Shell Jugendstudie 2024 PDF

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This document summarizes the 19th Shell Youth Study, conducted in Germany. The study covers a broad range of issues affecting young people, including their opinions on politics, society, and the environment.

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Zusammenfassung D ie 19. Shell Jugendstudie trägt den Untertitel »Pragmatisch zwischen Verdrossenheit und gelebter Vielfalt«. großen Mehrheit der Jugendlichen keine unüberbrückbaren Polarisierungen oder...

Zusammenfassung D ie 19. Shell Jugendstudie trägt den Untertitel »Pragmatisch zwischen Verdrossenheit und gelebter Vielfalt«. großen Mehrheit der Jugendlichen keine unüberbrückbaren Polarisierungen oder Spaltungen zu beobachten sind – trotz Sie zeichnet ein differenziertes Bild der vielschichtiger Krisen und bestehender Jugendlichen im Alter von 12 bis 25 Jah- sozialer Unterschiede. ren in Deutschland: Ihre Sorgen und Ängste über Politik, Gesellschaft und Umwelt nehmen zu, sie sehen Probleme Politisches Interesse steigt an und Handlungsbedarf. Viele sind für populistische Positionen empfänglich. Das politische Interesse von Jugendli- Doch von einer generellen Resignation chen ist in den letzten Jahren deutlich oder Distanz zu Demokratie und Gesell- angestiegen. Aktuell bezeichnen sich schaft kann nicht gesprochen werden. 55 % von ihnen als politisch interessiert. Die Mehrheit der Jugendlichen sieht Noch in den 1990er und 2000er Jahren ihre hervorragenden Aussichten auf lagen diese Werte viel niedriger, 2002 dem Arbeitsmarkt und betrachtet die sogar nur noch bei 34 %. Bei Mädchen vielfältigen Modernisierungsprozesse als und Jungen sind keine nennenswerten Chance. Sie haben Zukunftsvertrauen Unterschiede mehr zu verzeichnen. und blicken positiv auf die Möglichkei- Politik ist nicht mehr vorwiegend »Män- ten, die ihnen von Staat und Gesellschaft nersache«. geboten werden. Aktiv über Politik informieren sich Der Umgang der meisten jungen 51 % der Jugendlichen (2019: 36 %). Menschen mit den vielfältigen Heraus- Auch die Bereitschaft zum politischen forderungen ist weiterhin bemerkens- Engagement ist langfristig gewachsen, wert pragmatisch: Zentral für sie bleiben von 22 % in 2002 auf 37 % in 2024. Es hat der soziale Nahbereich und die Orientie- nicht den Anschein, als ob das politische rung an Leistungsnormen. Sie passen Interesse sowie die Bereitschaft zum En- sich auf ihrer Suche nach einem gesi- gagement ein kurzfristiger und medial cherten und eigenständigen Platz in der verbreiteter Effekt einer vermeintlichen Gesellschaft den Gegebenheiten an und »Generation Greta« waren, die unter wollen ihre Chancen ergreifen. Dabei sich ändernden Rahmenbedingungen nehmen sie Zukunftsfragen deutlich jetzt wieder abebben würden. bewusster wahr und artikulieren ihre Ansprüche offensiver. Ihr Wertekanon differenziert sich etwas stärker aus, Verlustängste: Krieg in Europa und die und dabei artikulieren unterschiedliche wirtschaftliche Lage rücken in den Fokus Gruppen von Jugendlichen zum Teil un- terschiedliche, nicht immer direkt mit- Die Angst vor einem Krieg in Europa einander zu vereinbarende Haltungen (81 %) sowie die Sorge um die wirt- und Lebensziele. schaftliche Lage und möglicherweise Die Ergebnisse der aktuellen Shell steigende Armut (67 %) sind im Jahr 2024 Jugendstudie zeigen wieder, dass bei der bei den Jugendlichen an die Spitze der Zusammenfassung 13 abgefragten Ängste gerückt. Gleichzeitig schaft vor neue Herausforderungen ge- haben immer weniger junge Menschen stellt. Die veränderte Gefahrenlage und Angst vor Arbeitslosigkeit oder davor, die damit einhergehenden politischen keinen Ausbildungsplatz zu finden. Nur Kontroversen haben dazu geführt, dass noch etwa ein Drittel (35 %) nennt diese viele junge Menschen einige politische Sorgen – in unserer Zeitreihe ein histo- Themen anders sehen als noch vor rischer Tiefstand. einigen Jahren. 69 % der Jugendlichen Die Themen Klimawandel (63 %) und (Altersgruppe 15 bis 25 Jahre) sprechen Umweltverschmutzung (64 %) machen sich für und nur 6 % gegen eine star- weiterhin einer großen Mehrheit der Ju- ke NATO aus. Unterschiede zwischen gendlichen Angst – Letzteres allerdings Jugendlichen aus dem Osten und dem spürbar weniger als in 2019. Westen gibt es dabei kaum. Ähnlich fällt Vor wachsender Feindseligkeit zwi- die Bewertung des russischen Angriffs- schen den Menschen (64 %) sorgen sich krieges aus. Der Aussage »Russland hat ebenfalls mehr Jugendliche. Diese Be- die Ukraine angegriffen und muss dafür troffenheit ist bei den Jugendlichen ähn- bestraft werden« stimmen 60 % der Ju- lich hoch ausgeprägt wie die Angst vor gendlichen zu, nur 13 % insgesamt, aber Ausländerfeindlichkeit (58 %), die nach immerhin 21 % im Osten, sehen dies ex- wie vor häufiger genannt wird als die plizit anders. Die Verurteilung Russlands Angst vor weiterer Zuwanderung (34 %). geht allerdings nicht mit einer uneinge- In ihren Ängsten unterscheiden schränkten Unterstützung der Ukraine sich junge Leute nach Bildungsgrad: einher: Nur 50 % wollen, dass Deutsch- Jugendliche mit höherer Bildungs- land die Ukraine militärisch unterstützt, position sorgen sich vor allem um den die Zustimmung ist im Osten mit 44 % im Klimawandel und den gesellschaftlichen Vergleich zu 52 % der Jugendlichen aus Zusammenhalt. Aber auch ihre Sorge den westlichen Bundesländern geringer um die wirtschaftliche Lage hat zuge- ausgeprägt. 24 % lehnen dies hingegen nommen. Bei Jugendlichen mit mittlerer ab: 22 % im Westen und 34 % im Osten. oder niedrigerer Bildungsposition steht Die Bewertung Russlands und der inzwischen wieder die Angst vor einer Notwendigkeit einer starken NATO ist verschlechterten wirtschaftlichen Lage bei der Mehrheit der Jugendlichen un- im Vordergrund. Klima und gesellschaft- strittig. Davon unabhängig sind jedoch licher Zusammenhalt bleiben für sie ebenfalls 60 % der Meinung, dass unser relevant. Migration und Zuwanderung westliches Modell nicht ohne weiteres sind hingegen vor allem eine Sorge von auf große Teile der Welt übertragbar ist. Jugendlichen mit niedrigerer Bildungs- Insgesamt betrachtet, sind die Sorgen position. um die mit der anhaltenden militäri- schen Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine verbundenen Krieg und Frieden als neue Wirklichkeit Risiken – sei es im Hinblick auf eine im Leben junger Menschen – Empörung direkte militärische Konfrontation mit und Sorge Russland oder auf die wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen, die der In den zurückliegenden Jahren haben Krieg in der Ukraine bereits jetzt mit der russische Angriff auf die Ukraine sich bringt – bei den Jugendlichen in und der Überfall der Hamas auf Israel Deutschland klar spürbar. und der folgende Gaza-Konflikt, aber auch eine Reihe weiterer geopolitisch verschärfter Konflikte die Weltgemein- 14 Zusammenfassung Israel und der Gaza-Krieg sind Deutschlands gegenüber Israel nach so- umstritten zialen Merkmalen, dann zeigt sich auch an dieser Stelle der Einfluss der Bildung. Weniger einig präsentieren sich die Ju- Auffällig ist, dass von den Jugendlichen gendlichen (Altersgruppe 15 bis 25 Jah- mit einer eher niedrigen Bildungsposi- re) bei der Bewertung des Gaza-Krieges, tion nur 16 % zustimmen. Von denen mit der militärischen Reaktion Israels auf mittlerer Bildung sind es 26 %, wohinge- den Terrorangriff der Hamas. Inhaltlich gen Jugendliche mit höherer Bildung zu führen Fragen zur Haltung zu Israel 37 % zustimmen. beziehungsweise zum Empfinden an- Zum Teil gravierende Unterschiede gesichts der Lage der Menschen im Ga- zeigen sich, wenn man nach dem jewei- za-Streifen zu unterschiedlichen Ergeb- ligen Herkunftshintergrund unterschei- nissen. Soziodemografisch betrachtet, det. Jugendliche, die entweder selbst ist nicht zu übersehen, dass zugewan- oder deren Eltern aus dem arabischen derte Menschen aus dem muslimischen Raum oder der Türkei zugewandert sind, Kulturraum zum Teil deutlich andere stimmen dem nur zu 26 % zu. 42 % und Ansichten vertreten als die nicht-musli- damit deutlich mehr als in allen anderen mischen Menschen. Gruppen lehnen dies explizit ab. Unter allen Jugendlichen begrüßt es knapp ein Drittel (30 %), dass sich Deutschland klar auf die Seite Israels Klimaschutz bleibt für Jugendliche ein gestellt hat, genauso viele lehnen dies zentrales Thema jedoch auch ab. Etwa ein Viertel (27 %) ist hier unentschieden. Demgegenüber Klimaschutz und Klimawandel haben spricht sich etwa die Hälfte (52 %) da- für die Jugendlichen in Deutschland für aus, dass Deutschland das mit dem nicht an Bedeutung verloren. 