FMS Neurobiologie PDF - Past Paper 2024
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Gymnasium Oberwil
Kaspar Jäger
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This document is a set of learning objectives and an introduction to neurobiology, likely a study document for a school class, namely the "FMS" course (2024) in biology. It details learning objectives related to reflexes, nerve transmission, the nervous system's structure, the brain, the spinal cord, and consciousness. The provided information may be suitable for a biology course at a secondary school or equivalent education level.
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Neurobiologie Foto: T. Becks Klasse F3... Skript von Kaspar Jäger (JaK) Gymnasium Oberwil, Abteiltung FMS (2024) NEUROBIOLOGIE Lernziele 2 Lernziele Nervenzelle und Reflexe - Sie können die Funktionen...
Neurobiologie Foto: T. Becks Klasse F3... Skript von Kaspar Jäger (JaK) Gymnasium Oberwil, Abteiltung FMS (2024) NEUROBIOLOGIE Lernziele 2 Lernziele Nervenzelle und Reflexe - Sie können die Funktionen des Nervensystems aufzählen. - Sie können den Reiz - Reaktions - Mechanismus schematisch darstellen. - Sie können den Patellarsehnenreflex mithilfe von Fachbegriffen erklären (inkl. Hemmung d. Antagonisten). - Sie wissen, was Eigenreflexe und Fremdreflexe sind. - Sie kennen den Unterschied zwischen einer bewussten Bewegung und einem Reflex. - Sie können eine Nervenzelle mit den wichtigsten Bauteilen zeichnen und beschriften. Reizübertragung - Sie wissen, was man unter dem Membranpotential versteht und welche physikalischen Kräfte bei dessen Bildung aus- schlaggebend sind. - Sie können erklären, wie ein Membranpotential/Ruhepotential in Nervenzellen hergestellt wird. - Sie wissen, was man unter dem Alles - oder - Nichts - Prinzip versteht. - Sie können die Spannungskurve des Aktionspotentials erklären. - Sie können erklären, weshalb das Aktionspotential lediglich in eine Richtung läuft. - Sie können erklären, was man unter der saltatorischen Erregungsleitung versteht. - Sie können erklären, wie die Reizstärke auf der Ebene der Aktionspotentiale übersetzt wird. - Sie kennen den Aufbau einer Synapse und wissen, was eine motorische Endplatte ist. - Sie kennen den chronologischen Ablauf der Signalweiterleitung an den Synapsen. - Sie wissen, wie auf der Ebene der Synapsen die Reizstärke übersetzt wird. - Sie kennen Beispiele für Neurotransmitter. - Sie verstehen die Wirkungsmechanismen der verschiedenen Synapsengifte (einzelne Gifte nicht auswendig lernen, nur Prinzip verstehen). Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Lernziele 3 Aufbau des Nervensystems - Sie können das Nervensystem anhand verschiedener Kriterien einteilen und kennen die wichtigsten Begriffe dazu. - Sie kennen die Funktionen des vegetativen und des willkürlichen Nervensystems. - Sie können die Funktionen der beiden Systeme Sympathikus und Parasympathikus erklären. Gehirn - Sie kennen die drei Evolutionsstufen des Gehirns und können die Entwicklungsstufen mithilfe der Hauptaufgaben der Hirnteile erklären. - Sie kennen die wichtigsten Aufgaben von Stammhirn, Zwischenhirn, des Limbischen Systems, des Kleinhirns und des Grosshirns. - Sie können das Wissen über die verschiedenen Hirnteile anwenden, um Rückschlüsse auf die Lebensweise eines Lebe- wesens zu ziehen. - Sie können einen schematischen Längsschnitt (Sagittalebene) durch das menschliche Hirn beschriften. - Sie verstehen die Darstellung des Homunculus in Bezug auf die funktionelle Architektur der Grosshirnrinde. - Sie können den Zusammenhang zwischen Nahrungsangebot und Hirngrösse erklären. - Sie verstehen das Split Brain Experiment und können erklären, weshalb diese Patienten im Alltag nichts von ihrem Handicap bemerken. Rückenmark - Sie kennen Funktion von Wirbelbogen, Wirbelkanal und Wirbelkörper. - Sie kennen den Aufbau des Rückenmarks und den Verlauf der Nervenbahnen. - Sie können erklären, weshalb anhand von motorischen und sensorischen Tests die Höhe einer Rückenmarksläsion be- stimmt werden kann. - Sie können erörtern, weshalb eine inkomplette Rückenmarksläsion komplizierte Muster in Bezug auf motorische und sensorische Leistungen von Patienten haben kann. Bewusstsein - Sie können erklären, wie bei Wirbeltieren (dazu zählt auch der Mensch) experimentell herausgefunden werden kann, ob ein Ich-Bewusstsein vorhanden ist. - Sie können erklären, was man unter der «theory of mind» versteht und wie sie experimentell getestet werden kann. Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Einführung 4 Einführung in die Neurobiologie Das Feld der Neurobiologie Die Neurobiologie beschäftigt sich mit dem Bau und der Funktion von Nerven- und Sinneszellen. Sie untersucht die Umwandlung von Reizen in Nervenimpulse, deren Wei- terleitung innerhalb und zwischen Nervenzellen und das Zusammenspiel der verschiedenen Zellen in komplexen Nervensystemen. Auch die Steuerung der Muskeltätigkeit durch Nerven gehört in ihr Aufgabenfeld. Ein wichtiges Ziel der Neurobiologie besteht darin, die Grundlagen der Informationsverarbeitung im Gehirn sowie Prozesse, die bei Lernvorgängen ablaufen, zu verstehen. Abb. 1 E lektronenmikroskopisches Bild von Nervenzellen. (www.ebn24.com, Stand: 04.08.2016) Evolution des Nervensystems Vor etwa 650 Millionen Jahren entstanden aus Zellen der äus- seren Hautschicht vielzelliger Tiere die ersten Nervenzellen (als Vergleich: Dinosaurier entwickelten sich wahrscheinlich vor etwa 235 Mio Jahren und lebten bis vor 65 Mio Jahren). Es entwickelten sich daraus zunächst einfache Nervensyste- me in Form von Nervennetzen, wie sie etwa den Körper von Quallen durchziehen (vgl. Praktikum Hydra). Mit dem Auftreten von Tieren, bei denen ein Vorn und Hinten zu unterscheiden war, bildete sich in der Kopfregion eine Ansammlung von Nervenzellen, die als einfache Gehirne angesehen werden können. Dies zeigt sich beispielhaft beim Abb. 2 er Meeresringelwurm Platynereis ist ein Organismus D Meeresringelwurm Platynereis, dessen Gehirn Strukturen auf- mit einem sehr ursprünglichen Nervensystem. (Litho- graphie von Friedrich Hempelmann,1911) weist, die denen im Grosshirn von Wirbeltieren ähnlich sind. Aufgaben des Nervensystems............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Reflexe 5 Reiz und Reaktion Sinnesorgane und Nervensystem Der Kniesehnenreflex Wie alle Lebewesen können und müssen auch wir Menschen Schlägt man mit einem harten Gegenstand auf den locker auf die Umwelt reagieren, um unseren Körper zu versorgen, herabhängenden Unterschenkel (gleich unter der Knieschei- zu schützen und zu erhalten (vgl. Merkmale des Lebens). be), so schnellt der Unterschenkel hoch. Das heisst, das Bein Reaktionen setzen voraus, dass wir Informationen aus der wird im Kniegelenk gestreckt. Diese Kickbewegung erfolgt Umwelt aufnehmen, verarbeiten, speichern und sinnvoll be- zwangsläufig und gleichförmig. antworten. Für die Beschaffung der Information sind primär die Sinnesorgane (Haut, Auge, Ohr, Zunge, etc.) zuständig, für die Auswertung und Speicherung sowie für die Planung und die Steuerung der Reaktion das Nervensystem. Reflexe Reflexe können angeboren (also genetisch bedingt) oder erworben sein. Die einfachsten Verhaltenselemente bei Tieren sind angeborene Reflexe. Sie laufen bei allen Tieren einer Art in gleicher Weise ab: einem Reiz folgt automatisch und unbedingt eine ganz bestimmte Reaktion. Dazu gehören z. B. das Atmen, das Husten und die Entleerung der Harnblase. Diese einfachen Verhaltensweisen erfolgen auf einen Reiz hin, ohne dass eine bewusste Steuerung notwendig ist. Mit Selbstversuch diesen angeborenen Reflexen stehen einem Lebewesen a. Sitzen Sie locker auf ihr Pult, lassen Sie die Beine herabhängen. Anpassungsleistungen und Überlebensfähigkeiten zur Ver- Lassen Sie von einer Person den oben beschriebenen Reflex bei fügung, die es nicht selbst erst erlernen muss. Reflexe führen sich auslösen (mit der Handkante unterhalb die Kniescheibe auf kürzestem Weg und damit rasch zu einer zweckmässigen schlagen). Reaktion. Das ist besonders wichtig, wenn das Verhalten zur b. Versuchen Sie den Reflex mehrmals hintereinander auszulösen. Abwehr einer Gefahr dient, wie z. B. beim Eindringen eines Beobachtung? Fremdkörpers in die Luftröhre oder in das Auge. Definition Reflex............