Einführung in die Psychologie - Psychoanalyse PDF

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Hochschule Fresenius University of Applied Sciences

2023

Sebastian Esch, M.A.

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psychology psychoanalysis philosophy history of psychology

Summary

This document is an introduction to psychology, specifically psychoanalytic theory. It includes a detailed overview of the course, which is intended for the Winter semester of 2023. The course is provided by Dr. Sebastian Esch, M.A., at the Hochschule Fresenius University of Applied Sciences.

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Einführung in die Psychologie, ihre Geschichte und Forschungsmethoden Psychologie (B.Sc.) Wintersemester 2023 Dipl.-Psych. Sebastian Esch, M.A. Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf |...

Einführung in die Psychologie, ihre Geschichte und Forschungsmethoden Psychologie (B.Sc.) Wintersemester 2023 Dipl.-Psych. Sebastian Esch, M.A. Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York Einführung in die Psychoanalyse Mit einem kurzen Exkurs in ihre Vorgeschichte Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York Homer (7./8. Jhd. v. Chr.) Ilias & Odyssee Also bellte sein Herz, durch die schändlichen Greuel erbittert. / Aber er schlug an die Brust und sprach die zürnenden Worte: / Dulde, mein Herz! […] Also strafte der Edle sein Herz im wallenden Busen; Und sein empörtes Herz ermannte sich schnell und harrte standhaft aus. (Odyssee, 20. Gesang, Vers 16-23, Übers. Voß) Quelle: UIG via Getty Images Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 3 Platon (427-347 v.Chr.): Seelenmodell im Phaidros Platonische Seelenlehre: Wagenlenker – Denkseele – Kopf Gutes Pferd – Mutseele – Herz Schlechtes Pferd – Begierdeseele – Unterleib Herz als „Wachhund“ Soziomorphe Projektion: Lehrstand – Wehrstand - Nährstand Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 4 Augustinus (354-430 n.Chr.): Bekenntnis & Autobiografie „Und ich war willens, einen Diebstahl zu begehen, und beging ihn weder durch die Not noch durch den Mangel dazu getrieben, sondern durch den Ekel vor der Gerechtigkeit und die Gier nach Ungerechtigkeit. […] Siehe mein Herz an, o mein Gott, siehe mein Herz an, denn du hast dich seiner erbarmt, da es in der Tiefe des Abgrundes schmachtete. Und was es dort suchte, das sage dir jetzt mein Herz […] boshaft war ich, nur um boshaft zu sein […] ich liebte meinen Abfall (von dir), nicht das Objekt meines Abfalls, sondern meinen Abfall selbst“ (Conf., 2, 4). Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 5 René Descartes (1596-1650) „Ich bin, ich existiere“ „Aber es gibt irgendeinen sehr mächtigen, sehr schlauen Betrüger, der mit Absicht mich immer täuscht. Zweifellos bin also auch ich, wenn er mich täuscht; mag er mich nun täuschen, so viel er kann, so wird er doch nie bewirken können, dass ich nicht sei, solange ich denke, ich sei etwas. Nachdem ich so alles genug und übergenug erwogen habe, muss ich schließlich festhalten, dass der Satz ‚Ich bin, Ich existiere‘, sooft ich ihn ausspreche oder im Geiste auffasse, notwendig wahr sei.“ Meditationes de prima philosophia (1641), II.3 Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York Arthur Schopenhauer (1788-1860) „In Wahrheit aber ist das treffendste Gleichnis für das Verhältnis Beider (=Wille & Intellekt) der starke Blinde, der den sehenden Gelähmten auf den Schultern trägt.