80 % teilen Gaza-Krieg verbundene Leid der pa- die Auffassung, dass für den Klimawan- lästinensischen Bevölkerung deutlicher del vor allem der Mensch verantwortlich anerkennen sollte. Nur 11 % sehen dies ist. Dieser Anteil ist genauso hoch wie anders, ein Viertel (26 %) ist unent- bereits bei der 16. Shell Jugendstudie schieden. Die besondere Verpflichtung 2010, als wir diese Frage erstmals ge- Deutschlands gegenüber Israel betont stellt hatten. Nur etwas mehr als ein mit 32 % etwa ein Drittel der Jugendli- Viertel der Jugendlichen (28 %) meint, chen. Genauso viele sehen dies anders dass der Klimawandel in der Öffent- und stimmen dem explizit nicht zu. Etwa lichkeit übertrieben dargestellt würde, ein Viertel (26 %) ist auch hier unent- in 2010 war es noch etwas mehr als ein schieden, die restlichen Befragten woll- Drittel. ten oder konnten dazu keine Meinung Umstrittener ist die Frage nach den äußern. Die Bilder von leidenden Men- Konsequenzen. 57 % sind der Meinung, schen aus dem Gaza-Streifen bleiben dass alle ihren bisherigen Lebensstan- offenbar bei den meisten Jugendlichen dard zugunsten von Klima und Umwelt in Deutschland nicht ohne Wirkung. einschränken sollten, 22 % sind unsicher Insbesondere dieser Aspekt sollte bei oder geteilter Meinung (»teils, teils«) der Beurteilung der in den Ergebnissen und 19 % lehnen dies ab. Differenziert zum Ausdruck kommenden israelkriti- nach Bildungsposition, zeigen sich Un- schen Haltung keinesfalls vernachlässigt terschiede: Knapp zwei Drittel (63 %) der werden. Jugendlichen mit Abitur oder Fachhoch- Differenziert man die Einstellungen schulreife sprechen sich für Einschrän- zur Frage der besonderen Verpflichtung kungen aus, aber nur knapp die Hälfte Zusammenfassung 15 (48 %) derjenigen mit Mittlerer Reife und als eher rechts bezeichnen, angestiegen. vier von zehn mit Hauptschulabschluss Zusammengenommen ordnet sich jetzt (42 %). jeder Vierte (25 %) von ihnen als eher Die Aktionen von Umweltgruppen rechts oder rechts ein, 2019 war es nicht wie der »Letzten Generation« haben in einmal jeder Fünfte. Bei den weiblichen den vergangenen Jahren zu kontrover- Jugendlichen bezeichnen sich 11 % als sen Debatten geführt, die auch bei den eher rechts oder rechts, hier ist kein Jugendlichen Widerhall gefunden haben. Anstieg zu verzeichnen. Auf der ande- Der Aussage »Es ärgert mich, dass Um- ren Seite positionieren sich gleichzeitig weltschützerinnen und -schützer mir mehr männliche Jugendlichen als eher vorschreiben wollen, wie ich zu leben links oder links (2019: 38 %; 2024: 41 %). habe« stimmen 43 % der Jugendlichen Und auch bei den weiblichen Jugend- zu, 39 % lehnen dies ab. Die Kritik an lichen ist eine etwas ausgeprägtere einer empfundenen Bevormundung Positionierung im eher linken Spek- bei der Debatte um Klima und Umwelt trum feststellbar: von 44 % im Jahr 2019 zieht sich bei den Jugendlichen durch auf 51 % im Jahr 2024. Unterschiede alle sozialen Gruppen. Ein Viertel der zwischen männlichen und weiblichen jungen Menschen (25 %) gibt an, die Jugendlichen sind nichts grundsätzlich Aktionen von Klimaaktivisten, wie zum Neues. Neu ist hingegen, dass sich ein Beispiel der »Letzten Generation«, der weitaus größerer Anteil sowohl männ- »Klimakleber«, zu verteidigen, mehr als licher als auch weiblicher Jugendlicher die Hälfte (56 %) tut dies nicht und bringt überhaupt zwischen links und rechts damit die bei ihnen vorhandene Distanz einordnet. zum Ausdruck. Positive Identifikation mit Staat und Jugendliche positionieren sich politisch Gesellschaft überwiegt die gravierende deutlicher Kritik Die politische Positionierung misst die Die große Mehrheit der Jugendlichen Shell Jugendstudie seit mehr als 20 Jah- (Altersgruppe 15 bis 25 Jahren) steht po- ren. Die Ergebnisse insgesamt sind recht sitiv zu Staat und Gesellschaft und sieht eindeutig: Auf einer Skala von 1 bis 11 für sich große Zukunftschancen. Das für (1 = Links bis 11 = Rechts. Skalenmit- den deutschen Sozialstaat zentrale Leis- telpunkt = 6) stufen sich aktuell die Ju- tungs- und Gerechtigkeitsversprechen gendlichen mit einem Mittelwert von 5.3 sowie das Vertrauen in den Fortschritt ein. Damit ist die Selbstpositionierung sind aus ihrer Sicht weitestgehend in- insgesamt stabil (2019: 5.1). Auch in 2024 takt. Etwa drei Viertel der Jugendlichen haben wir keine Veränderungen feststel- sind der Ansicht, dass Deutschland len können, die auf einen »Rechtsruck« ihnen alle Möglichkeiten bietet, ihre hindeuten. 14 % der Jugendlichen ordnen Lebensziele zu verwirklichen (76 %), und sich als links, weitere 32 % als eher links vertrauen darauf, dass alle gemeinsam ein. Zur Mitte zählen sich 26 %. Als eher als Gesellschaft eine lebenswerte Zu- rechts bezeichnen sich 14 % und als kunft schaffen können (71 %). rechts 4 %. Nur 10 % – und damit so we- Auffällig ist aber auch die Kritik, die nig wie nie seit 2002 – der Jugendlichen die Jugendlichen an der Situation in können oder wollen sich nicht zuordnen. Deutschland üben. 57 % meinen, dass Seit 2019 ist auf der einen Seite der vieles, was woanders selbstverständlich Anteil männlicher Jugendlicher, die sich ist, bei uns nicht funktioniert; eine Äu- 16 Zusammenfassung ßerung, die eine häufige populistische und gesellschaftlichen Verhältnisse Kritik an staatlichem Versagen auf- durch eigenes Engagement beeinfluss- nimmt. Ähnliches gilt für die eher vom bar sind. Eigennutz geprägte und Verlustängste Mehr als der Hälfte (56 %) fehlt al- ausdrückende Aussage »Die meisten lerdings das Vertrauen in die Einsicht Maßnahmen, die vom Staat getroffen ihrer Mitmenschen. Diese Jugendlichen werden, bringen mir persönlich keine nehmen es für sich so wahr, dass die Vorteile«: Hier stimmen 55 % zu. 57 % der als »richtig« und auch als »sozial wün- jungen Menschen befürworten die Auf- schenswert« empfundenen eigenen nahme von Flüchtlingen, die in Deutsch- Sichtweisen immer häufiger von ande- land Schutz suchen. Gleichzeitig findet ren nicht geteilt werden. Fast ebenso die eher sozialpopulistisch intonierte viele (51 %) beklagen das Gefühl eines Ansicht, der Staat kümmere sich mehr Kontrollverlustes und 40 % der jungen um Flüchtlinge als um hilfsbedürftige Menschen fühlen sich häufiger benach- Deutsche, bei 48 % Zustimmung. teiligt. 44 % der Jugendlichen meinen, »Eine starke Hand müsste mal wieder Ord- nung in unseren Staat bringen«. 25 % Demokratiezufriedenheit bei haben hier die Antwortkategorie »Trifft Jugendlichen im Osten etwas rückläufig voll und ganz zu« oder »Trifft zu« ge- wählt, weitere 19 % die etwas relativie- Die von uns befragten 12- bis 25-Jäh- rende und weniger eindeutige Kategorie rigen zeigen ein grundsätzlich hohes »Trifft eher zu«. Nur ein Fünftel (22 %) Staatsvertrauen. Drei Viertel von ihnen der Jugendlichen stimmt nationalpo- (75 %) sind mit der Demokratie eher oder pulistischen Narrativen, wie etwa der sogar sehr zufrieden. Während die De- EU-feindlichen Aussage »Deutschland mokratiezufriedenheit bei Jugendlichen wäre ohne die Europäische Union bes- im Westen seit längerer Zeit stabil ist ser dran«, zu. Ähnliches gilt für extre- (aktuell 77 %), geht sie bei den Jugend- mistische Positionen, die ebenfalls von lichen im Osten nach längerem Anstieg der großen Mehrheit (81 %) abgelehnt wieder etwas zurück (aktuell 60 %). werden. Allerdings glauben insgesamt 18 %, dass es in jeder Gesellschaft Kon- flikte gibt, die nur mit Gewalt ausgetra- Das Vertrauen in Institutionen ist gen werden können. 