KiTa Fachtexte: Kindliche Interessen beobachten und fördern PDF
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This document discusses observing and fostering children's interests in early childhood settings. It explores the theoretical foundations of interest theory and presents research findings on the topic. Case studies illustrate different categories of children's interests and methods for effective observation and support within childcare environments.
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Kindliche Interessen beobachten und fördern von Michael Lichtblau KiTa Fachtexte ist eine Kooperation Grundlagen Corporate Design WiFF – Weiterbildungsinitiative...
Kindliche Interessen beobachten und fördern von Michael Lichtblau KiTa Fachtexte ist eine Kooperation Grundlagen Corporate Design WiFF – Weiterbildungsinitiative der Alice Salomon Hochschule, Das Logo Frühpädagogische Fachkräfte der FRÖBEL-Gruppe und der Weiterbildungsinitiative Das Zeichen Das Logo der Weiterbildungsinitia- Frühpädagogische Fachkräfte tive Frühpädagogische Fachkräfte soll ausschließlich in der anbei (WiFF). Die drei Partner setzen sich abgebildeten Originalform und -farbigkeit verwendet werden. Es darf nicht verzerrt und nicht in für die weitere Professionalisierung seiner Farbigkeit verändert werden. Bitte benutzen Sie die dazu zur in der frühpädagogischen Verfügung gestellten digitalen Druckvorlagen. Hochschulausbildung ein. Größen (Breite (in %) in mm) Briefbogen Briefbogen 38 mm 25 % BroschüreDIN Broschüre DINA4 A4 43 mm 30 % FlyerDIN Flyer DINlang lang 38 mm 23 % Mindestabstände Kindliche Interessen beobachten und fördern von Michael Lichtblau ABSTRACT Der Fachtext setzt sich mit der kindlichen Interessentwicklung auseinander und beleuchtet deren Beobachtung und Förderung in Kindertagesstätten. Individuel- le Interessen sind eine bedeutsame kindliche Ressource und ein hervorragender Ansatzpunkt für die Entwicklung von individuellen, wie auch gruppenbezoge- nen Förderangeboten. Schon sehr früh in der kindlichen Entwicklung entstehen Vorlieben für bestimmte Gegenstände und thematische Bereiche, aus denen im weiteren Entwicklungsverlauf spezifische individuelle Interessen entstehen kön- nen. Diese strukturieren die Kind-Umwelt-Interaktion und steuern selektive Aufmerksamkeitsprozesse des Kindes, das bewusst die Auseinandersetzung mit Objekten, Handlungen und Themen des Interessengebietes sucht. Forschungser- gebnisse belegen, dass unter lernpsychologischer Perspektive interessenbasierte Lernprozesse besonders effektiv und nachhaltig sind. Die gezielte Wahrnehmung kindlicher Interessen in pädagogischen Kontexten besitzt daher eine hohe Be- deutung. Der folgende Fachtext führt in die Grundlagen der Interessentheorie ein und stellt Kernergebnisse der empirischen Interessenforschung vor. Fallbei- spiele unterstützen dieses Vorgehen und veranschaulichen unterschiedliche Ka- tegorien kindlicher Interessen sowie Möglichkeiten der erfolgreichen Beobach- tung und Förderung in Kindertagesstätten. GLIEDERUNG DES 1. Einleitung TEXTES 2. Einführung in interessentheoretische Grundlagen 2.1 Person-Gegenstands-Theorie des Interesses 2.2 Inhaltliche Orientierung kindlicher Interessen 3. Ergebnisse der Interessenforschung 4. Beobachtung und Förderung kindlicher Interessen 5. Zusammenfassung 6. Fragen und weiterführende Informationen 6.1 Aufgaben zur Bearbeitung des Textes 6.2 Literaturverzeichnis und Empfehlungen zum Weiterlesen 6.3 Glossar –2– INFORMATIONEN ZUM Dr. Michael Lichtblau (Dipl.-Psych.) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der AUTOR Leibniz Universität Hannover im Institut für Sonderpädagogik und Lehrbeauf- tragter an der Europa-Universität Flensburg im Masterstudiengang „Leitung frühkindlicher Einrichtungen“. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Berei- chen „Inklusion in Kita und Schule“, „Kindliche Interessenentwicklung“, „In- klusive Förderdiagnostik“ und „Transitionen im Bildungssystem“. Er ist Sprecher des Forschungsnetzwerkes Frühkindliche Bildung und Entwicklung der Leibniz Universität Hannover und nebenberuflich in Ausbildung zum Kinder- und Ju- gendlichenpsychotherapeut für Verhaltenstherapie. –3– Kindliche Interessen beobachten und fördern von Michael Lichtblau 1. Einleitung Begriffsbestimmung: Im Verlauf der kindlichen Entwicklung im Vorschulalter ist die Aufmerksamkeit Interesse der Kinder immer dauerhafter auf bestimmte Ausschnitte der Umwelt und da- mit verbundene Handlungen bezogen. Interessen z.B. für technische Gegenstän- de oder Tiere, für Sport oder Musik entstehen und beeinflussen die Aneignung von Welt. Definitorisch gefasst, wird Interesse als persönlich besonders bedeu- tungsvolle und daher häufig aktualisierte Beziehung einer Person zu einem Ge- genstand (Objekt/Thema/Handlung) verstanden. Eine interessenspezifische Per- son-Gegenstands-Beziehung ist emotional positiv besetzt und wird durch das Kind selbstbestimmt über einen längeren Zeitraum verfolgt und ausdifferenziert. Sie motiviert und organisiert die Suchbewegungen des Kindes und verändert, entwickelt und erweitert sich analog zu den kognitiven, sozialen und emotiona- len Kompetenzen. Langfristiges und komplexes Interesse beeinflusst die Persön- lichkeitsentwicklung des Kindes und wird begrifflich als individuelles Interesse gekennzeichnet. Der sozialen Umwelt kommt im Kontext der kindlichen