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Reflexe 6 Der Reflexbogen (Beispiel Kniesehnenreflex) Abb. 3 Schematische Darstellung eines Reflexbogens. Genauere Betrachtung des Kniesehnenreflex Durch den Schlag (Reiz) auf die Patellarsehne wird diese ein- unterbinden, anhalten). Durch ein hemmendes Interneuron, gedrückt. Weil Sehnen nicht elastisch sind, wirkt der Schlag das sich zwischen den afferenten und den efferenten Axonen als Zugkraft auf den an der Sehne befestigten Muskel, den befindet, wird eine Erregungsleitung aktiv verhindert. Quadriceps (oder Oberschenkelstrecker). Dadurch wird der Muskel passiv gedehnt, was die Muskelspindeln, das sind Im Alltag hält der Kniesehnenreflex den Körper beim Stolpern Dehnungsrezeptoren im Muskel, registrieren, da sie eben- aufrecht. Zusammen mit dem Achillessehnenreflex hat er falls gestreckt werden. Die Dehnung der Muskelspindeln zudem die Funktion, beim Aufspringen auf den Boden (Deh- führt zu Erregungen in den nachgeschalteten Nervenzellen. nung der Streckmuskulatur) die Streckmuskeln reflektorisch Über sensorische oder afferente (lat. affere, herbeitragen, zu kontrahieren und das Gewicht des Körpers aufzufangen. mitführen) Nervenbahnen wird diese Information in die Der Kniesehnenreflex ist bei Nerven- und Rückenmarkser- graue Substanz des Rückenmarks weitergeleitet, wo der krankungen verändert. In der Neurologie (Teilgebiet der Zellkörper der betroffenen Nervenzelle liegt. Im Rückenmark Medizin) ist der Kniesehnenreflextest deshalb ein wichtiges wird die Erregung an andere Nervenzellen weitergegeben. diagnostisches Mittel. Diese Nervenbahnen leiten die verarbeiteten Erregungen zum Quadricepsmuskel und werden motorische oder effe- Aufgabe rente (lat. effere, herausbringen) Nervenbahnen genannt. Am Beschreiben Sie den Ablauf des Patellarsehnenreflexes mit Hilfe Quadriceps besteht Kontakt zu dessen Muskelfasern. des Textes auf dieser und der Abbildung auf der nächsten Seite. Kommen hier Erregungen an, so kontrahiert der Muskel. Dies lässt den Unterschenkel nach vorne schnellen. Um zu verhindern, dass neben dem Quadriceps auch dessen Antagonisten (Gegenspieler, hier: Musculus semimembra- nosus, Musculus semitendinosus) aktiviert werden, erfolgt auch auf diese eine Erregungsübertragung. Hier hat die Nervenübertragung allerdings keine aktivierende, sondern eine hemmende Wirkung (Inhibition, lat. inhibere: hemmen, Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Reflexe 7 Der Kniesehnenreflex beinhaltet eine Hemmung des Antagonisten 1............................................................................................................................................................................................................................................................ 2............................................................................................................................................................................................................................................................ 3............................................................................................................................................................................................................................................................ 4............................................................................................................................................................................................................................................................ 5............................................................................................................................................................................................................................................................ 6............................................................................................................................................................................................................................................................ 7............................................................................................................................................................................................................................................................ 8............................................................................................................................................................................................................................................................ 9............................................................................................................................................................................................................................................................ 10.......................................................................................................................................................................................................................................................... 11.......................................................................................................................................................................................................................................................... Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Reflexe 8 Reflextypen Eigenreflex und Fremdreflex Der Patellar-Sehnen-Reflex ist ein sogenannter Eigenreflex, weil die Muskelspindeln als Rezeptor und der Streckmuskel als Effektor in ein und demselben Organ liegen. Typisch ist die einmalige Umschaltung vom Rezeptor auf den Effektor. Eigenreflexe treten häufig bei Streckmuskeln auf. Sie haben eine sehr kurze Reflexzeit mit 20 bis 50 ms (Millisekunden) und ermüden praktisch nie. Die muskuläre Reaktion auf den Auslöser erfolgt ab einer bestimmten Reizintensität nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip. Berühren wir mit unserer Hand einen heissen Gegenstand, ziehen wir sie blitzschnell zurück. Reflexartige Bewegungen kommen also nicht nur durch Dehnungsreize wie beim Patellar-Sehnen-Reflex, sondern z. B. auch durch einen Hit- zereiz zustande. In diesem Fall liegen der Rezeptor und der Effektor jedoch in verschiedenen Organen. Man nennt einen solchen Reflex deshalb auch Fremdreflex. Der durch die Hitze aktivierte Schmerzrezeptor befindet sich in der Haut und die Effektor-Muskeln im Oberarm. Typischerweise erfolgt die Umschaltung bei Fremdreflexen über mehrere Nervenzel- len hinweg. Die Umschaltung kann via Hirnnerven oder via Rückenmark geschehen. Zu den Fremdreflexen gehören z.B. Abb. 4 ie Abbildung zeigt die Entwicklung verschiedener Re- D auch der Pupillenreflex, der Lidschlussreflex und der Speichel- flexe im ersten Lebensjahr eines Säuglings. flussreflex. Fremdreflexe sind im Gegensatz zu Eigenreflexen habituier- und unterdrückbar. Einige Beispiele für Reflexe Placing Reaction oder Steigreflex: Als Reiz streicht man über Moro-Reaktion: Umklammerungsreflex, ausgelöst durch ein den Fussrücken des Säuglings. Die Reflexantwort besteht in kurzes Zurückfallenlassen des Kopfes. einer Beugung des Beines und des Fusses als ob das Kind eine Stufe hochsteigen wollte. Puppenaugen-Reaktion: Bei schneller passiver Drehung des Reflexschreiten: Wenn das Kind unter den Achseln gehalten Kopfes wird ein Objekt nicht fixiert, so dass sich die Augen starr wird und so mit seinen Fusssohlen eine Unterlage berührt, wie bei einer Puppe mit dem Kopf mitbewegen. macht es automatische Schreitbewegungen. Glabella-Reflex: Schliesst die Augen bei Berührung der Nasen- Galant-Reflex: In Bauchlage erfolgt bei Bestreichen des Rüc- wurzel zwischen den Augen. kens neben der Wirbelsäule eine seitliche Krümmung des Rumpfes auf der stimulierten Seite. Oraler Suchreflex: Bei Berühren eines Mundwinkels wird der Kopf in die Richtung der Berührung gedreht. Amphibische Reaktion: Hält man das Baby horizontal ins Wasser, macht es Bewegungen, die denen beim Schwimmen Saugreflex: Bei Berührung des Gaumens fängt das Baby an zu sehr ähneln. saugen. Primitive Reflexes Magnet-Reflex: Stösst mit gestrecktem Bein zurück, wenn Fuss- sohlen berührt werden. Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Willkürliche Bewegungen 9 Willkürliche, also bewusste Bewegungen Bei willkürlichen, also bewussten Bewegungen sind die im Gehirn und Rückenmark. Diese beiden Organe bilden Verschaltungen komplexer als bei Reflexen, da sie über das zusammen das Zentralnervensystem (ZNS). Gehirn als «Schaltzentrale» laufen und daher auch gesteuert werden können. Bei Sportarten wie Tennis können wir die Über die Sinnesorgane erhält das ZNS fortwährend Infor- besonderen Fähigkeiten unseres Nervensystems zielge- mationen aus der Umwelt, die durch sensorische Nerven richtete Bewegungen zu koordinieren, gut erkennen. Der in Form elektrischer Signale zum Gehirn geleitet und dort Tennisspieler sieht den herannahenden Ball. Er läuft auf ihn ausgewertet werden (Integration der Information). So er- zu, holt mit dem Arm weit aus und schlägt den Ball zurück. kennt der Tennisspieler den Ball, seine Bewegungsrichtung Der ganze Vorgang dauert kaum eine Sekunde. und Geschwindigkeit. Nun sendet das Gehirn Signale durch motorische Nerven zur Muskulatur (Output). Die zugehöri- gen Muskeln ziehen sich zusammen – der Körper wird zum Ball bewegt. Jede Muskelaktivität verändert die Position des Spielers zum Ball. Von den Sinnesorganen erhält das Gehirn laufend Rückmeldungen darüber, wie vorangegangene Bewegungen die Körperstellung zum Ball verändert haben. Es vergleicht ständig die augenblickliche Position mit der erforderlichen und ermittelt daraus, welche Muskeln sich als nächste zusammenziehen müssen. Das Gehirn aktiviert nacheinander verschiedene Muskelgrup- Abb. 5 R oger Federer fixiert den Ball bis zum Treffpunkt, damit pen so lange, bis schliesslich die gewünschte Stellung des er seine Bewegungen bis zum Schluss anpassen kann. Spielers zum Ball erreicht ist. Man sagt: Die Muskelaktivität Diese schnellen, zielgerichteten Bewegungen werden durch wird geregelt. Das wesentliche Kennzeichen der Regelung das Zusammenwirken von Sinnesorganen, Muskulatur und ist die Wirkungskontrolle. Sie wird durch Rückmeldungen Nerven ermöglicht. Die Nerven sind stark verzweigt. Sie möglich. Dadurch entsteht ein Kreislauf von Signalen, ein erreichen alle Körperregionen und sind zum Nervensystem Regelkreis. vernetzt. Würde der Tennispieler beim ersten Anblick des ankommen- Ein Nerv ist mit einem Kabelbündel vergleichbar, das Hun- den Balls die Augen schliessen und so versuchen den Ball zu derte oder Tausende von Einzelkabeln enthält. Dabei ist die treffen, würde er ihn mit Sicherheit verfehlen. Hier bliebe die Nervenfaser das kleinste Element. Sie ist ein langer Ausläufer Rückmeldung aus. Nun würde sich eine Muskelaktivierung einer Nervenzelle. Insgesamt enthält der Körper mehr als 100 nicht mehr nach dem Ergebnis einer vorangegangenen Milliarden Nervenzellen. Die meisten liegen dicht gepackt richten. Text: Natura, Grundlagen der Biologie, 2007, Klett und Balmer Verlag Zug | Foto: www.spox.com (Stand: 04.08.2016) Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Willkürliche Bewegungen 10 Aufgabe Beschriften Sie Abbildung 6 unter Verwendung der folgenden Begriffe: Gehirn, Reiz, Reaktion, Rückenmark, Rezeptor, Effektor, sensorisches Neuron, Motoneuron, Interneuron Abb. 6 Verarbeitung eines Reizes durch das menschliche Nervensystem. (aus: Markl Biologie Oberstufe, Arbeitsbuch, Stuttgart 2010) Die richtige Funktion der Signalübertragung in unserem Körper ist nichts Selbstverständliches Der folgende Versuch führt uns eine körperliche Situation vor Augen, in welcher unsere Signalübertragung und -verarbei- tung überfordert wird. Es handelt sich um eine unnatürliche Situation, darum ist das Versagen für unser Leben ohne Belang. a. Die Versuchsperson (VP) faltet die Hände wie in der Abbildung rechts gezeigt. b. Nun zeigt (nicht berühren!) der Versuchsleiter auf einen Finger der gefalteten Hände und fordert die VP auf diesen Finger anzuheben. Erklärung Fingerverwechslungsversuch - NS liefert eine Falschmeldung -G egenüber dem normalen Bild der gefalteten Hände sind jetzt nicht nur rechts und links, sondern auch vorne und hinten vertauscht. - Dies ist durch die beschriebene Bewegung zustande gekommen, die im einzelnen aus Beugungen und Drehungen im Schultergelenk, Ellbogengelenk, im Unterarm und im Handgelenk bestanden. -Ü ber alle diese Drehungen ist das zentrale Nervensystem natürlich an sich informiert. Aber ihr Zusammenwirken ist so kompliziert, dass es daraus nicht die richtigen Konsequenzen ziehen kann. - Der Fingerverwechslungsversuch macht uns also auf eine Leistungsgrenze der Signalverarbeitung innerhalb unseres Körpers aufmerk- sam und führt uns vor Augen, dass die Fähigkeit, unseren Körper zu beherrschen, keine Selbstverständlichkeit ist. Sie ist von einem Signale übertragenden und verarbeitetenden System abhängig, das – wie hier – auch einmal überfordert sein kann. Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Bau der Nervenzellen 11 Bau der Nervenzellen Jeder vielzellige Organismus weist eine Differenzierung Kontakt. Neben den Neuronen besteht das Nervengewebe seiner Zellen auf. Diese bilden Gewebe und Organe, die aus Gliazellen, welche die Nervenzellen umgeben. Der grös- sich auf unterschiedliche Aufgaben spezialisiert haben. Die ste Teil der Nervenzellen des Nervensystems befindet sich im spezialisierten Zellen, die zum Nervensystem gehören, sind Gehirn (ca. 100 Milliarden). Diese verschalten die Informati- für die Informationsverarbeitung verantwortlich. Informa- on der ankommenden und abgehenden Neuronen. Reife tionen oder Reize kommen von ausserhalb und innerhalb Neuronen können sich nicht mehr teilen und werden mehr des Organismus, werden von Sinneszellen oder Rezeptoren als 100 Jahre alt. Sie sind auf Glucose und Sauerstoff für die (eine Art Sensoren) wahrgenommen und von den Nerven- Zellatmung angewiesen. Ohne Sauerstoff sterben sie nach zellen als Signale weitergeleitet. In den Nervenzentren (meist wenigen Minuten ab. Neuronen haben die gleiche Grund- Gehirne) werden die ankommenden Signale verarbeitet. Die struktur wie andere Körperzellen. Dieser Zellcharakter konnte kleinste Einheit des Nervensystems sind die Nervenzellen erst 1950 durch elektronenmikroskopische Aufnahmen der (Neuronen). Sie bilden im Organismus das Nervensystem Neuronen nachgewiesen werden: Jedes Neuron ist durch eine und haben mit allen anderen Organsystemen und Geweben Biomembran vom benachbarten Neuron isoliert. Neuronen Abb. 7 Bau eines typischen Wirbeltierneurons. Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Bau der Nervenzellen 12 können Erregungen erzeugen, verarbeiten und weiterleiten. den Fasern im Nervensystem ihr glänzend weisses Aussehen. Sie sind sehr vielgestaltig, haben aber trotzdem meist drei Wir werden später sehen, dass diese Isolation die Erregungs- Bauabschnitte mit speziellen Funktionen gemeinsam. An leitung enorm beschleunigt. Bei gewissen Krankheiten, wie dem einen Ende befinden sich fein verästelte Dendriten (gr. der Autoimmunkrankheit Multiple Sklerose, werden die dendron, Baum). Ihre Anzahl ist variabel, von einigen wenigen Myelinscheiden angegriffen, was zu Leitungsblockaden und bis zu mehreren Tausenden, und sie sind bis 0.3 mm lang. Die neurologischen Ausfällen führen kann. Dendriten nehmen Informationen von benachbarten Zellen auf und leiten sie weiter zum Zellkörper. Der Zellkörper hat einen Durchmesser von 0.01 bis 0.1 mm. In ihm selbst liegen sehr viele Mitochondrien sowie ein stark ausgeprägtes raues Endoplasmatisches Reticulum (rER) mit vielen Ribosomen. Im Zellplasma des Zellkörpers laufen die üblichen Stoffwechsel- vorgänge einer Zelle ab. Neuronen besitzen wie alle Zellen die gleichen Gene und die gleichen Zellorganellen wie andere Zellen. Der Zellkörper geht über in das weiterleitende Axon (gr. Achse). Der Übergangsbereich zwischen beiden heisst Axonhügel. Axone können sehr lang werden, beim Ischias- Nerv z. B. bis zu 1 m. Neuronen sind somit die grössten Zellen im menschlichen Körper. Vom Axon können Verzweigungen wegführen. Das Axon endet üblicherweise in Verdickungen. Diese Endknöpfchen ermöglichen die Informationsübertra- gung zur benachbarten Zellen wie z. B. anderen Nerven-, Mus- kel- oder Drüsenzellen. Sie bilden zusammen mit Teilen der Membran der benachbarten Zelle eine Synapse (gr. synapsis, Abb. 8 ervenzellen können sehr unterschiedlich geformt N Verbindung). Bei einem Motoneuron wird das Endknöpfchen sein. als motorische Endplatte bezeichnet. Gliazellen unterstützen Nervenzellen bei der Informationsverarbeitung Zu der unvorstellbar grossen Anzahl von Neuronen gesellen sich in einem Säugerhirn 10- bis 50-mal so viele Gliazellen. Glia bedeutet auf griechisch «Kitt, Leim», das beschreibt aber bei weitem nicht die heute bekannte Vielfalt der Funktionen von Gliazellen. Manche Gliazellen stützen tatsächlich die Nervenzellen mechanisch, andere helfen ihnen, während der Entwicklung die richtigen Kontakte zu knüpfen. Gliazellen isolieren Nervenzellen elektrisch so wie Kunststoffummante- lungen Elektrokabel. Axone peripherer Neuronen werden bei Wirbeltieren von Schwann'schen Zellen isoliert. Diese werden beim Menschen vom Stadium des Fetus bis zum 6. Lebens- jahr ausgebildet. Da die Axone durch die Umwicklung der Schwann'schen Zellen von der Umgebung isoliert werden, Abb. 9 ie roten Strukturen gehören zu den Nervenzellen, D spricht man von der Myelinscheide. Die Myelinscheide wird die zahlreicheren grünen Strukturen zu den Gliazellen im Abstand von ca. 1 mm durch sog. Ranvier'sche