Summary

This document provides an in-depth look at the anatomy of sharks. It details the shark brain, sensory organs, and eyes, including the lateral line system and electroreceptors. The text explains the different structures and functions of these organs.

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1. Einleitung Das Gehirn und die Sinnesorgane der Wirbeltiere werden am Beispiel des Dornhaies besprochen und präpariert, der sich aufgrund seiner Größe und des knorpeligen Schädels für die Präparation besonders gut eignet. Die Haie gehören innerhalb der Wirbeltiere zur phylogenetisch alten Klasse...

1. Einleitung Das Gehirn und die Sinnesorgane der Wirbeltiere werden am Beispiel des Dornhaies besprochen und präpariert, der sich aufgrund seiner Größe und des knorpeligen Schädels für die Präparation besonders gut eignet. Die Haie gehören innerhalb der Wirbeltiere zur phylogenetisch alten Klasse der Knorpelfische. Knorpelfische sind mit den knochentragenden Placodermen (Plattenhäuter) eng verwandt, die seit dem Silur vor ca. 440 Millionen Jahren vorkamen. Schon im unteren Devon vor schätzungsweise 350 Millionen Jahren wurden Haie nachgewiesen, also bereits vor dem Aufstieg und Niedergang der Dinosaurier. Der Bauplan der Haie hat sich im Wesentlichen kaum verändert. Haie zeigen eine Kombination ursprünglicher und abgeleiteter Merkmale. Zu den plesiomorphen (urtümlichen) Merkmalen gehören u.a. der Schädelaufbau, die serielle Anordnung der Kiemenspalten mit getrennten äußeren Öffnungen und der Bau des Urogenitalsystems. Das knorpelige Skelett stellt kein ursprüngliches Merkmal dar. Es erlaubt den Haien eine größere Flexibilität und ermöglicht wegen der geringen Körperdichte ein fast müheloses Schwimmen durch das Wasser. Als hochspezialisiert muss z.B. die Art der Fortpflanzung gelten: Haiweibchen legen entweder mit einer Hornschale umgebene Eier (ovipar) wie andere Fische, brüten die Eier in ihrem Leib aus (ovovivipar), oder die Embryonen entwickeln sich im Mutterleib und werden vom Dottersack-Mutterkuchen mit Nährstoffen versorgt (vivipar). Wobei die älteren Jungen manchmal die kleinen Geschwister verzehren (vorgeburtlicher Kannibalismus). In allen Fällen ist eine innere Besamung nötig, wozu der mediale (mittlere) Teil der männlichen Bauchflossen als Begattungsorgan ausgebildet ist. Die meisten bekannten großen Räuber unter den Haien atmen, indem sie Wasser beim Vorwärtsschwimmen durch die Kiemen pressen. Bis Mitte der siebziger Jahre ging man davon aus, dass diese Haie stetig schwimmen müssen, damit sie nicht ersticken. Manche Haie umgehen das Problem jedoch, indem sie sich in sauerstoffreichen Höhlen niederlassen, die es ihnen gestatten, in Ruhelage zu atmen, wobei Schiffshalter leicht Parasiten von der Haihaut fressen können. Meist sickert auch Süßwasser in diese Höhlen. Dadurch lösen sich weitere Hautschmarotzer von den Haien. Die ältesten Formen lebten zwar im Süßwasser, doch rezente Haie sind fast ausschließlich marin. Die osmotische Balance mit dem Meerwasser wird durch einen hohen Harnstoffgehalt im Blut hergestellt. Die Familie der Dornhaie (Squalidae), deren Mitglieder vor den beiden Rückenflossen mit Giftdrüsen verbundene Stacheln haben, umfasst acht Gattungen mit etwa fünfzig Arten. Dazu gehört auch Squalus acanthius, der etwa 1 Meter lang und 20-24 Jahre alt werden kann. Er ernährt sich vorwiegend von Dorschen und Heringen, aber auch von Krebsen und anderen wirbellosen Tieren. Im Nordatlantik ist der Dornhai die häufigste Haiart. Er kommt aber auch in Nordsee und Mittelmeer vor. Die Dornhaie sind ovovivipar. In jedem Eileiter entwickeln sich die Embryonen zunächst in einer gemeinsamen längeren Eikapsel, bis sie im