“ Die Welt als Wille und Vorstellung (1844), II, S.242f. https://de.wikipedia.org/wiki/Arthur_Schopenhauer #/media/Datei:Arthur_Schopenhauer_by_J_Schäfe r,_1859b.jpg Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 7 Friedrich Nietzsche (1844-1900) »Das habe ich getan«, sagt mein Gedächtnis. »Das kann ich nicht getan haben« – sagt mein Stolz und bleibt unerbittlich. Endlich – gibt das Gedächtnis nach. Jenseits von Gut Böse (1886), Viertes Hauptstück, 68 https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Nietzsche#/ media/Datei:Friedrich_Nietzsche_drawn_by_Hans_Ol de.jpg Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 8 Lou Salomé, Paul Rée, Friedrich Nietzsche auf einer von Nietzsche arrangierten Fotografie von Jules Bonnet, 1882 Sigmund Freud schrieb 1931 über einen Text von Lou Salomé: „Es ist gewiss nicht oft vorgekommen, dass ich eine psa. [psychoanalytische] Arbeit bewundert habe, anstatt sie zu kritisieren. Das muss ich diesmal tun. Es ist das Schönste, was ich von Ihnen gelesen habe, ein unfreiwilliger Beweis Ihrer Überlegenheit über uns alle“ https://de.wikipedia.org/wiki/Lou_Andreas-Salomé#cite_ref-Kanz_12-0 Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Nietzsche#/media/Datei:Nietzsche_paul-ree_lou-von-salome188.jpg 9 Sigmund Freud (1856-1939) Begründer der Psychoanalyse einer der einflussreichsten Theoretiker des 20. Jhds. Seine Theorie nicht nur unser wissenschaftliches, sondern unser gesamtes individuelles und gesellschaftliches Selbstverständnis und Selbstverhältnis nachhaltig verändert Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 10 Grundannahmen Das Bewusstsein macht nur einen kleinen und wenig einflussreichen Teil des menschlichen Seelenlebens aus, die meisten und relevanten Prozesse sind unbewusst. Vor allem sind uns die Motive unseres Verhaltens verborgen: „Das Ich ist nicht Herr im eigenen Hause.“ Im Mittelpunkt des Interesses stehen sexuelle und aggressive Triebe als wichtigste Bestimmungsfaktoren unseres Erlebens und Verhaltens Entwicklungspsychologisch und psychopathologisch wird der frühen Kindheit und der Beziehung zu den Eltern besondere Bedeutung beigemessen Psychische Störungen resultieren aus biographischen, insbesondere frühkindlichen Erlebnissen und lassen sich psychotherapeutisch behandeln à Symptome haben Sinn, lassen sich deuten Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 11 Eine Definition von Freud selbst „Psychoanalyse ist der Name eines Verfahrens zur Untersuchung seelischer Vorgänge, welche sonst kaum zugänglich sind; einer Behandlungsmethode neurotischer Störungen, die sich auf diese Untersuchung gründet; und eine Reihe von psychologischen, auf solchem Wege gewonnenen Einsichten, die allmählich zu einer neuen wissenschaftlichen Disziplin zusammenwachsen“ (Freud, 1923, 211). à 3 Aspekte: Untersuchung, Behandlung, Theorie Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 12 Grundbegriff: Trieb „Die Quelle des Triebes ist ein erregender Vorgang in einem Organ und das nächste Ziel des Triebes liegt in der Aufhebung des Organreizes“ (Freud 1982, Bd. 5, 77). „Auf dem Wege von der Quelle zum Ziel wird der Trieb psychisch wirksam. Wir stellen ihn vor als einen gewissen Energiebetrag, der nach einer bestimmten Richtung drängt. (…) Das Ziel kann am eigenen Körper erreicht werden, in der Regel ist ein äußeres Objekt eingeschoben, an dem der Trieb sein äußeres Ziel erreicht; sein inneres bleibt jedes Mal die als Befriedigung empfundene Körperveränderung“ (Freud 1982, Bd. 1, 530). à Im Mittelpunkt des Interesses stehen sexuelle und aggressive Triebe als wichtigste Bestimmungsfaktoren unseres Erlebens und Verhaltens Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 13 Bewusstseinsebenen (Topographisches Modell) bewusst: Inhalte des momentanen Bewusstseins – bestimmte Wahrnehmungen, Gefühle, Gedanken, Vorstellungen, Erinnerungen usw. vorbewusst: aktuell nichtbewusste Inhalte derselben Art, die dem Bewusstsein aber zugänglich sind unbewusst: ursprüngliche Triebimpulse und verdrängte seelische Inhalte, die nur durch bestimmte Verfahren (z.B. Hypnose, Psychoanalyse) zugänglich gemacht werden können, das Verhalten aber dennoch bestimmen – nicht einfach andere Inhalte, sondern Prozesse eigener Qualität, wie sie z.B. im Traum offenbar werden Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 14 Instanzenmodell (Strukturmodell) Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 15 Phasenmodell (Entwicklungspsychologie) Illustration: Joshua Seong, Verywell Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York https://www.verywellmind.com/freuds-stages-of-psychosexual-development-2795962 