Inter- essenentwicklung eine entscheidende Rolle zu, denn Interessen entstehen, aktu- alisieren und erweitern sich immer eingebettet in soziale Systeme. Anregung zum Nachdenken Welche konkreten Erfahrungen haben Sie bisher in pädagogischen Einrichtungen im Kontext der Entstehung und Entwicklung kindlicher Interessen gesammelt? Gibt es konkrete Beispiele für Interessen oder besonders intensive oder außergewöhnliche In- teressen, die Ihnen aufgefallen sind? 2. Einführung in interessentheoretische Grundlagen 2. Person-Gegenstandstheorie des Interesses Person-Gegenstands Unter (früh-)pädagogischer Perspektive nimmt die Person-Gegenstands-Theorie theorie des Interesses des Interesses (vgl. Krapp 2010) eine zentrale Rolle in der theoretischen Ausein- andersetzung mit kindlichen Interessen ein. Diese Theorie fokussiert die Entste- hung, Veränderung und Entwicklung von Interessen, betont die Relation zwi- schen Person und Gegenstand, das situative Geschehen und den Prozesscharakter von Interessen. Interesse wird in dieser Konzeption als Vorliebe oder Neigung für bestimmte Tätigkeiten, Themen oder Objekte verstanden. Die Auseinander- setzung mit dem Interesse ist für die Person subjektiv bedeutsam, löst positive Emotionen (positive Valenz – s. Glossar) aus und zielt auf die Erweiterung von –4– Kindliche Interessen beobachten und fördern von Michael Lichtblau Handlungskompetenzen und Wissen über den Interessengegenstand ab. Interes- sen werden somit als Resultat der Interaktion zwischen einer Person und einem Situationale und Gegenstand i.S. eines Ausschnitts der Umwelt verstanden. Gekennzeichnet sind individuelle Interesse Interessenhandlungen durch eine hohe subjektive Wertschätzung, Selbstintenti- onalität (s. Glossar) und intrinsische Motivation (vgl. Krapp 1998, 186). Interes- senbasierte Handlungen zeichnen sich in Anbetracht dieser drei grundlegenden Merkmale durch eine erhöhte Frustrationstoleranz aus und auch schwierige Pha- sen in der Erweiterung interessenbezogener Kompetenzen werden erfolgreich bewältigt – z.B. Frühphase beim Erlernen einer anspruchsvollen Sportart oder eines Musikinstrumentes. Interessen werden in situationale und individuelle Interessen unterschieden. Situa- tionales Interesse bezieht sich auf ein konkretes situatives Geschehen z.B. im Rah- men eines individuellen Förderangebotes für ein Kind. Gegenstandsauseinander- setzungen, die auf situationalen Interessen beruhen, sind zeitlich begrenzt und fokussieren Gegenstände, die bisher unbekannt sind, aber einen Anreiz besitzen, sich mit diesen zu beschäftigen und ihnen zumindest eine gewisse Zeitspanne Auf- merksamkeit zu schenken. Individuelles Interesse entsteht nach einiger Zeit auf- grund der wiederholten Auseinandersetzung mit einem Interessengegenstand auf Basis situationalen Interesses und kann als dauerhafte Persönlichkeitsdispo- sition (s. Glossar) interpretiert werden. Der Interessengegenstand und seine An- reizbedingungen sind nun soweit internalisiert, dass die Person selbstständig die Auseinandersetzung sucht und sich intrinsisch motiviert mit ihm beschäftigt. Abb. 1: Rahmenmodell der Interessengenese (Krapp 1998, 191) Somit kann individuelles Interesse als persönlichkeitsspezifisches Merkmal des Individuums (Individuelles Interesse) und situationales Interesse als situations- spezifischer, motivationaler Zustand, der sich aus den Anreizen einer Situation ergibt, interpretiert werden. Beide Interessensformen sind für die Gestaltung von frühpädagogischer Förderung relevant. –5– Kindliche Interessen beobachten und fördern von Michael Lichtblau Anregung zum Nachdenken Welche Interessen besitzen Sie? Häufig drücken sich individuelle Interessen im Erwach- senenalter in den Hobbys einer Person aus? Vergleichen Sie doch einmal die bisherigen Ausführungen zu den Merkmalen individueller Interessen und deren Entstehung und Entwicklung mit ihren persönlichen Erfahrungen. 2.2 Treffen diese theoretischen Aussagen auch für Sie persönlich zu? Inhaltliche Kategorien Wie bereits in den Ausführungen zur Person-Gegenstandstheorie des Interesses kindlicher Interessen dargestellt wurde, können sich Interessen auf bestimmte Objekte, Tätigkeiten und Themen beziehen. Darüber hinaus richten sich kindliche Interessen aber auch auf inhaltliche Teilbereiche der Umwelt und können inhaltsbezogen differenziert und in vier Teilbereiche kategorisiert werden (vgl. Lichtblau & Werning 2012): Abb. 2: Kategorien kindlicher Interessen im Kindergarten und im Übergang zur Schule (Lichtblau & Werning 2012, 225) –6– Kindliche Interessen beobachten und fördern von Michael Lichtblau Künstlerisch-kreatives Interesse: Diese Kategorie umfasst kindliche Interes- senhandlungen im gestalterischen Bereich z.B. Malen oder Basteln. Diese In- teressen fokussieren die künstlerisch-kreative Auseinandersetzung mit der Umwelt. Es geht darum, Ideen zu gestalten und greifbar werden zu lassen. Kinder dieser Kategorie haben Spaß am experimentellen Umgang mit unter- schiedlichen Materialien und besitzen häufig ausgeprägte feinmotorische Fä- higkeiten. Auch Interessen im musikalischen Bereich z.B. Musikhören, Sin- gen, Klavierspielen sind unter dieser Kategorie gefasst. Zwar wird hierbei ein anderes Medium verwandt, jedoch steht auch bei diesen Interessen die ästhe- tische Auseinandersetzung mit der Umwelt im Vordergrund. Naturwissenschaftlich-technisches Interesse: Unter