Schnür- (Typ: Oligodendrozyten). (Fluoreszenzmikrokopisches Bild, ringe unterbrochen. Myelin, ein lipidreiches Material, gibt aus: www.uni-mainz.de) Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Membranpotential 13 Grundlagen der Bioelektrizität Nervenzellen stehen «unter Strom» Das Membranpotential Hört man das Wort «Elektrizität», denkt man zuerst an Physik Normalerweise fliesst in einer Flüssigkeit kein Strom, da die und Technik, aber nicht an Lebewesen. Dabei spielen elek- positiven und negativen Ladungen gleichmässig verteilt sind. trische Phänomene für alle Tiere eine bedeutende Rolle: Der Damit überhaupt Strom fliessen kann, müssen elektrische La- italienische Arzt und Naturforscher Luigi Galvani beobachtete dungen getrennt werden. Nur durch Ladungstrennung baut 1780 an sezierten Froschschenkeln, die mit Kupferhaken an sich eine Ladungsdifferenz auf, eine Spannung zwischen einer Eisenstange hingen, Muskelzuckungen. Er folgerte positivem und negativem Pol. In Zellen bewirkt die Zell- daraus, dass in Lebewesen elektrische Prozesse ablaufen. In membran eine Ladungstrennung. Die Lipiddoppelschicht weiteren Versuchen konnte er zeigen, dass Nerven beteiligt der Zellmembran ist nahezu undurchlässig für Ionen. Sie waren. Heute weiss man: Jede tierische Zelle – ob es sich stellt eine elektrisch isolierende Schicht dar. Eine Ungleich- um Einzeller, Darmzelle oder Neuron handelt – ist gegen- verteilung von Ladungen kann sich also nicht sofort wieder über dem Umgebungsmedium elektrisch geladen. Sinnes-, ausgleichen. Es entsteht eine als Membranpotential bezeich- Muskel- und Nervenzellen sind sogar darauf spezialisiert, nete Ladungsdifferenz. Zwar ist die Lipiddoppelschicht für auf elektrische Erregung zu reagieren oder selbst elektrische Ionen unpassierbar, aber in der Zellmembran befinden sich Signale zu erzeugen. Lebewesen bestehen zu etwa 80 % aus Tunnelproteine, durch welche Ionen hindurchtreten können. Wasser. In wässrigen Lösungen wird der Strom durch Ionen Solche lonenkanäle sind ausgesprochen selektiv: Meist lässt getragen, welche die elektrische Leitfähigkeit der Lösung jeder lonenkanal nur eine Sorte Ionen passieren. Fliessen erhöhen. Auch die mit Flüssigkeit gefüllten Räume in den Ionen durch Kanäle über die Membran, misst man einen Lebewesen enthalten gelöste Ionen, nämlich Salze. elektrischen Stromfluss, denn Strom ist nichts anderes als eine Bewegung von elektrisch geladenen Teilchen. Abb. 10 Eine ungleichmässige Ladungsverteilung innerhalb und ausserhalb der Zelle führt zu einer elektrischen Spannung. Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Membranpotential 14 Das Membranpotential basiert auf drei Phänomenen Ein mit Wasser gefülltes Gefäss wird durch eine Membran in zwei Hälften geteilt. Lösen Sie die folgenden Aufgaben. Berück- sichtigen Sie dabei die unterschiedlichen Bedingungen. Aufgaben 1. Sie geben der linken Seite des Gefässes (Ausgangssituation) 6 Moleküle lösliches Kochsalz (NaCl) zu. Die Membran ist für sämtliche Teilchen permeabel. Welche Verteilung erhalten Sie, wenn Sie geduldig warten? Zeichnen Sie die Anfangs- und die Endsituation ein. Ausgangssituation Endsituation Membran Membran 2. Wieder geben Sie der linken Seite des Gefässes (Ausgangssituation) 6 Moleküle lösliches Kochsalz (NaCl) zu. Die Membran ist diesmal nur für Na+ -Teilchen permeabel. Welche Verteilung erhalten Sie, wenn Sie geduldig warten? Zeichnen Sie die Anfangs- und die Endsituation ein. Ausgangssituation Endsituation Membran Membran Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Membranpotential 15 Die Zellmembran ist eine selektive Trennwand Das Membranpotential basiert auf drei Phänomenen: der chemische Gradient (Konzentrationsunterschied), der elek- trische Gradient (Ladungsunterschied) und der selektiven Permeabilität von Membranen. Im Zusammenhang mit dem Membranpotential sprechen wir deshalb von einem elektrochemischen Gradienten. 1. Der chemische Gradient Befinden sich auf einer Seite einer Membran mehr Teilchen als auf der anderen, so bewegen sich mehr Teilchen von der Seite mit der hohen Konzentration zu jener Seite mit tieferer Konzentration als umgekehrt (Diffusion). 2. Der elektrische Gradient Ionen tragen elektrische Ladungen. Besteht zwischen den zwei Membranseiten ein Ladungsunterschied, so entsteht eine Kraft, welche die Ladungsunterschiede aufzuheben versucht. 3. Selektive Permeabilität der Membranen Zellmembranen sind für Ionen grundsätzlich nur schwer passierbar. Allerdings befinden sich in den Membranen Tun- nelproteine, die einzelne Ionen mit erstaunlicher Selektivität passieren lassen. Dieser Umstand führt dazu, dass durch das Zusammenspiel des chemischen und des elektrischen Gra- dienten ein Ladungsungleichgewicht, d.h. eine elektrische Spannung, resultiert. Aufgaben 3. Herrschen innerhalb und ausserhalb der Zelle unterschiedliche Ladungsverhältnisse vor, entsteht eine Spannung. Die Ladung auf einer Seite errechnet sich aus der Summe aller vorhandenen Ladungen. innen aussen K+ P- Na+ Membran Na+ = Natriumionen Na+ K+ P- Na+ P- K+ = Kaliumionen K+ Na+ K + Cl- Cl- Referenzseite Cl - = Chloridionen P- Na+ Na+ K+ Na+ P - = Proteine P- P- Ladung (insg.).................................................. Membranpotential......................... (innen gegenüber aussen) Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Membranpotential 16 Das Ruhepotential Entstehung des Ruhepotentials Sie wissen nun, dass es im Wasser innerhalb und ausserhalb 1. die spannungsgesteuerten Natriumkanäle der Zellen gelöste Teilchen hat, die eine elektrische Ladung 2. die nicht spannungsgesteuerten Kaliumkanäle (Hintergrund- haben können (Ionen). Da diese Teilchen die Biomembranen kanäle) nicht einfach ungehindert passieren können, kann bei einer 3. die Na+/K+ - Pumpen ungleichmässigen Verteilung eine elektrische Spannung ent- stehen. Diese Spannung nennt man Membranpotential oder Solange die Zelle nicht erregt ist, sieht die Situation wie folgt Ruhepotential. Im Zusammenhang mit Nervenzellen stehen aus: dabei vor allem zwei Ionen im Fokus: die Kalium- (K ) und die + - Die spannungsgesteuerten Natriumkanäle sind geschlossen. Natriumionen (Na ). Damit die Spannung kontrolliert werden + - die Kaliumkanäle, die nicht spannungsgesteuert sind (Hinter- kann, hat es in der Zellmembran spezielle Transportproteine, grundkanäle), sind offen. die Na , respektive K -Ionen durch die Membran schleusen. + + Bei den Transportproteinen handelt es sich teilweise um Als Erstes betrachten wir die Natrium - Kalium-Pumpe: Sie einfache Tunnels, die für gewisse Ionen stets offen sind. Die befördert unter Energieverbrauch (ATP) immer drei Natri- Ionen wandern dann entlang ihres Gradienten nach aussen umionen nach aussen und gleichzeitig zwei Kaliumionen oder nach innen. Der Transport erfordert hier keine Energie. nach innen. Somit gelangt etwas mehr positive Ladung nach Andere Transportproteine hingegen sind spannungsgesteu- aussen, als dass positive Ladung ins Zellinnere gelangt. Dieser ert, d. h. bei einer gewissen Spannung gehen sie auf oder zu. Prozess läuft die ganze Zeit ab, bei Nervenzellen intensiver als Zudem gibt es Ionenpumpen, die unter Energieaufwand (ATP bei normalen Zellen. Somit sind nach einiger Zeit im Zellin- -> wird bei der Zellatmung produziert) Ionen ins Zellinnere neren fast keine Natriumionen mehr vorhanden, die Anzahl oder nach aussen pumpen. Im folgenden wird der Aufbau Kaliumionen aussen nimmt auch ab. Die Natriumionen des Ruhepotentials erklärt, wobei drei Transportproteine für können nicht ins Zellinnere gelangen, da die Natriumkanäle uns wichtig sind: Abb. 11 Ionenkanäle und Ionenpumpen liegen in der ansonsten für Ionen undurchlässigen Lipiddoppelschicht. (aus: Markl Biologie Oberstufe, Klett Verlag, Stuttgart 2011) Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Membranpotential 17 geschlossen sind. Schlussendlich ist das Innere einer Nerven- In Nervenzellen (Neuronen) werden 50-70 % des gesamten zelle mit ca. -70 mV geladen (polarisiert). Für die Natriumionen Energieumsatzes für die Na+/K+-Pumpe aufgewendet. Die ist das Konzentrationsgefälle gegen das Innere der Zelle ge- elektrochemische Energie, die das Ruhepotential darstellt, richtet, gleichzeitig zieht die negative Ladung im Zellinneren dient hier zur Erzeugung von elektrischen Signalen, den die Natriumionen an. Es besteht also eine sehr starke Tendenz Aktionspotentialen (vgl. später). Elektrisch inaktive Zellen, die für Natriumionen ins Zellinnere einzudringen – vergleichbar kein Aktionspotential erzeugen, wenden dagegen nur 30 % mit Wassermassen, die sich hinter einem Staudamm stauen. ihres Energieumsatzes für die Na+/K+-Pumpe auf. Immer wieder gelangen einzelne Natriumionen in das Zel- linnere, diese werden dann jedoch durch die Na+/K+-Pumpe wieder nach aussen transportiert. Das Ruhepotential stellt also eine Form von gespeicherter elektrochemischer Energie dar. Diese Energie kann sich in einen Stromfluss verwandeln, sobald die Membran für Natriumionen durchlässig wird. Erstellen eines Stop Motion Films Auftrag: Sie stellen einen Stop Motion Film her, der die Entstehung des Ruhepotentials erklärt. 