16 Persönlichkeitspsychologie Verywell / Cindy Chung Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York https://www.verywellmind.com/what-is-a-fixation-2795188 17 Anna Freud (1895-1982) Das Ich und die Abwehrmechanismen (1936) https://de.wikipedia.org/wiki/Anna_Freud#/media/Da https://de.wikipedia.org/wiki/Anna_Freud#/media/D tei:Sigmund_en_Anna.jpg atei:Anna_Freud_1957.jpg Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 18 Abwehrmechanismen Wenn das Ich durch innere oder äußere Reize überflutet wird, entsteht Angst: Angst vor der Umwelt = Realangst Angst vor den Es-Impulsen = neurotische Angst Angst vor Ansprüchen des Über-Ich = moralische Angst zur Kompromissbildung zwischen den verschiedenen Ansprüchen, zur Bewältigung der Angst und zum Schutz vor angstauslösenden Reizen entwickelt das Ich Abwehrmechanismen à Freuds Theorie des Ichs ist auch eine Theorie der Angstabwehr Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 19 Abwehrmechanismen eine Person ist durch den Einsatz von mentalen Strategien der Selbsttäuschung in der Lage… – innere Konflikte (zeitweise und nur bedingt erfolgreich) „stillzustellen“ – ein günstiges Selbstbild aufrechtzuerhalten – ein akzeptables soziales Erscheinungsbild zu wahren „Unter dem Aspekt der Stressbewältigung und der Krankheitslehre dienen Abwehrmechanismen sowohl der gesunden Anpassung an die Umwelt als auch der Bewältigung von traumatischen Umweltbedingungen, bei deren Wegfall sie jedoch als psychopathologische Phänomene oder als Persönlichkeitsstörung überdauern“ (Mertens & Waldvogel, 2002). Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 20 Verdrängung der wichtigste Abwehrmechanismus angsterregende Impulse werden nicht ins Bw gelassen, sondern ins Ubw gedrängt, wo sie weiterexistieren und unser Erleben und Verhalten beeinflussen in Phasen der Ich-Schwäche (Traum, Rausch) kehren sie gleichsam an die Oberfläche zurück bei vollständiger Verdrängung können sich die verdrängten Impulse in Form von Versprechern, neurotischen oder somatischen Symptomen zeigen sexuelle & aggressive Impulse à Angst vor Bestrafung à Unterdrückung von Impulsen à partielles Versagen der Unterdrückung à Auftauchen von abgewandelten Impulsen à neurotische Angst Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 21 Weitere Abwehrmechanismen Verleugnung: Schutz vor der unangenehmen Realität durch die Weigerung, sie wahrzunehmen Verschiebung: Entladung aufgestauter Gefühle an Objekten, die weniger gefährlich / unerreichbar sind als jene, welche die Emotionen ursprünglich ausgelöst haben Phantasie: Befriedigung frustrierter Begierden durch imaginäre Erfüllung („Tagträumen“ ist verbreitete Form) Identifikation: Erhöhung des eigenen Selbstwertgefühls durch Identifikation mit einer anderen Person oder Institution, die oft eine herausragenden Stellung innehat Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 22 Weitere Abwehrmechanismen Isolation: Abtrennung der emotionalen Erregung von schmerzhaften Situationen oder Abtrennung von unvereinbaren Einstellungen in Bereiche der Psyche, die vor logischer Prüfung geschützt sind (à Aufrechterhaltung widersprüchlicher Einstellungen, die nie gleichzeitig oder in Beziehung zueinander reflektiert werden) Rationalisierung: Der Versuch zu beweisen, dass sich das eigenen Verhalten „rational“ und zu rechtfertigen und insofern wert ist, von einem selbst und von anderen Zustimmung zu erfahren (Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 519) Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 23 Weitere Abwehrmechanismen Projektion: eigene Triebimpulse werden anderen unterstellt Reaktionsbildung: Impuls wird ins Gegenteil verkehrt Sublimierung: Befriedigung durch akzeptable Ersatzhandlungen Regression: Rückzug auf frühere Stufen der Triebregulation als Reaktion auf ein Trauma Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 24 Psychoanalyse als Therapiemethode talking cure & chimney sweeping (Bertha Pappenheim) der Patient spricht, der Analytiker hört zu und deutet Methode der freien Assoziation: der