Mutterleib schlüpfen. Gewöhnlich werden bei jedem Wurf vier bis acht Junge geboren. Das Fleisch der Dornhaie wird wirtschaftlich genutzt: In europäischen Meeren wurden bis 1970 noch jährlich 40.000 bis 45.000 Tonnen Dornhaie gefangen. Sie werden bei uns geräuchert und ohne Kopf und Haut in Aspik oder Gelee als „Seeaal“ verkauft. Die geräucherten Bauchlappen werden auch als „Schillerlocken“ bezeichnet. Zur Präparation werden hier Dornhai-Köpfe verwendet. An ihnen lässt sich sehr gut der grundlegende Bau des Gehirns betrachten, das gestreckt ist und an dem die verschiedenen Hirnabschnitte deutlich zu erkennen sind. Auch die am Kopf lokalisierten Sinnesorgane können aufgrund ihrer Größe und des relativ einfach zu präparierenden Knorpelschädels beispielhaft betrachtet werden. 3 2. Anatomie der Kopfsinnesorgane Auf der Ventralseite des Kopfes sind besonders zwischen den Eingängen der Nasenhöhlen und dem Maul bis zur Nasenspitze zahlreiche, feine Öffnungen zu sehen. Sie dienen als Verbindung von außen zum Gangsystem des Seitenlinienorgans (Laterialissysytem). Es handelt sich dabei um ein unter der Epidermis vorhandenes Kanalsystem, in dessen Rinnen viele Sinneshügel, sogenannte Neuromastengruppen, hineinragen (Abb.1). Sie bestehen aus sekundären Sinneszellen mit Haarfortsätzen, die in eine gallertige Kuppel (Cupula) hineinragen. Mit Hilfe dieses Systems können Wasserdruckänderungen und somit auch Wasserströmungen wahrgenommen werden. Hinter den Augen befindet sich beidseitig ein Spritzloch (Spiraculum), das dem Einsaugen von Atemwasser dient. Da sich der erste Kiemenbogen beim Übergang zu den Gnathostomata zum Kiefer umbildete, kam es ventral zu einer Verengung, die dort eine Rückentwicklung der Kiemenspalte nach sich zog. Nur der dorsale Abschnitt blieb erhalten und wurde zum Spritzloch. Bei urtümlichen Knorpelfischen, die wahrscheinlich eine an den Boden gebundene Lebensweise besaßen, war damit der Weg für die Aufnahme von Atemwasser von dem der Nahrungsaufnahme getrennt. Auch der Dornhai lebt bodennah und bewahrt die Kiemen durch Einatmen über die Spritzlöcher vor Schlick und Sand. Bei den freischwimmenden Hochseeformen der Haie wird durch das Maul eingeatmet, das Spritzloch ist dort reduziert oder ganz verloren. Im Extremfall nutzen diese bei fast ständiger Bewegung mit geöffnetem Maul das einströmende Stauwasser zur Atmung. Abb. 1: Sinneskanäle und -rezeptoren beim Hai. Die Lorenzinischen Ampullen reagieren auf schwache elektrische Felder sowie möglicherweise auf Temperatur, Wasserdruck und Salzgehalt. Die Sensoren der Seitenlinie (Neuromasten) sind empfindlich für Störungen im Wasser (Hickman, C.P., 2008). Auf Höhe der Spritzlöcher liegt bei Knorpelfischen mittig je eine feine, kaum erkennbare Mündung des Ductus endolymphaticus. Die paarigen Gänge verbinden das Außenmedium mit den Labyrinthorganen. Durch Druck mit dem Finger auf die Schädelmitte ist die Mündung der Ductus endolymphatici zu erkennen, da dabei Flüssigkeit aus den Gängen austritt. Drückt man weiter vorne auf das Rostrum, quillt ebenfalls Flüssigkeit aus vielen kleinen Poren. Sie stellen Mündungen der Lorenzinischen Gänge dar, lange, gallertgefüllte Kanäle, die in Ampullen enden. Die Wände der Ampullen sind mit sekundären Sinneszellen besetzt. Unter natürlichen Bedingungen wirken sie v.a. als Elektrorezeptoren, dienen aber auch der Wahrnehmung des Erdmagnetfeldes und zur Navigation. Ihre Hauptfunktion ist wahrscheinlich die Ortung von Beutetieren anhand deren Muskelpotentiale. Außerdem stellen sich die Elektrodetektoren im Augenblick des Angriffs, wenn der Hai seine Schnauze anhebt und die Augen zurückdreht oder mit der schützenden Nickhaut bedeckt, auf das elektrische Feld der Beute ein und ermöglichen so trotz fehlender visueller Informationen einen präzisen Zugriff. 