MARKETING I - IU Internationale Hochschule - Skript PDF
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IU Internationale Hochschule
2023
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This document is a learning script for Marketing I at IU Internationale Hochschule. It covers the fundamentals of marketing, including different approaches, and the management of products and brands. The script is structured into lessons and each lesson is further divided into learning cycles.
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MARKETING I BMAR01-01 MARKETING I IMPRESSUM Herausgeber: IU Internationale Hochschule GmbH IU International University of Applied Sciences Juri-Gagarin-Ring 152 D-99084 Erfurt Postanschrift: Albert-Proeller-Straße 15-19 D-86675 Buchdorf [email protected] w...
MARKETING I BMAR01-01 MARKETING I IMPRESSUM Herausgeber: IU Internationale Hochschule GmbH IU International University of Applied Sciences Juri-Gagarin-Ring 152 D-99084 Erfurt Postanschrift: Albert-Proeller-Straße 15-19 D-86675 Buchdorf [email protected] www.iu.de BMAR01-01 Versionsnr.: 002-2023-1013 N.N. © 2023 IU Internationale Hochschule GmbH Dieses Lernskript ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Lernskript darf in jeglicher Form ohne vorherige schriftliche Genehmigung der IU Internationale Hochschule GmbH (im Folgenden „IU“) nicht reproduziert und/oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet wer- den. Die Autor:innen/Herausgeber:innen haben sich nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, die Urheber:innen und Quellen der verwendeten Abbildungen zu bestimmen. Sollte es dennoch zu irrtümlichen Angaben gekommen sein, bitten wir um eine dement- sprechende Nachricht. 2 INHALTSVERZEICHNIS MARKETING I Einleitung Wegweiser durch das Studienskript................................................. 6 Basisliteratur..................................................................... 7 Weiterführende Literatur.......................................................... 8 Übergeordnete Lernziele.......................................................... 9 Lektion 1 Grundlagen des Marketings 11 1.1 Begriffe des Marketings....................................................... 12 1.2 Markenführung, Positionierung und Wettbewerbsstrategien..................... 17 1.3 Marketingmanagement....................................................... 20 Lektion 2 Produktpolitik 23 2.1 Begriffe der Produktpolitik.................................................... 24 2.2 Gestaltungsfelder der Produktpolitik.......................................... 27 2.3 Innovationsmanagement..................................................... 30 Lektion 3 Kommunikationspolitik 35 3.1 Integrierte Marketingkommunikation.......................................... 36 3.2 Kommunikationsinstrumente................................................. 38 Lektion 4 Preispolitik 47 4.1 Die Stellung der Preispolitik im Marketing...................................... 48 4.2 Preispolitische Strategien..................................................... 51 4.3 Preisbestimmung und Konditionierung........................................ 53 Lektion 5 Distributionspolitik 57 5.1 Grundlagen der Distributionspolitik........................................... 58 5.2 Vertikale Gestaltung des Vertriebssystems...................................... 60 5.3 Horizontale Gestaltung des Vertriebssystems................................... 62 3 Verzeichnisse Literaturverzeichnis.............................................................. 66 Abbildungsverzeichnis........................................................... 