Patient soll alles sagen, was ihm in den Kopf kommt, keine Zensur üben – daher auch die Bedeutung von Träumen für die Analyse der Analytiker soll seinerseits mit gleichschwebender Aufmerksamkeit und ohne Vorurteile zuhören Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 25 Psychoanalyse als Therapiemethode an bestimmten Stellen der Erzählung treten Ungereimtheiten, Auslassungen, Stockungen auf – dort sind die Ursachen des Leidens zu suchen vor allem ist der Widerstand des Patienten zu beachten, d.h. seine Weigerung, bestimmte Dinge zu berichten bzw. bestimmte Deutungen zu akzeptieren Dies wird als Hinweis auf verdrängte Konflikte interpretiert Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 26 Grundgeschehen der Therapie: Übertragung „In der Gegenwart der Analytiker-Patient- Beziehung wird die unbewusste Objektbeziehung in Szene gesetzt. Dadurch kann die Übertragung systematisch beobachtet, kann mit ihr gearbeitet und nur hier kann sie verändert werden.... Übertragung ist nicht an den analytischen Prozess gebunden, man kann sie als allgemeine menschliche Fähigkeit verstehen, mit anderen in Beziehung zu treten.“ (Mertens & Waldvogel, 2002) Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 27 Psychoanalyse als Therapiemethode der Patient überträgt affektive Regungen, die eigentlich anderen (meist den Eltern) gelten, auf den Analytiker und wiederholt in der therapeutischen Beziehung Verhaltensmuster und Erlebensweisen nur durch die Ausbildung der Übertragungsneurose ist es möglich, die pathologischen Mechanismen nicht nur theoretisch zu identifizieren, sondern durchzuarbeiten die verdrängte, daher nicht erinnerbare Quelle des Leidens wird in der Therapie vergegenwärtigt, bewusst bearbeitet, was zur Linderung von Symptomen führen kann Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 28 Psychoanalyse als Therapiemethode Erst durch Wiederholung und Durcharbeitung der (verdrängten kindlichen) Konflikte bzw. Traumata ist ein nicht mehr von Leid geprägter und „erwachsener“ Umgang mit den Problemen möglich An die Stelle der ständigen (neurotischen) Wiederholung der immergleichen Szenen tritt die Erinnerung an das Vergangene, die es als Teil der Biographie bzw. Aspekt der eigenen Psyche anerkennt und so einen nicht mehr neurotischen Umgang mit der eigenen Geschichte erlaubt Die Vergangenheit ist damit aber nicht „ungeschehen gemacht“, ganz im Gegenteil! Sie ist passiert – aber passiert nicht mehr jeden Tag aufs Neue Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 29 Kritik an Freud die entwicklungspsychologischen Annahmen wurden fast ausschließlich aus der psychoanalytischen Therapie von Erwachsenen gewonnen das Phasenmodell ist empirisch nicht bestätigt Therapieerfolge werden zum Teil vorschnell als Bestätigung dafür gesehen, dass die Deutungen des Therapeuten korrekt gewesen sind Freud hat die Bedeutung der Sexualität für die frühkindliche Entwicklung vermutlich überschätzt Freud hat die Bedeutung des Körpers für die Therapie unterschätzt Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 30 Freuds bleibende Bedeutung „Entdeckung“ des Unbewussten in seiner Bedeutung für unser Handeln und Erleben (in der Tradition von Nietzsche, Schopenhauer, der Romantik…) Enttabuisierung der Sexualität Betonung der Bedeutung frühkindlicher Erfahrungen & ungelöster Konflikte für die Entwicklung der Persönlichkeit & die Entstehung von psychischen Störungen Und damit: Überhaupt ein vertieftes Verständnis dafür, dass es spezifisch psychische Störungen gibt, die sich aus der Lebensgeschichte des Menschen verstehen lassen …und zwar, indem man ihnen zuhört und eine therapeutische Beziehung zu ihnen aufbaut Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 31 Zum Weiterhören https://psy-cast.org/de/ Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 32 Verwendete Literatur Leuzinger-Bohleber, M. (2009). Frühe Kindheit als Schicksal? Trauma, Embodiment, Soziale Desintegration. Psychoanalytische Perspektiven. Mit kinderanalytischen Fallberichten von Angelika Wolff und Rose Ahlheim. Stuttgart: Kohlhammer. Mertens, W. & Waldvogel, B. (2002). Handbuch psychoanalytischer Grundbegriffe. 