4 Auf der Hautoberfläche des Hais befinden sich sogenannte Placoidschuppen (Abb. 2). Sie sind Reste von Knochenpanzern der Vorfahren der Haie. Bei den Knorpelfischen sind die tiefen Schichten degeneriert und nur die oberflächlichen Plakoidschuppen erinnern noch daran. Sie setzen sich aus einer Basalplatte, die durch derbe Bindegewebsfasern im Corium (Lederhaut) verankert ist, und den Hautzähnchen zusammen. Die Platte besteht unten aus einer knochenähnlichen Substanz und setzt sich direkt in das Dentin der darüber liegenden, nach hinten gerichteten Hautzähnchen fort. Darüber wiederum sitzt noch eine dünne Kappe aus einer Art Schmelz, die oft als Vitrodentin bezeichnet wird. Auch die Kieferzähne sind weiterentwickelte Hautzähnchen, wobei Haie im Laufe des Lebens viele Kieferzähne nach der Abnutzung abstoßen und durch neue ersetzen. Hinter jedem Kieferzahn befindet sich eine Reihe immer kleiner werdender Zähne. Fällt der vorderste Zahn aus, so richtet sich eine Reihe immer kleiner werdender Zähne. Fällt der vorderste Zahn aus, so richtet sich rasch der nächste Zahn der Reihe auf und schließt die Lücke. Abb. 2: Placoidschuppe von S. acanthias im Längsschnitt (nach Starck, 1982) 3. Augen und äußere Augenmuskeln Bei den meisten Wirbeltieren sind sechs äußere, riemenähnliche Augenmuskeln (Abb. 3) ausgebildet: zwei schräge Muskeln (Musculi obliqui) liegen rostral und vier gerade Muskeln (Musculi recti) entspringen caudal: Rostral liegt oben der M. obliquus superior: Er erhält motorische Impulse vom Nervus trochlearis (IV). Darunter findet sich der M. obliquus inferior, der vom N. oculomotorius (III) kontrolliert wird. Der obere caudale Musculus rectus superior, der weiter vorne liegende Musculus rectus anterior und der unten sitzende Musculus rectus inferior werden ebenfalls vom N. oculomotorius (III) innerviert. Der hintere Musculus rectus posterior wird vom N. abducens (VI) innerviert. Zwischen den vier geraden Muskeln liegt ein leicht heraustrennbares Knorpelstielchen mit einem tellerförmigen Ende. Es dient als Widerlager für das Auge gegen die sonst, nach innen ziehende Kontraktion der Augenmuskeln. 5 Abb. 3: Äußere Augenmuskeln; Ansicht: linke Seite von dorsal (nach Starck, 1982) Der N. opticus (II) verläuft am Auge etwas unter dem Ansatzpunkt des M. rectus anterior. Aufgrund der embryonalen Ausstülpung der Augenblase aus dem Gehirn ist der N. opticus eigentlich Teil des Gehirns. Das Auge selbst (Abb. 4) wird von der weißlichen, derben Sclera (Lederhaut) umhüllt, die sich nach vorn in die durchsichtige Cornea (Hornhaut) fortsetzt, unter der sich die dunkle Iris (Regenbogenhaut) befindet. In der Mitte der Iris ist eine runde Aussparung, die Pupille, zu erkennen. Der Glaskörper erhält den Innendruck aufrecht und besteht zu 98% aus Wasser. Durch den Innendruck haftet die Retina am Pigmentepithel. Dies enthält ein Netz aus Proteinfibrillen und vereinzelten Zellen. Die Linse des Hais ist starr und wird nicht wie bei Säugern zur Akkomodation verformt. In Ruhestellung ist die Linse bei Haien auf das Sehen in die Ferne eingestellt. Um ein Sehen in die Nähe zu ermöglichen, zieht ein Muskel die Linse nach vorne. Die Retina enthält die Photorezeptoren und eine Reihe nachgeschalteter Neurone. Die meisten Knorpelfische haben als Rezeptoren nur Stäbchen. Die Austrittsstelle des Sehnervs bildet den Blinden Fleck, der keine Photorezeptoren enthält. Auf die Retina folgt weiter außen das dunkle Pigmentepithel – ebenfalls neuronaler Herkunft, dessen Zellen mit vielen lichtabsorbierenden Melaninkörnchen beladen sind. Die Pigmentzellen sind zudem an der Herstellung