Zusammenfassung Organisationspsychologie PDF

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This document is a summary of organizational psychology, covering topics like organizational development, diagnosis, team dynamics, and organizational climate and culture. It's suitable for use in undergraduate organizational studies courses.

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AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Zusammenfassung Organisationspsychologie Inhaltsverzeichnis 1_Einführung in die Organisationspsychologie.......................................................................

AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Zusammenfassung Organisationspsychologie Inhaltsverzeichnis 1_Einführung in die Organisationspsychologie.................................................................................. 2 Praxisimpuls: Shared Governance - Astrid Blunschi Balmer............................................................... 5 Praxisimpuls: “I failed. Again & again................................................................................................. 7 2_Organisationsentwicklung.......................................................................................................... 10 Praxisimpuls: Organisationsdiagnose - Jose Mancera...................................................................... 15 3_Organisationsdiagnose............................................................................................................... 16 4_Teamdiagnose und Teamentwicklung.......................................................................................... 20 5_Organisationsklima und Organisationskultur............................................................................... 25 6_Macht und Mikropolitik, Sozialisation und Commitment.............................................................. 31 Praxisimpuls: Organisationsentwicklung Faciliation - Daniel Osterwalder........................................ 38 1 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Thema 1 1_Einführung in die Organisationspsychologie Lernziele - Sie können das Feld der Organisationspsychologie definieren und um- schreiben - Sie kennen den Begriff Organisation und welche Bausteine Organisationen beschreiben können - Sie erkennen, dass in der Organisationspsychologie die Interaktion von menschlichem Erleben und Verhalten mit den Organisationsmerkmalen zentral ist Organisations- Erleben: Innenaspekt, nicht-beobachtbar Bsp. Denken, Fühlen psychologie Verhalten: Aussenaspekt, Beobachtbar, Bsp. Handeln, bewusstes Verhalten -> In der Organisationspsychologie das Erleben und Verhalten im Kontext von Organisationen in Abhängigkeit von organisationaler Wirkgrössen wie Wech- selwirkungen zwischen Individuum und Organisation. Aufgabe: Analyse und Veränderung von Strukturen und Prozessen Bearbeitungsperspektiven: - Schaffen von Grundlagenwissen - Entwicklung von Diagnoseinstrumenten - Entwicklung von Interventionsmassnahmen zur Optimierung - Evaluation der Wirksamkeit der Interventionen Betrachtungs- Ebene des Individuums: ebenen - Verhaltens- und Leistungsbedingungen für Individuen in Organisationen, deren Diagnose und Gestaltung zur Förderung Ebene von Gruppen bzw. von Interaktionsbeziehungen: - Formen, Bedingungen und Prozesse von Arbeitsgruppen und Führungsbe- ziehungen Ebene der Organisation als Ganzes: - Formen und Charakteristika der Organisation sowie die Beziehung zur Umwelt -> Mehrebenen-Ansätze untersuchen das Zusammenspiel der Ebenen. Arbeits- und Or- Organisationen: ganisationspsy- Zusammenschluss von Men- chologie schen zur Erreichung be- stimmter Ziele in bestimm- ten sozialen Gebilden / For- male und zweckgerichtete Strukturen mit festgelegten Anweisungen für Organisati- onsmitglieder / Aufbau und Ablaufformen Arbeit: wirtschaftliches oder organisationales Ziel gerichtete planmäßige menschli- che Tätigkeit / körperliche und geistige Kräfte / Erfüllung von Aufgaben im Rahmen wirtschaftlicher oder organisationaler Prozesse Personal: Menschen, welche in abhängiger Stellung arbeiten in einer Organisation / Be- triebswirtschaftliche Ressource / Mitarbeiterführung (Verhaltenssteuerung) / Beschaffung, Auswahl, Entwicklung, Beurteilung, Vergütung 2 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Markt: Ökonomischer Ort des Tauschs bestimmter Güter / Preisbildung: Angebots- und Nachfrageregelung / Austausch zwischen Organisationen und Umwelt Methodische Zu- Erhebungsmethoden: Fragebogenstudien, Dokumentenanalyse, Beobach- gänge tungen usw. Fragen: Welche Zusammenhänge gibt es? Wie wirken sich Veränderungen oder Interventionen aus? Wie kann etwas verbessert werden in Hinblick auf die wirtschaftlichen oder menschlichen Dimensionen? Inhaltliche Beispiele: Typische abhängige Variablen z.B. Arbeitszufriedenheit, Arbeitsmotivation OCB, Commitment, Fluktuation, Stress, Gesundheit, Wohlbefinden, Resilienz Produktivität, Effizienz, Qualität Organisationen Organisationen: Strukturierte, zielorientierte, überdauernde soziale Gebilde - Wir sind stets Teil von Organisationen (Leben, Lernen, Freizeit usw.) Wortherkunft griechisch für Werkzeug / Bewerkstelligung / etwas erreichen Grundsatz: Ereignisse können nur erzielt werden, wenn Verhalten koordi- niert/ organisiert wird, Prozess des Organisierens Organisation als Instrument: - Gesamtheit aller Regelungen, Verteilung von Aufgaben und Kompetenzen in Arbeitsprozessen Organisation als Funktion: - organisieren, d.h. verteilen von Arbeiten (Arbeitsteilung) und Arbeiten auf ein Ziel ausrichten (Koordination) -> Instrumentale und funktionale Organisation fokussieren sich auf Regel und bringen Ordnung in ein System. Sie stehen zueinander in einer Bezie- hung Organisation als Institution: - soziale Systeme, welche zeitlich stabil, gegenüber der Umwelt offen, aus Individuen und Gruppen zusammengesetzt und zielgerichtet handelnde und strukturierte Systeme sind 3 Aspekte: - offenes System (durchlässige Grenzen ggü. der Umwelt) - Zielgerichtet (Handlungen sinnhaft und aufs Ziel ausgerichtet) - strukturiert (Arbeitsteilung) Organisations- Organisationsverfassung und rechtliche Vorgaben: bausteine - Verträge, Gesetze prägen die Struktur und das Selbstverständnis von Orga- nisationen - Vorgegeben: gesetzliche Vorschriften als Fundament von Organisationen regeln die Verteilung von Macht und Einfluss (AG, GmbH, Genossenschaft) - Selbstdefiniert: frei gesetzliche Vereinbarungen und Statuten Bsp. Betriebe mit erweiterten Partizipationsrechten, freie Kindergärten, private Schulen Organisationskultur: - gemeinsamer Zweck, geteilte Grundannahmen, Werte und Normen einer Organisation, Homogenität vs. Heterogenität Technologie: Technische Artefakte: Maschinen, Werkzeuge, Ausrüstungen Nutzungswissen: Know-How über die Schnittstelle Mensch/Technik Explizites Wissen: Konzepte, Nutzungshinweise über technische Artefakte 3 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Prozessbeschreibungen der Organisation (Ablauforganisation): - Entscheidungsprozesse - Machtausübung und Einflussnahme (formell / informell) - Partizipation der Mitarbeitenden - Konflikt und Kooperation - Information/ Kommunikation und Wissen / Transparenz (Was wird von Füh- rungskräfte entschieden, was wird im Team entschieden?) Organisationsstruktur: -> Teilaufgaben werden zusammengefasst und Personen oder Abteilungen zugewiesen. Zentralisierung - Dezentralisierung: Ansiedelung der Aufgaben und Verteilung von Entscheidungsmacht (Bsp. Entscheidungsmacht dort wo die Aufgabe ausgeführt wird oder von der GL) Spezialisierung - Generalisierung: Prinzip zur Verteilung der Teilaufgaben Koordination: Mechanismen zur Abstimmung zwischen den Mitarbeitenden und Abteilungen in einer Organisation (persönliche Weisungen vertikal, Selbstabstimmung horizontal, Organisationskultur u.a.) Konfiguration: Anzahl Hierarchiestufen, Verantwortungsteilung, Kontroll- spanne wie Anzahl unterstellte Mitarbeitende Entscheidungsbefugnis vs. Be- rater: Linie vs. Stab (Organigramm) Formalisierung: Standardisierung, Ausmass, in dem Arbeitsrollen, -regeln und -regulationen von der Organisation definiert werden Organisationsform (Aufbauorganisation): Einliniensystem Mehrliniensystem - Einzelunterstellungsverhältnis - Doppelte Unterstellungsverhält- Bsp. Funktionalorganisation bzw. nisse nach Funktion und Sparte hierarchische Organisation Bsp. Matrixorganisation (Tren- nung von disziplinarischer und fachlicher Weisungsbefugnis) Netzwerkorganisation Holokratie - Netzwerke innerhalb einer Organi- - neuere Organisationsform sation Ziel: Hierarchie auflösen und in - Vernetzung mit Partnern aus- Kreise führen serhalb der Organisation - jemand aus einem Kreis ist im- mer auch in einem höheren Kreis angesiedelt, um Abstimmungen mit anderen zu machen - Hierarchie ist sehr flach und Un- ternehmung komplett organisiert in Kreisen Holokratie -> Organisationsform in Kreisen 4 Säulen der holokratischen Organisationsform: - doppelte Verbindung – je Vertretung in den Kreisen - Trennung von operativen und Steuerungstreffen, Ideen nicht ersticken - Rollen statt Personen 4 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti - Konsent, integrative Entscheidungsfindung, nicht die perfekte, sondern pra- xistauglichste Lösung Organisationsziele: Geselligkeitsziele: Freizeitverein, Clubs Einwirkungsziele: Schulen, Gefängnisse, Krankenhäuser Leistungsziele: Unternehmen Verwaltungsziele: Behörden und Verwaltungen Purpose: Why – Wozu ist das Unternehmen in der Welt? Sinn und Zweck der Organisation? -> Der Purpose ist wichtig, um Mitarbeitende zu motivieren und zu gewinnen Sozio-techni- MTO-Ansatz: Zusammenspiel von Menschen, Technik sche Systeme und Organisation -> MTO-Ansatz wird in einem soziotechnischen Verständ- nis analysiert, um die Arbeitsaufgabe optimal und unter Berücksichtigung der Kriterien humaner Arbeitsgestal- tung zu erfüllen. Praxisbeispiel Organigramm vor der Reorganisa- Organigramm nach der Reorganisa- tion tion - Teilautonome Gruppenarbeit Praxisimpuls 1 Praxisimpuls: Shared Governance - Astrid Blunschi Balmer Organisations- modelle Governance-ba- sierte Organisa- tionsmodelle 5 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Merkmale von Strukturell: soziokratischen - Organisation ist ausgerichetet nach ihrem Zweck (Purpose) und holakrati- - Führung ist verteilt schen Organisa- - Arbeit in Kreisen organisiert (klaren Zweck und klare Verantwortlich- tionen keiten) - Kreise definieren Rollen - Mitarbeitende haben mehrere Rollen und entscheiden autonom in dieser Rolle - Kreise sind über eine Doppelverbindung miteinander verbunden, diese wird durch zwei unterschiedliche Rollen wahrgenommen (Be- nennung der Rollen: von aussen nach innen: Lead Link / von innen nach aussen: circle repräsentativ) Meetings: - Meetings folgen einem klaren Ablauf - Entscheidung nach konsent Suche nach Einwänden und nicht Suche nach Übereinstimmung (konsens) - Für Meetings gibt es Rollen, die vom Kreis nach Konsent gewählt wer- den (Moderator:in, Dokumentator:in, ect.) - Kreis entscheidet welche Themen in die Agenda kommen (span- nungsbasiertes Arbeiten) - In soziokratischen Modellen: Runden, damit alle gehört werden Kontinuierliche Entwicklung: - kontinuierliche Weiterentwicklung der Organisation wird durch ver- schiedene Reviews und Evaluationen sichergestellt - Organisation selbst kann jederzeit angepasst und damit weiterentwi- ckelt werden Ziele - Bessere Nutzung der verfügbaren Ressourcen - Schnellere Umverteilung von Ressourcen, was mehr Fluidität ermög- licht -> agiler seinessere Qualität der Entscheidungen, mehr Fokus und dezentralere Eigenverantwortung - Stärkere Outside-in / Kunden-Orientierung - Schnellere persönliche Entwicklung & organisationales Lernen Umsetzung Purpose-orientiert: - Purpose ist das leitende Element für jeden in seiner Arbeit - Sinnhaftigkeit der Arbeit ist transparent und gibt Orientierung - Herausforderung gemeinsamer Purpose zu finden Rollenbasiert: - Basierend auf den Zweck der Organisation -> welche Arbeiten müs- sen geleistet werden, damit die Ziele erreicht werden - Verantwortlichkeiten gebündelt in Rollen - Verhältnis 1:n (1 Person – n Rollen) und nicht 1:1 (1 Person – 1 Funk- tion) Spannungsgetrieben: - Spannungen sind ein Energiepotenzial, welches noch nicht freige- setzt wurde - Spannung entsteht aus einem Ungleichgewicht von etwas, das heute ist und optimal sein könnte. Verteilte Führung: - Verteilung fördert Eigenverantwortung und Entscheidungsfindung 6 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti - Mitarbeitenden entscheiden in ihrer fachlichen Rolle und gestalten die Arbeit Begleitung der - Ein neues Mindset wird aufgebaut, dies braucht viel guten Willen und Transformation konkreten Support - Mindset: Sinnhaftigkeit und Rollen reichen. - Ein Kreis, der die Begleitung des Transformations-Prozesses zum Zweck hat und dafür sorgt, dass alle Spannungen im Zusammenhang mit dem Organisationsmodell bearbeitet werden – emotionale (zb Führungskräfte, die Jahrelang geführt haben, müssen das abgeben), strukturelle und prozessuale. - Volle Transparenz über Projekte und den aktuellen Stand - Diverse Austauschformate und Infogefässe Erkenntnisse Es braucht ein Umfeld der psychologischen Sicherheit, in dem sich die Mitar- beiter wohl fühlen, wenn sie ihre Bedenken äußern. Keine fixen Projektpläne, sondern step by step und schauen, was die Organi- sation braucht Kleine Fortschritte schärfen und das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Psychologische Sicherheit: - Zeit und Vertrauen in den Prozess - systemisches Denken - das Aushandeln und Neuverhandeln von Lösungen - die Einbindung und den Support des bisherigen Führungsteams - klare Regeln, die auch eingehalten werden - die Schaffung eines Raums, der dem Aufbau von Vertrauen zu den Kollegen förderlich ist. Praxisimpuls 2 Praxisimpuls: “I failed. Again & again. Widerstand der 1. Führungskräfte sollten immer einen Schritt voraus sein. Mitarbeitenden - Mittelmanagement ist ein Katalysaton in Change Prozessen - Sind Führungskräfte nicht im Vorhinein abgeholt -> Gesichtsverlust 2. Die Befähigung sollte immer zielgruppenorientiert stattfinden. - Stakeholder-Analyse machen im Voraus - Je nach Abteilung unterschiedliche Skill-Set und Bedürfnisse 3. Immer auf die 5 % Promotoren setzen, die mit ihrer Überzeugung & Begeis- terung weitere 80 % der Mitarbeitenden für den Change gewinnen können. - Low Hanging Fruits! Überzeugungstäter & Begeis- terte nutzen, um eine Community/ ein Multiplikatoren-Netzwerk aufzu- bauen, die skeptische Mitarbeitende überzeugt. -> Kollegen sind immer glaubwürdiger. Hauptgrund für Widerstand -> Angst vor dem Ver- lust von Einfluss und Status 7 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Mangelnde Pro- 1. Das 1*1 der Projektsteuerung zess-steuerung - Projekt Management Triangel: Kosten, Zeit und Umfang besprechen Gefahr: mit Kosten komplett „aus dem Ufer laufen“. - Eskalationsinstanz: Zu Projektbeginn definieren, sodass Entscheidungen im abgemachten Zeit- rahmen geschehen. Gefahr: Entscheidungen dauern Wochen. - Stakeholder Management: Projektkonzept mit Projektmitgliedern und hierarchisch höheren Instanzen besprechen, um Akzeptanz zu fördern. Während Projekt informelle Gesprä- che führen mit Key Playern. - Projektsponsor: Finanzmittel beschaffen, Rahmenbedingungen klären, Personalressourcen schaffen. - Soundingboard: “in die Menge hineinhören“ & ein repräsentatives „Frühwarnsystem“ (Querschnitt der Organisation) etablieren 2. Kommunikation ist das A und O. - Die Kommunikation ein- heitlich Planen und nicht über die einzelnen Füh- rungskräfte. Gefahr: Shitstorm oder Kü- chentalks, viel Widerstand 8 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Zu schnelles Ver- 1. Passt das Veränderungstempo an die Organisation an. änderungs- - Auf die Organisation schauen (vergangene & aktuelle Veränderungspro- tempo jekte, Altersstruktur, etc.) & das Tempo entsprechend anpassen. 