2. Auflage. Stuttgart: Kohlhammer. Oerter, R. & Montada, L. (1998). Entwicklungspsychologie. Ein Lehrbuch. 4. Auflage. Weinheim: Psychologische Verlags Union. Oerter, R. & Montada, L. (2008). Entwicklungspsychologie. 6., vollständig überarbeitete Auflage. Weinheim, Basel: Beltz. Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 33 Anhang: Ergänzungen & Erläuterungen Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 34 Das Es „tiefste“ Schicht der Psyche bei Geburt vorhanden Gesamtreservoir der psychischen Energie, der sexuellen, aggressiven und Selbsterhaltungstriebe dem Lustprinzip unterworfen, zielt auf unmittelbare Entladung von Energie, indem es Lust sucht und Schmerz vermeidet irrational, impulsiv unbewusst Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 35 Das Ich bildet sich durch Kontakt mit Außenwelt, agiert in ihr am Überleben orientiert, sucht nach Sicherheit & Stabilität, Instanz der rationalen Handlungs- und Impulskontrolle folgt dem Realitätsprinzip: vermittelt zwischen Ansprüchen des Es, des Über-Ichs und der Außenwelt, indem es Einflüsse der Außenwelt verändert (durch Flucht, Anpassung, aktive Umgestaltung) bzw. Ansprüche des Es eindämmt, Befriedigung aufschiebt Bemüht sich – mehr oder weniger erfolgreich – um eine Kompromissbildung zwischen den genannten Ansprüchen teilweise bewusst, aber auch vorbewusste und unbewusste Anteile Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 36 Das Über-Ich durch Eltern und Vorbilder vermittelte Normen werden verinnerlicht und entwickeln intrapsychische Wirksamkeit beobachtet das Ich, kontrolliert das Erleben und Verhalten, kritisiert, verbietet, zensiert Instanz des Gewissens, innere Stimme der Moral Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 37 Entwicklungspsychologie: Phasenmodell Orale Phase (bis ca. 1,5 Jahre) primäre Lusterfahrung an Mund gekoppelt, eng mit Nahrungsaufnahme verbunden Einverleibung des Gegenübers als Modell für spätere Beziehungen Anale Phase (bis zum 3. Lebensjahr) Anus löst Mund als erogene Zone ab Unterscheidung zwischen sadistischen und erotischen Anteilen à Ambivalenz Fortschritte in den Ich-Funktionen: Laufen, Sprechen, Realitätsprüfung, Selbstkontrolle à Autonomie Ödipale / Phallische Phase (ca. 3. – 5. Lebensjahr) Sexuelle Identität des Kindes durch Identifizierung mit gleichgeschlechtlichem Elternteil bestimmt starkes erotisches Interesse am gegengeschlechtlichen Elternteil Figur des Vaters verändert familiäres Binnenklima à Kastrationsangst bzw. Penisneid Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 38 Über-Ich als „Erbe des Ödipuskomplexes“: Ausgangssituation: Sohn begehrt Mutter à Vater als Konkurrent à Vater ist körperlich überlegen & Sohn sieht, dass es auch Menschen ohne Penis gibt à Interpretation 1: „Die hatten mal einen und wurden kastriert“ à Interpretation 2: „Das könnte der Vater auch mit mir anstellen“ à um diesem Schicksal zu entgehen, verbündet sich Sohn mit dem überlegenen Vater à Er passt sich dessen Moralvorstellungen an, übernimmt & verinnerlicht sie à Er braucht den Vater irgendwann nicht mehr, ist selbst erwachsen à Er sucht sich eine andere Frau als die Mutter Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 39 Entwicklung und Pathologie zu viel oder zu wenig Einschränkung der Triebbefriedigung führt zu Fixierung auf die jeweilige Phase (à kann psychische Störungen auslösen & die Persönlichkeitsentwicklung beeinflussen Psychische Störungen werden als „partielle Entwicklungsstörungen“ verstanden aktuelle Konflikte reaktivieren vergangene, verdrängte Konflikte Neurosen entstehen, weil ein Trauma – ein Reiz, der die individuelle psychische Verarbeitungskapazität überschreitet – nicht bewältigt worden ist à dabei ist nicht entscheidend, was passiert ist, sondern wie es erlebt worden ist Idstein | Köln | Hamburg | Düsseldorf | München | Frankfurt am Main | Berlin | Zwickau | New York 40

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