8 % meinen hierzu gewachsen »Trifft zu« oder »Trifft voll und ganz zu« und weitere 10 % »Trifft eher zu«. Vor allem das Vertrauen in die zentra- len Institutionen der Bundesrepublik ist intakt und in den letzten 20 Jahren Gestaltungsvertrauen versus sogar mehr oder weniger kontinuier- Vertrauensverlust und lich gewachsen. Überdurchschnittlich Benachteiligungsempfinden stark vertrauen die jungen Menschen in Deutschland den regierungsunab- Auch die persönlichen Haltungen der hängigen staatlichen Institutionen wie Jugendlichen gegenüber Staat und etwa dem Bundesverfassungsgericht Gesellschaft sind mehrheitlich durch oder der Polizei (Mittelwert 3.7 auf einer positive Identifikation und Vertrauen Skala von 1 = sehr wenig Vertrauen bis gekennzeichnet. 86 % vertrauen darauf, 5 = sehr viel Vertrauen, wobei der Ska- dass eine bessere Welt möglich ist, und lenmittelpunkt 3 dafür steht, dass einer 70 % sind sich sicher, dass die politischen Institution generell vertraut wird). Eher Zusammenfassung 17 oder sehr wenig Vertrauen haben hier Nachbarn hätten. Die Vorbehalte gegen- nur 14 bzw. 13 % der Jugendlichen. Hat über einer türkischen Familie sind leicht das Vertrauen in die Bundeswehr in den zurückgegangen (von 18 % auf 14 %). beiden letzten Jahrzehnten noch etwas Ansonsten sind gegenüber 2019 keine geschwankt, so hat es in 2024 ebenfalls relevanten Änderungen zu verzeichnen. zugenommen (Mittelwert 3.4). Eher oder Jugendliche aus Ostdeutschland haben sehr wenig Vertrauen nennen hier nur grundsätzlich deutlich größere Vorbehal- 18 %. te. 28 % von ihnen lehnen eine syrische Auch das Vertrauen junger Menschen Flüchtlingsfamilie ab, im Westen trifft in die EU ist noch einmal angestiegen dies nur auf 16 % zu. Ein homosexuelles (Mittelwert 3.4). Hier sind es nur 17 % Paar möchten 14 % im Osten nicht als der Jugendlichen, die kein Vertrauen Nachbarn haben, während es im Westen haben. Ambivalent drückt sich das Ver- nur 9 % sind. Lediglich ein Rentnerehe- trauen in die Bundesregierung aus, es ist paar findet im Osten mehr Zuspruch als zurückgegangen, aber nach wie vor im im Westen. Durchschnitt positiv (3.0). Eher weniger Was die Haltung der Jugendlichen Vertrauen haben die Jugendlichen in gegenüber einer jüdischen Familie Parteien (2.6) und Kirchen (2.4). anbelangt, so sind keine Befunde da- Insgesamt betrachtet, kann, trotz für festzustellen, dass antisemitische aller scharf formulierter Kritik, keine Positionen inzwischen deutlich offener Rede davon sein, dass die Einstellungen und auch unmittelbarer in der ganzen und Haltungen der jungen Menschen Breite der Jugendlichen in Deutschland in Deutschland gegenüber Staat und kundgetan würden. Hier sind es insge- Gesellschaft fundamental ins Wanken samt nicht mehr als 8 %, die in der Be- geraten oder gar gekippt seien. fragung offen ihre ablehnende Haltung äußerten. Einzig Jugendliche mit einem Migrationshintergrund aus arabischen Toleranz bleibt bei Jugendlichen Ländern, der Türkei oder aus sonstigen Markenzeichen muslimisch geprägten Regionen benen- nen dies zu 16 %. Die große Mehrheit der Jugendlichen in Deutschland ist grundsätzlich tolerant gegenüber anderen Lebensformen oder Persönliches Engagement von sozialen Gruppen. Im Vergleich zu 2019 Jugendlichen steigt leicht an finden sich hinsichtlich der geäußerten Vorbehalte nur wenige Änderungen. Auf Der Anteil der Jugendlichen, die ange- die Frage »Fändest du es gut, wäre es geben haben, oft für die Gesellschaft dir egal, oder fändest du es nicht so gut, oder einfach nur für andere Menschen wenn in die Wohnung nebenan folgende aktiv zu sein, liegt in der aktuellen Shell Menschen einziehen würden?« werden Jugendstudie bei 40 %. Im Vergleich zu am häufigsten Vorbehalte gegenüber 2019 ist das soziale und gesellschaftliche Flüchtlingen benannt, wobei eine syri- Aktivitätsniveau bei den Jugendlichen sche Flüchtlingsfamilie auf größere Vor- angestiegen, langfristig betrachtet be- behalte stößt (18 %) als eine Flüchtlings- wegt es sich aber noch immer auf dem familie aus der Ukraine (12 %). Ebenfalls Niveau der letzten zwanzig Jahre. ein knappes Fünftel der Jugendlichen (18 %), und damit etwas mehr als noch 2019, fänden es nicht so gut, wenn sie eine Aussiedlerfamilie aus Russland als 18 Zusammenfassung Typologie: Mainstream, Progressive, dings die große Mehrheit der Meinung, Verunsicherte, Selbstbezogene und dass sie im Alltag benachteiligt werden. Verdrossene Die Besonderheit besteht hier darin, dass zu dieser Gruppe fast die Hälfte Anhand einer Typologie lassen sich fünf der Jugendlichen mit nicht-deutscher Gruppen von Jugendlichen abgrenzen, Staatsangehörigkeit gehören. Dies dürfte die sich hinsichtlich ihrer Einstellungen maßgeblich sowohl die vielen Hoffnun- und ihres Selbstverständnisses gegen- gen als auch ihre Verunsicherung und über Staat und Gesellschaft klar unter- das Benachteiligungsempfinden erklä- scheiden. ren. Ihre politische Positionierung ist Die größte Gruppe (38 %) bilden die ebenfalls etwas nach links verschoben. Mainstream-Jugendlichen. Sie zeichnen 17 % lassen sich als selbstbezogene sich zum einen durch ihr grundsätzlich Jugendliche charakterisieren. Sie ha- positives Staats- und Gesellschaftsbild ben mehrheitlich Vertrauen in Staat aus, stehen aber auch vielen Dingen in und Gesellschaft, profilieren sich aber Deutschland kritisch gegenüber. Jugend- gleichzeitig vor allem durch ihre Kritik liche mit niedriger Bildung, Jugendliche am Staat und an den gesellschaftlichen aus dem Osten sowie Jugendliche mit Verhältnissen. Ihre Haltung definieren nicht-deutscher Staatsangehörigkeit die Selbstbezogenen vorrangig aus ihrer sind hier etwas weniger häufig vertreten. eigenen materiellen Perspektive. Die Ansonsten ist die soziodemografische harsche Kritik, die sie trotz ihrer im Zusammensetzung eher ausgeglichen. Grundsatz positiven Sicht auf die Gesell- Ihre politische Positionierung ist, ähn- schaft äußern, ist stark von Eigennutz lich wie bei den Jugendlichen insgesamt, und potenziellen Verlustängsten geprägt. leicht nach links verschoben. Soziodemografisch betrachtet, gehören 15 % gehören zu den progressiven etwas häufiger männliche Jugendliche, Jugendlichen. Sie zeichnen sich durch Jugendliche mit mittlerer oder niedriger ein besonders positives Staats- und Ge- Bildung sowie deutsche Jugendliche sellschaftsbild aus, und so gut wie alle ohne Migrationshintergrund dazu. Poli- begreifen die für die Moderne typischen tisch positionieren sie sich eher in der Herausforderungen und Veränderungs- Mitte. prozesse als Chance. Etwa die Hälfte von Die restlichen 12 % sind die verdros- ihnen kritisiert aber ebenfalls die ge- senen Jugendlichen. Sie zeichnen sich sellschaftliche Wirklichkeit. Der Begriff durch ihre durchgängig kritisch-ver- »progressiv« passt für sie auch deshalb, drossene Einstellung gegenüber Staat weil sie im Durchschnitt häufiger Sym- und Gesellschaft aus. Die Verdrossenen pathien für (spät-)moderne Themen sehen sich als abgehängte und benach- zeigen, die oftmals als »woke« bezeich- teiligte Modernisierungsverlierer. Sie net werden. Jugendliche mit höherer Bil- positionieren sich konträr zu allem, was dung gehören im Vergleich häufiger zu modern erscheint oder pluralisierten Le- dieser Gruppe. Jugendliche mit niedriger bensstilen entspricht. Soziodemografisch Bildung sind kaum vertreten. Ihre politi- betrachtet, gehören Jugendliche aus sche Positionierung ist deutlicher links. dem Osten sowie vor allem Jugendliche Weitere 18 % bilden die Gruppe der mit niedriger Bildung häufiger zu dieser verunsicherten Jugendlichen. Auch sie Gruppe. Die Anteile bei den männlichen haben ein insgesamt positives Staats- und weiblichen Jugendlichen sind hin- und Gesellschaftsbild. Im Unterschied gegen ausgeglichen, und auch hinsicht- sowohl zum Mainstream als auch zu den lich eines Migrationshintergrundes fin- Progressiven ist in dieser Gruppe aller- den sich hier keine Besonderheiten. Die Zusammenfassung 19 politische Positionierung ist bei ihnen im anzupassen (88 %). Deutlich mehr junge Vergleich