Bedeutung der persönlichen Interpretation der Ereignisse, die Menschen zustoßen. Menschen betätigen sich nach Kelly also als Alltagswissenschaftler: Aufbauend auf ihren persönlichen Konstrukten entwickeln sie Theorien über die Welt und testen diese an ihren Erfahrungen. Dabei sind sie auch in der Lage, ihre bisherigen Konstrukte durch neue zu ersetzen, wenn sie sich nicht mit ihren Erfahrungen decken sollten (vgl. Laux 2008, S. 104). BEISPIEL Lena kommt an die Uni und hat im Kopf ein mentales Konstrukt in Bezug auf das Lernen. Sie denkt, es gebe nur eine Form von Lernen, nämlich Auswendiglernen. In ihrem Soziologiestudium ist aber etwas Anderes gefragt: das kritische Diskutieren und Hinterfragen soziologischer Theorien. Es geht nun nicht mehr, wie in der Schule, darum, einfach wiederzugeben, was gelernt wurde. Lena erfährt nun, dass es zu einem Thema viele verschiedene Standpunkte und nicht nur eine allgemeingültige Wahrheit geben kann. Ihr persönliches Konstrukt zum Thema Lernen passt sich an. 40 Persönliches Verstehen eines anderen Menschen setzt nach Kelly voraus, dass man sich in dessen Konstrukte einfühlen kann. Das gelingt leichter, je mehr verschiedene Konstrukte man kennt (vgl. Laux 2008, S. 106). Für Lena hat sich durch das Studium eine neue Welt aufgetan. Gleichzeitig wird sie aber ihrer Mutter fremder, die Lenas neue Begeisterung für das Diskutieren von Theorien nicht in ihre eigenen mentalen Konstrukte einordnen kann. Julian B. Rotter Soziale Lerntheorie der Persönlichkeit Julian B. Rotters (1916–2014) soziale Lerntheorie der Persönlichkeit baut auf den Prinzipien des Konditionierens auf und bezieht gleichzeitig soziale Faktoren mit ein. Es wird davon ausgegangen, dass es gemäß dem Prinzip der Verstärkung unterschiedliche Handlungen, Zustände und Ereignisse gibt, die das Verhalten einer Person beeinflussen. Je nachdem, ob diese positiv oder negativ sind, kommt es zu einer Förderung oder Hemmung des Verhaltens (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 538). Das Verhaltenspotenzial hängt also davon ab, als wie wahrscheinlich es eingeschätzt wird, dass ein bestimmtes Verhalten in einer bestimmten Situation zu einer bestimmten Verstärkung führt und welchen Wert diese Verstärkung für die betreffende Person hat (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 538). Zum Beispiel würde nach dieser Theorie ein Mann seiner Freundin zu ihrem Geburtstag (Situation) eher Blumen kaufen (Verhalten), wenn er damit rechnet (Wahrscheinlichkeit), dass sie sich darüber freut und dann gute Laune hat (Verstärkung) und wenn die gute Laune seiner Freundin für ihn einen hohen Wert hat (Wert der Verstärkung). Wenn mehrere potenzielle Handlungen miteinander in Konkurrenz stehen, dann wird nach Rotters Theorie jene Handlung gewählt, die das größte Verstärkungspotenzial hat. Das bedeutet, es wird als wahrscheinlich angesehen, dass durch diese Handlung eine positive Konsequenz erreicht wird und die positive Konsequenz einen höheren Wert für die jeweilige Person als die Alternative hat. Es könnte z. B. die 25-jährige Jasmin vor der Entscheidung stehen, die Geburtstagsfeier der ansonsten nicht sehr geschätzten, aber wohlhabenden Tante Gerti zu besuchen oder mit Freunden tanzen zu gehen. Sollte der Besuch der Geburtstagsfeier eine Berücksichtigung beim Erbe der Tante deutlich wahrscheinlicher machen und dieser Aspekt für die junge Frau wichtig sein, während sie vom Tanzen mit Freunden keine vergleichbaren Vorteile hat, würde sie sich möglicherweise für diesen entscheiden, auch