diese Kategorie fallen einerseits Interessenhandlungen, die sich auf Themen und Inhalt der Natur beziehen z.B. die Tierwelt. Unter diesem Bereich sind die Interessen häufig sehr spezifisch auf ein bestimmtes Thema z.B. eine Tierart ausgerichtet, über die das Kind mehr erfahren möchte. Zum anderen behandelt diese Kategorie auch den technischen Bereich, in dem die Interessen der Kinder sich z.B. be- stimmten Fahrzeugen widmen. Ebenso aber auch auf technische Unterhal- tungsmedien und deren Funktion z.B. Computer bezogen sein können. Des Weiteren sind technisch-konstruktiven Interessenhandlungen hier verortet, die im Rahmen von Konstruktionsspielen z.B. dem Bau einer Brücke ausge- lebt werden. Motorisches Interesse: Im Vordergrund stehen Interessenhandlungen, die deutliche bewegungsorientiert gestaltet sind. Es steht dabei die Auseinander- setzung mit den individuellen körperlichen Fähigkeiten im Zentrum des In- teresses, wie z.B. Kämpfen, Toben. Auch sind sportliche Aktivitäten unter dieser Kategorie subsummiert, wie z.B. Fußballspielen, Turnen. Soziales Interesse: Unter sozialen Interessen werden solche Interessenhand- lungen eingeordnet, deren Zielperspektive sich auf die soziale Interaktion mit anderen Personen richtet. Hierunter fallen Handlungen, wie z.B. Rollenspiele, aber auch andere Spielformen, wie z.B. Gesellschaftsspiele, bei denen für das Kind der Anreiz zur Handlung speziell durch die Möglichkeit mit anderen Kindern oder Erwachsen über einen bestimmten Zeitraum in Interaktion zu sein im Vordergrund steht und sozusagen das motivierende Element dar- stellt.1 1 Das hier dargestellte Interessenkategorienmodell ist im Rahmen einer Längsschnittstudie zu den Interessenent- wicklungsverläufen von Kindern aus soziokulturell benachteiligten Familien im Übergang von der Kindertagesstätte in die Schule entstanden. Bei weiterführendem Interessen: Lichtblau, M. & Werning, R. (2012): Interessenentwick- lung von Kindern aus soziokulturell benachteiligten Familien im Übergang vom Kindergarten zur Schule. In: Fröhlich-Gildhoff. K. (Hrsg.): Forschung in der Frühpädagogik (Materialien zur Frühpädagogik, Bd. 10. Freiburg: FEL Verl. Forschung Entwicklung Lehre, S. 211-244. –7– Kindliche Interessen beobachten und fördern von Michael Lichtblau Hauptinteresse des Kindes Hinweis: und dessen Funktion Die Interessenkategorien fungieren in diesem Modell als inhaltlich abgrenzbare Teilbe- reiche der kindlichen Umwelt und beschreiben bespielhaft Interessengegenstände und Interessenhandlungen, mit denen sich Kinder im Kindergartenalter in diesen Bereichen beschäftigen. Richten sich die Interessen eines Kindes speziell auf einen dieser Bereiche, zeigt sich dadurch ein Hauptinteresse des Kindes. Natürlich wird dieses Kind sich auch mit Objekten, Handlungen und Themen anderer Bereiche auseinandersetzen. Wie der Ergebnisse der erwähnten Längsschnittstudie jedoch zeigen, werden auch Interessen- handlungen in den anderen Kategorien durch das Hauptinteresse beeinflusst und strukturiert. Zur Veranschaulichung dieser Perspektive zwei kurze Fallbeispiele aus die- ser Untersuchung: Ein Mädchen mit einem ausgeprägten sozialen Hauptinteresse, das mit gro- ßer Begeisterung und nahezu täglich Rollenspiele initiierte und leitete, malte auch gern Bilder an einem Tisch gemeinsam mit anderen Kindern. Allerdings ging es ihr dabei weniger um das Malen eines Bildes, was eher beiläufig und in hoher Geschwindigkeit geschah, als vielmehr um die Gespräche und allge- mein den sozialen Kontakt in dieser Situation. Insofern war diese, auf den ersten Blick künstlerisch-kreativ orientierte Handlung bei näherer Betrach- tung durch das soziale Interesse motiviert. Ein Junge mit einem ausgeprägten naturwissenschaftlich-technischen Haupt- interesse an Tieren und speziell Dinosauriern, malte ebenfalls gerne und spielte ebenso gerne auch Rollenspiele. Wenn er Bilder malte, dann stellten diese aber fast ausschließlich Dinosaurier und Drachen dar und in den Rol- lenspielen kämpfte er als Tyrannosaurus Rex gegen andere urzeitliche Wesen. Deutlich werden soll, dass ein vertieftes individuelles Interesse grundsätzlich eine hohe strukturierende Funktion in der Kind-Umwelt-Interaktion über- nimmt und eine Situation immer genau analysiert werden muss, um einen Aus- sage über die individuellen Interessen eines Kindes tätigen zu können. Der Kö- nigsweg etwas über die motivationalen Hintergründe eines Kindes zu erfahren, ist nicht zuletzt das intensive Gespräch über handlungsleitende Kognitionen auf Basis konkreter Beobachtung. Gemeint ist damit, sich im teilweise hektischen Kita-Alltag immer wieder auch die Zeit zunehmen, nicht nur Handlungen eines Kindes z.B. im Freispiel zu beobachten, sondern sich darüber hinaus auch gezielt mit dem Kind über diese Beobachtung sprachlich auszutauschen. In welchem thematischen Rahmen sind diese Handlungen eingebunden? Welche Bedeutung hat diese Handlung für das Kind? Werden bestimmte Erlebnisse darin spiele- risch nachgespielt und verarbeitet? In welchem Verhältnis steht diese Handlung –8– Kindliche Interessen beobachten und fördern von Michael Lichtblau zu den individuellen Interessen des Kindes? Dies ist insofern von Bedeutung, da die bloße Beobachtung einer Spielhandlung die Gefahr von Fehlschlüssen birgt, indem die inhaltliche Interpretation aus Erwachsenenperspektive sich deutlich von der kindlichen Gedankenwelt