69 4 EINLEITUNG HERZLICH WILLKOMMEN WEGWEISER DURCH DAS STUDIENSKRIPT Dieses Studienskript bildet die Grundlage Ihres Kurses. Ergänzend zum Studienskript ste- hen Ihnen weitere Medien aus unserer Online-Bibliothek sowie Videos zur Verfügung, mit deren Hilfe Sie sich Ihren individuellen Lern-Mix zusammenstellen können. Auf diese Weise können Sie sich den Stoff in Ihrem eigenen Tempo aneignen und dabei auf lerntyp- spezifische Anforderungen Rücksicht nehmen. Die Inhalte sind nach didaktischen Kriterien in Lektionen aufgeteilt, wobei jede Lektion aus mehreren Lernzyklen besteht. Jeder Lernzyklus enthält jeweils nur einen neuen inhaltlichen Schwerpunkt. So können Sie neuen Lernstoff schnell und effektiv zu Ihrem bereits vorhandenen Wissen hinzufügen. In der IU Learn App befinden sich am Ende eines jeden Lernzyklus die Interactive Quizzes. Mithilfe dieser Fragen können Sie eigenständig und ohne jeden Druck überprüfen, ob Sie die neuen Inhalte schon verinnerlicht haben. Sobald Sie eine Lektion komplett bearbeitet haben, können Sie Ihr Wissen auf der Lern- plattform unter Beweis stellen. Über automatisch auswertbare Fragen erhalten Sie ein direktes Feedback zu Ihren Lernfortschritten. Die Wissenskontrolle gilt als bestanden, wenn Sie mindestens 80 % der Fragen richtig beantwortet haben. Sollte das einmal nicht auf Anhieb klappen, können Sie die Tests beliebig oft wiederholen. Wenn Sie die Wissenskontrolle für sämtliche Lektionen gemeistert haben, führen Sie bitte die abschließende Evaluierung des Kurses durch. Die IU Internationale Hochschule ist bestrebt, in ihren Skripten eine gendersensible und inklusive Sprache zu verwenden. Wir möchten jedoch hervorheben, dass auch in den Skripten, in denen das generische Maskulinum verwendet wird, immer Frauen und Män- ner, Inter- und Trans-Personen gemeint sind sowie auch jene, die sich keinem Geschlecht zuordnen wollen oder können. 6 BASISLITERATUR Bruhn, M. (2022): Marketing: Grundlagen für Studium und Praxis. 15. Auflage. Springer Gab- ler, Wiesbaden. http://search.ebscohost.com.pxz.iubh.de:8080/login.aspx?direct=true &db=edshbz&AN=edshbz.DE.605.HBZ01.037361425&site=eds-live&scope=site Kotler, P./Armstrong, G./Opresnik, M. O. (2021): Principles of Marketing. 18. Auflage, Pear- son, Boston. http://search.ebscohost.com.pxz.iubh.de:8080/login.aspx?direct=true&d b=cat05114a&AN=ihb.50124&site=eds-live&scope=site Walsh, G./Deseniss, A./Kilian, T. (2020): Marketing. Eine Einführung auf der Grundlage von Case Studies. 3. Auflage. Springer Gabler, Wiesbaden. http://search.ebscohost.com.pxz.iubh.de:8080/login.aspx?direct=true&db=edshbz&AN=edshbz.DE.605.HBZ01.0228026 46&site=eds-live&scope=site 7 WEITERFÜHRENDE LITERATUR LEKTION 1 Esch, F./Sattler, H./Herrmann, A. (2017): Marketing – Eine managementorientierte Einfüh- rung. 5. Auflage, Vahlen, München. Kapitel 1, S. 1–20. http://search.ebscohost.com.pxz.iubh.de:8080/login.aspx?direct=true&db=cat05114a&AN=ihb.26835&site=eds-live&sc ope=site LEKTION 2 Kotler, P./Keller, K. L. (2021): Marketing Management. 16. Auflage, Pearson Education, Bos- ton. Kapitel 14, S. 412–450. http://search.ebscohost.com.pxz.iubh.de:8080/login.aspx? direct=true&db=cat05114a&AN=ihb.50219&site=eds-live&scope=site LEKTION 3 k. A. LEKTION 4 Kotler, P./Keller, K. L. (2021): Marketing Management. 16. Auflage, Pearson Education, Bos- ton. Kapitel 16, S. 483–513. http://search.ebscohost.com.pxz.iubh.de:8080/login.aspx? direct=true&db=cat05114a&AN=ihb.50219&site=eds-live&scope=site LEKTION 5 Kollmann, T./Köhler, R./Diller, H. (2013): Online-Marketing: Grundlagen der Absatzpolitik in der Net Economy. 