retinaler Sehfarbstoffe beteiligt. Nach außen hin liegt die schwer erkennbare, gefäßreiche Choroidea. Bei vielen Knorpelfischen enthält sie lichtreflektierende Strukturen, die ein Tapetum lucidum bilden. Das Tapetum sichert eine bessere Ausnutzung des Lichts, da das reflektierte Licht die Sinneszellen erneut treffen kann. Das Pigmentepithel setzt sich nach vorne in den Ciliarkörper fort, an dem die Linse durch ein zum Linsenäquator ziehendes Band aufgehängt ist. Sein irisnaher Teil kann Kammerwasser sezernieren, das den Bereich zwischen Cornea und Linse füllt. Nahe dem Ciliarkörper liegt ventral der kaum sichtbare Musculus protractor lentis an. Der Muskel ist nur bei Haien ektodermaler Herkunft vorhanden und zieht die Linse für die Nah-Akkomodation nach vorne. Der Ciliarkörper geht an der Vorderseite der Linse in die Iris über. Sie enthält lichtabsorbierendes Melanin und sorgt als eine Art Blende dafür, dass Licht nur durch die Pupille auf die Retina fällt. Die Iris kann mit Hilfe eingelagerter Muskulatur die Pupille je nach Lichtverhältnissen erweitern oder verengen. 6 Abb. 4: Aufbau des menschlichen Auges (Vorlesung von C. Distler Hoffmann, Ruhr-Uni-Bochum). 4. Labyrinthorgan Das ganze häutige Labyrinth stellt ein mit Endolymphe gefülltes System dar (Abb. 5). Alle gnathostomen (kiefertragenden) Wirbeltiere besitzen drei Bogengänge: Einen vorderen vertikalen Bogengang, einen hinteren vertikalen Bogengang und einen mehr ventral liegenden, horizontalen Bogengang. Sie stehen jeweils im rechten Winkel zueinander und repräsentieren so die drei Raumebenen. Mit Hilfe der Bogengänge nimmt der Hai Drehbeschleunigungen wahr, und je nach dem Winkel der Drehbeschleunigungen koalieren beidseitig die Gänge einer Ebene und verstärken so den Eindruck der Sinneswahrnehmung. An der Knickstelle eines jeden gebogenen Rohres finden sich kugelförmige Aussackungen mit Haarsinneszellen, die Ampullen. Bei Drehbeschleunigungen ändert sich die Lage der Gänge mit der veränderten Kopfstellung, während die Endolymphsäulen darin ihre Lage aufgrund ihrer Trägheit und der glatten, reibungsarmen Innenwände der Bogengänge in geringerem Maße ändern, sich in die Ampullen schieben und somit als Widerstand die Sinneshärchen darin umbiegen. Je nach Richtung, in die die Härchen umgebogen werden, kann so die Richtung der Drehbeschleunigungen wahrgenommen werden. Zwischen den Gängen, nach innen hin, befindet sich eine große Aussackung, die sich ohne scharfe Grenze aufteilt in den mehr dorsal gelegenen Utriculus, in den die Bogengänge münden, und den ventralen Sacculus. 7 Abb. 5: Squalus acanthias; rechtes Labyrinth von lateral; 1: vorderer vertikaler Bogengang, 2: hinterer vertikaler Bogengang, 3: horizontaler Bogengang, 4: Ampulle des vorderen Bogengangs, 5: Ampulle des hinteren Bogengangs, 6: Ampulle des horizontalen Bogengangs, 7: Macula utriculi, 8: Macula sacculi, 9: Macula lagenae (nach Starck,1982) Jeder Bogengang bildet mit dem angrenzenden Utriculusanteil eine Funktionseinheit. So wird bei Drehbeschleunigungen eine Ringströmung ermöglicht, die das Verschieben der Flüssigkeitssäulen erst zulässt. An der Sacculusbasis, etwas caudal, liegt eine Vertiefung, die Lagena, die bei Reptilien, Vögeln und Säugern zu einem langen, leicht gebogenen Gang, dem Ductus cochlearis auswächst. Mit zunehmender Länge rollt sich der Gang bei Beutel und Planzetatieren aus Raumgründen in mehreren Windungen zur Cochlea (Schnecke) auf. In allen befindet sich je eine ovale Sinnesendstelle, eine Macula. Sie enthält Sinneszellen, an denen sich Fasern des Nervus stato-acusticus (VIII) aufzweigen. Die Macula besteht aus einer Gallertplatte, in die Gehörsteinchen (Kristalle aus Calciumkarbonat) eingelagert