wenn die Zeit mit Freunden ihr mehr Spaß machen würde. Diese Wahrscheinlichkeiten und auch der Wert der Verstärkung können von unterschiedlichen Personen durchaus verschieden eingeschätzt werden. Es könnte z. B. sein, dass Jasmins 22-jähriger Bruder Alex, der die Tante absolut nicht mag und für den Geld keinen großen Wert besitzt, vorzieht, der Feier fernzubleiben. Und Jasmins 28-jährige Schwester Marina könnte der Ansicht sein, dass man von der Tante sowieso nichts erben werde (geringe Wahrscheinlichkeit und somit geringes Verstärkungspotenzial) und es sich somit nicht lohnt, sich allein deshalb bei der langweiligen Feier blicken zu lassen. 41 Kontrollüberzeugungen Zielgerichtetes Verhalten ergibt nur dann Sinn, wenn der betreffende Mensch davon ausgeht, dass er mit seinem Verhalten überhaupt irgendetwas beeinflussen kann, dieses also kalkulierbare und beherrschbare Konsequenzen hat. Geht jemand davon aus, dann handelt es sich dabei nach Rotter um eine internale Kontrollüberzeugung. Schreibt ein Mensch hingegen die Ursachen einer Handlung dem Zufall, Glück oder höheren Mächten zu, dann hat er eine externale Kontrollüberzeugung (vgl. Rotter 1990). Die Kontrollüberzeugung eines Menschen kann je nach Situation unterschiedlich sein. So sind z. B. die meisten Menschen davon überzeugt, dass ein Lottogewinn ein glücklicher Zufall ist – das einzige, was sie hier beeinflussen können, ist, ob sie spielen. Bei einer Prüfung hingegen ist es schon unterschiedlich: Manche werden davon ausgehen, dass der Prüfungserfolg hauptsächlich von ihrem Lernaufwand abhängt (internale Kontrollüberzeugung), während andere ihn vielleicht eher dem „Erwischen“ der richtigen Fragen oder der Laune des Professors zuschreiben. Wenn Menschen immer wieder in Situationen geraten, in denen sie trotz aller Bemühungen scheitern, kann das dazu führen, dass sie eine externale Kontrollüberzeugung entwickeln. Verwandt dazu ist auch das Konzept der erlernten Hilflosigkeit (vgl. Abramson/ Seligman/Teasdale 1978). Kontrollüberzeugungen können sich also auch zu einem situationsübergreifenden Persönlichkeitsmerkmal entwickeln. Zur Messung dieses Merkmals hat Rotter die Rotter-E-I-Skala entwickelt (E steht für External, I für Internal). Beispiele daraus aus der Übersetzung von Piontkowski sind (adaptiert übernommen von Stemmler et al. 2016, S. 541): Externale Kontrollüberzeugung: Kriege wird es immer geben, wie sehr sich die Menschen auch um ihre Verhinderung bemühen. Leider bleibt der Wert eines Menschen oft unerkannt, wie sehr er sich auch bemühen mag. Internale Kontrollüberzeugung: Kriege gibt es hauptsächlich deshalb, weil die Menschen nicht genug Interesse für Politik aufbringen. Auf die Dauer wird jedem der Respekt entgegengebracht, den er sich verdient. Kontrollüberzeugungen korrelieren mit vielen Faktoren im Leben von Menschen, beispielsweise mit Studien- und Berufserfolg und gesundheitsbezogenem Verhalten (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 550). 42 Albert Bandura Konzeptuell verwandt mit den Kontrollüberzeugungen ist auch Banduras Theorie der Selbstwirksamkeitserwartungen. Wer eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung hat, geht davon aus, über die Kompetenzen zu verfügen, eine bestimmte Aufgabe bewältigen zu können. Der Unterschied zu den Kontrollüberzeugungen ist, dass diese mehr die generelle Weltsicht betrachten: Ist die Welt kontrollierbar und steuerbar oder nicht? Bei der Selbstwirksamkeitserwartung hingegen geht es um einen selbst und die Kompetenzen, die man aufweist oder nicht (vgl. Bandura 1977). Eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung führt dazu, dass bei Auftreten von Schwierigkeiten die jeweilige Person tendenziell trotzdem nicht aufgibt und über eine längere Zeit hinweg Durchhaltevermögen zeigt. Dadurch kann erklärt werden, warum manche Menschen bei ersten Problemen sofort aufgeben, während andere diese als Herausforderung sehen (vgl. Bandura 1977). Ein Beispiel dafür wäre etwa der 19-jährige Martin, der gerade eine Lehre zum Tischler begonnen hat und in seinen ersten Monaten erlebt, dass es ihm nicht so recht gelingen mag, das Holz so zu bearbeiten, dass sein Lehrmeister mit der Qualität der Werkstücke zufrieden ist. Hat Martin eine niedrige Selbstwirksamkeitserwartung, so wird er sich als wenig kompetent erleben, meinen, daran nichts ändern zu können und geneigt sein, die Lehre abzubrechen mit der Überzeugung: „Tischler sein, das ist nichts für mich“. Hat er hingegen eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung, dann wird er dranbleiben und weiter an sich und seinen Fähigkeiten arbeiten, sodass er schließlich seine handwerklichen Fähigkeiten deutlich verbessert. Somit führt eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung durch das damit verbundene Verhalten oft auch zur Erweiterung der eigenen Kompetenzen und damit zu Erfolgserlebnissen, was wiederum die Selbstwirksamkeitserwartung stärkt. Das wird der „high performance cycle“ genannt, der Teil der Zielsetzungstheorie nach Locke und Latham ist (vgl. Locke/Latham 1991). Walter Mischel Walter Mischel (1930–2018) führte Ende der 1960er- und 1970er-Jahre die berühmten Marshmallow-Experimente mit Kindern durch und entwickelte daraus das Konzept des Belohnungsaufschubs. Die Kinder wurden vor die Wahl gestellt, entweder sofort einen Marshmallow essen zu dürfen oder einige Minuten zu warten und dann zwei Marshmallows zu bekommen (vgl. Mischel/Shoda/Rodriguez 1989). Belohnungsaufschub wird dabei von Mischel sowohl als Situations- als auch Persönlichkeitsvariable betrachtet (vgl. Stemmler et al. 2016, S. 564). Das bedeutet, es kann je nach Situation variieren, ob jemand in der Lage ist, eine sofortige Belohnung für ein höherwertiges Ziel ein bisschen aufzuschieben. Beispielsweise könnte es sein, dass ein Mann, der schon länger abnehmen möchte, es meistens schafft, auf die Chips vor dem Fernseher zu verzichten. Manchmal ist er allerdings so gestresst, dass es ihm nicht gelingt. 43 Gleichzeitig hat sich in Mischels Experimenten aber auch gezeigt, dass es eine situationsübergreifende Stabilität des Belohnungsaufschubs bei Menschen gibt. Darüber gibt das längsschnittliche Design seiner Studien Auskunft: Das weitere Leben der Kinder aus dem Marshmallow-Test wurde über mehrere Jahrzehnte beobachtet. Dabei zeigte sich, dass die Kinder, die im Alter von vier Jahren in der Lage gewesen waren, die Belohnung aufzuschieben und zu warten, in vielen schulischen und sozialen Bereichen bessere Ergebnisse zeigten, z. B. konnten sie besser mit Stress und Frustration umgehen und erzielten bessere Schulleistungen (vgl. Shoda/Mischel/Peake 1990). ZUSAMMENFASSUNG Die bekanntesten der psychodynamischen Theorien sind die von Sigmund Freud und C. G. Jung. Freuds wichtigste Modelle sind das dynamische Modell, das Strukturmodell, das topografische Modell und das Entwicklungsmodell. Jung hat Freuds Theorien weiterentwickelt und ergänzt, insbesondere um die Konzepte des kollektiven Unbewussten und der Archetypen. Bei den humanistischen Theorien steht der Mensch mit seinem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung im Vordergrund. Bekannte Vertreter sind Murray, Maslow und Rogers. Lerntheorien hingegen konzentrieren sich auf das beobachtbare Verhalten von Menschen: vom klassischen über das operante Konditionieren bis zum Modelllernen. Die kognitiven und Handlungstheorien wiederum beschäftigen sich mit den persönlichen Konstrukten von Menschen (Kelly), mit Verhaltenspotenzial und Verhaltenserwartungen, mit Kontrollüberzeugungen, Selbstwirksamkeitserwartungen und Belohnungsaufschub. 