2. Auflage, Kohlhammer, Stuttgart. Kapitel 4, S. 142–182. http://searc h.ebscohost.com.pxz.iubh.de:8080/login.aspx?direct=true&db=nlebk&AN=957151&sit e=eds-live&scope=site 8 ÜBERGEORDNETE LERNZIELE Ziel des Kurses Marketing I ist es, den Studierenden die grundlegenden Konzepte und Begriffe des operativen Marketings zu vermitteln. Sie erhalten einen Einblick in die unter- schiedlichen Ansätze des Marketings in Unternehmen und werden mit dem Management von Produkten und Marken sowie mit dem Begriff der Positionierung im Markt vertraut gemacht. Dieser Kurs vermittelt den Studierenden anhand des Marketingmix das Grundwerkzeug des Marketings. Im Detail wird auf die vier Elemente des Marketingmix eingegangen, also die Produkt-, Kommunikations-, Preis- und Distributionspolitik. Die Zusammenhänge und das Zusammenspiel der einzelnen Elemente wird durch Beispiele aus der Praxis verdeut- licht. Die Studierenden lernen dabei, dass der Erfolg eines Produkts von einer konsisten- ten und konsequenten Umsetzung der einzelnen Elemente im operativen Marketing abhängt. 9 LEKTION 1 GRUNDLAGEN DES MARKETINGS LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – welche Entstehungsgeschichte das Marketing hat. – wie Marketing und Marketingmanagement definiert sind. – was der Unterschied zwischen transaktionalem und beziehungsorientiertem Marketing ist. – was Marken sind und warum sie Wert haben. – wie sich Unternehmen im Markt positionieren. – was Kostenführer- und Qualitätsführerstrategien sind. 1. GRUNDLAGEN DES MARKETINGS Aus der Praxis Der Mineralwasserkonsum in Deutschland steigt seit Jahren stetig an – ganze 148,2 Liter pro Person wurden im Jahre 2016 getrunken. Das entspricht einer elffachen Steigerung im Vergleich zu den 70er-Jahren, als Mineralwasser noch ein exotisches Nischenprodukt war. Die Gründe sind vielfältig, aber wohl vor allem im wachsenden Gesundheitsbewusstsein (Vermeidung von überzuckerten Getränken) und in der mobilen Lebensweise zu finden. Das am schnellsten wachsende Segment ist dabei stilles Wasser, das sich qualitativ nur wenig von Leitungswasser unterscheidet. Im Gegenteil, laut Stiftung Warentest enthält Leitungswasser sogar mehr Mineralien und weniger chemische Rückstände als viele stille Wasser. Was bewegt Konsumenten also dazu, einen wesentlich höheren Preis für ein Pro- dukt zu zahlen, das sie bereits kostengünstig und in besserer Qualität frei Haus geliefert bekommen? Diese Frage stellte sich auch Gerolsteiner nach dem ausbleibenden Markter- folg seiner „Excelsis“ Marke, die 1997 eingeführt worden war. Sechs Jahre später und mit reichlich Marktforschung im Gepäck unternahm das Unternehmen mit „Naturell“ einen zweiten Versuch. Heute macht Naturell 13 Prozent des Wasserabsatzes von Gerolsteiner aus. Sehen wir uns an, welche Lektionen Gerolsteiner also in der Zwischenzeit gelernt hatte (Dalkowski 2015; Klawitter 2003): Die Konsumenten bevorzugten ein stilles Wasser, das nach nichts schmeckte. Der Name „Naturell“ mit seinen Assoziationen von Reinheit und Natur signalisierte dies besser als das vieldeutige „Excelsis“. Französische Firmen hatten einen Verpackungsstandard für stilles Wasser etabliert, der unumgänglich geworden war: die 1,5 Liter große PET-Flasche. Stilles Wasser wird als gesund, rein und vor allem chic empfunden. Die neue bläulich getönte Flasche mit den wellenförmigen Rillen kommunizierte genau diese Eigenschaf- ten. Image ist alles, wenn man ein undifferenziertes Produkt wie Wasser verkauft. Zehn Milli- onen Euro wurden in die Markteinführungskampagne investiert. 1.1 Begriffe des Marketings Das Eingangsbeispiel zeigt, wie geschicktes Marketing Kundenbedürfnisse erkennt, kristal- lisiert und aus der Verschränkung von unternehmensinternen Ressourcen und unterneh- mensexternen Marktrealitäten maßgeschneiderte Produkte anbietet, die diese Bedürf- nisse erfüllen. Geschicktes Marketing ist heute die Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg, und dieser Grundgedanke hat sich in den meisten Branchen und Unternehmen durchgesetzt. Unter- nehmen, die sich auf Marketing verstehen, können sich langfristig am Markt behaupten. Was bedeutet das genau? 