Epigenetik - Grundlagen der Medizin für Psychotherapeut*innen PDF

Summary

This document is lecture notes for a course on epigenetics, focusing on fundamental medical concepts for psychotherapy students. It covers topics such as DNA and gene structure, protein biosynthesis, epigenetic regulation, and the importance of epigenetic processes for human health. The lecture notes emphasize the role of the environment and early-life experiences in shaping the phenotype, illustrating this with examples of various epigenetic mechanisms.

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Epigenetik Grundlagen der Medizin für Psychotherapeut*innen Termin 11 Sommersemester 2024 Jana Karneboge [email protected] 1. Einführung 2 1. Einführung Gene oder Umwelt? Oder beides?...

Epigenetik Grundlagen der Medizin für Psychotherapeut*innen Termin 11 Sommersemester 2024 Jana Karneboge [email protected] 1. Einführung 2 1. Einführung Gene oder Umwelt? Oder beides? 3 2. Recap Genetik 4 2.1 DNA und Gene Angeordnet in Form einer Doppelhelix Besteht aus organischen Basen (Adenin, Cytosin, Guanin, Thymin), Desoxyribose (Zucker) und einem Phosphatrest  Nukleotid Gen: definierte Sequenz von Basenpaaren auf der DNA, die für spezifisches Genprodukt kodiert Nur ca. 2% codieren für Proteine Nicht-kodierende DNA umfasst Sequenzen, die nicht für Proteine, aber z.B. regulatorische Regionen (Promotoren, Enhancer, Silencer etc.) oder Introns kodieren 5 2.2 Proteinbiosynthese: Vom Gen zum Protein Transkription: Ablesen der DNA Bildung von Prä-mRNA Prozessierung (u.a. Spleißen, Capping)  mRNA mRNA verlässt Zellkern & gelangt über Kernporen ins Cytoplasma Translation Übersetzung der mRNA an Ribosomen in Aminosäuresequenz 6 2.2 Regulatorische Sequenzen Wichtigster Schritt bei der Steuerung der Genexpression: Transkriptionsstart (TSS) Gene können nur dann in mRNA transkribiert werden, wenn TSS-Region für RNA-Polymerase zugänglich ist Transkriptionsfaktoren (TF): Spielen zentrale Rolle bei Regulation der Genexpression Erkennen & binden an spezifischen DNA-Sequenzen  beeinflussen die Transkription von Genen, indem sie die Rekrutierung & Aktivität der RNA-Polymerase und anderer notwendiger Transkriptionsmaschinerien modulieren UTR = untranslated region; umgibt den codierenden Bereich (offener Leserahmen) Enhancer: Promotor: Verstärken die Region vor TSS Transkription, Bindungsstelle für RNA- indem sie u.a. Polymerase und TF spezifische TF binden 7 2.3 Organisation der DNA DNA liegt im Zellkern in komprimierter Form vor und ist um Histone gewickelt Je 8 Histone und 146 bp bilden die übergeordnete Verpackungseinheit  Nukleosome Chromatin bezeichnet den Komplex aus DNA und Histonen, aus dem die 23 Chromosomenpaare bestehen Organisation des Chromatins ist wesentlich für die Genexpression Euchromatin = offenes Chromatin  aktive Genexpression Heterochromatin = dichtes Chromatin  Genunterdrückung 8 3. Grundlagen der Epigenetik 9 3.1 Was ist Epigenetik (und was nicht)? epi = griechisch „obendrauf“, „zusätzlich“ Veränderung des Phänotyps ohne Veränderung des Genotyps übergeordneten, regulativen Ebene von Modifikationen, die eine Änderung der Genexpression bewirken (können), aber nicht den genetischen Code bzw. die die Basensequenz an sich verändern Kurzzeitig, permanent oder vererbbar Meiotisch & mitotisch Beeinflussbar durch äußere Einflüsse Epigenom = Gesamtheit aller epigenetischen Informationen 10 3.1 Funktion epigenetischer Regulation Steuerung der Genexpression zur (u.a.): Zelldifferenzierung & Aufrechterhaltung zellspezifischer Genexpressionsmuster X-Chromosom-Inaktivierung & genomische Prägung (Imprinting) Immunsystemregulation Stilllegung von Transposons Dynamischen Anpassung an Umwelt