sind und in die, wie in den Ampullen, Sinneshaare eintauchen. Die ventral der Ampulle des horizontalen Bogengangs liegenden Macula utriculi ist für die Perzeption von Linearbeschleunigungen und der Stellung des Kopfes im Raum zuständig. Alle Maculae, v.a. die Macula sacculi sind bei Fischen am Hörvorgang beteiligt. Die Macula lagenae schließlich stellt wohl einen Schwerkraftrezeptor dar, obgleich sich bei Landwirbeltieren aus der Lagena das Hörorgan entwickelt. Dabei besteht über die Zuordnung der Sinneswahrnehmung oft noch keine endgültige Klarheit, besonders da manchmal jeweils Macula- Sinneszellen auf Reize ansprechen, die eigentlich einer anderen Macula zufallen müssten. Die Reizaufnahme ist dann aber weiniger intensiv. 5. Gehirn Direkt caudal der Nasenhhöhlen liegt beiderseits der Bulbus olfactorius (Abb. 6). Hier laufen die sensiblen Geruchsinformationen ein. Sie werden jeweils über den Tractus olfactorius in den Lobus olfactorius weitergeleitet. Die bei Säugern so stark ausgebildeten Großhirnhemisphären deuten sich nur leicht an. Die genannten Teile stellen zusammmen das Telencephalon (Endhirn) dar. Es dient dem Hai im Wesentlichen als Riechhirn, aber auch zum Lernen und Erinnnern. Den rostralen Abschnitt bildet der schon erwähnte paarige Bulbus olfactorius, in dem die Impulse der Riechschleimhaut an ein zweites Neuron weitergegeben werden, dessen Fasern die Impulse je über den Tractus olfactorius in den Lobus olfactorius weitergeben, der zu den telencephalen Hemisphären zählt. Die beiden Hemisphären umfassen zwei Hohlräume, die als Ventriculi laterales bezeichnet werden und die wie alle Hirnventrikel mit Hirnflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) gefüllt sind, die das Hirn mit Nährstoffen versorgt und der Interzellularflüssigkeit ähnelt. Tractus und Bulbus repräsentieren den Nervus olfactorius (I). Die Riechlappen stellen beim Hai noch einen wesentlichen Anteil der 8 Endhirnhemisphären dar. Mit ihrer primären Riechfunktion gehören sie zum phylogenetisch ältesten Teil des Endhirns, dem Palaeopallium. Bei Säugern haben sich die Riechlappen auf einen paarigen kleinen Abschnitt, den Lobus piriformis reduziert. Darüber hinaus ist bei Haien von dorsal schon durch eine fortgeschrittene Differenzierung flügelartig das paarige Archipallium zu erkennen. Es ist u.a. für Lernen und räumliches Erinnerungsvermögen zuständig. Bei Säugern hat sich die als Neopallium bezeichnete Großhirnrinde entwickelt, wobei das Archipallium ins Innere wandert und dort die Hippocampusformation darstellt, welche mit Kurzzeitgedächtnis und Emotionen in Zusammenhang steht. Unter den Riechlappen hat sich schon beim Hai ein paariges Areal differenziert, das die Basalkerne (Basalganglien) darstellt. Bei niederen Tieren wie Haien, die noch keinen motorischen Neocortex haben, werden mit den Basalganglien Bewegungen eingeleitet. Bei Säugern kommt noch ein höher entwickeltes System hinzu, das einen Ausgang vom motorischen Neocortex aus nimmt und von dort direkt über die Pyramidenbahnen in das Rückenmark und dann zu den ausführenden Muskeln führt. Das stammesgeschichtlich alte System mit den Basalganglien wird deshalb auch als Teil des extrapyramidalen Systems bezeichnet. Caudal des Endhirnes liegt das Diencephalon (Zwischenhirn). Abb. 6: Schematische Darstellung der einzelnen Gehirnabschnitte von S. acanthias (Lateralansicht) (Vorlesung von C. Distler Hoffmann, Ruhr-Uni-Bochum). Dieser Hirnteil reguliert Hormon- und Wasserhaushalt und die Körpertemperatur. Hier befindet sich ein dritter Hohlraum, der Ventriculus tertius. Das Diencephalon kann in mehrere Einheiten unterteilt werden: Dorsal befindet sich der Epithalamus, zu dem die Nuclei