44 LEKTION 3 INTERINDIVIDUELLE DIFFERENZEN IM PERSÖNLICHKEITSBEREICH LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – wie Persönlichkeitsstrukturen modelliert werden können. – wie die persönlichkeitstheoretischen Modelle von Cattell und Eysenck aufgebaut sind. – welche Bedeutung das Fünf-Faktoren-Modell (FFM) der Persönlichkeit von Allport für die Differentielle Psychologie hat. – wie biopsychologische Theorien uns helfen können, Unterschiede zwischen Menschen zu erklären. 3. INTERINDIVIDUELLE DIFFERENZEN IM PERSÖNLICHKEITSBEREICH Aus der Praxis Fallbeispiel 1: Die 17-jährige Eva hat seit Kurzem ihren ersten Freund, den 20-jährigen Fabian, einen Wirtschaftsstudenten. Sie hat sich Hals über Kopf in ihn verliebt, denn Fabian verkörpert alles, was sie gerne sein würde: Er ist lebhaft, lustig, immer zu Späßen aufgelegt, viel unterwegs und hat einen großen Freundeskreis. Eva selbst hat es lieber ruhig. Sie geht eigentlich nicht so gerne in laute Discos, sondern bevorzugt, sich zu zweit mit einer Freundin oder mit ihrem Freund zu treffen. Wie können die Unterschiede zwischen den beiden psychologisch erklärt werden? Fallbeispiel 2: Der 5-jährige Thomas ist eine richtige Naschkatze. Seiner Mutter Daniela liegt seine Gesundheit am Herzen und sie sieht sich in der Verantwortung, dass er sich gesund ernährt. Selbst nascht sie aber öfters heimlich und versteckt die Süßigkeiten im ganzen Haus. Der schlaue Thomas hat das längst herausgefunden und manchmal, wenn seine Mutter gerade nicht im Zimmer ist, geht er auf die Suche nach den Leckereien. Wie kann erklärt werden, ob Thomas sich beherrschen kann oder ob er sich verbotenerweise über die Süßigkeiten hermacht? 3.1 Modellierung von Persönlichkeitsstrukturen Temperamentstypologien Persönlichkeitstypen Diese beschreiben miteinander zusammenhängende Persönlichkeitseigenschaften und fassen diese zusammen. Sie sollen in sich möglichst homogen sein, sich aber untereinander stark unterscheiden. 46 Seit dem Altertum versucht man, die Persönlichkeit und das Temperament von Menschen einzuordnen. Zu den frühesten Versuchen gehören Einordnungen der Menschen in Typen. Die Idee dahinter ist, Menschen möglichst treffend charakterisieren zu können, indem sie gemäß ihrer Ähnlichkeit in einer Gruppe von verschiedenen Eigenschaften zu Typen, sogenannten Persönlichkeitstypen, zusammengefasst werden. Diese Eigenschaften sollen sich innerhalb eines Typus möglichst wenig von denen der anderen Typen aber stark unterscheiden (vgl. Schütz et al. 2015, S. 215). Frühe Einordnungen basierten z. B. auf den vier Elementen Luft, Feuer, Erde und Wasser und damit verbunden auf den Körpersäften Blut, Schleim sowie schwarze und gelbe Galle, nach denen Hippokrates (v. Chr. 460–370 v. Chr.) die Menschen in die Charaktertypen Sanguiniker (Blut, von lateinisch „sanguis“), Phlegmatiker (Schleim, von griechisch „phlegma“), Choleriker (gelbe Galle, von griechisch „chole“) und Melancholiker einteilte (schwarze Galle, von

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