2. Betriebsrat miteinbeziehen und deren Macht nicht unterschätzen - mit einbeziehen in Meeting Gefahr: Projektstopp durch nicht Einbezug des Betriebsrates 3. „Betroffene zu Beteiligten machen“ (Mitarbeiterbefähigung & Leadership) - Partizipation der Mitarbeitenden Unklare Zielset- 1. Vision – die Reise zum Nordstern. zung und Vision - Zu Beginn ein Projektziel festlegen (Was muss passieren, damit das Projekt erfolgreich ist? Was ist der „sense of urgency“?) - Vision zur Kommunikation an die Mitarbeitenden entwickeln 2. Change Story als Kern der Veränderung - Die Wichtigkeit der Change Story sowohl für das Gesamtprojektteam als auch für die Mitarbeitenden Gefahr: Eckdaten des Prozesses nicht gut zusammengeführt und erläutert. Gefühl der Dringlichkeit/Wichtigkeit der Veränderung ist nicht vorhanden. Keine Emotionen für das neue Zielbild erwecken. 3. Messbarkeit von Change - Change Massnahmen messbar machen und Teilziele entwickeln 9 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Thema 2 2_Organisationsentwicklung Lernziele - Sie können Organisationsentwicklung definieren und die wichtigsten Merk- male erklären. - Sie haben sich mit den Methoden und Ansätzen der Organisationsentwick- lung auseinandergesetzt und können die Konzepte erläutern. - Sie können Inhalte der Organisationentwicklung auf die Praxis übertragen. - Sie reflektieren welche Auswirkungen die Wahl eines Konzeptes auf Organi- sationsmitglieder und Erfolg der OE haben kann. Veränderungen Schwierigkeiten bei Veränderungen: - Angst zu versagen, Einfluss- und Statusverlust - Verlust von bestehenden sozialen Beziehungen und Aufbau von neuen Beziehungen - Stabiles Mindset vs. Flexibles Mindset - Gefühl von Kontrollverlust Veränderungs- Tipps: management- -> mit Menschen sprechen und Kurve von Elisa- gemeinsame Lösungen finden beth Kübler-Ross -> Veränderungsprozesse sind eine sehr menschliche Sache Organisations- Organisationsentwicklung: entwicklung - systemisches und geplantes Veränderungsbemühen, welches Er- kenntnisse aus den Verhaltenswissenschaften nutzt, um die organi- sationale Effektivität und Problemlösefähigkeit zu steigern, so dass sich Organisationen an wechselnde Umweltbedingungen anpassen können Merkmale Hauptziele - geplante Form des Wandels 1. auf externen Wandel - langfristiges Begleiten von (Digitalisierung, Demografie, Veränderungs- und Entwicklungsprozes- neue Techno-logien) sen reagieren können - Betroffene sind am Prozess beteiligt 2. Unterstützung von - Verbesserung der Effektivität und der Organisationen Wandel auch Humanität (Arbeitsbedingungen) von innen (Unzufriedenheit - Veränderungen konstruktiv bewältigen der Mitarbeitenden) (auch Skeptiker mitnehmen und gestalten überzeugen) - Change Agents unterstützen Prozess Unterschied Or- ganisationsent- wicklung und Change-Ma- nagement 10 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Ebenen der Or- ganisationsent- wicklung Wirkungen: OE-Massnahmen auf den unterschiedlichen Ebene wirken auf psychologische und betriebs- wirtschaftliche Erfolgskriterien. Einige Massnahmen haben keine oder negative Wirkungen andere starke positive Wirkungen. Erfolg von Veränderungen in Organisationen ist letztlich abhängig von zahlreichen Faktoren. Arten und Aus- mass der Verän- derung Formen von Wi- Ebenen Aktiver Widerstand (An- Passiver Widerstand (Flucht derstand griff) oder Totstellreflex) Individuum Widerspruch, Nega- Abwesenheit am Arbeitsplatz, tivsicht, Gegenargumen- Lustlosigkeit, tation, Kritik, Beschwer- Unaufmerksamkeit, Ratlosig- den, Ausreden für Passi- keit, mangelndes Engagement vität und Arbeitsverwei- gerung Gruppen- Konflikte zwischen Mit- Angespannte Atmosphäre, und Orga- arbeitenden, Sünden- Entscheidungsunfähigkeit, nisations- bocksuche, hoher Krankheitsstand, hohe ebene Cliquenbildung, Macht- Fluktuationsrate, spiele, drastische Kritik Veränderungszynismus an Change-Initiativen der Organisation 11 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Ursachen für Wi- derstand Massnahmen zum Aufbau von Veränderungs- motivation Stakeholder Mat- rix in Verände- rungsprojekten 12 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Drei-Phasenmo- Drei-Phasenmodell von Lewin dell von Lewin Phase 3 - Stabilisieren: Stabilisie- - Aufbau von Regelsystemen rend - Etablierung von Symbolen und Sprachmustern - kohärente und handlungsorientiere Informationen - konstantes Verhalten wichtiger Teilnehmender - Entwicklung einer Vision und die Schaffung von Identität destabilisie- - Durchbrechen von Ritualen rend - Verändern von Symbolen - Senden von widersprechenden Informationen - Informationsstopps und Informationsflut - hohen Erregungsniveau aller Beteiligten Acht Stufen Mo- Acht Stufen Modell dell nach Kotter (1996) Rolle des Bera- Aufgabe der Beratenden (extern/intern): tenden - Organisation an- und begleiten - Hilfe zur Selbsthilfe; Moderation von Veränderungsprozessen - Prozessberatung (i.S. von Aktionsforschung), selten inhaltlicher Rat eingeschlossen - Detailwissen und implizites Wissen der Führungskräfte und Organi- sationsmitglieder aktivieren 13 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti - Förderung von Meta-Kommunikation (bzgl. Machtverhältnissen, Kommunikations- und Problemlösungsverhalten) Survey Feedback und Aktionsfor- schung Design Thinking Design Thinking: - Teambasierte Methode, die Belange von Nutzerinnen und Nutzern in den Vordergrund stellt - Bedarfsanalyse: Beobachtung von bisherigen Handlungsweisen - Lösungsphase: Ideen generieren, wie Organisationsstrukturen und – prozesse so umgestaltet werden können, damit Effektivität und Hu- manität gegeben sind - Kern der Ideen veranschaulichen anstatt viel Zeit in initiale Gestal- tung von Ideen Kernmerkmal: Veränderungsrezipienten werden aktiv in den Gestaltungsprozess mit einbe- zogen, statt fertige Lösungen durch Change Agenten für einen Veränderungs- prozess zu generieren. Stolpersteine in - Unklarheit über Ziele, Strategie, Prozess und Sinn Veränderungs- - unklare Informationslage prozessen - langwierige Prozesse und Entscheidungen - Alleingänge - Negativ-Kommunikation - «Change im Change» - Erblasten - Abgrenzung: klar machen wo die Grenzen der Veränderung sind - Aktionismus: geplante Aktionen ungeprüft zu früh kommuniziert und danach nicht ausgeführt werden -> Frustration der Beteiligten 14 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti - ungeeignete Multiplikatoren: Personen, welche für den Verände- rungsprozess ungeeignet sind - schmerzhafte Veränderungen: Bei Mitarbeitenden klar kommuni- ziere, wenn sie eine einschneidende Veränderung durchmachen sol- len. Phasenmodelle - Praxisimpuls 3 Praxisimpuls: Organisationsdiagnose - Jose Mancera Generell - 80% aller Arbeitnehmer:innen , arbeiten an der "Front" und werden gesehen. - Nur 10% von Frontline Mitarbeitenden nutzen digitale Lösungen -> ihre Arbeit ist noch sehr manuell - kein Office Job -> nicht möglich Homeoffice zu machen - Multi-lingual: viele unterschiedliche Muttersprachen - Offlinekoordination - Viel auf den Beinen Es ist wichtig, diese Fakten über die Unternehmung zu kennen und um die Kommunikation zu organisieren. Das Problem ist, da viele Mitarbeitenden nicht online unterwegs sind, wissen wir nicht wie sich diese Mitarbeitenden fühlen. The General Die Allgemeine Datenschutz Verordnung (GDPR) Data Protection Regulation (GDPR) User Profiling vs User Profiling User Characterization Characterization focuses on creating detailed and often focuses on categorizing users dynamic profiles for individual users into broader groups or seg- These profiles are built based on ob- ments based on common traits, served user interactions and behav- behaviors, or characteristics iors. Login times, Interactions, Session Du- Communication Style (i.e., Sen- ration, Time on Page, Search Queries, timent, Analysis), Behavioral Content Interaction, Social Sharing Patterns, Engagement Level Mit diesen Informationen kann eine Maschine lernen. Clustering - cluster People in Clusters or in Personas - Big Data wird genutzt, um Per- sonen zu verstehen und ihr Ver- halten zu lernen Match Personas Match Personas User Patterns vs. User Patterns 15 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Thema 3 3_Organisationsdiagnose Lernziele - Sie kennen Definition, Konzepte, Ziele und Aufgaben der Organisationsdiag- nose OD - Sie können Ebenen, Formen, Prozess und Phasen der OD unterscheiden - Sie kennen Methoden und Instrumente der OD, eine Datenbasis zur Auffin- dung von Instrumenten und können diese bewerten - Sie reflektieren die unterschiedlichen Ansätze der OD und ihre Rolle als „DiagnostikerIn“ darin