deutlich rechts. Leute wollen wieder »nach Sicherheit streben« (2019: 77 %; 2024: 87 %). Dieses Bedürfnis nach Sicherheit hat damit für Wertorientierungen die große Mehrheit der jungen Men- schen eine ebenso hohe Bedeutung wie Wertorientierungen als in Kultur und etwa das Ideal der eigenen Unabhän- Gesellschaft fest verwurzelte Normen gigkeit, des Lebensgenusses sowie der und Zielvorstellungen sind keine Mode- Selbstverwirklichung. Es scheint, als trends. Sie sind in der Regel besonders hätten junge Menschen in Deutschland stabil und ändern sich in kürzeren Zeit- wieder ein höheres Empfinden für ge- abständen nicht grundlegend. Was sich sellschaftliche und persönliche Risiken, aber ändern kann, sind die Prioritäten, und schätzen folglich die Bedeutung von die Menschen setzen. Sicherheit höher ein. Beziehungen und Familie bleiben Bewusste Lebensführung bleibt trotz Dreh- und Angelpunkt für das eigene gegenläufiger Entwicklungen wichtig Wohlbefinden Für (spät-)moderne und demokratisch Von all ihren Lebenszielen räumen verfasste Gesellschaften ist die Norm Jugendliche stabilen Beziehungen, »Die Vielfalt der Menschen anzuerken- Freundschaften und Familie den höchs- nen und zu respektieren« von zentraler ten Stellenwert ein. Daran hat sich in Bedeutung. Die große Mehrheit (83 %) den letzten 30 Jahren, seitdem wir dies der jungen Menschen in Deutschland in der Shell Jugendstudie messen, nichts lebt dieses Ziel und verhält sich in ihrem geändert. Jeweils sehr deutlich über 90 % Leben ausgesprochen tolerant. Aber nennen als wichtigste Lebensziele »Gute auch andere Werte spielen eine weiter- Freunde haben, die einen anerkennen hin hohe, teils zunehmende Rolle. So und akzeptieren«, »Einen Partner haben, wollen junge Leute insgesamt nochmals dem man vertrauen kann« oder »Ein gesundheitsbewusster leben (jetzt 85 %). gutes Familienleben führen« (Skalen- Etwas an Bedeutung verloren hat hin- punkte 5 bis 7 auf einer Skala von 1 = gegen umweltbewusstes Verhalten (von »Unwichtig« bis 7 = »Außerordentlich 71 % zu 62 %), ein Ziel, das jungen Frauen wichtig«). wichtiger ist (68 %) als jungen Männern (55 %). Insgesamt betrachtet, sind die Hal- Tugenden als stabile Anker und tungen und Ziele einer bewussten Richtschnur Lebensführung, also eine Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst, gegenüber Auch die sogenannten klassischen anderen Menschen und der Umwelt, Tugenden spielen für junge Menschen im Wertekanon der Mehrheit der Ju- unverändert eine sehr große Rolle. Dies gendlichen fest verankert. Die aktuellen gilt sowohl für die Leistungsnorm, wie Krisenentwicklungen und die damit ver- sie in Werten wie Fleiß und Ehrgeiz zum bundene kontroverse Diskussion um die Ausdruck kommt (82 %), als auch für die Themen Umwelt- und Klimaschutz ha- grundlegende gesellschaftliche Norm, ben aber offenbar Spuren hinterlassen. als Individuum Gesetz und Ordnung zu respektieren und sich entsprechend 20 Zusammenfassung Soziale Orientierungen schwanken, Tradition und Konformität als Relevanz von politischem Engagement Auslaufmodelle? steigt weiter an Aktuell halten es jeweils 24 % der Ju- Wie wichtig sind jungen Menschen gendlichen für wichtig, das zu tun, was soziale Ziele und eigenes politisches andere auch tun, oder am Altherge- Engagement? Das Engagement für so- brachten festzuhalten. Der dabei fest- zial Benachteiligte und gesellschaftliche zustellende Anstieg im Vergleich zum Randgruppen hatte in den vergangenen Jahr 2019 findet sich sowohl bei den Jahren stets an Bedeutung gewonnen, männlichen als auch bei den weiblichen doch aktuell sind sinkende Zustim- Jugendlichen. Tradition und Konformität mungswerte zu verzeichnen (62 % auf bilden ein Wertemuster, das bei einem 58 %). Umgekehrt verhält es sich beim bestimmten Teil von Jugendlichen stabil politischen Engagement, dessen Rele- ausgeprägt ist. Im Lichte der aktuellen vanz weiter auf aktuell 37 % gewachsen Trendentwicklung erscheint dies nicht ist. Junge Frauen wollen sich inzwischen als Auslaufmodell, sondern ebenfalls als ebenso häufig politisch engagieren wie mehr oder weniger fester Bestandteil ihre männlichen Altersgenossen. Insge- des Wertekanons, der für einen Teil der samt können wir feststellen, dass sich Jugendlichen identitätsstiftend ist. junge Menschen nicht nur wieder mehr für Politik interessieren, sondern sich auch wieder mehr engagieren wollen. Zeitgeist Bei unseren »Zeitgeist«-Fragen sind die Robuster Materialismus gewinnt als Unterschiede zwischen den Haltungen Wertemuster an Bedeutung junger Männer und Frauen noch augen- fälliger als bei den Wertorientierungen. Fast drei Viertel (73 %) der Jugendlichen Themen, die in der öffentlichen Debatte streben einen hohen Lebensstandard häufig als »progressiv« eingeordnet wer- an. Hieran hat sich im Zeitverlauf bis den, finden bei jungen Frauen deutlich auf einen leichten Anstieg nichts Grund- mehr Beachtung als bei Männern. Ihnen legendes geändert; junge Männer und ist Feminismus wichtiger (59 % zu 20 %), Frauen liegen hier übrigens inzwischen ebenso eine vielfältige, bunte Gesell- gleichauf. schaft (72 % zu 56 %) und auch vegane Das individuelle Streben nach einem Ernährung (21 % zu 7 %). hohen Lebensstandard korreliert mit Für junge Männer sind andere The- den Wertorientierungen »Macht und men relevant: Männlichkeit (67 % zu Einfluss haben« sowie »Sich und seine 20 %), sportliche Autos oder Motorräder Bedürfnisse gegen andere durchsetzen«. (48 % zu 14 %), Wettbewerb (44 % zu 36 %) Kommen diese Dinge zusammen, dann und Markenkleidung (44 % zu 35 %). sprechen wir vom Wertemuster Materia- lismus. Seine Bedeutung ist bei beiden Geschlechtern im Vergleich zu 2019 Gendern trifft auf mehr Ablehnung als angestiegen, wobei das Bedürfnis nach Befürwortung – einem Drittel ist das Macht und Einfluss bei den jungen Män- Thema egal nern (43 %) deutlich stärker ausgeprägt ist als bei jungen Frauen (32 %). Mit den Begriffen »Gendern« oder »gendergerechte Sprache« sind Schreib- oder Sprechweisen gemeint, die den Zusammenfassung 21 Geschlechter-Aspekt berücksichtigen. ist die Relevanz des Gottesglaubens hin- Insgesamt sind deutlich mehr Jugendli- gegen deutlich höher und auch im Zeit- che gegen das Gendern in der deutschen verlauf mit Schwankungen auf hohem Sprache als dafür: 42 % der Jugendlichen Niveau stabil (72 % zu 79 %). lehnen Gendern (völlig oder eher) ab, 22 % sind (völlig oder eher) dafür und 35 % ist das Thema egal. Bei der Ableh- Ausübung des Glaubens: Beten wird nung dürften Überlegungen zur Ästhetik weniger wichtig oder Verständlichkeit der Sprache eine Rolle spielen, aber auch Sorgen vor ei- Auch im Alltag verliert der Glaube für ner Bürokratisierung der Schriftsprache Jugendliche an Bedeutung. Von allen 12- oder das Gefühl von (potenzieller) Be- bis 25-Jährigen beten 18 % mindestens vormundung. einmal in der Woche, 31 % seltener und 33 % der jungen Frauen sprechen sich 49 % beten laut eigener Aussage nie – für das Gendern aus, aber nur 12 % der Letzteres sagten im Jahr 2002 nur 29 %. jungen Männer. Bemerkenswert sind die Bei den Angehörigen beider großer Kon- Unterschiede nach sexueller Orientie- fessionen zeigen sich im Zeitverlauf sehr rung: Lediglich 10 % der Männer, die sich ähnliche Muster – allerdings auf leicht selbst als ausschließlich heterosexuell unterschiedlichem Niveau. Muslimische beschreiben, finden Gendern gut, hinge- Jugendliche hingegen sind nicht nur gen 45 % der Männer mit anderer sexuel- besonders »glaubensfest«, sie integrie- ler Orientierung. Bei den Frauen zeigen ren ihren Glauben offensichtlich auch sich ähnliche Unterschiede. Hier sind es deutlich stärker in ihren Alltag. 