1. Bilden Sie Zweiergruppen, schauen Sie das Tutorial «How to make stop motion videos» auf youtube und machen Sie sich Notizen. 2. Installieren Sie auf einem Smartphone die App «Stop Motion Studio» oder «Stop Motion Factory». 3. Lesen Sie den Text «Entstehung des Ruhepotentials» durch. 4. Holen Sie vorne ein Stativ und nehmen Sie ein Blättchen mit den aufgezeichneten Ionen (Na+ = Natriumionen, K+ = Kali- umionen) mit an den Platz. 5. Nehmen Sie ein Smartphone mit der installierten Stop Motion App hervor und befestigen Sie das Smartphone so auf dem Stativ, dass Sie den Auslöseknopf drücken können. Das zu photografierende Bild sollte auf dem Display sichtbar sein. 6. Legen Sie die Seite 18 querseitig hin und befestigen Sie sie mit Klebeband, damit sie nicht verschoben wird. 7. Schreiben Sie Ihre Namen sichtbar auf das Blatt. 8. Schreiben Sie alle sichtbaren Strukturen und die Innen- und die Aussenseite der Zelle an. 9. Legen Sie nun auf der Innen- und Aussenseite der Membran jeweils 8 Natrium- und 8 Kaliumionen hin. 10. Betätigen Sie die Natrium-Kalium Pumpe zweimal. Um die Bewegung der Ionen sichtbar machen zu können, drücken Sie den Auslöser nach jeder kleiner Verschiebung der Rondellen (etwa 0.5 cm) einmal. 11. Kennzeichnen Sie die Ladungssituation mithilfe von mobilen Zetteln. Denken Sie daran die Zettel lange genug auf dem Blatt zu lassen, damit wir sie nachher im fertigen Film auch sehen können. 12. Speichern Sie das File auf Ihrem Computer und laden Sie es auf MS Teams hoch (Neurobiologie/Stop Motion Filme). Verwenden Sie folgenden Filenamen: 2024-SM-Name1-Name2 (Bsp. 2024-SM-Judith-Anna). Das Nichtbefolgen des beschriebenen Prozedere gibt Punkteabzug. 13. Eingabeschluss ist................................................................................ Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Membranpotential 18 Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Aktionspotential 19 Das Aktionspotential (AP) Das Nervensignal heisst Aktionspotential Im folgenden wird die Entstehung und Weiterleitung eines ist. Der K+ -Ausstrom vermindert den Überschuss positiver Nervensignals erklärt. Das Nervensignal wird Aktionspoten- Ionen in der Zelle, das positive AP verschwindet (Repolarisati- tial (AP) genannt. Für das Verständnis des Aktionspotentials on) und es entsteht wieder ein negatives Membranpotential. ist, neben den drei bereits bekannten, ein weiteres Trans- portprotein wichtig: Hyperpolarisation - der spannungsgesteuerte Kaliumkanal Die K+ -Kanäle schliessen sich etwas langsamer als die Na+ -Kanäle. Bis alle geschlossen sind und nur noch die K+ -Hin- Wie Sie bereits wissen, ist im Ruhezustand das Zellinnere tergrundkanäle offen sind, wird das Ruhepotential bereits des Neurons gegenüber der Aussenseite negativ geladen unterschritten. Da die Membran in dieser Phase noch stärker (Ruhepotential, - 70 mV). Positive Na -Ionen wurden aktiv aus + polarisiert wird als im Ruhepotential, nennt man diese Phase der Zelle herausgeschleust und haben daher eine starke Ten- Hyperpolarisation. denz, ins Zellinnere einzudringen (Konzentrationsausgleich und Ladungsausgleich). Die Zellmembran des Neurons ist Ruhepotential jedoch für Na -Ionen fast undurchlässig. In der Membran gibt + Schliesslich stellt die Na+/K+ -Pumpe die ursprüngliche Ionen- es zwar spezifische Na+ -Kanäle, sie sind aber normalerweise verteilung und damit das Ruhepotential wieder her, indem verschlossen. sie Na+ nach aussen und K+ nach innen transportiert. Der Auf- und Abbau eines Aktionspotentials dauert 1 bis 2 ms. Überschreitung des Schwellenwerts Danach können die Na+ -Kanäle für einige Millisekunden nicht Die herausragende Besonderheit dieser Na+ -Kanäle liegt geöffnet werden, da sie sich regenerieren müssen (Refraktär- in ihrer Spannungsabhängigkeit: Durch einen Reiz wird zeit). In dieser Zeit kann die Membran an dieser Stelle keine die Nervenzelle leicht depolarisert, d. h. einige spannungs- Aktionspotentiale bilden. abhängige Na -Känale öffnen sich und das Zellinnere ist + kurzzeitig weniger negativ geladen als beim Ruhepotential. Ist der Reiz genügend stark, erreicht die Depolarisation den Schwellenwert von - 55 mV. Nun öffnen sich sämtliche spannungsabhängigen Na+ -Kanäle und Na+ -Ionen können Aufgaben in die Zelle eindringen. Na -Ionen haben gleich zwei An- + 1. Auf der nächsten Seite finden Sie die unbeschriftete Span- triebe in das Innere des Neurons zu gelangen: Sie befinden nungskurve, die sich bei der Auslösung eines Aktionspotentials sich aussen im Überschuss und sie können zugleich dem ergibt. Füllen Sie die Tabelle unterhalb des Diagramms aus, elektrischen Gradienten folgen. Nach 1 ms schliessen sich indem Sie dort die jeweiligen Zustände/Prozesse/Ereignisse die spannungsabhängigen Na -Kanäle wieder und sind + stichwortartig zusammenfassen. kurzzeitig nicht mehr aktivierbar. Der Na -Einstrom versiegt. + Jetzt ist das Zellinnere gegenüber dem Zelläusseren positiv 2. Weisen Sie die Kanalzustände 1-5 den Phasen des Aktionspo- geladen (+ 30 mV). tentials a-e zu. Repolarisation Das hat Auswirkungen auf die K+ -Ionen: Für diese Ionen zeigt der Konzentrationsgradient von innen nach aussen. Zusätzlich ist im Zellinneren durch den Na+ -Einstrom ein positiver Ladungsüberschuss entstanden. Kurz bevor das AP Das Aktionspotential (GIDA) den Höchststand erreicht, schliessen sich die Na -Kanäle und + zusätzliche, spannungsgesteuerte K+ -Kanäle öffnen sich. K+ http://www.nanoo.tv/link/v/siFHzFEZ -Ionen diffundieren nach aussen, wo ihre Konzentration tiefer Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Aktionspotential 20 1. 3 2 1 4 Beschreibung des Zustands, der Prozesse und Ereignisse a 1 b 2 c 3 d 4 e 2. Nummer a b c d e 1 2 3 4 5 (Abbildungsquelle: Markl Biologie Oberstufe, Klett Verlag, Stuttgart 2011) Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Aktionspotential 21 Erregungsleitung entlang des Axons Das Axon leitet Aktionspotentiale ohne Verlust weiter Das Aktionspotential (AP) wird beim Axonhügel ausgelöst. Von hier muss es zuverlässig das Ende des Axons, welches beim Menschen mehr als einen Meter entfernt sein kann, erreichen. Wie das der Körper bewerkstelligt, schauen wir uns im Folgenden genauer an. Das Aktionspotential wird am Axonhügel nach dem Alles- Abb. 12 D as Aktionspotential darf auf seinem Weg nicht ab- oder-Nichts-Prinzip gebildet. Wird das Schwellenpotential geschwächt werden. Bei besonders langen Leitungen überschritten, kommt es durch die kaskadenartige Öffnung sorgt die saltatorische Erregungsleitung für die Sig- von spannungsabhängigen Na+ -Kanälen zu einem massen- nalerhaltung. (aus: Markl Biologie Oberstufe, Klett Verlag, Stuttgart 2011) haften Einstrom von Na+ -Ionen: Ein AP ist entstanden. Damit ein AP als Signal auch auf weite Entfernung wirken kann, muss es entlang des Axons weitergeleitet werden. Das Anziehung erfahren und an Beweglichkeit verlieren. Für die AP wandert dabei nicht durch das Axon wie eine Druckwelle Evolution der Erregungsleitung in Neuronen sind eine hohe durch einen Schlauch, sondern es wird auf der Membran Mobilität der Ionen und ein minimaler Leckstrom von Vorteil. entlang der Wegstrecke immer wieder neu aufgebaut. Nun, Schwann,sche Zellen lassen alle 0.2 bis 2 mm eine Lücke von wie geht das? etwa einem Mikrometer in der Isolation. An diesen Stellen liegt die Axonmembran frei zur Aussenseite (Ranviersche Die Depolarisation bei einem AP führt auch in den benach- Schnürringe). Hier ist die Membran besonders dicht mit barten Membranbereichen zur Öffnung spannungsabhän- den spannungsgesteuerten Ionenkanälen besetzt. Nur an giger Na -Kanäle, da die einströmenden Na -Ionen auch + + diesen freiliegenden Stellen können die Aktionspotentiale benachbarte Kanäle aktivieren. So entsteht auch hier ein neu entstehen. Über den isolierten Abschnitt des Axons AP, das wiederum in der direkten Nachbarschaft die Bildung kann sich das Signal dagegen besonders verlustarm und weiterer AP`s herbeiführt. Jetzt fragen Sie sich vielleicht: sehr viel schneller als der Ionenstrom ausbreiten und den «Weshalb wandert das Signal dann immer nur in eine Rich- nächsten freiliegenden Abschnitt des Axons früher