Organisationsdi- Klare Abgrenzung zu anderen Fachgebieten (BWL, Soziologie), in der Arbeits- agnose und Organisationspsychologie ist es eine «psychologisch orientierten» Orga- nisationsdiagnose: - Bedingungen und Konsequenzen des Erlebens und Verhaltens der Mitarbeitenden (Mitarbeiterperspektive ist bedeutsam) - Einschätzungen der Mitarbeitenden ist zentraler Indikator für die ak- tuelle Situation im Unternehmen - Methode: Mitarbeiterbefragung (MAB) - Ausgangspunkt und zentraler Bestandteil der Organisationsentwick- lung «das regelhafte Erleben und Verhalten der Organisationsmitglieder zu be- schreiben, zu erklären und zu prognostizieren mit dem Ziel der Aufdeckung organisationaler Handlungsfelder und der Vorbereitung von Organisations- entwicklungsmaßnahmen.» Ziele - Handlungsfehler aufdecken - Massnahmen der der Organisationsentwicklung vorzubereiten, zu begleiten und zu evaluieren Teil von Verände- - Auftauen des bisherigen Zustandes, Motivation für Veränderung mo- rungs-Manage- bilisieren -> Problem identifizieren ment - Ist-Zustand dient als informationelle motivationale Vorbereitung 3 Phasen Modell von - Bereits durchgeführte Veränderungsmassnahmen evaluieren Lewin (Thema 2) Anlässe - Gesundheitsprobleme der Mitarbeitenden (hoher Krankenstand) und Prob- leme bei der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben (Work-Life- Balance) - Personalengpässe (Fluktuation, Abwanderung erfahrener MitarbeiterInnen und Probleme bei der Rekrutierung neuer, qualifizierter MitarbeiterInnen) - Qualitätsprobleme (Ausschuss, Terminverzögerungen, Kundenbeschwer- den) - Produktivitäts- und Kostenprobleme - Einführung von Massnahmen zur Verbesserung der Effektivität und Effizienz einer Organisation (korrektiv und präventiv möglich) - Einführung von Gruppenarbeit oder die Etablierung neuer Formen der Arbeitsgestaltung (Job Rotation, Job Enlargement, Job Enrichment die Verschlankung der Hierarchie (Lean Management) - die Optimierung von Arbeitsabläufen und Prozessen - die Einführung von Managementsystemen (Qualitätsmanagement, Gesundheitsmanagement etc.) - Aufbau Aus- und Weiterbildung (Training, Coaching, Laufbahnpro- gramme) - Programme zur Verbesserung der Arbeitgeberattraktivität. Konzepte und Strategien Top-down-Strategie Bottom-up-Strategie 16 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Veränderung veranlasst und gesteuert Einbindungs- und Partizipa- durch das Management) tionsinstrument, Betroffene - mit Experten arbeiten, Behandlung sind Beteiligte top-down verordnet -> Wissen der Betroffenen mit- Bsp. welches Zeitmodell man hat, um einbeziehen Work-Life Balance zu verbessern) Aufgaben Was soll diagnostiziert werden? Formen der Or- Modellorientierte Organisationsdiagnose: ganisationsdiag- - Etabliertes (theoretisches) Modell als Basis nose - Wie hängen Dinge zusammen, was weiss man schon? -> auf bekannte Modelle zurückgreifen und Hypothesen formulieren - 2 Fragen: 1: Welches Ziel verfolgt die Diagnose? / 2: Welche Modelle existieren bereits, um das Untersuchungsziel zu erklären? - Vorteile: Basis etablierten Theorien, Transfer der Befunde auf andere Organisationen möglich - Nachteile: Andere Art zu denken und Diagnose durchzuführen ist nicht mit einem theoretischen Modell begründbar (Bsp. Verstehen warum Mitarbeitende bleiben, wenn untersucht wird, weshalb sie kündigen?) Fallorientierte Organisationsdiagnose: - Vorgehen der Diagnose ist explorativ und einzelfallorientiert - Organisation ist ein «Spezialfall» - Unabhängig von bestehenden Modellen, doch es werden auch Theo- rien hinzugezogen - Annahmen sind oft implizit und eine Interpretation der Ergebnisse ist erschwert - Modell für den Spezialfall entwickeln ist die Lösung Die Wahl einer fall- oder modellorientierten Diagnose kann und sollte sich demnach auch nach dem Kontext richten! 17 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Ebenen der Or- Ebene des Individuums: ganisationsdiag- - Verhaltens- und Leistungsbedingungen für Individuen, Diagnose und nose Gestaltung zur Förderung Bsp. Gestaltung von Arbeitsplätzen, einzelne Personen und ihre Auf- gabe Ebene von Gruppen bzw. von Interaktionsbeziehungen: - Formen, Bedingungen und Prozesse von Arbeitsgruppen und Füh- rungsbeziehungen Bsp. Gestaltung von Strukturen für die Gruppeninteraktion wie Mee- tings oder Dienstpläne Ebene der Organisation als Ganzes: - Formen und Charakteristika der Organisation sowie die Beziehung zur Umwelt Bsp. Gestaltung der Unternehmensstrategie, der Unternehmens- struktur, -kultur und der Prozesse Mehrebenen-Ansätze untersuchen das Zusammenspiel der Ebenen. -> wechselseitige Beziehungen der verschiedenen Ebenen. Beispiel einer Teamdiagnose: MTO-Ansatz MTO-Ansatz: (Mensch, Technik, Organisation) von Strohm und Ulich (1997) Integrativer Ansatz, der die unterschiedlichen Bereiche „Mensch“, „Technik“ und „Organisation“ (MTO) auf unterschiedlichen Ebenen (Gesamtunterneh- men, Organisationseinheit, Gruppe und Individuum) analysiert - Sozio-technischer Systemansatz - Zentrale Bewertungskriterien: Dezentralisierung, funktionale Integra- tion und Selbstregulation 18 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Prozess und Phasen der Or- ganisationsdiag- nose -> entscheidend ist Qualität der 1. Phase (Klärung der Interessen und Rollen kann den gesamten Prozess beeinflussen) (wichtige Vorentscheidungen stellen den Ablauf sicher) Wert der Organisationsdiagnose: - Grossen Nutzen (doch in der Praxis selten mehr eingesetzt) - Kosten der Durchführung sehr hoch - Wert der gewonnenen Informationen schwer abschätzbar - erste Schritt in einem Organisationsentwicklungsprozess, Ergebnis ist wertvoll für eine Standortbestimmung, um darauf die Verände- rungsstrategie aufzubauen Vorbereitung Einführungs- - Fragen: Was, Warum, Bis wann, wo, Wer ist beteiligt? phase Beantworten - Vorstellung der Organisationsdiagnose -> Vorverständ- nis schaffen - Kommunikation von Erwartungen und Zielen, Klärung der Rollen Erkundungs- - Sondierung der Unternehmensperspektiven phase - Kleine Pre-Tests, Interviews, Dokumentenanalyse Planungs- - Entwicklung des Erhebungsinstruments phase - Klärung noch offener (administrativer) Fragen - Untersuchungsplanung (Zeit, Dauer, Ort, Akquise von Einheiten, Datensicherung, und ggfs. Klärung bzg. Daten- schutz) Erhebung Durchführung der Hauptuntersuchung: - Start der Datenerhebung (Online-Befragung, strukturierte Interviews) - Wichtig! Einhalten des Unternehmensplans - Vermeidung von Einflussnahmen -> Verzerrung der Ergebnisse Auswertung und Auswer- - Datenverarbeitung und Datenanalyse, Datenaufbereitung Feedback tung - Vergleichende Analysen Interpreta- - Interpretation der Ergebnisse tion - Erkennung von noch offenen Fragen - Grenzen der Interpretierbarkeit aufzeigen Präsenta- - Präsentation der Ergebnisse (Wortwahl anpassen) tion - Einbezug der Auftraggeber Beispiel Modell- Vorberei- orientierte Orga- tung nisationsanalyse Auswer- tung & Feed- back Methoden und 1. Grundlage sind empirische Sozialforschungen Instrumente der 19 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Organisationsdi- 2. definitorische Überlegungen über die zu untersuchenden Konstrukte agnose und Zielgruppe (Stichprobe), wer gehört zur Definition 3. Methode auswählen oder entwickeln (Möglichkeit für verlässliche empirische Erhebungen und für den diagnostischen Prozess zur Ver- fügung stehen) 4. In der Praxis sind auch ökonomische Aspekte relevant Mitarbeitenden- - Mitarbeitende aus allen oder aus ausgewählten Bereichen Befragung (MAB) - Verwendung von sozialwissenschaftlicher Methodik (Umfragen, Inter- views, Fokusgruppen) - Fragen nach Meinungen, Einstellungen und Wahrnehmungen im Be- zug auf arbeits- und unternehmensrelevante Themen - das Erreichen der Ziele der Organisation zu fördern Übersicht validierter und etablierter Messinstrumente unter: https://zis.ge- sis.org Querschnitts- - Gefahr einer technologischen Dominanz thema: Digitali- - unter Zeitdruck kann der Faktor Mensch und die Mitwirkung der Mit- sierung und Or- arbeitenden vergessen gehen ganisationale - Mensch, Technik und Organisation, müssen aber zusammen entwi- Kultur ckelt werden. - Je nach Unternehmenskultur werden technologische Möglichkeiten