37 % der 28 % der Frauen, die sich als ausschließ- jungen Muslime beten ein oder mehr- lich heterosexuell bezeichnen, und sogar mals am Tag (das regelmäßige Gebet ist 55 % derjenigen mit anderer sexueller eine der fünf Säulen des Islam), weitere Orientierung, die eher oder völlig für das 26 % zumindest ein oder mehrmals in Gendern sind. der Woche. Nur eine Minderheit von 13 % betet nach eigener Auskunft nie. Glaube an Gott insbesondere bei katholischen Jugendlichen rückläufig Digitale Möglichkeiten werden stetig mehr genutzt Die Relevanz, die die Gesamtheit der 12- bis 25-Jährigen dem Gottesglauben Die digitalen Möglichkeiten werden von beimisst, hat sich im langfristigen Zeit- den Jugendlichen weiterhin vielfältig verlauf kaum verändert. Doch für junge und immer häufiger genutzt, dieser Menschen, die der römisch-katholischen Trend ist ungebrochen. An erster Stelle Kirche angehören, hat der Glaube an steht für sie Kommunikation: 95 % nutzen Gott in den letzten 20 Jahren kontinuier- mindestens einmal täglich Messenger- lich an Bedeutung verloren: 2002 gaben Dienste (2019: 94 %). Gleich danach folgt 51 % an, dass ihnen dieser wichtig sei, mit 82 % Social Media (2019: 81 %). Eben- inzwischen sind es nur noch 38 %. Bei falls hoch im Kurs steht Unterhaltung in evangelischen Jugendlichen gehen die Form von Musik runterladen und hören Veränderungen in dieselbe Richtung, al- (67 %, 2019: 55 %) oder Videos, Filme, Se- lerdings war hier der Anteil der Jugend- rien online anschauen (54 %, 2019: 48 %) lichen, denen der Glaube an Gott wichtig sowie bildungsanregende Inhalte, etwa war, schon damals deutlich kleiner (38 % die Suche nach Informationen allge- zu 35 %). Bei muslimischen Jugendlichen meiner Art (69 %, 2019: 62 %), für Schule, 22 Zusammenfassung Ausbildung oder Beruf (57 %, 2019: 46 %) Deutlich geringer fällt das Vertrauen oder zu politisch-gesellschaftlichen The- in Online-Informationskanäle aus, die men (30 %, 2019: 23 %). allerdings durchaus zugelegt haben: Informationsangebote auf YouTube (53 %, 2019: 43 %), soziale Netzwerke, wie Erstmals informiert sich eine Mehrheit zu TikTok oder Instagram (36 %, 2019: 25 %), politischen Themen – viele davon auch und Kommunikationsplattformen, wie X online (29 %, 2019: 23 %). Jugendliche im Osten bringen weiter- Mehr als die Hälfte (51 %) der Jugendli- hin klassischen Medien deutlich weniger chen geben an, sich aktiv – online oder Vertrauen entgegen als Gleichaltrige im offline – über das zu informieren, was in Westen (ARD- oder ZDF-Fernsehnach- der Politik los ist – junge Männer dabei richten: 76 % zu 84 %; überregionale etwas häufiger als junge Frauen (53 % zu Zeitungen: 70 % zu 82 %) und vertrauen 48 %). 2019 waren es mit 36 % insgesamt umgekehrt den Informationen auf On- noch deutlich weniger Jugendliche. line-Kanälen häufiger. Bei der politischen Informations- Jugendliche, die wir in einer poli- beschaffung spielen digitale Kanäle tischen Typologisierung als »gegenüber inzwischen eine sehr wichtige Rolle: Staat und Gesellschaft Verdrossene« Auf alle Jugendlichen bezogen, greifen bezeichnen, bringen den klassischen 45 % auf Online-Medien zurück (2019: Medien am wenigsten Vertrauen entge- 30 %), 35 % nutzen weiterhin auch klas- gen. Aber auch sie vertrauen ARD- oder sische Medien, 10 % sind ausschließlich ZDF-Fernsehnachrichten (59 %) und online unterwegs und 5 % informieren großen überregionalen Tageszeitungen sich ausschließlich mithilfe klassischer (57 %) immer noch mehrheitlich. Erwart- Medien. Fernsehsendungen (32 %) haben bar sind die Progressiven diejenigen, die dabei die Nase vorne, dicht gefolgt von den beiden klassischen Informations- Nachrichten-Websites, News-Portalen kanälen am stärksten vertrauen (97 % und Push-Nachrichten sowie sozialen bzw. 96 %). Netzwerken und Messenger-Apps. Junge Menschen, die sich aktiv über Politik in- formieren, nutzen dafür im Durchschnitt Fast Konsens unter Jugendlichen: mehr als drei unterschiedliche Kanäle. Fakenews und Künstliche Intelligenz Laut den vorliegenden Daten der Shell gehören in die Lehrpläne an den Schulen Jugendstudie informiert sich weniger als 1 % der Jugendlichen ausschließlich auf 90 % der Jugendlichen finden es (sehr) sozialen Netzwerken oder Messenger wichtig, dass der Umgang mit digitalen Apps. Medien und das Erkennen von Fake- news in der Schule verpflichtend unter- richtet werden. Dieser Wunsch zieht sich Großes Vertrauen in klassische Medien, durch alle Altersgruppen, West und Ost, Online-Informationskanäle holen auf alle sozialen Schichten und ist auch kei- ne Frage des Geschlechts. Junge Menschen halten Informationen Ähnlich verhält es sich mit der Aus- in den klassischen Medien in Form sage, dass der Umgang mit Künstlicher von ARD- oder ZDF-Fernsehnachrich- Intelligenz (KI) verpflichtender Inhalt ten (83 %) und große überregionale in der Schule sein soll. 60 % schließen Zeitungen (80 %) in überwiegender sich dieser Forderung an – hier sind es Mehrheit für (sehr) vertrauenswürdig. vor allem Jugendliche, die Abitur bzw. Zusammenfassung 23 Fachhochschulreife haben bzw. anstre- beschreiben sich als nicht ausschließlich ben (66 %). heterosexuell, verorten sich aber nur jeweils zu 1 % als ausschließlich homo- sexuell. Deutlich größer ist der Anteil Nur wenige Jugendliche haben eine junger Menschen zwischen den beiden negative Gesamteinschätzung zu KI – Polen »ausschließlich heterosexuell« Wunsch nach Kennzeichnungspflicht und »ausschließlich homosexuell«. dennoch weit verbreitet Unter jungen Menschen nimmt die Akzeptanz von schwulen und lesbischen Fast die Hälfte der Jugendlichen (47 %) Lebensweisen weiter zu, und dennoch steht dem Einsatz von Künstlicher Intel- scheint es nach wie vor eine Herausfor- ligenz (KI) (sehr) positiv gegenüber. Vor derung zu sein, von der heterosexuellen allem junge Männer befürworten diese Normvorstellung abzuweichen. Junge neue Technologie (junge Männer: 55 %; Menschen, die sich nicht als ausschließ- junge Frauen: 39 %). Teil dieses grund- lich heterosexuell identifizieren, emp- sätzlich positiven Bildes ist, dass eine finden die Beziehung zu ihren Eltern breite Mehrheit der Jugendlichen davon häufiger als schwierig, sind weniger zu- ausgeht, dass KI den Alltag vereinfachen frieden mit ihrem Freundeskreis, fühlen kann (69 %) und die Welt in vielen Berei- sich psychosozial stärker belastet und chen, zum Beispiel Medizin, Verkehr und wünschen sich seltener eigene Kinder Bildung, besser machen wird (60 %). als ausschließlich heterosexuell orien- Zugleich sehen die Jugendlichen aber tierte Jugendliche. auch Risiken beim Einsatz von KI. Fast zwei Drittel (65 %) befürchten, dass KI aufgrund eines fehlenden Einfühlungs- Besondere Bedeutung von vermögens unmenschliche Entschei- Freundschaften dungen treffen kann, und immerhin 45 % erwarten mehr Arbeitslosigkeit aufgrund Gefragt, was für ihr Leben wirklich des Einsatzes von KI. Ein knappes Drit- wichtig ist, nennen Jugendliche »gute tel (31 %) gibt außerdem an, beim Thema Freunde, die einen anerkennen und KI überfordert zu sein. akzeptieren« in allen Befragungen der Viele Jugendliche sehen also im letzten gut 20 Jahre an erster Stelle. Die Einsatz von KI Chancen und Risiken meisten Jugendlichen sind dabei ziem- zugleich. Es verwundert deshalb nicht, lich zufrieden mit ihrem Freundeskreis. dass sich eine breite Mehrheit (77 %) Allerdings stimmt es bedenklich, dass dafür ausspricht, KI immer dann zu sozioökonomisch Benachteiligte deutlich kennzeichnen, sobald diese zum Einsatz seltener zufrieden sind: 34 % der Jugend- kommt. lichen aus der unteren Schicht, aber 56 % derjenigen aus der oberen Schicht sind mit ihrem Freundeskreis sehr zufrieden. Sexuelle Orientierung In der aktuellen Studie bilden wir erst- Feste Partnerschaften mals die Vielfalt von Geschlechtsidenti- täten und sexuellen Orientierungen Ju- Mädchen und junge Frauen gehen meist gendlicher differenziert ab. Weniger als etwas früher eine feste Beziehung ein 1 % ordnen sich weder dem männlichen als junge Männer, auch deshalb sind noch dem weiblichen Geschlecht zu. 7 % unter den 12- bis 25-Jährigen mehr der jungen Männer und 18 % der Frauen weibliche als männliche Jugendliche in 24 Zusammenfassung einer festen Partnerschaft (37 % zu 30 %). Zunehmender Wunsch nach Der Geschlechterunterschied, der auch partnerschaftlicher Aufteilung der in früheren Erhebungen zu beobachten Erwerbsarbeit war, verringert sich allerdings zuneh- mend. Wenn in Familien