habenulae (Habenulakeme) gehören. Sie bilden ein Schaltsystem, in dem olfaktorische Impulse zu efferenten Kernen des Hirnstammes übermittelt werden. Das Zwischenhirndach ist dünn und bildet den Plexus choioideus des drittenVentrikels (Abb. 6) und kann Hirnflüssigkeit absondern. Die dorsal gelegene, endokrine Epiphyse (Zirbeldrüse) der Säuger ist am Tag- Nacht-Rhythmus beteiligt. Das unpaare Organ entspricht dem lichtempfindlichen Pinealorgan (medianes Auge) niederer Vertebraten. Unter dem Epithalamus liegt der Tahalmus, der sich in ein dorsales und ein ventrales Zentrum aufteilen lässt. Ersteres stellt ein sensibles, letzteres ein motorisches Schaltzentrum dar. Der Hypothalamus ventral des Thalamus ist ein Integrations- und Steuerungszentrum, dem Informationen aus vielen Systemen (z.B. optisch, olfaktorisch, vegetativ) zufließen und das vor allem auf das vegetative Nervensystem einwirkt, indem Einzelfunktionen zu Kollektivleistungen zusammengefasst werden. Zudem werden in den Nervenzellen des Hypothalamus Hormone gebildet, die in der Hypophyse freigesetzt werden. Nahe dem vorderen Ende des Zwischenhirnbodens tritt beidseits der Nervus opticus aus und bildet das Chiasma opticum, in dem sich die Sehbahnen überkreuzen. Dahinter liegt normalerweise die Hypophyse (Hirnanhangdrüse), die aber meist bei der Präparation abreißt. Die unpaare Struktur besteht aus der vom Munddach stammenden Adenohypophyse und aus der darüberliegenden Neurohypophyse. Bei Haien und einigen anderen Fischgruppen findet 9 man ventral noch den Saccus vasculosus. Die Wand des Beutels besteht aus dünnem Epithel und liegt über der Hypophyse, umschließt sie teilweise aber auch. Der Saccus vasculosus dient wahrscheinlich der Sekretion oder dem Stofftransport zwischen innerem und äußerem Liquorraum und scheint ein Tiefenmesser zu sein. Dahinter schließt sich das Mesencephalon (Mittelhirn) an. Das Mesencephalon setzt sich aus Tectum (Mittelhirndach) und Tegmentum zusammen, die den Mittelhirnventrikel umschließen. Im Tectum enden die Fasern des Nervus opticus und seine paarigen Vorwölbungen werden jeweils auch als Lobus opticus bezeichnet. Das Tectum ist bei Haien ein Sehzentrum, doch es laufen auch Faserbahnen anderer Sinneszentren, wie Labyrinth-, Lateralissytem, sensible Körperbereiche und Riechhirn ein. Diese Informationen werden verrechnet und entsprechende motorische Antworten ausgelöst. Es stellt das Zentrum dar, welches den größten Einfluss auf die Körpertätigkeit ausübt. Bei Säugern sind die meisten Aufgaben des Tectums auf die Endhirnhemisphären übertragen. Das Tectum tritt nur noch in Form der kleinen Vierhügelplatte (Corpora quadrigemina) auf, wobei nur das vordere Hügelpaar (Colliculi superiores) dem Tectum homolog ist. Es dient als Schaltstation für optische Reflexe. Das hintere Hügelpaar (Colliculi inferiores) ist eine „Neuerfindung“ der Säuger und leitet akustische Erregungen über den Thalamus zur Großhirnrinde. Das Tegmentum ist vorwiegend Sitz von Zentren und Faserbahnen, die als Teil des extrapyramidalen Systems motorische Impulse ins Rückenmark leiten. Bei Säugern lagern sich ventral des Tegmentums die zwei Pyramidenbahnen an. Es handelt sich um die schon erwähnten willkürmotorischen Bahnen, die vom motorischen Areal der Großhirnrinde ins Rückenmark ziehen. Anschließend findet man das Metencephalon, das aus dem ventralen Hirnstamm im weiteren Sinne und dem dorsalen Cerebellum (Kleinhirn) besteht. Das sehr kräftig entwickelte Cerebellum hat oben eine gut erkennbare „Längs- und Querfurche“. Es dient der Gleichgewichtserhaltung und macht Bewegungen durch eine Verrechnung der allgemeinen Raumlage und von Informationen aus verschiedensten Bereichen erst effektiv. So