bis zum tung?» Die Antwort ist einfach: Die Tore für die Na -Ionen, + Schwellenwert depolarisieren. Da das Aktionspotential von d. h. die spannungsabhängigen Na -Kanäle, lassen sich + Schnürring zu Schnürring zu springen scheint, spricht man unmittelbar nach deren Öffnung für einige Millisekunden von saltatorischer Erregungsleitung (lat. saltare, springen). nicht mehr öffnen. Man spricht in diesem Zusammenhang Die saltatorische Erregungsleitung benötigt auch weniger von der Refraktärzeit (lat. refrangere, abbrechen, aufhören). Energie. Das ist ein grosser Vorteil, wenn man bedenkt, dass unser Gehirn auch mit Myelinisolierung noch rund 20 % des Springende Aktionspotentiale beschleunigen die Grundumsatzes an Energie benötigt. Erregungsleitung Bei Wirbeltieren hat sich die Fortleitungsgeschwindigkeit Bei der Geburt fehlen die Myelinhüllen beim Menschen noch entlang ihrer Axone im Verlauf der Evolution durch eine weitgehend. Deswegen haben Babys und Kleinkinder noch Isolation mit der lipidreichen Substanz Myelin erhöht. Die eine «lange Leitung». Ein einjähriges Kind kann seine Hand Isolation vermindert Leckströme durch die Membran, d.h. von einem heissem Gegenstand bereits viermal so schnell einzelne Ionen wandern weniger einfach zufällig durch die wegziehen wie ein wenige Wochen altes Baby. Membran. Gleichzeitig hält die dickere Trennschicht gegen- polige Ionen voneinander ab. Diese würden sonst aufgrund ihrer gegensätzlicher Ladung selbst durch die Membran eine Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Aktionspotential 22 Aufgaben Die folgende Abbildung zeigt die Erregungsleitung in einem unmyelisierten Axon. Achtung: Es handelt sich um ein und denselben Axonabschnitt zu verschiedenen Zeitpunkten (t0, t1, t2)! 1. Illustrieren Sie die Ladungssituation am jeweiligen Ort des Axons mithilfe von + / - Zeichen (leere Kästchen). 2. Warum kann ein Aktionspotential – wenn es einmal die Mitte eines Axons erreicht hat – nicht wieder zurück zum Zellkörper geleitet werden? Wird dieser Tatsache in der Abbildung zeichnerisch Rechnung getragen?............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ Hier ist das AP bereits Hier herrscht noch Hier herrscht noch angekommen das Ruhepotential das Ruhepotential - + Quelle: Markl Biologie Oberstufe, Klett Verlag, Stuttgart 2011 Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Aktionspotential 23 Die folgende Abbildung zeigt die Erregungsleitung in einem myelisierten Axon. Achtung: Es handelt sich um ein und denselben Axonabschnitt zu verschiedenen Zeitpunkten (t0,t1)! 3. Illustrieren Sie die Ladungssituation am jeweiligen Ort des Axons mithilfe von + / - Zeichen (leere Kästchen). 4. Die Kanalzustände am Axon sind durchnummeriert (1-6). Weisen Sie die Kanalzustände den Abschnitten auf der Aktionspoten- tialkurve zu (Bsp. 1 -> auf Kurve Abschnitt c: Schwellenwert - Peak). 5. Welche drei Vorteile ergeben sich aus der Myelinisierung? -......................................................................................... -......................................................................................... -......................................................................................... 1. 2. 3. 4. 5. 6. Quelle: Markl Biologie Oberstufe, Klett Verlag, Stuttgart 2011 Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Aktionspotential 24 Eigenschaften des Aktionspotentials a. b. c. d. Abb. 13 R eizung eines Nervs mit verschiedenen Reizstärken. Durch die Dehnung eines Muskels entsteht bei den Dehnungsrezepto- ren, hier den Muskelspindeln, ein Rezeptorpotential. (aus: Markl Biologie Oberstufe, Klett Verlag, Stuttgart 2011) Aufgaben 1. Betrachten Sie einmal nur die Spalte «physikalischer Reiz». Wie unterscheiden sich die Reize a/b/c voneinander und wie unter- scheiden sich die Reize c und d voneinander?........................................................................................................................................................................................................................................................................... 2. Welche Bedeutung hat die gestrichelte Linie und welches Prinzip steht dahinter?........................................................................................................................................................................................................................................................................... 3. Wie wirken sich die unterschiedlichen Reizstärken auf der Ebene der Aktionspotentiale aus?........................................................................................................................................................................................................................................................................... 4. Wie verändert sich das Rezeptorpotential mit zunehmender Reizdauer? Erklären Sie den Effekt mithilfe des Ionenflusses / Ionen- kanälen..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 5. Wie manifestiert sich eine verlängerte Reizdauer bei den Aktionspotentialen? Erklären Sie die Entwicklung mithilfe des Rezeptor- potentials. Steht auch das bei Aufgabe 2 beschriebene Prinzip dahinter?........................................................................................................................................................................................................................................................................... Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Synapsen 25 Neuronen kommunizieren miteinander über Synapsen Die chemische Synapse Kommunikation ist die herausragende Leistung der Zellen die Endknöpfchen am Axonende, so wird präsynaptisch ein des Nervensystems. Die Synapse ist die Kommunikations- Botenstoff (Neurotransmitter) ausgeschüttet, der über den stelle zwischen zwei Neuronen oder einem Neuron und einer synaptischen Spalt diffundiert und zur postsynaptischen anderen Zielzelle, z. B. einer Drüsenzelle (Bsp. Ausschüttung Membran des nächsten Neurons gelangt. Hier eingelagert von Hormonen bei Stress). Ein weit verbreiteter Synapsentyp befinden sich spezifische Rezeptoren, an die die Transmit- ist die chemische Synapse. Sie besteht aus der präsynapti- termoleküle binden. Aktivierte Rezeptoren führen zu einer schen Membran am sendenden Neuron, der postsynap- veränderten Ionendurchlässigkeit der Membran und lösen so tischen Membran am empfangenden Neuron und dem postsynaptische Potentiale aus (PSP), die zu Aktionspotenti- dazwischenliegenden synaptischen Spalt, einem extrazel- alen im postsynaptischen Neuron führen können. lulären Raum von 20 nm Breite. Erreicht ein Aktionspotential Abb. 14 Die Abbildung zeigt eine chemische Synapse (schematisch). Abb. Nervenzelle: Markl, Biologie Oberstufe, Klett Verlag, Stuttgart 2011) Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Synapsen 26 Die synaptische Übertragung Am präsynaptischen Endknöpfchen depolarisiert ein ankom- ganden (Acetylcholin) seine Konformation von «geschlossen» mendes Aktionspotential die präsynaptische Membran (1), auf «offen». Na+ -Ionen strömen in die postsynaptische Zelle die dort spannungsgesteuerte Calcium-Ionenkanäle (Ca2+ und depolarisieren die Membran (6); man sagt, sie erzeugen -Kanäle) enthält. Sie öffnen sich und Ca -Ionen strömen auf- 2+ ein erregendes postsynaptisches Potential (7), das im post- grund der höheren Aussenkonzentration in die Zelle ein (2). synaptischen Neuron, wenn es dann genügend stark ist, ein Aktionspotential auslösen kann. Mit Neurotransmittermolekülen gefüllte, membranumhüllte Bläschen (Vesikel) können durch den Anstieg der Ca2+ -Kon- Seit dem Eintreffen des Aktionspotentials an der Präsynapse zentration mit der Membran der Präsynapse verschmelzen sind nur 0.1-0.5 ms vergangen. Das Acetylcholin löst sich nun (3) und ihren Inhalt (6000-8000 Transmittermoleküle) in den wieder vom Rezeptor (8) und wird im Spalt von einem Enzym, synaptischen Spalt entleeren (4). Leere Vesikel werden am der Acetylcholinesterase (9), in Acetyl und Cholin gespalten. Rand der Präsynapse zurückgewonnen (11). Die Na+ -Kanäle schliessen sich wieder. So endet die Signal- übertragung. Das Cholin wird von der Präsynapse mittels Eine häufig vorkommende erregende chemische Synapse Symporter (10; Symport: zwei Teilchen werden gleichzeitig schüttet als Neurotransmitter Acetylcholin (ACh) aus. Ei- 1 aufgenommen: hier Na+ und Cholin) aufgenommen. Acetyl nige der im Spalt diffundierenden Acetylcholin-Moleküle und Cholin reagieren wieder zu Acetylcholin (12). Dieses wird treffen auf spezifische Rezeptoren in der postsynaptischen erneut in Vesikel verpackt (13) und der Kreislauf beginnt von Membran und binden an diese (5). In diesem Beispiel ist der neuem. Acetylcholin-Rezeptor selbst ein Natrium-Ionenkanal und besitzt in Richtung des synaptischen Spalts zwei Acetylcholin- Bindungsstellen. Dieser sogenannte ligandengesteuerte Na+ -Kanal (lat. ligare, binden) ändert durch die Bindung der Li- 1 Der Neurotransmitter in den motorischen Endplatten ist auch Acetylcholin. Aufgaben 1. Lesen Sie den Text «Die synaptische Übertragung». 