12 Markt und Austauschprozesse Marketing leitet sich vom englischen „(to) market“ ab, bedeutet also gleichzeitig Markt und vermarkten. Der Markt ist damit sowohl das Ziel- als auch das Bezugsobjekt des Mar- Markt ketings (Homburg 2017). Das heißt, es ist einerseits das Ziel des Marketings, Märkte zu Ein Markt ist die „Gesamt- heit aller Käufer und Ver- schaffen und zu beeinflussen, andererseits stellen Märkte aber auch die Rahmenbedin- käufer, die sich mit dem gungen für das Agieren von Marketern und das effiziente und effektive Gestalten von Aus- Handel eines bestimmten tauschprozessen (Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2015). Produkts oder einer Pro- duktkategorie beschäfti- gen“ (Kotler/Keller/Opres- Ein Austausch kommt zustande, wenn mindestens zwei Parteien etwas besitzen, das für nik 2015, S. 12). den jeweils anderen von so großem Nutzen ist, dass er oder sie bereit ist, sich dafür von seinem Eigentum zu trennen. Hierin liegen die beiden zentralen theoretischen Leitideen der Marketingwissenschaft (Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2015): Gratifikationsprinzip: Der Austausch sollte für beide Seiten vorteilhaft sein, also Nach- frager- und Anbieternutzen maximieren. Knappheitsprinzip: Die Ressourcen, die im Tausch gehandelt werden, sind knapp, also nicht unbegrenzt vorhanden. Die allermeisten Märkte sind heutzutage Käufermärkte – z. B. gibt es in Deutschland über Käufermarkt 500 verschiedene Mineralwässer. In einem Käufermarkt bildet die Nachfrage den Engpass, In einem Käufermarkt gibt es mehr Angebot als und das Marketing dient dazu, diesen Engpass zu bewältigen, Kunden zu gewinnen und zu Nachfrage, und die Käufer binden (ebd.). Daher steht der Nachfrager im Zentrum des modernen Marketings. entscheiden frei, welches der vielen Angebote ihre Bedürfnisse am besten Entwicklung des Marketingbegriffs befriedigt. Der Begriff Marketing entstand Anfang des 20. Jahrhunderts im angloamerikanischen Sprachraum und löste in den 60er-Jahren den in Deutschland gebräuchlichen Begriff Absatzwirtschaft ab. Gleichzeitig markierte dieser Übergang einen Paradigmenwechsel von Angebot zu Nachfrage oder vom Abverkauf produzierter Ware zur Orientierung am Kunden (ebd.). Die Definition des Begriffs war jedoch nie einheitlich oder konstant. Wenn Lehrbücher neueren Datums verglichen werden, so kann festgestellt werden, dass dies auch heute noch der Fall ist. Die Marketingdefinition wird kontinuierlich weiterentwickelt, an reale Marktverhältnisse und Entwicklungen angepasst und entsprechend dazu neu interpre- tiert. Aus diesem Grund ist es wichtig, Marketingliteratur immer in dem Kontext ihrer Ent- stehungszeit zu lesen. Dieser Lehrbrief folgt im Wesentlichen der modernen und erweiter- ten Marketinginterpretation. 13 Tabelle 1: Evolution des Marketingbegriffs Zeitliche Einflüsse auf den Marketingbegriff Marketingverständnis und Orientierung Ab ca. 1900: Verkaufs- und Kommunikationstechni- handwerkliches Verständnis (instrumentell ver- ken werden erstmals systematisch erforscht und kürzt auf ein absatzpolitisches Werkzeug): Ver- angewendet, z. B. das AIDA-Modell1. kaufsorientierung 1950er und 1960er: Der „Marketingmix“ (die Kombi- nation von Produkt-, Preis-, Vertriebs- und Kommu- nikationspolitik) wird als Konzept der „4Ps“ entwi- ckelt. 1970er: Die starke Nachfragemacht des Handels klassisches ökonomisches Verständnis (Kunden- wird berücksichtigt, und Marketing erhält eine lang- bedürfnisse befriedigen, um primär ökonomische fristigere Orientierung. Ziele zu erreichen): Marktorientierung 1980er: Durch verstärkten Wettbewerb – auch global langfristiges strategisches Verständnis (Schaffung – rückt die strategische Positionierung in den Vor- strategischer Wettbewerbsvorteile): Wettbewerbs- dergrund (Strategisierung des Marketings). orientierung 1990er: Soziale und ökologische Ansprüche sowie modernes und erweitertes Verständnis (zwei Par- Nachhaltigkeit werden wichtiger (Deepening des teien befriedigen ihre jeweiligen Bedürfnisse Marketings). Gleichzeitig wird der Marketinggedanke durch Austauschprozesse): Umfeldorientierung zunehmend auch von nicht kommerziellen Organi- sationen angewendet (Broadening des Marketings). 