unterschiedlich genutzt (Bsp. zur Kontrolle) Thema 4 4_Teamdiagnose und Teamentwicklung Lernziele - Teamarbeit reflektieren und Ansätze zur Analyse von Dynamik und Effekti- vität anwenden. - Definitionen von Teams und Funktionen von Gruppen erläutern und auf Teamgestaltung übertragen. - Wichtige Elemente der Teamgestaltung beschreiben und deren Bedeutung für den Teamerfolg analysieren. - Verfahren der Teamdiagnose erklären und Instrumente zur Analyse anwen- den. - Ansätze der Teamentwicklung erläutern und deren Umsetzung planen, be- werten und ein ausgewähltes Instrument anwenden. Einordnung in Organisationsentwicklung: bisherige The- - Modell von Lewin oder Kotter; Auftauen, Verändern, Stabilisieren men Organisationsdiagnose: - Wird eingesetzt bei Analyse (Auftauen) und Evaluation (Stabilisieren) - Ebenen der Organisationsdiagnose: Individuum, Gruppe, Organisa- tion - Vertiefung Ebene der Gruppe: Teamdiagnose und -entwicklung Definition und Definition Gruppe: Funktionen von - Eine Mehrzahl von Personen, die über einen längeren Zeitraum, in di- Gruppen rektem Kontakt stehen, wobei sich die Rollen (formelle oder infor- melle) ausdifferenzieren, gemeinsame Normen entwickelt werden und Kohäsion, d.h. ein Wir-Gefühl entsteht - Differenzierung Definition Teams und Gruppen nicht möglich (beide Begriffe werden als Synonyme verwendet). 20 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti - Formelle Gruppe: Gruppe entspricht, was in der Organisation vorge- sehen und offiziell beabsichtigt ist. - Informelle Gruppe: Gruppe, die nicht im Organisationsplan vorgese- hen ist oder deren Merkmale von den vorgesehenen Merkmalen ab- weichen. Funktionen von Grup- pen: Klassifikation Dimensionen: von Teams Spezialisie- Ausmass, in dem Teammitglieder spezialisiertes Wissen rung und Fähigkeiten haben Hierarchie Verteilung von Macht, Verantwortung für Entscheidungen der Gruppe ist bei einer einzelnen Person oder beim Team Beständig- Ausmass, in dem die Mitgliedschaft in einem Team über keit die Zeit stabil ist Integration Integration von Teams in die Arbeitsorganisation Definition und Teamentwicklung: Ziele der Tea- - soziale sowie aufgabenbezogene Prozesse innerhalb eines bereits mentwicklung bestehenden Teams - im Rahmen von direkten Interaktionen mit den Teammitgliedern - Methode: Einzel- und Gruppengesprächen, Workshops, Trainings 21 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti - Ziel: Barrieren abzubauen, Unklarheiten zu klären und zwischen- menschliche Beziehungen zu verbessern Ziele: - Verbesserung des Verständnisses einzelner Teamrollen - Verbesserung der Kommunikation zwischen Teammitgliedern - Stärkung der gegenseitigen Unterstützung - Entwicklung der Fähigkeit, Konflikte positiv zu nutzen - Verbesserung der Fähigkeit mit anderen Teams zusammen zu arbei- ten - Stärkung des Verständnisses für die ablaufenden Gruppenprozesse Prozess der Tea- mentwicklung Teamdiagnose Teamdiagnose: - Ausgangspunkt für eine erfolgreiche Teamentwicklung Beleuchtung des - Dient zur Gewinnung von Informationen über die Zusammenarbeit Punkt 3: Diag- des Teams und die darin laufenden Prozesse und deren emotionaler nose und Punkt Verbundenheit (Teamkohäsion) -> um passende Interventionen zu 6: Evaluation des definieren Prozesses der - Messung des Erfolgs einer Intervention ist essenziell für Führungs- Teamentwick- kräfte und Mitarbeitende, um eine Reflexion vorzunehmen. lung - Beurteilung des Erfolgs ist nur möglich, wenn zuvor eine Diagno- seinstrument eingesetzt wurde bzw. ein IST/SOLL- Vergleich. - Investition in eine Teamentwicklungsintervention soll nur stattfinden, wenn Erfolge (Arbeitszufriedenheit, Motivation, Leistung usw.) nach- haltig positiv beeinflusst werden. - Mehrere Diagnoseinstrumente verwenden, um unterschiedliche Fak- toren der Teamarbeit zu diagnostizieren sind sinnvoll - Falls keine Teamdiagnose realisiert wurde, können Blitzabfragen zu Beginn der Teamentwicklung ein Stimmungsbild einfangen Operationalisierung der Teamdiagnose: - Klassische Fragebögen - Interviews / Gruppeninterviews (Einzel oder in Teams) - Beobachtungen (Videobeobachtungen) - Erhebung von Themen- oder Handlungsfeldern im Sinne eines Kata- logs (zu bearbeitenden Themen im Team werden ersichtlich) - Auswertung kritischer Ereignisse - Analyse betrieblicher Geschäftsprozesse - Inhaltsanalysen von betrieblichen Dokumenten (E-Mails) - Blitzabfragen: Stimmungsbild zu Beginn der Durchführungsphase (Anfertigen einer Karikatur oder einer Collage) Prozessanalytische Verfahren und Strukturanalytische Verfahren: - Ergänzung der beiden Verfahren - Unterschiedliche Einblicke in die Teamdynamiken 22 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti - Prozessanalytische Verfahren: dynamischen, zwischenmenschlichen Interaktionen und Verhaltensweisen und analysieren die laufenden Prozesse innerhalb eines Teams Bsp. Kommunikation, Zusammenarbeit, Entscheidungen treffen - Strukturanalytische Verfahren: stabilen, strukturellen Merkmale ei- nes Teams und analysieren die Rahmenbedingungen Bsp. Rollenverteilung, Hierarchien/Macht, Verantwortlichkeiten Prozessanalyti- Prozessanalytische Verfahren sche Verfahren - Beobachtungsdaten -> eine bestimmte Arbeitseinheit (klar abgegrenzte Aufgabe, Aktivität oder Interaktion im Arbeitsprozess) wird kritisch analysiert. - Fokus auf dem Verhalten der Teammitgliederi:innen -> Sitzungen, Workshops oder Arbeitstage analyiseren - Standardisierte Kodierverfahren / Instrumente: -> Instrument zur Kodierung von Diskussionen (IKD) von Schermuly et al. (2010) -> Advanced Interaction Analysis for Teams (act4teams) von Kauffeld et al. (2018) Vorteile - wertvolle Einblicke in Teams Nachteile - sehr aufwendig - intensive Schulung bevor Anwendung -> In der Praxis werden oft nur strukturanalytische Verfahren verwendet Folge: Teamdiagnose mit einseitigem Bild und Einsichten nur auf individuelle Kundgebungen und subjektiver Wahrnehmung Strukturanalyti- Strukturanalytische Verfahren: sche Verfahren - Fragebogendaten -> Zustandsbild des betroffenen Teams - Verfahren analysiert subjektive Wahrnehmung (individuelle Erleben der Teammitglieder) in der aktuellen Situation - Themen: Zusammenarbeit, Lernen, Denken, Problemlösen und Wer- ten - Fragebögen haben eine grosse Beliebtheit - Fokus: Teamzusammensetzung und die Entwicklung von gegenseiti- gem Verständnis für das Verhalten der anderen - Gefahr: unwissenschaftlich entwickelte Verfahren weisen keine oder mangelhafte psychometrische Gütekriterien auf, und wurden nicht explizit validiert Bsp. einseitige Fokussierung auf Verhaltensweise, die losgelöst von einer spezifischen Arbeitssituation im Team erhoben werden -> 23 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Folge: ungenauen oder stigmatisierenden Bewertung einzelner Team- mitglieder - strukturanalytischen Verfahren – über Lizensierungsverfahren ein- setzbar - Instrumente & Skalen: -> Team Klima Inventar (TKI) von Anderson, Brodbeck und West (1994) -> Fragebogen zur Arbeit im Team (FAT) von Kauffeld und Frieling (2001) -> Team Diagnostic Survey (TDS) von Wagemann, Hackmann und Lehmann (2005) Fragebogen zur - verhaltensnahen und umfassenden Beschreibung der Zusammenarbeit in Arbeit im Team Teams (FAT) - universell für verschiedene Formen von Teams einsetzbar - Stärken und Schwächen evaluieren und darauf aufbauend Teamentwick- lungsmassnahmen ansetzen - 24 Items - Dimensionen: Strukturorientierung und Per- sonorientierung - zwei Subskalen: > Zielorientierung und Aufgabenbewältigung -> Strukturdimension > Zusammenhalt und Verantwortungsüber- nahme -> Personendimension Teamentwick- Teamentwicklungs-Interventionen: lung - Struktur- und prozessorientierte Interventionen bei bestehenden Teams, um deren innere Struktur und Dynamik und zu entwickeln Beleuchtung des Bsp. Zielklärung und -setzung, Verbesserung der interpersonalen Be- Punkt 4: Gestal- ziehungen im Team, Rollenklärung, Problemlösung (aufgabenbezo- tung/Planung gen) und Punkt 5: In- - Teamtrainings: Schulungen zur Verbesserung von teamrelevantem tervention des Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen, die aber nicht an spezifische Prozesses der Teams gebunden sind und bereits vor Trainingsbeginn festgelegt