mit kleinen Kindern ein Elternteil in Teilzeit arbeitet, ist es in aller Regel die Mutter. Die aktuelle Stu- Kinderwunsch seit 20 Jahren stabil, die zeigt aber, dass sich junge Männer West und Ost nähern sich an zunehmend wünschen, in Teilzeit arbei- ten zu können, wenn sie Kinder haben. Nur eine kleine Minderheit der befrag- 2019 haben wir die Jugendlichen erst- ten Jugendlichen hat bereits selbst Kin- mals gefragt, wie sie sich die Aufteilung der, von allen anderen möchten mehr als der Erwerbsarbeit in einer Partnerschaft zwei Drittel später Kinder haben (71 % mit einem zweijährigen Kind wünschen. der Frauen und 66 % der Männer). Seitdem haben sich die Vorstellungen In allen vergangenen Befragungs- von der idealen väterlichen Arbeitszeit jahren war der Kinderwunsch im Osten hin zu einer partnerschaftlichen Auftei- stärker ausgeprägt als im Westen, die lung der Erwerbsarbeit verschoben: Eine Unterschiede verringerten sich im Zeit- 30-Stunden-Woche des Vaters finden verlauf. Inzwischen sagen Jugendliche viele inzwischen attraktiver als eine im Westen sogar etwas häufiger, dass Erwerbstätigkeit in Vollzeit – darin sind sie einmal Kinder haben möchten: 2002 sich junge Männer und Frauen einig. sprachen sich 64 % im Westen und 75 % Auch die Auffassung, dass eine Mutter im Osten für Kinder aus, inzwischen mit einem Kleinkind 30 Stunden pro sind es 69 % im Westen und 65 % im Woche oder mehr arbeiten sollte, findet Osten. bei beiden Geschlechtern immer mehr Zustimmung. Knapp die Hälfte der Jugendlichen Was spricht gegen Kinder? (49 %) wünscht sich jedoch nach wie vor eine eher traditionelle Aufteilung der Bei beiden Geschlechtern ist es vor al- Erwerbsarbeit mit dem Mann als Allein- lem der Wunsch nach einem freien und oder Hauptversorger. Alles in allem sind ungebundenen Leben, der einem Kin- sich beide Geschlechter recht einig, was derwunsch entgegensteht. Sowohl junge die Aufteilung der Erwerbstätigkeit an- Männer als auch Frauen teilen zudem geht, Frauen wünschen sich allerdings die Befürchtung, sich Kinder finanziell häufiger ein eher gleichwertiges Modell. nicht leisten zu können. Die schlechte Mehr als 30 Jahre nach der Wieder- Vereinbarkeit von Kindern und Karriere vereinigung sind immer noch unter- sowie die Vorstellung einer Welt voller schiedliche Rollenbilder in Ost und West Krisen ist hingegen häufiger für junge sichtbar, auch wenn selbst die ältesten Frauen ein Grund, der dagegen spricht, der von uns befragten Jugendlichen fast eigene Kinder zu bekommen. zehn Jahre nach der Wende geboren wurden. Familienleitbilder und Ver- haltensmuster werden offenbar an die nächste Generation weitergegeben: Im Westen favorisieren 52 % der Jugend- lichen das Modell eines männlichen Allein- oder Hauptversorgers, im Osten lediglich 32 %. Zusammenfassung 25 Die meisten Jugendlichen wohnen (noch) Mehr als die Hälfte hat die Pandemie bei ihren Eltern offenbar hinter sich gelassen Von allen 12- bis 25-Jährigen leben 71 % Die Corona-Pandemie hat das Freizeit- bei ihren Eltern oder einem Elternteil, verhalten der jungen Menschen nicht 12 % allein und 11 % mit Partner oder grundlegend verändert: Der langfristige Partnerin, 6 % wohnen in einer Wohn- Trend zu mehr digitalen Beschäfti- gemeinschaft. Studierende leben heute gungen setzt sich fort, bei Geselligkeit, deutlich häufiger bei den Eltern (47 %) Ausgehen und Sport haben sich in den als 2002 (31 %). letzten fünf Jahren keine dramatischen Eine feste Beziehung scheint die Veränderungen ergeben. Ablösung vom Elternhaus zu fördern: Wir haben die Jugendlichen auch di- Von den 22- bis 25-Jährigen wohnen rekt nach Nachwehen der Pandemiezeit 48 % derjenigen mit fester Beziehung gefragt, 55 % spüren keine der abgefrag- mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin ten Langzeitfolgen. 17 % aber sagen, dass zusammen und nur 22 % bei ihren El- sie noch heute viel mehr Zeit online mit tern. Von den Gleichaltrigen ohne feste Freunden und Bekannten verbringen Partnerschaft leben hingegen 48 % bei als zuvor. Einige haben durch die Kon- den Eltern. taktbeschränkungen Freundschaften Aus welchen Gründen wohnen Ju- oder gute Bekannte verloren (14 %) oder gendliche, die die Schule bereits ver- sich mit Menschen zerstritten, die ihnen lassen haben, bei ihren Eltern? Trotz wichtig waren (8 %). 15 % sprechen von steigender Mietpreise sagen heute nicht nachhaltig beeinträchtigten Bildungs- mehr junge Menschen als noch im Jahr und Berufsplanungen. 6 % leiden da- 2010, dass sie sich eine eigene Wohnung runter, dass eine ihnen nahestehende nehmen würden, wenn sie sich diese Person in der Pandemie verstorben finanziell leisten könnten. Allerdings ist. Einige wenige berichten, dass sie nimmt der Anteil derer zu, die meinen, aufgrund der Pandemie Ängste vor Er- dass dies für die Familie am bequemsten krankungen entwickelt haben oder noch ist, und es wird häufiger angegeben, dass heute gesundheitlich im Alltag einge- man ausziehen möchte, aber die Eltern schränkt sind. Einsamkeit ist – vor allem dagegen sind. für junge Frauen – ein größeres Thema als noch vor fünf Jahren. Eltern als Erziehungsvorbilder Jugendliche blicken trotz Krisen Das Verhältnis Jugendlicher zu ihren optimistisch in die Zukunft Eltern hat sich in den letzten Jahrzehn- ten stetig verbessert, vermutlich auch Trotz vielfältiger gesellschaftlicher Kri- dank eines Erziehungsstils, der mehr auf sen blicken mit 56 % so viele Jugendliche Autonomie als auf Autorität setzt. Ein wie noch nie seit 2002 zuversichtlich auf Vergleich mit den Ergebnissen der Shell die Zukunft der Gesellschaft. Gerade in Jugendstudie von vor 40 Jahren macht schwierigen Zeiten schätzen junge Men- die Veränderung deutlich: Im Jahr 1985 schen offensichtlich besonders, wie gut sahen 53 % aller 15- bis 24-Jährigen im es ihnen in Deutschland im Vergleich zu Westen Deutschlands ihre Eltern als Er- anderen Regionen der Welt geht. ziehungsvorbild, inzwischen sind es 78 %. Anders sieht es bei der Zuversicht in die eigene Zukunft aus. Hier ist der An- teil der Jugendlichen, der optimistisch in 26 Zusammenfassung die eigene Zukunft schaut, seit 2019 von Ein guter Schulabschluss ist weiter- 58 % auf 52 % deutlich gesunken. Der seit hin die beste Versicherung gegen Ar- 2006 zu beobachtende Trend einer im- beitslosigkeit im Jugendalter. Von denje- mer größeren persönlichen Zuversicht nigen ohne Schulabschluss sind fast ein unter Jugendlichen ist damit gebrochen. Drittel (32 %) arbeitslos. Der Zugang zum Der aktuelle Wert liegt sogar nur knapp Arbeitsmarkt ist ohne Schulabschluss über dem Tiefstwert von 2006 (52 % zu selbst in den aktuellen Zeiten des Fach- 50 %). kräftemangels erheblich erschwert. Allerdings fällt auf, dass der Optimis- Die Zahl derjenigen, die Probleme mus bei Jugendlichen aus der unteren in ihrer Bildungslaufbahn haben, sinkt Schicht erneut zugelegt hat. Aktuell jedoch. Bereits erlebte Brüche wie in blicken 47 % der Jugendlichen aus ein- der Schule das Sitzenbleiben (13 %) facheren sozialen Verhältnissen zuver- oder nach der Schule das Fehlen des sichtlich in die eigene Zukunft. Gegen- erforderlichen Schulabschlusses für den über 2019 (45 %) und vor allem 2015 und Wunschberuf (18 %) betreffen nur einen 2010 (je 32 %) ist dies ein beachtlicher kleinen Teil der Jugendlichen. Dabei ist Anstieg. Im Gegensatz dazu ist der Opti- das je nach sozialer Herkunft stark un- mismus bei Jugendlichen aus der oberen terschiedlich. So berichtet fast die Hälfte Schicht von 76 % im Jahr 2015 auf aktuell (47 %) der Jugendlichen aus der unteren 55 % stark zurückgegangen. Schicht, in ihrer Bildungslaufbahn einen Bruch erlebt zu haben. Aus der oberen Schicht sagt das nur ein Zehntel (10 %). Soziale Herkunft ist entscheidend Der Blick auf die nahe Zukunft wird für die Bildung – Bildung für die ebenfalls positiver: Nur eine kleine Min- Zukunftschancen derheit erwartet Probleme im weiteren Bildungs- und Ausbildungsverlauf. Unter Im Bereich Bildung setzen sich die den Jugendlichen, die noch zur Schule großen Linien fort. Insbesondere das gehen, sind