und Lebensstil 11 3.2 Mechanismen der Epigenetik DNA-Methylierung Histonmodifikationen Chromatin-Remodeling Nichtcodierende RNAs (z.B. microRNA) 12 3.2.1 DNA-Methylierung chemische Modifikation der DNA: Übertragung einer Methylgruppe auf die DNA-Base Cytosin an Cytosin-Phosphat-Guanin-Dinukleotiden (CpG-Sites; CpG-Inseln) durch Enzyme (DNA- Methyltransferasen; DNMTs) wichtig für Langzeitgedächtnis der Zelle: Weitergabe der Modifikationszustände einer Zelle an Tochterzelle während der Zellteilung reversibel 13 3.2.1 DNA-Methylierung CpG-Inseln befinden sich besonders häufig in Promotorregionen Methylierung des Promotors verhindert seine Erkennung durch TF und RNA- Polymerasen  Gen-Silencing 14 3.2.2 Histonmodifikation Histone reich an basischen und somit positiv geladenen Aminosäuren Terminale Schwänze der Histone ragen aus  negativ geladene DNA kann sich besser um dem Nuklesomkomplex heraus  gut Histone wickeln erreichbar für Anlagerung chemischer Gruppen (z.B. Methylgruppen, Acetylgruppen) Durch die posttranslationale Modifikation ändert sich die Packungsdichte der DNA und beeinflusst folglich die Genaktivität 15 3.2.2 Histonmodifikation Histonacetylierung: Durch Modifikation der Ladung des Histons  Auflockerung des Chromatins DNA wird zugänglicher für Polymerase  aktivierend auf Genexpression Histon-Methylierung In Abhängigkeit der Position & des Methylierungsgrades aktivierende oder reprimierende Wirkung auf Genexpression 16 3.2.2 Histon-Code räumlich und zeitlich verteilte Muster verschiedener Modifikationen, welche erst in ihrer Summe das Chromatin funktionell determinieren. Code kann von Chromatin- assoziierten Proteinen gelesen werden, also von denen, die zur Heterochromatisierung oder zur Transkriptionsaktivität beitragen. 17 4. Epigenetik & Umwelteinflüsse 18 4.1 Plastizität des Phänotyps Mit zunehmendem Alter sinkt die Ähnlichkeit der Epigenome monozygoter Zwillinge  Umwelt beeinflusst das Methylierungsmuster Je unähnlicher desto weiter Zwillinge voneinander entfernt wohnten & je unterschiedlicher die Krankheitsgeschichte war Auch Erklärung für Unterschiede in der Persönlichkeit 19 Fraga et al., 2005 4.2 Ernährung: Zelldifferenzierung & Entwicklung Arbeiterbienen und Bienenkönigin haben die gleiche DNA, dennoch Unterschiede bzgl.: Lebensdauer Größe Verhalten Erklärung: Unterschiedliche Fütterung der Larven Arbeiterbienen: Pollen & Honig Bienenkönigin : Gelée Royale (  enthält Methyltransferaseinhibitor)  Unterschiede in der Regulation von > 500 Genen 20 4.2 Pränatale Nährstoffversorgung Unterversorgung: Hungersnot in den Niederlanden 1944-1945 Unterschiedliche Methylierungsmuster einzelner Gene, aufgrund fehlenden Methylgruppen-Donatoren (z.B. Folsäure, Vitamin B12)  erhöhter Prävalenz für: Kardiovaskuläre Erkrankungen Übergewicht & Diabetes Schizophrenie Suchterkrankungen Antisoziale & schizoide Persönlichkeitsstörung Überversorgung: Übergewicht der Mutter ist ebenfalls mit aberranten epigenetischen Mustern bei Kindern und damit assoziiertem Risiko für metabolische, kardiovaskuläre und psychische Erkrankungen assoziiert 21 4.3 Frühkindliche Erfahrung Mäusemütter zeigen stabiles individuelles Fürsorgeverhalten (= Licking & Grooming (LG) und arched-back nursing (ABN)) Low LG-ABN: wenig Fürsorgeverhalten High LG-ABN: viel Fürsorgeverhalten Dies beeinflusst den Methylierungsstatus des Promotors des Glucocorticoidrezeptorgens, damit die Rezeptordichte und letztlich die individuelle Stressreaktivität der Nachkommen Aber: Effekt ist reversibel ( Adoption) Weaver et al., 2004 22 4.3 (Frühkindliche) Erfahrung Weitere mögliche Einflüsse auf Missbrauch in der Kindheit & Suizid epigenetische Marker im Verlauf des Lebens Sozioökonomischer