wur- Teamentwick- den lung Bsp. Survey-Feedback, Team-Reflexivität, Teamcoaching, Crew Re- source Management Training CRM), Outdoor-Training, Tiergestützte Interventionen Effektivität von Teamentwicklungs-Interventionen: Neue Studien zeigen einen positiven Effekt von Teamentwicklungsmassnah- men. Differenzierte Wirkung von spezifischen Massnahmen auf bestimmte Out- putvariablen -> eine genaue Auswahl ist wichtig! Sicherstellung Transfer in den Alltag BEST©Team BEST©Team – Die Teamentwicklung im Taschenformat 1. Bereits Funktionierendes 2. Erfolgreiche Zukunft 3. Sichtbare Fortschritte 4. Tatkräftige Aktionen 24 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Thema 5 5_Organisationsklima und Organisationskultur Lernziele - Sie kennen wesentliche Konzepte zu Organisationsklima und Organisati- onskultur - Sie wissen, wie diese gemessen werden und können eine Messung planen - Sie kennen Zusammenhänge zwischen Organisationskultur, -klima und psy- chologischen Variablen sowie Unternehmenserfolg Organisations- Organisations- „Das Konzept der Organisationskultur beschreibt tief kultur und Orga- kultur verankerte Werte und Annahmen, die häufig nicht be- nisationsklima wusst sind» (Nerdinger, 2019, S. 175). Zeitdimension: Geschichte und Tradition im Unterneh- men, lang andauernd, schwierig zu verändern Fachkräftemangel Bewusstheit: eher unbewusst, implizit und Mitarbeiterbin- Messung: schwieriger, da oftmals unbewusst dung: Klima wird oft als Kündigungsgrund Wurzeln eher in der Anthropologie genannt. Organisations- „… relativ überdauernde Qualität der inneren Umwelt klima der Organisation, die durch die Mitglieder erlebt wird, ihr Verhalten beeinflusst und durch die Werte einer be- stimmten Menge von Merkmalen der Organisation be- schrieben werden kann» (Nerdinger, 2019, S. 175). Zeitdimension: Tägliche Wahrnehmung, überdauernd aber auch veränderbar Bewusstheit: bewusste Wahrnehmung möglich Messung: einfacher messbar und gestaltbar, da be- wusst wahrgenommen 25 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Wurzeln in der Human-Relationsbewegung -> Organisationskultur kann das Organisationsklima beeinflussen, Hinweis auf gelebte Kultur Betriebs- und Or- Betriebsklima: ganisationsklima Unter dem Begriff Betriebsklima wird gewöhnlich die Stimmung oder die At- mosphäre verstanden, die für einen ganzen Betrieb oder seine Teileinheiten typisch ist und von den Mitarbeitern bewertet wird.“ (Nerdinger, 2019, S. 164) - Einzelne Mitarbeitende bewerten ihr Erleben des Betriebs, Sicht des Einzelnen - Entstanden in den 1930er-Jahren in den Hawthorne-Studien, Human- Relations-Bewegung - Ziel Leistungssteigerung durch die Beeinflussung sozialer Beziehun- gen - Kritik: Vernachlässigung struktureller Aspekte! - „Manipulationsverdacht“ Organisationsklima: Organisationsklima ist definiert als „die relativ überdauernde Qualität der in- neren Umwelt der Organisation, die durch die Mitglieder erlebt wird, ihr Ver- halten beeinflusst und durch die Werte einer bestimmten Menge von Merk- malen der Organisation beschrieben werden kann.“ (von Rosenstiel & Nerdinger, 2011, S. 371). - Zurückzuführen auf die Feldtheorie von Kurt Lewin: Erleben und Ver- halten werden als Ergebnis der Interaktion zwischen Person und Situ- ation verstanden - Organisationsklima thematisiert nicht allein soziale Aspekte im Be- trieb, sondern berücksichtigt sämtliche für die Mitarbeitenden rele- vanten Merkmale der Organisation: KollegInnen, Vorgesetzte, Auf- bau- und Ablauforganisation, Information und Mitsprachemöglichkei- ten, Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen, Interessenvertre- tung, betriebliche Leistungen u.a. - Wie sehen die Mitarbeitenden ihren Betrieb? (geteilte Wahrnehmung der betrieblichen Bedingungen) Abgrenzung der Begriffe: Messung des Organisationsklimas anhand eines Fragebogens: Bsp. http://www.mentalhealthpromotion.net/resources/betrklim_1.pdf 26 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Facetten des Or- ganisationskli- mas Wirkung des Or- ganisationskli- mas Inhaltliche Fa- Ergebnisklimata, strategisch Prozessklimata, dynamisch cetten - Dienstleistungsklima Prozesse, die die Alltagsarbeit be- - Sicherheitsklima gleiten wie Gerechtigkeit, Umgang - Innovationsklima miteinander, Vertrauen, Angst Teamklima-Inventar (TK) F. C. Brodbeck, N. Anderson, M. West (2000): (Rückblick Teamdiagnose) - Fragebogen zur Messung des Klimas für Innovation und Leistung in sozialen Arbeitskontexten. - TKI eignet sich zur Evaluation der Arbeitsatmosphäre für Innovation und Effektivität in Teams und Abteilungen. - leicht handhabbar und kann sehr schnell durchgeführt werden (ca.15 Minuten). - Stärken und Schwächen-Analyse, Ist-Analyse und Massnahmenab- leitung, Organisationsentwicklung, Benchmarking Bsp. TKI Klimastärke: -> Je grösser die Wahrneh- mungsdifferenz des Teamkli- mas, desto schwächer die Leistung des Teams! Vertrauensklima: 27 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Organisations- Organisationskultur: kultur - Oft geäusserte Sicht der PraktikerInnen: - „Der Geist und Stil des Hauses.“ / „Das, wofür wir stehen.“ / „So, wie man es bei uns macht.“ (Sackmann, 2017, S. 36) - Viele reden davon, aber kaum jemand kann sagen, was damit genau gemeint ist. - Meist aber weiss oder fühlt jede Person, wenn die «Kultur» gut ist, und wenn diese nicht passt. «amazing cultures»: - Unternehmen verschaffen sich mit Kultur einen Vorteil Bsp. Google, Facebook, Zappos, Adobe, Twitter Entstehung der Forschung zur Organisationskultur: - Kulturforschung begann im 18 Jahrhundert in der Anthropologie, grosser Einfluss auf die Sozialwissenschaften, Entwicklung ethnogra- phischer Methoden (Kultur als Thema in der Soziologie, Psychologie) - Organisationlehre und Managementforschung in den 80er Jahren - zentrales neues Thema für die Excellenz von Unternehmen - Einflussreiches Modell und Prägung des Verständnisses von Organi- sationskultur durch den Psychologen Edgar Schein (1984) Funktion von Or- Orientierung - Unsicherheit vermeiden ganisationskul- - Reduktion von Komplexität tur - Sicherheit im Handeln Soziale Be- - Andere verstehen und nachvollziehen können deutung - Kommunikation auf einer verstehbaren Basis - Entscheidungen treffen können - Koordination von Handlungen Identität - Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe - Abgrenzung gegenüber anderen - Sozialisation, wird Teil der eigenen Identität - Identifikation mit der Organisation und Bindung Bestimmungstü- Organisationen sind soziale Systeme, in denen Menschen langfristig zusam- cke von Organi- menarbeiten sationskultur Herausbildung von Normen, Werten und Selbstverständlichkeiten sowie un- geschriebenen Regeln über gewünschtes Verhalten in der Organisation. Bestimmungsstücke: - Kultur gilt als das Insgesamt von Inhalten und Gestaltungen der An- gehörigen einer Organisation - Weithin akzeptiert und geteilt - Stimmige Ganzheit mit möglichen Subkulturen - Inhalt und Form sind einmalig und machen den Charakter und Un- terschied aus - Im Wandel, neue Interpretation und Weiterentwicklung möglich - Ergebnis und Mittel von sozialen Interaktionen und Praktiken - Betreffen den Lebensprozess der Organisation und die Bewältigung von wichtigen Problemen 28 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Symptome der Organisations- kultur Ebenen der Or- ganisationskul- tur nach Schein (2010) Kommunikati- Erfassung der Kommunikationskultur: onskultur - Durch Sprüche, mit denen Organisationsmitglieder Besonderheiten des Umgangs miteinander in witziger Weise zum Ausdruck bringen. - Sprechblasen der Organisationskultur (wie in der Organisation kom- muniziert wird) - Erfassung durch Skala (1-4) und Angabe wie wahrscheinlich es ist, dass Mitglieder der Organisation diese Sprüche gebrauchen. Bsp. „Wer kriecht, kann nicht stolpern!“, „Ich denke, also bin ich hier falsch!“. Ergebnis: Werden solche Sprüche häufig verwendet, ist das Vertrauen wie auch die Befriedigung aus der Arbeit sehr gering. 