2. Benennen Sie die gezeichneten Strukturen und Stoffe (Tabelle rechts) und ergänzen Sie die leeren Kreise mit der im Text erwähnten Nummer. 1 spannungsgesteuerter Na+ -Kanal Abb. 15 Die synaptische Übertragung erfolgt bei dieser erregenden Synapse mit dem Neurotransmitter Acetylcholin. (aus: Markl, Biologie Oberstufe, Klett Verlag, Stuttgart 2011) Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Synapsen 27 Wirkung von verschiedenen Synapsengiften (Gruppenarbeit) Tragen Sie die Wirkungen der behandelten Synapsengifte in den entsprechenden Farben ein. Vervollständigen Sie die Tabelle. Gift Herkunft Wirkungsweise Curare (rot) Atropin (blau) Gift der Schwarzen Witwe (grün) Alkylphosphat (gelb) Botulinum (braun) Nicotin (schwarz) Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Synapsen 28 Neurotransmitter – eine Auswahl Acetylcholin Acetylcholin (ACh) ist einer der wichtigsten Neurotransmitter in vielen Organismen, so auch im Menschen. Acetylcholin spielt an der Schnittstelle zwischen motorischen Nerven und der Skelettmuskulatur eine entschei- dende Rolle (motorische Endplatte). Aber auch im Gehirn finden sich viele Neuronen mit Acetylcholin als Botenstoff. Zudem ist Acetylcholin der zentrale Abb. 16 A cetylcholin ist ein wichtiger Botenstoff Botenstoff des Parasympathikus: Alle Neuronen, die direkt mit den Endorgan bei der Innervation der Muskulatur und (Bsp. Speicheldrüse) in Verbindung stehen, verwenden Acetylcholin als des Parasympathikus. Neurotransmitter. Serotonin Serotonin kommt u.a. als Neurotransmitter in speziellen Gehirnzellen vor, die mit ihren Axonen praktisch alle Regionen des Gehirns innervieren. Sie beeinflussen damit das Schmerzempfinden, den Schlaf- und Wachrhythmus und den Gemütszustand. Studien haben gezeigt: Ist Serotonin im Gehirn im Übermass vorhanden, können Unruhe und Halluzinationen entstehen. Serotoninmangel kann zu depressiven Verstimmungen, Angst und Aggres- Abb. 17 S erotonin beeinflusst z.B. das Schmerz- empfinden, Schlaf- und Wachrhythmus sionen führen. Viele Antidepressiva und Medikamente gegen Angst erhöhen und den Gemütszustand. gezielt die Menge verfügbaren Serotonins im Gehirn (dazu zählt das bekannte Medikament Prozac)1. Dopamin Dopaminhaltige Neuronen finden sich im Mittelhirn (genauer: in der Substan- tia nigra). Sie sind für die Steuerung von willkürlichen Bewegungen wichtig. Degenerieren die dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra, löst das verhängnisvolle motorische Störungen aus: die Parkinson-Krankheit2. Dopamin wird zudem eine wichtige Rolle bei der Motivation zugeschrieben (Belohnungssystem). Erhöht man durch geeignete Wirkstoffe die verfügbare Abb. 18 D opamin spielt u.a. als Botenstoff im Dopaminmenge, so wirkt sich das stimulierend aus, oft allerdings auch Belohnungszentrum eine Rolle. suchterzeugend. 1 edikamente, die den Serotoninspiegel erhöhen, gelten als nebenwirkungsreich und ihre Wirksamkeit variiert bei verschiedenen Patienten stark. M 2 Parkinson-Krankheit = Schüttel/Zitterlähmung Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Organisation des Nervensystems 29 Die Organisation des Nervensystems Für die Unterteilung des Nervensystems beim Menschen gibt es zwei Möglichkeiten: Zentrales und peripheres Nervensystem Das Nervensystem kann in ein zentrales und ein peripheres Nervensystem un- terteilt werden. Zum zentralen Nervensystem (ZNS) gehören bei Wirbeltieren die übergeordneten Zentren Gehirn und Rückenmark, zum peripheren Nervensystem (PNS) alle Nervenzellen und Nervenbahnen ausserhalb davon. Sie verbinden die Körperorgane und Körperperipherie mit dem zentralen Nervensystem. Wir unterscheiden zwischen sensiblen (afferenten) Nerven, welche Informationen von Sinnesorganen zu dem Gehirn leiten und moto- rischen (efferenten) Nerven, welche vom ZNS aus die Muskulatur innervieren. Einteilungskriterium:....................................................................................................................... Abb. 19 Das zentrale und das periphere Nervensystem. Willkürliches und vegetatives Nervensystem Ausserdem unterscheidet man das willkürliche (soma- tische) Nervensystem, das alle dem Bewusstsein und dem Willen unterworfenen Vorgänge (z. B. die Bewe- gung von Muskeln) steuert, und das vegetative (autonome) Nervensystem, welches hauptsäch- lich die Funktionen der inneren Organe reguliert. Es ist durch den Willen nur wenig beeinflussbar. Beide haben enge Beziehungen zum Hormon- und Immunsystem und sind weder von der Funktion noch vom Aufbau her eindeutig trennbar – insbe- sondere im ZNS sind beide Systeme weitgehend miteinander verflochten. Einteilungskriterium:......................................................................................................... Abb. 20 D as vegetative (autonome) Nervensystem reguliert die Aktivität der inneren Organe wie Lunge, Darm, Niere oder Herz. Bildquellen: Pearson Education 2005; www.94.247.146.63/bglh/vomleben4/kap4/55-1-Vegetatives-Nervensystem.jpg Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Organisation des Nervensystems 30 Organisation nach Lage Organisation nach Funktion Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Organisation des Nervensystems 31 Das vegetative (autonome) Nervensystem Nerven sind Bündel von Axonen, die von Bindegewebe unterteilt man das vegetative Nervensystem in Sympathikus umhüllt sind. Axone, die Aktionspotentiale zum Zentral- und Parasympathikus. Der Sympathikus kann als das System nervensystem (ZNS) transportieren, werden als sensorische charakterisiert werden, das die Kampf - oder - Flucht («flight Fasern bezeichnet, weil manche dieser Informationen von or fight») Reaktion steuert: Bei seiner Aktivierung nehmen Sinnesorganen stammen und zu bewussten Sinneswahrneh- Herzschlag- und Atemfrequenz zu, der Blutdruck steigt, die mungen führen. Andere sensorische Fasern melden dem ZNS Leber schüttet vermehrt Glucose aus, die Verdauungstätigkeit physiologische Zustände aus dem Innern des Körpers (Bsp. wird weitgehend eingestellt. Der Parasymphatikus steuert Körpertemperatur), ohne dass man sich dessen bewusst wird. gerade die gegenteiligen Reaktionen. Er ist für die Entspan- Axone, die Informationen vom ZNS zu Erfolgsorganen leiten, nungs- und Ruhesituation verantwortlich. nennt man motorische Fasern, weil die Erregung vieler dieser Fasern zur Kontraktion von Skelettmuskeln führt und so Will- Die antagonistische Wirkung von Sympathikus und Para- kürbewegungen ermöglicht. Andere motorische Fasern steu- sympathikus beruht auf den unterschiedlichen Neurotrans- ern Aktivitäten, die nicht mit dem Willen kontrollierbar sind, mittern, die ausgeschüttet werden: Das von sympathischen wie Herzschlag oder Speichelfluss. In einem Nerv können Neuronen ausgeschüttete Noradrenalin wirkt auf die Herz- sensorische und motorische Fasern zusammengefasst sein. muskulatur anregend, auf die Darmaktivität jedoch hem- mend. Dagegen verlangsamt Acetylcholin, der Neurotrans- Die Aufgabe des ZNS besteht zunächst darin, die von den mitter der parasympathischen Neuronen, den Herzschlag unterschiedlichen sensorischen Fasern herangetragenen und fördert die in der Ruhephase einsetzende Darmtätigkeit. Informationen im Zusammenhang zu analysieren. Man spricht von Integration (vgl. Integration bei willkürlichen Bewegungen). Gegebenenfalls antwortet das ZNS dann mit angepassten Befehlen über motorische Fasern an Muskeln Abb. 21 J unger grüner Leguan. Die geweiteten Pupillen signa- lisieren uns seine Alarmbereitschaft. Das sympathi- sche System erweitert die Pupillen, damit der Leguan die Gefahr besser sehen kann. oder Drüsen. Die motorischen Fasern des peripheren Nervensystems, die unwillkürliche Reaktionen wie Atmung oder Verdauung steuern, sind in den Nerven des vegetativen Nervensystems gebündelt. Diese durchziehen den gesamten Körper und innervieren alle inneren Organe. Entsprechend der Funktion Bildquelle: www.tier-fotos.eu Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Organisation des Nervensystems 32 Aufgaben 1. Weisen Sie die Seiten in der Abbildung unten dem Sympathicus, resp. dem Parasympathicus zu (Titel setzen). 2. Vervollständigen Sie nun die Abbildung. Verwenden Sie Verben wie fördern, hemmen, stimulieren, kontrahieren, entspannen u.