erhält das Cerebellum Informationen von den Propriozeptoren in Muskeln und Sehnen, vom statischen Organ des Labyrinthorgans und dem Lateralissystem, von der Haut, den optischen Zentren und bei niederen Vertebraten auch vom Riechorgan. Zusätzlich laufen hier Informationen von den Motoriksteuerzentren des Tectums ein. Das Cerebellum begrenzt auch einen Hohlraum, den Abb. 7: Die Evolution des Wirbeltier- Kleinhirnventrikel, der schon zum vierten Ventrikel gehirns (Hickman, C.P., 2008). gerechnet wird und bei Säugern weitgehend nicht mehr vorkommt. Beim Hai ist das Cerebellum verhältnismäßig größer ausgebildet als bei vielen anderen Fischen, weil hier zusätzlich noch die Informationen der Elektrorezeptoren der Lorenzinischen Ampullen einlaufen. Beidseitig neben dem Cerebellum liegen die Aurikel (Rautenohren). Sie enthalten Wurzelfasern aus dem Labyrinthorgan und dem Seitenliniensystem. Deshalb werden sie funktionell je als Lobus vestibulo-lateralis bezeichnet. Bei Säugern hat sich das Cerebellum stark weiterentwickelt. Es ist gefurcht und 10 teilt sich in zwei Hemisphären und den median liegenden Vermis (Wurm) auf. Die stammesgeschichtlich älteren Teile, die bei Nichtsäugern das ganze Kleinhirn bilden, werden auch als Palaeocerebellum bezeichnet. Es umfasst die im hinteren Bereich liegende Flocculusformation, die Informationen aus dem Vestibularissystem (Gleichgewichtsorgan) erhält und funktionell weitgehend den Aurikeln entspricht, und die rostralen und caudalen Bereiche von Vermis und Hemisphären, in denen Informationen der allgemeinen Haut- und Tiefensensibilität einlaufen. Das Neocerebellum ist eine Neubildung der Säuger und umfasst den mittleren Teil von Wurm und Hemisphären. Gleichermaßen ist auch der Pons eine Neubildung, die zum Metencephalon gerechnet wird. Sie liegt als querverlaufende Faserbahnstruktur ventral des Tegmentums in Höhe des Kleinhirns. Hier werden absteigende Bahnen aus dem Großhirn auf Fasern umgeschaltet, die zum Cerebellum ziehen. Das Myelencephalon (Medulla oblongata; verlängertes Mark) verbindet durch auf- und absteigende Bahnen das Rückenmark mit dem Gehirn. Dabei gibt es zum Rückenmark hin keine scharfe Grenze. Besonders bei höheren Vertebraten finden sich im Nachhirn alle Elemente der Reflexbögen für den Bereich von Kopf- und Kiemenregion, Kerne für Atmung und Kreislauf Regulation und andere vegetative Zentren. Das Myelencephalon umfasst den Ventriculus quartus. Den Boden des Ventrikels stellt die Rautengrube dar. Die dünne Deckplatte bildet die gefäßreiche Tela chorioidea mit dem anliegenden Plexus chorioideus, der Hirnflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) sezerniert. Abb. 8: Gehirn von Dornhai (oben) und Ratte; Dorsalansicht. 1: Bulbus olfactorius, 2: Tractus olfactorius, 3: Plexus chorioideus des Diencephalons, 4: Palaeopallium (Lobus olfactorius), 5: Neopallium, 6: Archipallium, 7: Tectum (Lobus opticus), 8: Cerebellum (Kleinhirn), 9: Aurikel, 10: Plexus chorioideus, darunter Rautengrube, 11: Teiledes Di- und Mesencephalons, 12: Kleinhirnhemisphären, 13: Vermis des Kleinhirns, 14: Myelencephalon 6. Hirnnerven Beim Hai werden 10 Hirnnerven unterschieden (Abb. 9 und 10), der 1. Hirnnerv, der N. olfactorius (I), der in die Endhirnhemisphäre läuft, der zweite Hirnnerv der N. opticus (II). Der dritte Hirnnerv, der Nervus oculomotorius (III), der vier der sechs Augenmuskeln innerviert: tritt dorsal des Saccus vasculosus aus dem Tegmentum aus. Der schräge Augenmuskel Musculus obliquus superior wird über den Nervus trochlearis (IV), den IV. Hirnnerven, innerviert. Er tritt zwischen Tectum und Cerebellum aus. 11 Abb. 9: Präparation einiger Kopfnerven von Squalus acanthias; Dorsalansicht (nach Starck, 1982) Der V. Hirnnerv, der Nervus trigeminus (V), hat drei Hauptäste, die ventral der Aurikel austreten. Der erste leitet sensible Informationen vom Rostrum weiter, die im Cerebellum verarebeitet werden, und die anderen innervieren die Kiefermuskulatur. Der VI. Hirnnerv, der N. abducens, tritt noch weiter ventral nahe der Medianlinie aus dem Myelencepahlon aus. Der N. facialis (VII), innerviert besonders bei Säugern die Gesichtsmuskeln. Der N. lateralis (VIII) setzt sehr nah am V. Hirnnerv an.Der Nervus lateralis gliedert sich in drei Abschnitte: Der N. lateralis pars praeotica innerviert das Seitenliniensystem des Kopfes und die Lorenzinischen Ampullen. Der Nervus lateralis pars otica (= N. statoacusticus der Landwirbeltiere) leitet sensible Impulse des Labyrithorgans weiter ins Cerebellum. Der N. lateralis pars postotica innerviert das Seitenlinienorgan des Körpers. Dem schwach ausgebildeten N. glossopharyngeus (IX) als IX. Hirnnerv lässt sich bei Fischen die erste Kiemenspalte zuordnen. Er tritt seitlich weiter hinten aus dem Myelencepahlon aus. Bei Tetrapoden innerviert er hauptsächlich sensible Zungen- und Schlundbereiche. Der Name „glossopharyngeus“ leitet sich daher ab. Der motorisch und sensibel innervierende N. vagus (X) schließlich ist als X. Hirnnerv nicht nur für die Kopfregion, sondern auch für den größten Teil der Eingeweide zuständig. Er tritt nahe hinter dem IX. Hirnnerv aus. Der XI. Hirnnerv, Nervus accessorius und N. hypoglossus werden beim Hai nicht aufgeführt. Sie sind bei Tetrapoden für Derivate der Branchialmuskulatur und für die Zungenmuskulatur zuständig. 12 A B I. N. olfactorius II. N. opticus III. N. oculomotorius IV. N. trochlearis V. N. trigeminus VI. N. abducens VII. N. facialis VIII. N. lateralis IX. N. glossopharyngeus X. N. vagus XI. N. accessorius XII. N. hypoglossus v Abb. 10: A: Gehirn von S. acanthias mit Abgangsstellen der Hirnnerven. a: von dorsal, b: von ventral (nach Starck, 1982). 1: Nevus terminalis 2: Telencephalon 3: Diencephalon 4: Tectum 5: Cerebellum 6: Aurikel 7: Occipitalnerv 8: Hypophyse 9: Saccus vasculosus 10: Bulbus olfactorius, B: Auflistung der einzelnen Hirnnerven. Der XI. und XII. Hirnnerv werden beim Hai nicht aufgeführt. 7. Cerebellum (Kleinhirn) Das Kleinhirn steuert das Gleichgewicht, die Haltung und Bewegungen. Es ist bei solchen Tieren am größten ausgebildet, deren Gleichgewichtssinn und präzise Bewegungskontrolle am höchsten entwickelt ist (Fische, Vögel, Säugetiere) (Abb. 7). Am besten entwickelt ist es bei Vögeln und Säugetieren, bei denen es stark gefaltet ist. Die starke Furchung vergrößert die Oberfläche, damit mehr Platz für Neurone geschaffen wird. Die graue Substanz des Kleinhirns lässt sich in drei Schichten einteilen: In der äußersten, der Molekularen Schicht befinden sich Stern- sowie Korbzellen, Dendriten der Purkinje- sowie Golgi Zellen, Kletterfasern und Parallelfasern der Körnerzellen. In der zweiten Schicht, der Puirkinjezellkörperschicht, befinden sich die großen Perikaryen der Purkinjezellen, dessen Dendritenbäume in die molekulare Schicht hineinragen. In der dritten Schicht, der Körnerzellschicht, befinden sich dicht gepackt die Perikaryen der Körnerzellen sowie der Golgi Zellen. Unter der Körnerzellschicht liegt die Marklagerschicht, die weiße Substanz des Kleinhirns in der die Axone der Purkinjezellen verlaufen, sowie die Moos- und Kletterfasern. 13 A B Abb. 11: A: Dorsalansicht des Cerebellums (Ratte), B: Sagitalansicht des Cerebellums (Ratte) Abb. 12: Kleinhirnrinde (Ratte), Ausschnitt aus Abb. 9b Abb. 13: Schematische Organisation der Kleinhirnrinde (Amann-Vesti, B. R., 2006). 14

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