sich mehr als neun von zehn Gymnasium ist weiter auf dem Weg zur (92 %) junge Menschen (sehr) sicher, Mehrheitsschule, und die Bedeutung der ihren Wunschabschluss zu erreichen. Hauptschule nimmt weiter ab. Aktuell Ebenso viele Auszubildende sind sich besuchen 48 % der Jugendlichen im Alter (sehr) sicher, nach der Ausbildung über- von 12 bis 25 Jahren ein Gymnasium, nommen zu werden. Unter Studierenden 2002 waren es noch 41 %. Besonders (95 %) ist die Zuversicht (sehr) hoch, in- abgenommen hat die Bedeutung der nerhalb eines Jahres eine dem Studien- Hauptschule. Aktuell besuchen gerade abschluss angemessene Arbeit zu finden. einmal 5 % diese Schulform – 2002 waren Auch bei diesen nur selten erwarteten es noch mehr als ein Fünftel (21 %). Brüchen sind es vor allem Jugendliche Der Bildungserfolg unterscheidet sich aus der unteren Schicht (16 %), die hier immer noch nach Geschlecht und vor al- deutlich häufiger vor Schwierigkeiten lem nach sozialer Herkunft: Junge Frau- stehen. Bei Jugendlichen aus der oberen en (51 %) sind häufiger am Gymnasium Schicht (2 %) kommen hier Zweifel fast anzutreffen als junge Männer (46 %), nie vor. und etwas mehr als ein Viertel (27 %) der Jugendlichen, deren Eltern höchstens einen einfachen Schulabschluss haben, erreichen oder streben das Abitur an. Hat mindestens ein Elternteil selbst Abi- tur, sind es 80 %. Zusammenfassung 27 Die Bildungsmobilität geht vor allem in zusammen mit dem Ergebnis aus 2019 eine Richtung – nach oben ein Spitzenwert seit 2002. Trotz dieser guten Ausgangslage, die Als Bildungsmobilität wird der Prozess die gute Chancensituation am Arbeits- bezeichnet, wenn Jugendliche im Bil- markt widerspiegelt, dominiert bei den dungssystem höhere (oder niedrigere) Erwartungen an die Berufstätigkeit das Abschlüsse erreichen oder anstreben, Bedürfnis nach Sicherheit. Für 91 % der als ihre Eltern erreicht haben. Und da Jugendlichen ist ein sicherer Arbeits- geht in Deutschland die Mobilität vor platz (sehr) wichtig. Ein Arbeitsplatz, für allem in eine Richtung – nach oben. den Jugendliche nicht umziehen müssen Mehr als ein Viertel (28 %) der Ju- oder der ihnen die Möglichkeit bietet, gendlichen kann 2024 von einem erwar- sich um andere zu kümmern, ist dagegen teten oder verwirklichten Bildungsauf- deutlich seltener wichtig (je 52 %). stieg berichten. Einen Bildungsabstieg Im Vergleich zu 2019 stehen bei verzeichnen dagegen nicht einmal halb Jugendlichen vor allem ein hohes Ein- so viele (13 %). Unter der Mehrheit der kommen (83 % zu 76 %) und gute Auf- Jugendlichen (59 %), die keine Bildungs- stiegsmöglichkeiten (80 % zu 74 %) höher mobilität aufweisen, befinden sich viele, im Kurs. Ebenso hat der Wunsch, von zu die wie ihre Eltern das Abitur anstreben Hause aus arbeiten zu können, deutlich oder bereits gemacht haben. zugenommen (69 % zu 61 %). Wir haben die Erwartungen an die Berufstätigkeit und die Gestaltung der Die Bildungserfahrungen sind Berufstätigkeit kategorisiert. Mit dieser richtungsweisend für das weitere Leben Methode ergeben sich fünf Dimensio- nen: Die bereits erlebten Bildungsbrüche Beim materiellen Nutzen stehen ein und die Bildungsmobilität lassen sich hohes Einkommen und gute Aufstieg- als Bildungserfahrungen kombinieren. schancen an erster Stelle. Damit geht Unter den sechs Gruppen, die wir auf auch die Bereitschaft zu hohem Einsatz diese Weise kategorisiert haben, sticht einher, wenn sich dieser finanziell lohnt. besonders die Gruppe der Jugendlichen Bei der persönlichen Erfüllung geht es hervor, die zwar einen Bildungsaufstieg darum, etwas Sinnvolles zu tun, eigene erreicht hat oder anstrebt, dabei aber Ideen umsetzen zu können und dafür Bildungsbrüche erlebt hat. Sie blicken anerkannt zu werden. Die Arbeitsplatz- trotz ihres erreichten oder angestrebten sicherheit darf dabei auch nicht zu kurz Bildungsaufstiegs beinahe ebenso selten kommen. optimistisch in die eigene Zukunft (39 %) Der soziale Nutzen einer Berufstätig- wie Jugendliche, die einen Bildungs- keit zeigt sich für junge Menschen vor abstieg und Bildungsbrüche zu verzeich- allem in der Möglichkeit, etwas Gutes nen haben (38 %). für die Gesellschaft und die Mitmen- schen tun zu können. Dabei werden vie- le Kontakte zu anderen Menschen in der Im Berufsleben dominieren Zuversicht Berufstätigkeit gesucht. und Streben nach Sicherheit – Bei der Dimension Vereinbarkeit materieller Nutzen wird wichtiger von Arbeit und Privatleben geht es den Jugendlichen beispielsweise um den Mehr als vier Fünftel der Jugendlichen Wunsch, von zu Hause arbeiten zu kön- (84 %) sind zuversichtlich, ihre berufli- nen. Hierzu gehört das häufig geäußerte chen Wünsche verwirklichen zu können, Bedürfnis, als Mutter oder Vater mit ei- 28 Zusammenfassung genen Kindern in Teilzeit arbeiten sowie erfahrung berichten Bodenständige die Arbeitszeit kurzfristig an die eigenen (45 %) häufiger über Negatives. Bei der Bedürfnisse anpassen zu können. gewünschten Aufteilung von Erwerbs- Bei der Dimension der Planbarkeit tätigkeit und Kinderbetreuung, wenn der eigenen Berufstätigkeit rücken die einmal kleine Kinder da sind, zeigt sich, Jugendlichen nicht eine biografische, dass sich die jungen bodenständigen sondern eine unmittelbare lebensweltli- Männer mehrheitlich (55 %) vorstellen, che Perspektive in den Mittelpunkt. Eine vorrangig erwerbstätig zu sein. Ein er- Arbeitszeit mit klar festgelegtem Beginn heblicher Teil (40 %) wünscht sich eine und Ende sowie der Wunsch, für den Job möglichst gleichberechtigte Aufteilung nicht die angestammte Heimat verlassen der Arbeitszeit, die jungen Frauen in zu müssen, sind Ausdruck einer solchen dieser Gruppe sogar mehrheitlich (60 %). Erwartungshaltung an die (künftige) Er- Nicht einmal ein Drittel (29 %) favorisiert werbstätigkeit. ein männliches Versorgermodell. Das Geschlecht hat bei fast allen Ein Viertel (25 %) der Jugendlichen ist Dimensionen die größte Erklärungs- in beruflichen Aspekten idealistisch ori- kraft. Männlichen Jugendlichen ist der entiert. Dass der Beruf ihnen Erfüllung materielle Nutzen in ihrem Beruf wich- ermöglicht und sie sich bei ihrer Arbeit tiger als den weiblichen. Jungen Frauen für andere einsetzen können, also einen sind vor allem sozialer Nutzen und sozialen Nutzen in ihrer Arbeit sehen, eine hohe Vereinbarkeit von Arbeit und ist ihnen ein großes Anliegen. Für sie ist Privatleben wichtig. Mit Blick auf die ihr Beruf also deutlich eher Berufung Erwartung einer persönlichen Erfüllung als Broterwerb. Junge Frauen (60 %) ge- unterscheiden sich junge Frauen und hen sehr viel häufiger als junge Männer Männer nicht. Das heißt: Unabhängig idealistisch an ihren künftigen Beruf vom Geschlecht streben die meisten heran. Auch ist der Anteil an Jugend- Jugendlichen nach einem erfüllenden lichen mit abgeschlossenem oder ange- Berufsleben, das unter anderem in einer strebtem Abitur (69 %) deutlich höher hohen Anerkennung durch andere gese- als in den anderen Gruppen, ebenso hen wird. der an deutschen Jugendlichen ohne Auf Basis dieser fünf Dimensionen Migrationshintergrund (71 %). Bezogen lassen sich vier unterschiedliche Erwar- auf ihre Bildungserfahrung berichten tungsprofile an Beruf und Berufstätig- Idealisten (25 %) besonders selten über keit beschreiben: Negatives. Beim gewünschten Modell Ein knappes Viertel (24 %) der Ju- der Aufteilung der Erwerbstätigkeit ist gendlichen hat eine sehr bodenständige das männliche Versorgermodell nicht Haltung zum Berufsleben. Bei diesem mehr mehrheitsfähig. Die jungen Män- Typ junger Menschen dominieren eine ner in dieser Gruppe (43 %) finden die nutzenorientierte Perspektive auf das Vorstellung, dass sie als Väter haupt- Arbeitsleben; auch Planbarkeit ist für sie sächlich für die finanzielle Versorgung wichtig. zuständig sein sollen, sogar noch sel- Junge Männer sind in dieser Grup- tener attraktiv als die jungen Frauen pe in der Mehrheit (57 %). Jugendliche (47 %). aus der unteren Schicht (11 %) sowie Ein gutes Drittel der Jugendlichen Jugendliche mit einfachem (12 %) oder (34 %) möchte im Beruf vor allem