ä.. Schreiben Sie hin, um welches Organ es sich handelt (falls der Organname nicht bereits dort steht)............................................................................................................... verengt Pupillen....................................................... erweitert Pupillen....................................................... Speichelfluss....................................................... Speichelfluss....................................................... Atemwege....................................................... Atemwege..................................................................................................................................................................... verengt Blutgefässe..................................................................................................................................................................... fördert Glucose-.............................................................................................................. Insulinfreisetzung freisetzung.......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... fördert Adrenalinabgabe....................................................... Harnblase....................................................... Harnblase....................................................... fördert Erektion von....................................................... stimuliert Ejakulation....................................................... Penis und Klitoris Grenzstrang....................................................... und Vaginalkontraktionen....................................................... Abb. 28 Sympathicus und Parasympathicus im vegetativen (autonomen) Nervensystem. Parallel zum Rückenmark verläuft ein Grenzstrang (Truncus sympathicus). Dort werden gewisse aus dem Rückenmark austretenden efferenten Neuronen auf ein zweites Neuron umgeschaltet. Beachten Sie die Verwendung unterschiedlicher Neurotransmitter. Während das sympathische System meist Noradrenalin verwendet, werden die parasympathischen Neuronen durch Acetylcholin innerviert. Abbildungsquelle: Biologie heute, 2011, Schroedel Verlag Braunschweig; verändert durch K. Jäger Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Gehirn 33 Das Gehirn Grobe Einteilung in drei Funktionseinheiten Das Gehirn aller Wirbeltiere ist sehr ähnlich gebaut und nach Zahl und Anordnung der Hirnteile bei allen Wirbel- tierklassen gleich. Unterschiede bestehen hauptsächlich in der relativen Grösse und in der Funktion einzelner Hirn- abschnitte. Nach einem vereinfachten Modell besitzt der Mensch drei miteinander verbundene Einzel-Gehirne mit unterschiedlichem Aufbau und eigener Funktionszustän- digkeit, die aus verschiedenen Epochen seiner evolutionä- ren Vergangenheit stammen. Abb. 22 D as menschliche Gehirn lässt sich grob in drei Funkti- onseinheiten unterteilen. Aufgabe Zeichnen Sie die beschriebenen funktionalen Hirnteile in den Gehirnen unten ein. Verwenden Sie dieselben Farben wie in Abbildung 23. Abb. 23 Funktionale Unterscheidung der verschiedenen Hirnteile. Evolutionsstufe 1: Reptilienhirn Evolutionsstufe 2: Limbisches System Evolutionsstufe 3: Grosshirn (Primitives Gehirn, Hirnstamm) Einen zweiten Schritt in der Evolution be- Später führte die Evolution zur Den Anfang machte das Reptilienhirn, deutete die Ausbildung des «Limbischen Entwicklung des Grosshirns, das jene Reflex- und Steuerungszentrale, Systems», eine Art Gürtel oder Saum, der ungefähr 80 % der gesamten Hirn- die bei Tieren noch heute besonders sich um das Reptilienhirn legt. Es ist der masse ausmacht. Hier finden alle ausgeprägt ist. Sitz von Gefühlen, Instinkten, Motivationen, Prozesse statt, die den Menschen Hormonen. zum Menschen machen: Denken, Planen, Entscheiden, zielgerichte- tes Verhalten und vieles mehr. Wichtig: Dies ist ein vereinfachtes Modell. Es ist nicht möglich bestimmte Funktionen (wie die Triebe) nur auf ein System zu beziehen. Die Entstehung von Emotion und Triebverhalten zum Beispiel muss immer als Zusammenspiel vieler Gehirnanteile angesehen werden und darf nicht dem Limbischen System allein zugesprochen werden. Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Gehirn 34 Aufbau des menschlichen Gehirns Aufgaben der einzelnen Hirnregionen Das Gehirn in seiner Komplexität zu begreifen ist auch Wissenschaftler:innen bisher nicht gelungen. Wir geben uns also vorerst damit zufrieden, die Aufgabenbereiche der einzelnen Hirnregionen kennenzulernen. Wir erweitern unser bisheriges Konzept um einen Teil, d.h. wir unterteilen das menschliche Gehirn nun in vier Bereiche. Abb. 24 D ie vier wichtigsten Hirnteile: Hirnstamm, Zwi- schenhirn, Kleinhirn und Grosshirn. Hirnstamm Dieser Teil des Gehirns grenzt an das Rückenmark. Er besteht aus verlängertem Mark, Brücke und Mittelhirn. Dass der Hirnstamm sehr ursprünglich ist, verraten seine Aufgaben: Hier werden wichtige Körperfunktionen wie Atmung, Herzschlag, Speichelfluss, Schlucken, Husten, Pupillen- und Augen- bewegung gesteuert. Die meisten der 12 Hirnnerven verlassen oder betreten das Gehirn über den Hirnstamm. Der Hirn- stamm empfängt Informationen über afferente Bahnen (sensorischer Neuronen) und sendet Informationen über efferente Bahnen (Motoneuronen). Die Aufgaben des Hirnstamms sind uns nicht bewusst. Es handelt sich in der Regel um kurze Schaltkreise, Reflexe. Abb. 25 Die zwölf Hirnnerven. Bilderquelle: Biologie, Reece, Campbell, Pearson Education, 2011 Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Gehirn 35 Kleinhirn (Cerebellum) Das Kleinhirn ist der zentrale Ort für das Erlernen, Koordinieren und Fein- abstimmen von Bewegungsabläufen. Es liegt in der hinteren Schädelgrube und steht mit dem Stammhirn in Verbindung. Die Oberfläche ist durch die auffällige Furchung massiv vergrössert. Bei fliegenden Wirbeltieren (Vögel, Fledermäuse) nimmt dieser Teil des Abb. 26 Relative Grösse des Kleinhirns bei Mensch und Gans. Gehirns einen besonders grossen Platz ein. (aus: www.thetechjournal.com; Stand: 12.09.2016) Zwischenhirn Das Zwischenhirn folgt auf das Stammhirn und grenzt an das Gros- shirn. Es besteht im Wesentlichen aus Thalamus und Hypothalamus. Der Thalamus ist der Portier des (Hypophyse) Gehirns. Hier treffen die Informationen der sensorischen Nerven von Auge, Innenohr sowie Haut ein. Die eintreffenden Informationen werden selektiert und an die entsprechenden Hirnareale weitergeleitet. Lediglich ein Bruchteil der Informa- tion, die hier eintrifft, wird uns auch bewusst. Abb. 27 D as Zwischenhirn beinhaltet den Thalamus und den Der Hypothalamus ist das Steuerzentrum für das vegetative Hypothalamus. Ersterer ist das Tor zum Bewusstsein, Nervensystem. So werden von hier aus Körperfunktionen wie während Letzterer direkt mit der Hypophyse verbun- Körpertemperatur, Wasserhaushalt und Blutdruck gesteuert. den ist. Die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) schüttet Der Hypothalamus ist eng mit dem Hormonsystem gekoppelt Hormone ins Blut und ist damit eine Art Schnittstelle und ist dessen übergeordnetes Steuerzentrum. Er steuert auf zwischen Nerven- und Hormonsystem. (aus: Markl, Biologie Oberstufe, Klett Verlag, Stuttgart 2011) diesem Wege auch die Keimzellenreifung, das Sexualverhal- ten und den Schlaf-Wach-Rhythmus. Grosshirn (Endhirn) Obwohl dieser Hirnteil bei den Wir- beltieren zur jüngsten Erfindung zählt, macht er bei den Primaten einen grossen Volumenanteil aus. Das Grosshirn besteht aus zwei stark gefurchten Gehirnhälften, die durch eine tiefe Spalte voneinander ge- trennt sind. Die beiden Hälften (He- Balken misphären) sind durch einen dicken Nervenstrang, den so Abb. 28 D as Grosshirn besteht aus zwei Hälften (Hemisphä- genannten Balken, miteinander verbunden. Über diesen ren), die durch den Balken miteinander verbunden tauschen die beiden Gehirnhälften Informationen miteinan- sind. (aus: Campbell, Reece, Biologie, Pearson Verlag 2004) Gymnasium Oberwil, Abteilung FMS, Biologie, Kaspar Jäger (JaK), 2024 NEUROBIOLOGIE Gehirn 36 der aus. Durch die Windungen und Furchen wird die Oberflä- che sehr stark vergrössert. Diese Oberflächenvergrösserung betrifft den Cortex (Grosshirnrinde), die äussere ca. 2 mm dicke Rindenschicht des Grosshirns. Sie enthält ca. 50 Milli- arden Neurone, die je durchschnittlich 8000 Verbindungen eingehen. Hier findet die Informationsverarbeitung statt. Das Grosshirnmark ist die weisse Substanz des Gehirninnern. Sie besteht nur aus Axonen (vgl. Rückenmark) und sendet Informationen von einem Areal zu einem anderen. Abb. 29 D ie Rindenschicht (Cortex) ist aufgrund der vielen