2000er: Die Entwicklung von digitalen Netzwerken generisches Verständnis (eine Sozialtechnik zur beeinflusst zunehmend das Marktgeschehen. Die Erklärung jeglicher Austauschprozesse): Bezie- langfristige Kundenbeziehung rückt stärker in den hungsorientierung Mittelpunkt. 2010er: Die Digitalisierung von Prozessen schreitet Netzwerkorientierung weiter voran. 1 Dieses Modell ist das älteste und bekannteste Stufenmodell der Werbewirkung. Das Akronym steht für Attention – Interest – Desire – Action. Quelle: erstellt im Auftrag der IU, 2018 in Anlehnung an Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2015, S. 8 und Walsh/Deseniss/Kilian 2013, S. 12. Marketingdefinition Da das Marketingverständnis einer Evolution unterliegt (siehe Tabelle), sich also im Zeit- verlauf geändert hat und auch heute noch ständig weiterentwickelt wird, existieren eine große Zahl unterschiedlicher Definitionen (für eine gute Übersicht vgl. Meffert/Burmann/ Kirchgeorg 2015, S. 11). Dazu kommt noch, dass die akademische Marketingdefinition zum Teil erheblich von der Auslegung in der Unternehmenspraxis abweicht. Die allgemein- sprachliche Verwendung des Begriffs als gleichbedeutend mit Werbung wird jedoch kei- nem der Anwendungsfelder gerecht (Walsh/Deseniss/Kilian 2013). Oft zitiert wird die Definition nach der American Marketing Association, die auch hier bei- spielhaft diskutiert werden soll: 14 MERKE Marketing is an organizational function and a set of processes for creating, communicating, and delivering value to customers and for managing relati- onships in ways that benefit the organization and its stakeholders (American Marketing Association 2017). Diese Definition mag auf den ersten Blick zwar unhandlich erscheinen, beinhaltet jedoch alle wesentlichen Merkmale des modernen Marketingverständnisses. Tabelle 2: Merkmale des Marketings Marketing is an organizational Marketing stellt innerhalb der Unternehmensorganisation eine Mana- function gementfunktion dar, die sich mit systematischer Planung befasst. and a set of processes Marktorientierte Informationen sind für fast alle Unternehmensfunk- tionen relevant. Marketing nutzt daher funktionsübergreifende Pro- zesse. for creating, communicating, and Marketing ist nicht nur analytisch, sondern auch aktionsorientiert delivering und schafft kreative Problemlösungen. Es beinhaltet zeitlich aufei- nanderfolgende Tätigkeiten. value to customers Der zentrale Fokus des Marketings liegt auf dem Kundennutzen1. Um Kunden zufriedenzustellen, setzen sich Marketer systematisch mit dem Kunden und seinen Bedürfnissen auseinander. and for managing customer rela- Vor allem im neueren Verständnis von Marketing sind langfristige tionships Beziehungen zwischen Nachfrager und Anbieter ein wichtiges Ziel (Beziehungsorientierung). in ways that benefit the organiza- Marketing unterstützt den Unternehmenszweck. Das meint in den tion meisten Fällen das Erreichen finanzieller Unternehmensziele (z. B. Umsatz, Gewinn, Rendite) (Wertorientierung). Es können aber auch nicht kommerzielle Ziele (z. B. Mitgliederzahl, Aufmerksamkeit) im Mittelpunkt stehen. and its stakeholders. Im modernen Verständnis von Marketing wird auch die Auswirkung der Unternehmenstätigkeit auf externe Anspruchsgruppen (z. B. Bür- ger, Umweltgruppen) berücksichtigt (Stakeholderorientierung). 1 Der Kundennutzen (auch Nettonutzen) beschreibt die Differenz von Aufwand und erhaltenem Wert aus der Sicht des Kunden. Quelle: erstellt im Auftrag der IU, 2018. Die Definition umfasst zudem die drei Kernbausteine des Marketings: die funktionalen, führungsorientierten und aktivitätenorientierten Aspekte. 