zur Handlung unterscheiden kann. Aufgrund knapper zeitlicher Ressourcen finden solche Gespräche insgesamt leider zu sel- ten im Kita-Alltag statt, bilden jedoch eine wichtige Grundlage zur gezielte Ent- wicklungsbegleitung und Unterstützung der individuellen Interessenentwick- lung des Kindes 3. Ergebnisse der Interessenforschung Interessen strukturieren Es gibt zahlreiche Studien, die sich kindlichen Interessen und deren Entwicklung die Kind-Umwelt- im Kindergarten und der Transition in die Grundschule auseinandersetzen. Interaktion Überwiegend einig sind sich diese darin, dass Kinder bereits im frühen Vor- schulalter individuelle Interessen besitzen, diese in der Auseinandersetzung mit der Umwelt (weiter)entwickeln und ihnen hinsichtlich der Kind-Umwelt-Inter- aktion eine wichtige strukturierende Funktion (Aufmerksamkeitssteuerung) zu- kommt (vgl. DeLoache, Simcock & Macari 2007). Dies wird durch Untersu- chungsergebnisse erweitert, die nachweisen, dass der Einbezug von Interessen in Lernprozesse sich positiv auf das Lernergebnis auswirkt (vgl. Neitzel, Alexander & Johnson 2016). So werden Inhalte interessenbasierter Lernvorgänge effizienter und nachhaltiger gelernt, indem vom Lernenden elaboriertere Lernstrategien Positive Effekte interessen- angewandt und Lerninhalte mit bereits vorhandenem interessenbezogenen Wis- basierter Lernprozesse sen verknüpft werden (vgl. Alexander, Johnson & Kelley 2012). Interessenge- stütztes Lernen fördert zudem eine intrinsisch motivierte Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand. Die Bereitschaft zur Anstrengung sowie die positive emotionale Stimmung führen zu einer intensiveren und frustrationstoleranteren Aufgabenbearbeitung (vgl. Neitzel 2004). Wichtig ist, dass die positiven Effekte sowohl dem individuellen als auch dem situationalen Interesse zugeschrieben werden. Während sich das individuelle Interesse besonders positiv auf die Auf- merksamkeit, die Wiedererkennung und die Ausdauer auswirkt, nimmt situati- onales Interesse speziell Einfluss auf die kognitive Leistung, wie z. B. das Lese- verständnis (ebd.). Entstehung und Aber wie entstehen und entwickeln sich Interessen von Kindern überhaupt? Im Entwicklung von Rahmen des Interessengenese-Projekts von Kasten und Krapp (1986) konnte ge- Interessen zeigt werden, dass die Interessenentwicklung im Kindesalter maßgeblich durch die „Wechselwirkungen zwischen materiell-ökologischen, sozial-institutionellen sowie zwischenmenschlichen Bedingungsfaktoren“ (Kasten 1991, 204) beein- flusst wird. Entsprechende Wirkfaktoren lassen sich sowohl im Elternhaus als –9– Kindliche Interessen beobachten und fördern von Michael Lichtblau auch im Kindergarten und weiterführend dann in der Schule finden. Als wich- tigster Faktor für die Entwicklung von Interessen wurde im Interessengenese- Projekt vor allem die Stabilität der pädagogisch bedeutsamen Umweltbedingun- gen in Elternhaus und Kita/Schule herausgestellt. Zudem kommt speziell den familiären Unterstützungsbedingungen eine herausgehobene Bedeutung zu, während Kita und Schule eine kompensatorische Funktion zuteilwird, wenn fa- miliäre Bedingungen z. B. aufgrund sozioökonomischer Belastungen inadäquat gestaltet sind und weniger Unterstützung bei der Entwicklung von Interessen bieten (vgl. Lichtblau & Werning, 2012). Interessen im Übergang In Anbetracht der Forschungsergebnisse muss insgesamt leider festgestellt wer- Kita-Schule den, dass Schule im Vergleich zu Einrichtungen des Elementarbereichs weniger gezielt auf die Interessen von Kindern eingeht. Zu diesem Fazit kommt u.a. die Studie „Lebenswelten als Lernwelten“ (Furtner-Kallmünzer et al. 2002), deren Ergebnisse zeigen, dass es nur geringe Überschneidungen der individuellen Inte- ressen der untersuchten Kinder mit den angebotenen Inhalten in der Schule gibt. Darüber hinaus sind Lehrkräfte nur wenig in die Interessenentwicklung der Kinder involviert und Familie, Peers oder auch Medien haben einen größeren Einfluss. Das Autorenteam der Untersuchung kommt daher zu dem Fazit, dass Schule als Institution leider zu wenig auf die Interessen der Kinder eingeht. Gleichwohl konnten befragte Lehrkräfte punktuell Situationen beschreiben, in denen SchülerInnen ihre Interessen zeigen. Vor allem selbstorganisierte und spielerische Lernformen und die Behandlung interessenrelevanter Themen kön- nen hier als wesentliche Einflussfaktoren auf die Aktualisierung von Interessen im Unterricht gesehen werden (vgl. Furtner-Kallmünzer et al. 2002, 337ff.). Be- tont wird in diesem Kontext auch, dass die LehrerInnenpersönlichkeit eine er- hebliche Rolle spielt. Im Zuge dieser Überlegung wirft die Studie auch den Blick auf die Diskussion von schulverändernden Maßnahmen, wie beispielsweise eine stärkere Öffnung des Unterrichts. Interessen soziokulturell Zu vergleichbaren Ergebnissen hinsichtlich der geringen Berücksichtigung der benachteiligter Kinder kindlichen Interessen im Kontext „Schule“ kommt auch das Forschungsprojekt „Interessenentwicklung von Kindern aus soziokulturell benachteiligten Famili- en im Übergang vom Kindergarten zur Grundschule“ (Lichtblau, Thoms & Wer- ning 2013), in dem einzelfallanalytisch die Interessenentwicklung von dreizehn Kindern aus soziokulturell benachteiligten Familien fokussiert wurde – eine Gruppe von Kindern, deren Interessenentwicklung bis dato nicht gezielt unter- sucht worden ist. Die