Status Elterliche Belastung Elterliche psychische Erkrankung Bullying Eigenes Ernährungsverhalten Tabak- und Drogenkonsum Umweltschadstoffe McGowan et al., 2009 23 4.4 Epigenetik & Altern Epigenetische Deregulation mit zunehmendem Alter aufgrund von u.a.: Umwelteinflüssen Fehler bei der Weitergabe der Modifikationen an die Tochterzellen Hemmung der Histonsynthese Abnahme der Nukleosomendichte Folge: Zunehmende Hypomethylierung, aber einzelne Gene/Promotorbereiche Heyn et al., 2012 werden auch hypermethyliert → Alters-assoziierte Veränderungen 24 4.4 Epigenetische Uhr DNA-Methylierungsmuster dienen als Surrogatparameter für biologisches Alter Positive oder negative Abweichung gibt Aufschluss über Gesundheitszustand außerdem: Prädiktion über Lebenserwartung & verbleibende Lebenszeit in Gesundheit möglich Umkehr der epigenetischen Uhr? Mausmodell: Wiederherstellung des Sehvermögens durch „Verjüngung“ retinaler Ganglienzellen Humanstudien: Forschung zur Identifikation von einflussnehmenden Lebensstilfaktoren (z.B. physiologische Aktivität, Ernährung) 25 5. Epigenetik & Psychotherapie 26 5.1 Epigenetik & psychische Erkrankungen Psychische Störungen beruhen auf multifaktoriellen Einflüssen (sowohl Genetik, wie auch Umwelt) Einflüsse der Umwelt können sich biologisch in Form epigenetischer Muster manifestieren, die die langfristigen Auswirkungen von (vor allem) negativer Erfahrung vermitteln, u.a. Depression, ADHS, Autismus, Schizophrenie, Parkinson, Epilepsie, Multiple Sklerose, Alzheimer Demenz, PTBS… 27 5.2 Psychotherapeutische Effekte Könnten DNA-Methylierungsmuster als zuverlässige Marker für den Therapieerfolg dienen? Ein Beispiel: Monoaminoxidase A (MAO-A) als wichtiges Enzym für die Neurotransmitterregulierung von Dopamin, Noradrenalin und Serotonin bereits mit u.a. Panikstörungen in Verbindung gebracht Vor Therapiebeginn verringerte MAO-A-Methylierung bei Patient*innen mit Panikstörung Nach Therapieende Anstieg der Methylierung bei Respondern auf Niveau von gesunden Kontrollen, aber weitere Abnahme bei Non-Respondern Ziegler et al., 2016 28 5.3 Implikationen PT-Forschung zum Einfluss therapeutischer Interventionen steht noch am Anfang Bislang noch heterogene Befunde über reversible Effekte der PT bei anderen Störungsbildern abhängig von Alter, Therapieform… Herausforderungen: Natürliche Fluktuationen der Methylierungsmuster über die Was können wir heute Lebensspanne schon therapeutisch Epigenetische Veränderungen sind zellspezifisch  periphere Marker für zentralnervöse Veränderungen? leisten? 29 Vielen Dank! Ziegler et al., (2016). MAOA gene hypomethylation in panic disorder-reversibility of an epigenetic risk pattern by psychotherapy. Translational psychiatry, 6(4), e773. https://doi.org/10.1038/tp.2016.41 Weaver et al., (2004). Epigenetic programming by maternal behavior. Nature neuroscience, 7(8), 847–854. https://doi.org/10.1038/nn1276 Fraga et al., (2005). Epigenetic differences arise during the lifetime of monozygotic twins. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 102(30), 10604–10609. https://doi.org/10.1073/pnas.0500398102 Kumsta (2019). The role of epigenetics for understanding mental health difficulties and its implications for psychotherapy research. Psychology and psychotherapy, 92(2), 190–207. https://doi.org/10.1111/papt.12227 McGowan et al., (2009). Epigenetic regulation of the glucocorticoid receptor in human brain associates with childhood abuse. Nature neuroscience, 12(3), 342–348. https://doi.org/10.1038/nn.2270 Heyn et al., (2012). Distinct DNA methylomes of newborns and centenarians. Proceedings of the National Academy of Sciences, 109(26), 10522-10527. 30

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