durch- mittlerem Schulabschluss (40 %) und starten. Für sie ist es zentral, dass der solche ohne deutsche Staatsangehörig- Beruf ihnen Erfüllung ermöglicht und keit (27 %) sind überproportional häufig zugleich gute Karriereperspektiven so- vertreten. Bezogen auf ihre Bildungs- wie entsprechende materielle Benefits Zusammenfassung 29 bietet. Da sie neben der Arbeit noch wei- Der qualitative Teil – Jugendliche sind tere Interessen haben, ist für sie zudem des eigenen Glückes Schmied in Zeiten eine gute Vereinbarkeit zwischen Arbeit vieler gesellschaftlicher Krisen und weiteren Lebensinhalten wichtig. Männliche Jugendliche möchten etwas Im qualitativen Teil der Shell Jugend- öfter als junge Frauen durchstarten studie haben wir den Jugendlichen die (52 % zu 48 %). Ebenfalls sind Jugendli- Gelegenheit gegeben, sich ausführlich che mit Abitur (62 %) überrepräsentiert. zu äußern. Im ersten Teil der Gesprä- Bezüglich sozialer Herkunft und Migra- che legten die Jugendlichen dar, was tionsstatus gibt es bis auf einen leichten ihnen aktuell in den vier Themenfeldern Mittelschichtsbias keine Auffälligkeiten. Freizeit und Freunde, Liebe und Part- Bezogen auf ihre Bildungserfahrung be- nerschaft, (Aus-)Bildung und Karriere richten Durchstartende (32 %) als einzige sowie Eltern wichtig ist. Die jungen Gruppe häufiger über Bildungsaufstiege Menschen sollten zudem ihre Ziele in ohne Brüche. Beim gewünschten Modell diesen Lebensbereichen mit einem Zei- der Aufteilung der Erwerbstätigkeit be- thorizont von fünf Jahren in den Blick fürworten in dieser Gruppe die jungen nehmen, um einzuschätzen, was für sie Männer (60 %) das Versorgermodell häu- hinderlich bzw. förderlich sein würde, figer als die jungen Frauen (50 %). um ihre Ziele zu erreichen. Ein gutes Sechstel (17 %) der Jugend- Bei den Hemmnissen und Katalysa- lichen fühlt sich von wesentlichen As- toren betont die große Mehrheit der pekten des Berufslebens nicht wirklich Jugendlichen vor allem eine hohe Eigen- angesprochen. Wir bezeichnen sie als verantwortung für das Gelingen ihres distanziert. Nutzen, Erfüllung, Verein- Lebens: Der Großteil der Jugendlichen barkeit des Berufslebens mit weiteren baut auch in Zeiten gesellschaftlicher Lebensinhalten und der soziale Nutzen Krisen weiterhin auf eigene Ressourcen sind für sie weniger von Bedeutung. und eine große Unterstützung aus dem Junge Frauen sind hier etwas häufiger persönlichen Nahbereich, um ihre Ziel- als junge Männer anzutreffen (59 % vorstellungen trotz möglicher Widrigkei- zu 41 %), ebenso Jugendliche aus der ten umzusetzen. unteren Schicht (18 %) und deutsche Im zweiten Teil der qualitativen Jugendliche ohne Migrationshintergrund Interviews thematisierten wir mit den (65 %). Distanzierte berichten häufiger Jugendlichen die aktuellen Krisen: Die über negative Bildungserfahrungen Corona-Pandemie, Klima- und Um- (40 %). Bei der gewünschten Aufteilung weltkrise, die Kriege in der Ukraine der Erwerbstätigkeit findet unter den und im Nahen Osten sowie die Inflation distanzierten Männern die Vorstellung, wurden von uns vorgegeben, die jungen für das Familieneinkommen sorgen zu Menschen konnten sich zudem zu einer müssen, keine Mehrheit (47 %) – im Ge- fünften »Krise ihrer Wahl« äußern. Im gensatz dazu möchte etwas mehr als die Mittelpunkt stand dabei, was sie – egal Hälfte der distanzierten Frauen (53 %) ob positiv, neutral oder negativ – aus der eben genau dies. jeweiligen Krise gelernt bzw. für das Le- ben mitgenommen haben. Bei den vier Krisen ergeben sich aus den Ausführungen der Jugendlichen je eigene Profile, die gewisse Gegensätze abbilden. Die Corona-Pandemie ist aus Sicht vieler Jugendlicher eine Krise der Ver- 30 Zusammenfassung gangenheit. Für etliche Jugendliche ist machen können. Viele von ihnen sorgen sie trotz aller negativen Aspekte – von sich, wie der Alltag langfristig finanziert den Toten und schwer Erkrankten, trotz werden kann. Auf gesellschaftlicher der (eigenen) psychischen Belastungen, Ebene befürchten etliche Jugendliche der Bildungseinbußen und Lernrück- angesichts empfundener steigender Ar- stände – eine beispielhafte Erfahrung, mut und sinkender Lebensqualität vor wie eine Gesellschaft plötzliche Krisen- allem eine sich vertiefende gesellschaft- situationen bewältigen kann. Etliche liche Spaltung. Für sich persönlich kön- sehen es positiv, dass die Digitalisierung nen einige von ihnen immerhin positiv einen Sprung nach vorne machte. Bei mitnehmen, dass sich ihr Blick auf die dieser Krise dominiert der Blick in eigenen Finanzen geschärft hat. Andere den Rückspiegel, und die Jugendlichen sagen, dass sie inzwischen bewusster sprechen offen und umfassend über die konsumieren. Auswirkungen sowohl für ihr eigenes Zu den Kriegen in der Ukraine und im Leben, ihren sozialen Nahbereich und Nahen Osten äußern sich viele Jugend- die Gesellschaft. liche eher auf einer gesellschaftlichen Für die Umwelt- und Klimakrise gel- Ebene. Das durch die Kriege ausgelös- ten in gleichem Maße diese allumfas- te Leid und die großen Zerstörungen senden Auswirkungen auf die sozialen wühlen die Jugendlichen emotional Bezüge. Anders als bei der Corona-Krise auf. Viele empfinden starkes Mitgefühl, gilt für die Umwelt- und Klimakrise, wenn sie sich beispielsweise in die Lage dass die Jugendlichen wissen oder Gleichaltriger in Kriegsgebieten ver- ahnen, dass sich ihre bedrohlichen setzen. Einige Jugendliche befürchten Folgen, wie etwa die Erderwärmung, eine grundsätzliche Destabilisierung der erst in Zukunft mehr und mehr auf ihr globalen Ordnung und eine zunehmende Leben auswirken werden. Zusammen gesellschaftliche Spaltung bei der Frage, mit der empfundenen ungenügenden welche Kriegsparteien in welchem Um- gesellschaftlichen Reaktion auf die Um- fang zu unterstützen sind. Positiv bewer- weltprobleme und einer zunehmenden ten einige Jugendliche den Einsatz für Uneinigkeit in der Gesellschaft, ob und Geflüchtete, mehr internationale Zusam- mit welchen Mitteln dieser Krise Einhalt menarbeit und mehr Aufmerksamkeit zu gebieten ist, überwiegen für viele die für die Kriegsgebiete. negativen Aspekte deutlich. Hoffnung Bei der fünften Krise, die die Jugend- bieten für einige Jugendliche Ansätze lichen zusätzlich von sich aus in den zur Verhaltensänderung im Kleinen und Blick nahmen, machten sie vor allem Großen, dass die Auseinandersetzung ebenfalls akute Inhalte zum Thema. mit dem Thema zugenommen hat und Mehrere von ihnen sprachen über den dass in Technik und Innovation die Lö- Aufstieg der Rechtspopulisten (nicht sung für diese Krise liegen kann. nur) in Deutschland als besorgniserre- Inflation und die Kriege in der gende Entwicklung. Ukraine sowie im Nahen Osten liegen – Die vielfältigen Äußerungen zu ver- anders als die zuvor behandelten Kri- schiedenen Krisen zeigen auf, dass sich sen – auf der zeitlichen Achse im Hier ein Großteil der Jugendlichen differen- und Jetzt der jungen Leute. Vor allem die ziert mit deren Konsequenzen ausein- Inflation kommt direkt in ihrem Leben andersetzt. Die Folgen für das eigene an. Alle Jugendlichen haben unmittel- Leben spüren sie, aber viele von ihnen bare – wenn auch unterschiedliche – scheinen davon nicht grundlegend ent- Preisanker vor Augen, an denen sie die mutigt. Die Ressourcen, die sie in sich steigenden Lebenshaltungskosten fest- selbst und in ihrem sozialen Nahbereich Zusammenfassung 31 finden, geben vielen von ihnen Zuver- zu ihrer Lebenssituation und ihren Ein- sicht, ihre Zukunft meistern zu können. stellungen und Orientierungen persön- lich befragt wurden. Die Erhebung fand auf Grundlage eines standardisierten Methodik Fragebogens im Zeitraum Januar bis Ende März 2024 statt. Im Rahmen der Die 19. Shell Jugendstudie 2024 basiert qualitativen Studie wurden rund zwei- auf einer Stichprobe von 2.509 Jugend- stündige vertiefende leitfadengestützte lichen im Alter von 12 bis 25 Jahren, die Gespräche mit 20 Jugendlichen dieser von Interviewerinnen und Interviewern Altersgruppe durchgeführt. 32 Zusammenfassung

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