29 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Befriedigungsge- Befriedigungsgehalts der Arbeit: halts der Arbeit - Erfassung durch eine Skala mit den 6 wichtigsten Befriedigungsquellen - Beurteilung (von -3 = “sehr unbefrie- digend” bis +3 = “sehr befriedigend”) Ergebnisse - Je defizitärer die Kommunikationskultur ist, desto schlechter ist das Ver- trauensklima. Vertrauensklima - Je mehr Sprüche in der Organisation kursieren, desto ungünstiger werden Kommunikati- das Vertrauensklima und der Befriedigungsgehalt der Arbeit eingeschätzt. onskultur und - Zudem zeigt sich ein indirekter Effekt auf den Befriedigungsgehalt der Ar- Wahrnehmung beit, der durch das Vertrauensklima vermittelt wird. der Arbeit - Das Vertrauensklima wirkt sich seinerseits jedoch positiv auf den Befriedi- gungsgehalt der Arbeit aus. Messung Organi- Herausforderung: sationskultur - Basis gemeinsames theoretisches Modell von Organisationskultur in verschiedenen Untersuchungen identifizieren - Definieren für welche Wirkung man sich interessiert (Psychologische Fra- gen z.B. Arbeitszufriedenheit, Commitment, Offenheit, Vertrauen, Mitarbei- terbindung u.a. oder Wirtschaftliche Fragen z.B. Umsatz und Gewinn, Quali- tät, Abläufe) - Darauf basierende quantitative Messungen oder Überführung von qualitati- ven Daten in quantitative Kategorien, die für Analysen geeignet sind Erkenntnis: Metaanalysen zeigen, dass eine gute Organisationskultur ein Wettbewerbsvorteil ist! Bedeutsam aus der Perspektive von Shareholdern, Mitarbeitenden, KundIn- nen, LieferantInnen - Erzielen von finanziellen Erfolgen, Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt, Ge- winnung von Beziehungen Beispiel Meta-Analyse von Hartnell et al. (2011) mit 84 empirischen Studien Basis: Competing-Values –Ansatz Quinn & Rohrbaugh (1983) Messung von vier «Kulturtypen und Prüfungen von Zusammenhängen mit Einstellungen und Effektivitäts- indikatoren. Typisierungen - Clan- Unterstützungsorientierung Competing-Va- Kultur - Partizipation, Kooperation, personenbezogenes gegenseiti- lues-Ansatz ges Vertrauen, Gruppenzusammenhalt, Möglichkeit zur Selbstverwirklichung; Kommunikation vorwiegend mündlich und informell, Selbstoffenbarung von Ideen über Arbeit und Gefühle, Entscheidungen häufig nach informellen Kontakten Ad- Innovationsorientierung hocracy- - Suchen nach neuen Informationen, Kreativität, Offenheit für Kultur Veränderungen und Ausprobieren neuer Ideen; Kommuniziert wird informell und ohne Beachtung hierarchischer Wege, we- nig Kontrolle bei hohem Arbeitsengagement, bedingungslose Verfolgung organisationaler Ziele 30 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Hierar- Regelungsorientierung chie- Respekt vor Autoritäten, feste Prozeduren, Arbeitsteilung und Kultur routineförmig organisierte Arbeitsabläufe, hierarchisch, schriftliche Kommunikation von oben nach unten Markt- Zielorientierung kultur Rationalität, Anwendung von Steuerungsmechanismen wie Führen durch Zielvereinbarung und erfolgsabhängige Beloh- nung Praxistipps - Bei OE-Projekten kann man eine Organisationsdiagnose in Hinblick auf Kul- tur und Klima durchführen - Zur Messung der Organisationskultur quantitative Verfahren (Typisierungen, Inventare) oder qualitative, ethnografische Methoden (Analyse der Symp- tome) einsetzen - Zur Messung des Organisationsklimas Fragebogen wie von Rosenstiel, der Betrieb als Ganzes (1991) oder FEO (2004) einsetzen - Sowohl für das Klima als auch für die Kultur können für Themenbereiche spezifische Diagnosen gemacht werden: Innovation, Fehler, Team, Arbeitssi- cherheit u.a. Annamen, wie 4 - Beziehung zur Umwelt sich Organisatio- Grund- - Natur der Wirklichkeit nen selber und annah- - Natur der menschlichen Tätigkeit ihre Beziehung men - Natur der menschlichen Beziehung zur Umwelt se-. hen, Auswirkung Werte - Annahmen können sich durch die Untersuchung der Werte auf Werte und erschliessen. Artefakte - Werte sind Auffassungen des Wünschenswerten, das für den Einzelnen und die Gruppe kennzeichnend ist. - Werte sind überindividuelle Präferenzen, sie bilden den Schnittpunkt zwischen dem Einzelnen und der Organisation. - Sie richten die Wertorientierung des Einzelnen aus. - Erfolgreiche Problemlösungen einer Organisation drücken sich in Werten aus. Neue Mitarbeitende sollten zu den Werten passen oder diese erlernen (nach Schein, 2010). Arte- - Werte schlagen sich wiederum in verschiedenen Artefakten fakte und Schöpfungen nieder Thema 6 6_Macht und Mikropolitik, Sozialisation und Commitment Lernziele - Sie können organisationale Sozialisation, Macht, Mikropolitik und Commit- ment definieren, die wichtigsten Merkmale erklären und zueinander in Bezie- hung setzen. - Sie können die Inhalte organisationale Sozialisation, Macht, Mikropolitik und Commitment auf die Praxis übertragen und Gestaltungsvorschläge ab- leiten. 31 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti - Sie reflektieren u.a. welche Auswirkungen, die Wahleiner Sozialisationstak- tik auf die Bindung der Organisationsmitglieder haben kann und wie sich Macht in selbstorganisierten Systemen verändert. Sozialisation / Sozialisation: Gravitation „Mit dem Begriff organisationale Sozialisation wird der Prozess der Vermitt- lung und des Erwerbs von Kenntnissen, Fertigkeiten, Fähigkeiten, Überzeu- gungen, Werthaltungen und Normen beschrieben, der eine Person dazu be- fähigt, die von der Organisation an sie gestellten Handlungsanforderungen zu erfüllen.“ Gravitation: „Die Prozesse, die dazu führen, dass Organisationen bestimmte Menschen anziehen und für die Mitarbeit auswählen.“ Betriebe zieht bestimmte passende Menschen an->Passung Modell der Sozialisation von neuen Mitarbeitenden: Sozialisationsinhalte: 1. Berufliche Fähigkeiten: Relevante Fähigkeiten für die Aufgabenbe- wältigung im Betrieb 2. Personen: gut vernetzte Personen kennenlernen, Akzeptanz finden, vertrauensvolle Beziehung zu Vorgesetzten 3. Sprache: Fachsprache, Jargon in der Organisation, Organisationskul- tur 4. Organisationale Ziele und Werte: Übernahme von Zielen und Werten der Organisation 5. Geschichte: Wissen über Geschichte der Organisation und ihrer Mit- glieder, über Rituale, Mythen u.a. Bsp. Gründungsmytos Microsoft 6. Politik: Kenntnis über interne Machtstrukturen, formale und infor- melle Arbeitsbeziehungen Sozialisationsinhalte sind wichtig für: -> gelungene Integration und Zufriedenheit ist die Übernahme von Zielen und Werten. -> berufliche Karriere und das spätere Einkommen ist die Kenntnis der politi- schen Dimension. Macht und Mik- Einfluss „Der Versuch, andere in einer gewünschten Weise zu ver- ropolitik ändern“ (Greenberg 2013, S. 415). Autorität „Das Recht, Vorrecht oder Verpflichtung, welche mit einer bestimmten Position in einer Organisation oder einem sozi- alen System assoziiert sind.“ (Yukl 2013, S. 189) Macht - Macht ist die Fähigkeit einer Partei eine andere Partei zu beeinflussen“ (Yukl 2013, S.189). 32 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti - „Macht ist die Fähigkeit oder das Potential Einfluss auszu- üben. Menschen haben Macht, wenn sie die Fähigkeit haben den Glauben, die Einstellung und die Verhaltensweise von anderen beeinflussen können“ (Northouse 2016, S. 10). - „Soziale Macht ist Fähigkeit Handlungen zu tätigen und In- teraktionen zu initiieren“ (Bass 2008, S. 263) -> Macht ist das Potenzial, andere zu beeinflussen Einfluss, Autorität und Macht sind eng miteinander verknüpft: - Innerhalb von sozialen Austauschprozessen ermöglichen die Faktoren Au- torität und Macht, einen Einfluss auf andere Personen auszuüben Machtquellen Metapher - Orga- Organisationen sind eine Einheit von verschiedenen Polen: nisationen als - Zwischen Arbeitgebern und Mitarbeitenden «politische Are- - Eigentümern, Führungskräften und Mitarbeitenden nen» - Funktions- und Berufsgruppen Organisationen bilden «Arenen» zwischen interessensgeleiteten Akteuren: - Die einzeln oder in Koalitionen um ihre Sichtweise/Vorteile ringen - Die über unterschiedliche Ressourcen (informelle Kontakte, Zugang zu Informationskanälen, Wissen) verfügen, die sie im Rahmen eines «day to day bargaining»(Verhandlungen) um Macht und Einfluss ein- setzen - Die situationsabhängig organisationale Regeln (um)definieren, umge- hen, missachten, dabei auch Regeln verletzen, unterminieren, aus- ser Kraft setzen und ersetzen können Mikropolitik Mikropolitik: «…die Bemühung, die systemeigenen materiellen und menschlichen