Ergebnisse der Studie zeigen anhand längsschnittlicher Einzelfallanalysen sehr anschaulich, dass mit dem Übergang vom Kindergarten in die Schule ein Bruch in den individuellen Interessenentwicklungsverläufen verbunden ist. Im schulischen Setting wird den kindlichen Interessen nur eine vergleichsweise untergeordnete Bedeutung beigemessen und wenig Raum zu de- ren Aktualisierung geboten. Die Kinder nutzten daher die Pausen und die weni- – 10 – Kindliche Interessen beobachten und fördern von Michael Lichtblau Bedeutung kindlicher ge Freispielzeit, um sich mit ihren Interessen zu beschäftigen. Während der All- Interessen in Kita und tag der Kinder in den Kitas deutlich durch selbstorganisierte und peerinteraktiver Schule Auseinandersetzungen mit Interessen strukturiert wurde, dominierte im schuli- schen Setting eine frontalunterrichtliche Vermittlung curricularer Lerninhalte. Die Berücksichtigung und der Einbezug kindlicher Interessen fanden geplant leider nicht statt und wurden angesichts der Anforderungen, die curricularen Vorgaben zu erfüllen, auch als kaum möglich beschrieben. Bedeutung kindlicher Ähnlich gestalten sich Ergebnisse eines Anschlussprojekts zum Thema „Inklusi- Interessen für den Start in on und die Konstruktion von Schulfähigkeit durch Kita und Schule“ von Schu- der Schule bert, Pannek und Lichtblau (2014). Diese Fragebogenerhebung untersuchte die pädagogischen Perspektiven von ErzieherInnen und Lehrkräften (N=118; n(Erz)=53; n(Le)=65) auf kindliche Interessen und ihre subjektiven Konstruktio- nen zu notwendigen Kompetenzen der Kinder für einen erfolgreichen Start in die Schule. Auch diese Untersuchung ergab, dass sich die Sichtweise speziell zur Bedeutung eines Interesseneinbezugs zwischen den Berufsgruppen der Erziehe- rInnen sowie den Grundschullehrkräften deutlich voneinander unterscheiden. Für den Schuleintritt bewerten die Grundschullehrkräfte Fähigkeiten relevanter, die einen stärkeren Bezug zu schulischen Inhalten aufweisen (z.B. Sprachver- ständnis, Zahlbegriffsentwicklung) und ihrer Ansicht nach sind es auch solche Fähigkeiten, die in vorschulischen Einrichtungen stärker gefördert werden soll- ten. Die Antworten der ErzieherInnen fallen kontrastierend aus und veranschau- lichen, dass diese Berufsgruppe die Kinder ganzheitlicher wahrnimmt und för- dert und den kindlichen Interessen im Hinblick auf einen erfolgreichen Schuleintritt eine wesentlich größere Bedeutung zuschreibt. Zum Weiterlesen: Sollte dieser Überblick weiteres Interesse an Forschungsergebnissen zum Thema der In- teressenentwicklung im Übergang hervorrufen, können weiterführende Einblicke in der kostenfrei abrufbaren Dissertation (PDF) des Autors gewonnen werden: Lichtblau, M. (2013): Interessenentwicklung von Kindern aus soziokulturell benachtei- ligten Familien im Übergang vom Kindergarten zur Schule. Hannover: Technische In- formationsbibliothek und Universitätsbibliothek Hannover (TIB). Verfügbar unter: https://www.ffbe.uni-hannover.de/fileadmin/sonderpaedagogik/DownloadsDoze- ten/Lichtblau/TIB_Diss._Interessenentwicklung _Lichtblau_2013_01.pdf. Zugriff am 20.09.2018 – 11 – Kindliche Interessen beobachten und fördern von Michael Lichtblau 4. Beobachtung und Förderung kindlicher Interessen Gezielte Beobachtung Der erste Schritt auf dem Weg zur Förderung der kindlichen Interessen ist es, kindlicher Interessen diese gezielt wahrzunehmen. Speziell im frühpädagogischen Bereich hat in den letzten Jahren ein Boom im Bereich der strukturierten Beobachtung von Kin- dern eingesetzt und eine Vielzahl von Einrichtungen arbeitet mit einem be- stimmten Konzept (z.B. Bildungs- und Lerngeschichten, Portfolio-Arbeit). Die speziell auf die Interessen ausgerichtete Beobachtung kann hierbei durch das vorgestellte Interessenkategorienmodell (vgl. Abb. 2) unterstützt und struktu- riert werden. Speziell bei Kindern, bei denen auf den ersten Blick kein konkretes Interesse erkennbar erscheint, kann dies hilfreich sein. Denn jedes Kind besitzt individuelle Interessen, die sich bei näherer Betrachtung in spezifischen Aspek- ten ähneln und unter einer der Kategorien verortet werden können. Wichtig ist jedoch über die Beobachtung hinaus auch mit den Kindern in Austausch zu ge- hen und die Kinder selbst zu befragen, was sie konkret an einer beobachteten Handlung interessiert und dadurch motiviert hat. Denn häufig werden in der Praxis pädagogische Beobachtungen interpretiert, ohne sie gezielt mit den Kin- dern oder auch ihren Eltern zu besprechen. Immer wieder kommt es dadurch zu Fehlschlüssen, in dem das abgeleitete Interesse an der Situation schlicht falsch gedeutet wird (vgl. Fallbeispiel, 6f). Beobachtungen hinter In der Regel sollte auch die Familie des Kindes einbezogen und ihre Perspektive fragen und mit Kindern auf die kindliche Interessenentwicklung eingeholt werden. Im Zentrum stehen nachbesprechen hier Fragen zur Wahrnehmung des Kindes in unterschiedlichen sozialen Kon- texten und eine Verständigung über gemeinsam geteilte, wie auch unterschiedli- chen Perspektiven auf das Kind und seine individuellen Interessen. Wurde im Rahmen von Beobachtungs- und Kommunikationsprozessen ein aus- reichend klares Bild über die Interessen der Kinder entwickelt, gilt es auch den nächsten Schritt zu tun und konkrete Förderung zu planen und umzusetzen. Die Förderung von Interessen sollte verschiedene Aspekte berücksichtigen. Zunächst ist es wichtig, eine an die kindlichen Interessen anschlussfähige Umwelt in der Einrichtung zu schaffen oder diese zu verbessern. Es geht hier darum, unter- schiedliche Materialien und eine entsprechende räumliche Gestaltung anzubie- ten. Auch hierbei kann das Interessenkategorienmodell genutzt und im Team darüber reflektiert werden, inwiefern die Einrichtung auf die materiellen und räumlichen Bedürfnisse, die mit jedem der vier unterschiedlichen Interessenbe- reiche verbunden sind, eingeht. – 12 – Kindliche Interessen beobachten und fördern von Michael Lichtblau Zum Nachdenken: Diskutieren Sie im Kreis von KollgenInnen, inwiefern Ihre Einrichtung Kinderliteratur vorhält, die thematisch auf die vier Interessenbereiche Bezug nimmt. Beobachtungen in unseren Untersuchungen deuten darauf hin, dass Sach- und Bilderbücher für Kinder mit motorischen und künstlerisch-kreativen Interessen weniger zu finden sind, als Lite- ratur für Kinder mit naturwissenschaftlich-technischen Interessen. Letztere zeigen viel- leicht auch aufgrund dieser guten literarischen Anreizbedingungen häufig sehr früh ein Interesse an der Schriftsprache. Interessenbasierte Weiterhin ist auch die Gestaltung des pädagogischen Konzeptes entscheidend, Peerinteraktionen das den Kindern genügend Freiraum zur selbstorganisierten Interessentätigkeit im Freispiel geben sollte. Besonders bedeutsam für die Interessenentwicklung sind dabei in Kleingruppen eingebettet Handlungen, in denen Kinder sich ge- genseitig beeinflussen. Die Unterstützung bei der Bildung entsprechender Inter- essengruppe, die dann ohne Einflussnahme der Erwachsenen beeindruckende Produkte (z.B. Konstruktionen, Kunstwerke, Rollenspiele) erschaffen können, wäre hier zu nennen. Ebenso sollten gezielte Projekte für alle oder einen Teil der Gruppe mit Bezug zu den Interessen geplant werden. Dabei kann ein größeres Projekt von allen Kindern gemeinsam gestaltet werden und auch jedes Kind im Lebensumwelt der Kinder Gesamtprojekt eingebettet sein eigenes kleines Projekt verwirklichen. aktive aufgreifen und in Förderung einbeziehen Fallbeispiel: Förderangebot „Hausbau“ Ein sehr gelungenes Beispiel für die er- folgreiche Beobachtung und Förderung kindlicher Interessen als Kombination einer Gruppen- und Einzelförderung be- schreibt das folgende Fallbeispiel: Eines Morgens berichtete ein Junge im Morgenkreis der Kitagruppe von einer neuen Baustelle direkt gegenüber sei- nes Wohnhauses. Diese faszinierte ihn sehr und auch die anderen Kinder der Gruppe fanden das Thema spannend. Die Bezugserzieherin des Kindes be- schloss daraufhin, mit allen Kindern ge- meinsam diese nicht weit entfernte Baustelle am Nachmittag zu besuchen. An der Baustelle angekommen hatte die Gruppe Glück, denn der Architekt war gerade vor Ort, freute sich über den » Abb. 3: Hausbau (Lichtblau) – 13 – Kindliche Interessen beobachten und fördern von Michael Lichtblau » Besuch, führte die Kitagruppe herum und erklärte, was gerade gemacht wird. Wie- der im Kindergarten angekommen, waren alle begeistert von dem Erlebnis und ge- meinsam entwickelte die Erzieherin und mit den Kindern den Plan auch in der Gruppe ein Haus zu bauen. Fortan baute die Kita-Gruppe auf einer Holzplatte ein eigenes Haus (s. Foto). Das Material für den Hausbau erhielten sie bei den wöchentlich stattfin- denden Besuchen auf der Baustelle. Wurde dort gemauert, erhielten die Kinder kleine Steine und Mörtel, wurde dort später Boden verlegt, erhielten sie Restabfälle des Be- lags. Einmal besuchte sie der Architekt und beriet die Gruppe, wie man Fenster und Türen fachgerecht mauert. Nach und nach entstand über Wochen und Monate ein Haus und bald konnten auch Möbel gebaut und alle Räume eingerichtet werden. Das einzige Problem dabei war, dass nicht immer alle gleichzeitig an dem Haus arbeiten konnten und einige Kinder mehr und andere weniger stark an dem Thema interessiert waren. Die Erzieherin entschied deshalb, dass besonders interessierte Kinder eine wei- tere eigene Wohnung aus Schuhkartons gestalten können. Hanna, ein Kind unserer Untersuchung (Lichtblau & Werning, 2012) mit einem ausgeprägten künstlerisch-kre- ativen Interesse, war über dieses Angebot sehr glücklich und hatte nun die Möglich- keit, sich jederzeit und ihren Bedürfnissen entsprechend mit dem Thema zu beschäfti- gen. Insgesamt baute Hanna über sechs Monate nahezu täglich an der eigenen Wohnung. Parallel dazu stellte die Gruppe ihr Haus nach und nach fertig. Hanna war sehr stolz auf die selbst gestaltete Wohnung undgern führte sie Besucher zum Grup- penhaus und erklärte genau, wie so ein „Hausbau“ funktioniert. (Eigene Beobachtung des Autors) Interessenförderung Neben solchen projektorientierten Förderangeboten, wie in diesem Fallbeispiel in Kooperation mit der beschrieben, bieten natürlich viele alltägliche pädagogische Handlungen, wie Familie z.B. das Vorlesen eines Buches oder die Gestaltung eines Bastelangebots, Mög- lichkeiten, gezielt auf die Interessen der Kinder einzugehen. Der „Königsweg“ der Interessenförderung wird letztlich immer dann beschritten, wenn es gelingt, diese Prozesse in Kooperation mit der Familie des Kindes zu gestalten. Dabei gilt es sich auszutauschen und gegenseitig Anregungen zu geben, wie die Interessen in den verschiedenen Lebensumwelten gesehen und gefördert werden können. Im Übergang vom Kindergarten in die Schule sollte dann neben den allgemein üblichen Informationen auch gezielt Informationen zu den Interessen der Kinder weitergegeben werden. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn diese von der Schule wahrgenommen und in die Arbeit einbezogen werden, was unter den jet- zigen Bedingungen leider noch viel zu selten der Fall ist. – 14 – Kindliche Interessen beobachten und fördern von Michael Lichtblau 5. Zusammenfassung Schon früh in der kindlichen Entwicklung entstehen individuelle Interessen für bestimmte Gegenstände, Handlungen und Themen. Im weiteren Entwicklungs- verlauf strukturieren diese Interessen die Auseinandersetzung des Kindes mit seiner Umwelt und steuern die selektive Aufmerksamkeit. Das Kind sucht be- wusst die Beschäftigung mit interessenbasierten Inhalten und muss nicht durch die Eltern oder pädagogische Fachkräfte zu diesen Handlungen aufgefordert werden. Das Kind ist im Hinblick auf die eigene Interessenentwicklung intrin- sisch motiviert und lässt sich leicht(er) für Angebote begeistern, wenn diese ei- nen Bezug zu dem Interesse haben. Forschungsergebnisse belegen, dass interes- senbasierte Lernprozesse des Kindes besonders erfolgreich und nachhaltig sind (vgl. Lichtblau & Werning, 2012). Kinder lernen hierbei erfolgreich, da sie neue Inhalte auf der Basis umfangreichen Vorwissens wahrnehmen, bewerten und letztlich auch in dieses integrieren. Die kindlichen Interessen als Ansatzpunkt der Förderung zu nutzen, ist daher sehr zu empfehlen, erfordert aber von der pädagogischen Fachkraft zunächst, die Interessen der Kinder gezielt wahrzuneh- men und sozusagen zu erforschen. Dabei sollte mit den Kinder in direkten Aus- tausch eingetreten und nicht nur passiv beobachtet und dokumentiert werden. Kinder sprechen gern über ihre Interessen und sind gleichzeitig die besten Aus- kunftspersonen und ExpertenInnen für ihre individuellen Interessen. Auch die Eltern der Kinder sollten befragt und mit ihnen über ihre Perspektiven auf die kindlichen Interessen gesprochen werden. Bei der Förderung der Interessen bie- ten sich in frühkindlichen Einrichtungen vielfältige Möglichkeiten. Das Fallbei- spiel „Hausbau“ zeigt beispielhaft, welche „Schätze“ auch im sozialen Umfeld der Einrichtungen verborgen sind. Dem Einfallsreichtum sollte bei der Förderung keine Grenze gesetzt werden und häufig entpuppen sich die verrücktesten Ideen am Ende als besonders erfolgreich. Insofern bauen sie mit der Gruppe Häuser, fahren mit dem selbstgebauten Schiff über das Meer und besuchen auf Fantasier- eisen die sieben Kontinente der Welt. – 15 – Kindliche Interessen beobachten und fördern von Michael Lichtblau 6. Fragen und weiterführende Informationen 6.1 Aufgaben zur Bearbeitung des Textes ! AUFGABE 1: Tauschen Sie sich in einer Gruppe über Ihre individuellen Interessen aus und berichten sich gegenseitig: Wie sind diese Interessen entstanden? Wie aktualisieren sich diese Interessen in Ihrem Alltag und in welchen Kon texten leben Sie diese aus? Welche subjektive Bedeutung haben diese Interessen für Sie? Verfolgen Sie langfristige Ziele bei deren Verwirklichung? ! AUFGABE 2: Diskutieren Sie in der Gruppe über Ihre individuellen Vorerfahrungen im Hinblick auf die Entstehung und Entwicklung kindlicher Interessen. Welche Bedeutung kommt den kindlichen Interessen in der pädagogischen Arbeit in Kindertagesstätten zu? Beschreiben Sie Beispiele aus ihrer pädagogischen Praxis, in denen die kindlichen Interessen besonders im Fokus standen? ! AUFGABE 3: Wenden Sie die theoretischen Aussagen aus Kapitel 2 auf einen konkreten Fall Ihrer pädagogischen Praxis an bzw. nutzen einen Fall aus dem privaten Umfeld. Treffen die dargestellten theoretischen Perspektiven (u.a. positive Emotionen, Selbstintentionalität, Erweiterung kognitiver Strukturen, Inter essenkategorien) auf diesen Fall zu und können dort konkret beobachtet werden? ! AUFGABE 4: Entwickeln Sie für ein Kind ein Förderangebot, das konkret auf das individu elle Interesse Bezug nimmt und die Interessenentwicklung sinnvoll unter stützt und erweitert. Im besten Fall sollte diese Förderung auch die Koope ration mit der Familie des Kindes einschließen. – 16 – Kindliche Interessen beobachten und fördern von Michael Lichtblau AUFGABE 5: ! Entwickeln Sie ein projektorientiertes Gruppenangebot, das auf die kind lichen Interessen der Kita-Gruppe eingeht. Gestalten Sie dieses Angebot so, dass es über einen längeren Zeitraum in mehreren Teilangeboten durch geführt werden kann. Im besten Fall entwickeln Sie bereits Ideen, wie be sonders interessierte Kinder auch individuell an dem gewählten Thema au ßerhalb der Gruppenangebote weiterarbeiten können (vgl. Fallbeispiel: Förderangebot „Hausbau“). 6.2 Literaturverzeichnis LITERATUR- Alexander, J. M.; Johnson, K. E. & Kelley, K. (2012): Longitudinal analysis of the relations VERZEICHNIS between opportunities to learn about science and the development of interests related to science. Science Education, 96 (5), S. 763-786. DeLoache, J. S;, Simcock, G. & Macari, S. (2007): Planes, trains, automobiles – and tea sets: Extremely intense interests in very young children. Developmental Psychology, 43 (6), S. 1579-1586. Furtner-Kallmünzer, M.; Hössl, A.; Janke, D.; Kellermann, D. & Lipski, J. (2002): In der Freizeit für das Leben lernen. Eine Studie zu den Interessen von Schulkindern. München: Verl. Dt. Jugendinst. Kasten, H. &. Krapp A. (1986). Das Interessen-Genese-Projekt – eine Pilotstudie. Zeitschrift für Pädagogik, 32 (2), 175–188. Kasten, H. (1991). Beiträge zu einer Theorie der Interessenentwicklung. Wissenschaftstheore- tisch-methodologische Überlegungen, theorieimmanente Klärungen und Ergebnisse empirischer Untersuchungen (Studien zur Frühpädagogik, Bd. 3). Frankfurt am Main: Lang. Krapp, A. (1998). Entwicklung und Förderung von Interesse im Unterricht. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 44, S. 185-201. Krapp, A. (2010): Interesse. In: Rost, D. (Hrsg.): Handwörterbuch Pädagogische Psychologie (4. Auflage). Weinheim: Beltz, S. 311-323. Lichtblau, M. & Werning, R. (2012): Interessenentwicklung von Kindern aus soziokulturell benachteiligten Familien im Übergang vom Kindergarten zur Schule. In: Fröhlich-Gildhoff, K. (Hrsg.): Forschung in der Frühpädagogik (Materialien zur Frühpädagogik, Bd. 10. Freiburg: FEL Verl. Forschung Entwicklung Lehre, S. 211-244. Lichtblau, M., Thoms, S. & Werning, R. (2013): Kooperation zwischen Kindergarten und Schule zur Förderung der kindlichen Interessenentwicklung. In: Werning, R. & Arndt, A.-K. (Hrsg.): Inklusion. Kooperation und Unterricht entwickeln. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 200-220. Neitzel, C. L. (2004): When predisposition meets opportunity: Children’s early play interests and subsequent academic self-regulatory behaviors in kindergarten. Dissertation Abs- tracts International: Section B: The Sciences and Engineering, 64 (11-B), S. 5817. – 17 – Kindliche Interessen beobachten und fördern von Michael Lichtblau Neitzel, C.; Alexander, J. M. & Johnson, K. E. (2016): Young children’s interest-oriented activity and later academic self-regulation strategies in kindergarten. Journal of Research in Childhood Education, 30 (4), S. 474-493. Schubert, L. M.; Pannek, M. & Lichtblau, M. (2014): Inklusion und die Konstruktion von Schulfähigkeit durch Kita und Schule. Zeitschrift des Verbandes Sonderpädagogik, 2 (42), S. 48–55. EMPFEHLUNGEN ZUM Lichtblau, M. & Hartmann, M. (2017): Implementation eines inklusiven und interessenbasier- WEITERLESEN ten Übergangskonzeptes Kita-Schule im Kontext des Early-Excellence-Ansatzes. In: Schmitt, A., Sterdt, E. & Fischer, L. (Hrsg.): Empirisches Arbeiten in der Frühpädagogik im Kontext eines evidenzbasierten Ansatzes. Kronach: Carl Link, S. 33-46. Lichtblau, M. (2013): Interessenentwicklungsverläufe im Übergang vom Kindergarten zur Schule – Zwei kontrastierende Fallbeispiele. Gemeinsam leben: Zeitschrift für integrative Erziehung, 21 (4), S. 224-234. Lichtblau, M. (2014): Familiäre Unterstützung der kindlichen Interessenentwicklung in der Transition vom Kindergarten zur Schule. In: Frühe Bildung, 3 (2), S. 93-103. Prenzel, M.; Lankes, E.-M. & Minsel, B. (2000): Interessenentwicklung in Kindergarten und Grundschule. Die ersten Jahre. In: Schiefele, U. & Wild, K.-P. (Hrsg.): Interesse und Lernmo- tivation : Untersuchungen zu Entwicklung, Förderung und Wirkung. Münster [u.a.]: Waxmann, S. 11-30. BILDNACHWEIS Abbildung 3: Hausbau; Lichtblau, M. – 18 – Kindliche Interessen beobachten und fördern von Michael Lichtblau 6.3 Glossar Persönlichkeitsdisposition: Eine Disposition ist die Verhaltensbereitschaft einer Person, in einer bestimmten Situation ein spezifisches Verhalten zu zeigen. Übertragen auf das Thema der kindlichen Interessen bedeutet dies, dass indivi- duelle Interessen als eine persönliche Disposition interpretiert werden können. Beispiel: Ein Kind mit einem ausgeprägten individuellen Interesse an Tieren wird mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit sehr gern einen Bauernhof besu- chen und sich intensiv mit den dort lebenden Tieren beschäftigen. Selbstintentionalität: Wird eine Handlung vollzogen, so kann der Vollzug die- ser Handlung extrinsisch oder intrinsisch motiviert sein. Extrinsisch motivierte Handlungen werden maßgeblich deshalb ausgeführt, um z.B. eine Belohnung zu erhalten oder eine Strafe zu vermeiden. Intrinsische motivierte Handlung sind hingegen maßgeblich selbstmotiviert und bedürfen keiner äußeren Verstärkung. Eine Handlung ist als dann selbstintentional, wenn der Vollzug dieser Handlung als solcher eine Anreizfunktion für eine Person besitzt und dadurch intrinsisch motiviert ist. Beispiel: Aufgrund eines intensiven Interesses am Geigenspiel, muss eine Person nicht zum Üben gezwungen werden – das Geigenspiel ist selbs- tintentional. Positive Valenz: Valenz (Wertigkeit) bezieht sich auf die Bewertung eines abs- trakten oder konkreten Inhalts durch eine Person. Eine positive Valenz be- schreibt insofern eine inhaltliche Bewertung, die emotional positiv konnotiert ist und zu angenehmen Emotionen führt. Interessenhandlungen besitzen in der Re- gel eine positive Valenz, in dem diese Handlungen überwiegend von positiven Gefühlen begleitet werden. KiTa Fachtexte ist eine Kooperation der Alice Salomon Hochschule, der FRÖBEL-Gruppe und der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF). KiTa Fachtexte möchte Lehrende und Studierende an Hochschulen und Fachkräfte in Krippen und Kitas durch aktuelle Fachtexte für Studium und Praxis unterstützen. Alle Zitiervorschlag: Fachtexte sind erhältlich un- Lichtblau, M. (12.2018): Kindliche Interessen beobachten und fördern. Verfügbar unter: http://www.kita-fachtex- te.de/XXXX (Hier die vollständige URL einfügen.). Zugriff am T T.MM.JJJ ter: www.kita-fachtexte.de – 19 –