Res- sourcen zur Erreichung persönlicher Ziele, insbesondere des Aufstiegs im System selbst und in anderen Systemen zu verwenden sowie zur Sicherung und Verbesserung der eigenen Existenzbedingungen einzusetzen.» (Bosetzky, 1972, S. 382) 33 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti «Arsenal jener alltäglichen «kleinen» (Mikro)-Techniken, mit denen Macht auf- gebaut und eingesetzt wird, um den eigenen Handlungsspielraum zu erwei- tern und sich fremder Kontrolle zu entziehen». (Neuberger, 1995, S. 14) Wandel in Unter- nehmen durch Mikropolitik Einfluss von Mik- ropolitik auf Ziele von An- spruchsgruppen und die Bildung von Formalzie- len: Mikropolitische Mikropolitische Methoden: Methoden und Von oben Von unten Taktiken - Informationskontrolle - Vorgesetzte einschalten (verdeckte) Koalitionen, Korruption - Gerüchte streuen, Unwahrheiten, - Gefolgschaft/Seilschaften bilden Falschmeldungen - Einsatz von Macht und Sanktio- - Mobbing, feindselige, demüti- nen Bsp. selektiv sanktionieren gende oder einschüchternde Handlungsweisen Mikropolitische Taktiken: 34 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Effekte von Mik- Negative - Ablenkung von organisatorischen Zielen Missbrauch von ropolitik Ressourcen - Kämpfe, Intrigen, Konkurrenz zu Lasten des Ziels - Schlechtes Betriebsklima: Spannungen, Frustrationen - Beförderung inkompetenter Personen Positive - Erreichen von Zielen - Überleben und gesundes Funktionieren einer Organisation - Sichtbarkeit (Ideen, Leute) - Koordination, Kommunikation - Gezielte Einbindung von Personen in Veränderungsprojek- ten durch Stakeholder-Analyse und abgeleitete Massnah- men - Unterstützung von Wandel durch Botschafter - nützlich um OE-Prozesse voranzutreiben: -> Welche Stakeholder mit welchen Zielen gibt es. -> Wie kann man selbst Einfluss auf Stakeholder nehmen, damit sie am Ende Botschafter der eigenen Sache werden wie einbinden, welche Netzwerke nutzen, wie teilhaben las- sen, wie kommunizieren? -> bei konstruktivem Vorgehen kann Mikropolitik Legitimität haben universelles Phä- In jeder Art von Organisation und auf jeder Organisationsebene anzutreffen nomen - «Unvermeidbar, unverzichtbar und bedeutend» (aber nicht notwendig negativ), Unsichtbar, implizit («Rumpelstilzcheneffekt»), Besitzt prozesshaf- ten Charakter Mikropolitik ist Faktor von und für: - Einstellungen und Verhalten der Organisationsmitglieder - Arbeitsleistung und –zufriedenheit - Produktivität, Einsatz von Technologien - Qualität von Produkten und Dienstleistungen Welche Kultur lässt welche Mikropolitik zu? - Eine offene, positive und wettbewerbsorientierte Unternehmenskultur lässt mikropolitisches Handeln zu, das zum Unternehmenserfolg beiträgt! Lösungsansätze 1. Benennen von Problemen, damit sie be- und verarbeitet werden können («Rumpelstilzcheneffekt»). -> Aussprechen und Benennen, entzieht die Macht. 2. Transparenz: Nachvollziehbare Entscheidungswege, Kompetenzre- gelungen, Beförderungsregelungen 3. Proaktive Förderung der Kommunikationswege, vorleben und an- stossen 4. Kultur der Offenheit und der logischen Konsequenzen Praxistipps: 35 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti - Bei OE-Projekten eine Akteursanalyse oder /und Anspruchsgruppenanalyse durchführen - Kommunikation und Einflussnahme planen und mit ethisch vertretbaren «mikropolitischen Taktiken» arbeiten - Mikropolitische Praxis analysieren mit Fragebogen als Teil einer Kulturana- lyse / Organisationsdiagnose - Mit transparenter Kommunikation und offener Organisationskultur den Nährboden für destruktive Mikropolitik entziehen Macht und Mik- -> was geschieht, wenn Macht als Organisationsprinzip wegfällt, z.B. durch ropolitik in Selbstorganisation, Abbau von Hierarchien, Wegfall von Führungsfunktionen neuen Organisa- oder Strukturen und Prozesse tionsformen Heraus- - Die „Befreiung“ von hierarchischer Führung führt zu neuer forderung Verantwortung! - Nicht weniger Strukturen, sondern neue Strukturen und Rollen müssen gestaltet werden Gefahr - Mikropolitik, wenn es nicht gelingt Macht in selbstorgani- sierten Teams als Ressource bewusst zu gestalten Konstruktive Gestaltung von neuen Machtgefügen: 1. Neue Führungsrolle: Mitarbeitende zur Selbstführung befähigen 2. Selbstorganisation muss als neue Unternehmenskultur entwickelt, werden 3. Nicht Disruption sondern Lernprozess in der Organisation und für einzelne Mitarbeitende 4. Weiterentwicklung von Selbst- und Sozialkompetenzen sowie Selbst- und Fremdwahrnehmungskompetenzen aller Beteiligten, Selbstmanagement und persönliche Entwicklung 5. Befähigung, (Selbst-)Ermächtigung, Veränderung von Denk- und Ver- haltensmustern 6. Verständnis für neue aufgabenbezogene und psychosoziale Rollen und deren Rollendynamik in der Organisation und im Team entwi- ckeln 7. Bewusste Gestaltung der Kommunikation und Interaktion innerhalb von Organisationseinheiten sowie an Schnittstellen zu anderen Ab- teilungen und zum Umfeld Sozialisation Sozialisationspraktiken: Sozialisations- «Sozialisationspraktiken beschreiben von der Organisation initiierte Aktivitä- praktiken ten, Programme, Ereignisse und Erfahrungen, die speziell dafür entwickelt wurden, bei neuen Mitarbeitern das Lernen, die Anpassung und die Soziali- sation in die Tätigkeit, die Arbeitsrolle, die Arbeitsgruppe und die Organisa- tion so zu unterstützen, dass sie effektive Mitglieder der Organisation werden können“ (Saks & Gruman, 2012). Programme - einführende Veranstaltungen, Schulungen, Begrüssun- zur Einarbei- gen, Traineeprogramme Soziale und sportliche Aktivitäten tung mit den Kollegen für neue Mitarbeitenden Patensystem Aufgaben des Paten: Arbeitsumgebung zeigen, Kontakt- aufnahme mit Kolleginnen und zukünftigen Gesprächs- partnern, Betreuungsgespräche Mentoring- - persönlich gestaltete Beziehung zwischen einer beruf- programme lich erfahrenen, erfolgreichen und einer weniger erfahre- nen Person mit Karriereambitionen 36 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti - Kann in einem formellen Programm oder informell statt- finden - Karrierefunktion, psychosoziale Funktion, Beachtung von Regeln für das Mentoring wichtig Wirkung organi- Bindung > Commitment um Kündigung und Fluktuation zu verhindern sationaler Sozia- lisation Kündigungsabsicht und Fluktuation: subjektive Variable, bester Prädiktor für spätere Kündigungen Fluktuation: Erfassung durch Organisationen, Anzahl Personalabgänge im Verhältnis zum durchschnittlichen Personalbestand, Interpretation ist schwierig, da abhängig von div. Entwicklungen im Unternehmen Sozialisations- Sozialisationstaktiken: taktiken „Sozialisationstaktiken beschreiben die Art und Weise, in der die Erfahrung von Personen beim Übergang von einer Rolle zu einer anderen in der Orga- nisation für sie von anderen strukturiert wird.“ Kontexttakti- Kollektiv (vs. individuell): ken Neue Mitarbeitende werden zu Gruppen zusammenge- fasst und z. B. im Rahmen von Einführungsseminaren ge- meinsamen sozialisierenden Erfahrungen ausgesetzt. Formal (vs. informell): Bei formaler Sozialisation werden die neuen Mitarbeiten- den von den erfahrenen KollegInnen zeitlich und räumlich begrenzt separiert und angeleitet. Inhaltliche Sequentiell (vs. zufällig): Taktiken Sequentielle Sozialisation umfasst eine feste Abfolge ein- deutig identifizierbarer Schritte, die zur Übernahme der beruflichen Rolle führen. Festgelegt (vs. variabel): Es liegt ein fixer Zeitplan vor, in dem die einzelnen Stufen zu durchlaufen sind und die neuen Mitarbeitenden prä- zise über die Dauer der einzelnen Schritte informiert wird Soziale Tak- Seriell (vs. disjunktiv): tiken Neue Mitarbeitende werden von einem erfahrenen Mit- glied der Organisation, die als Rollenmodell dient, soziali- siert. Investitur (vs. Entblössung): Die Situation und Identität neu zu sein, werden ausdrück- lich anerkannt. 37 AOP_Organisationspsychologie 5. Semester Flavia Marti Organisationa- Organisationales Commitment: les Commit- „Mitarbeiter sind an die Organisation gebunden, wenn sie deren Werte und ment Normen internalisiert haben, bereit sind, sich für die Organisation anzustren- gen und sich wünschen, in der Organisation zu verbleiben (Mowday, Porter & Steers, 1982).» -> wird als abhängige Va