15 Funktionaler Marketingbegriff (systematischer Planungsprozess): Dieser Aspekt beschreibt Marketing als eine betriebswirtschaftliche Grundfunktion (oder Abteilung), die mit anderen Funktionen gleichranging ist, wie z. B. mit der Produktion oder der Finanzierung. Das heißt, dass innerhalb der Marketingabteilung spezifische Kompeten- zen, wie beispielsweise Marktforschung oder Kundenbindung, entwickelt werden (Mef- fert/Burmann/Kirchgeorg 2015; Walsh/Deseniss/Kilian 2013). Führungsorientierter Marketingbegriff (Leitphilosophie): Marketing beschreibt aber auch eine Denkhaltung bzw. ein Leitkonzept der Unternehmensführung. Unter dieser Philosophie werden alle betrieblichen Funktionen mit Blick auf den Markt ausgerichtet. Alle marktrelevanten Ressourcen und Fähigkeiten werden zur Schaffung des Kunden- nutzens koordiniert eingesetzt. Damit ist das Unternehmen komplett an den Kundenbe- dürfnissen ausgerichtet, die jeder einzelne Mitarbeiter in seiner Tätigkeit berücksichti- gen sollte (ebd.). Aktivitätenorientierter Marketingbegriff (Sozialtechnologie): Während die beiden anderen Aspekte Marketing als eine duale, integrierte und marktorientierte Führungs- Marketingmix konzeption beschreiben, fokussiert dieser Aspekt auf die Aktivitäten des Marketingmix, Als Marketingmix (oft die dazu dienen, Kundennutzen zu schaffen. Marketing wird hier als eine Art Werkzeug- auch vier Ps) bezeichnet man die Gesamtheit von kasten betrachtet (ebd.). Es geht nicht nur darum, Bedürfnisse zu erkennen und zu Produkt-, Preis-, Promoti- befriedigen, sondern die Nachfragesituation gezielt zu beeinflussen. ons- und Vertriebspolitik (place). Transaktionales vs. beziehungsorientiertes Marketing Die klassische Marktbearbeitung mithilfe der vier Ps stellt eine Perspektive dar, die den Blick vom Unternehmen nach außen richtet. Das Unternehmen reagiert auf das Marktge- schehen, um Geschäftsabschlüsse zu tätigen. Diese Art von reaktivem Blickwinkel wird auch als transaktionales Marketing bezeichnet. Business-to-Business- Marketer, die im Dienstleistungsbereich oder im Business-to-Business tätig sind, erkann- Marketing ten jedoch schon früh den Wert der Beziehungspflege. Ein Friseur, eine Autowerkstatt oder Im Business-to-Business- Marketing (B2B) sind die ein Steuerberater werden z. B. nicht nur rational aufgrund von Preis und Qualität ausge- Konsumenten keine pri- wählt, sondern auch, weil über die Jahre eine vertrauensvolle Beziehung zu diesen Dienst- vaten Endverbraucher, leistern aufgebaut wurde. Nicht eine einzelne Transaktion steht also im Mittelpunkt, son- sondern Organisationen. dern die Kundenbeziehung an sich. Diese Erkenntnis wird zunehmend in andere Bereiche übertragen und die Art der Beziehung zum Kunden wird zum Ausgangspunkt der Marktbe- arbeitung. In diesem Zusammenhang wird von einem Paradigmenwechsel vom Transakti- ons- zum Beziehungsmarketing gesprochen (Bruhn 2016). Der Fokus liegt auf der aktiven Analyse, Gestaltung und Kontrolle von guten Beziehungen mit den Anspruchsgruppen. Tabelle 3: Transaktions- vs. Beziehungsmarketing Transaktionsmarketing Beziehungsmarketing Betrachtungsfristigkeit kurzfristig langfristig Marketingobjekt Produkt Produkt und Interaktion Marketingziel Kundenakquisition Kundenakquisition, -bindung, - rückgewinnung Marketingstrategie Leistungsdarstellung Dialog 16 Transaktionsmarketing Beziehungsmarketing Ökonomische Erfolgs- und Steu- Absatz, Umsatz, Gewinn, zusätzlich: Kundenwert, Kun- erungsgrößen Deckungsbeitrag, Kosten dendeckungsbeitrag, Quelle: Bruhn 2016, S. 31. Der Marketingmix wird daher nicht nur mithilfe der vier Ps strukturiert, sondern zusätzlich durch die Phase, in der sich die Geschäftsbeziehung befindet. Ist das Unternehmen haupt- sächlich daran interessiert, neue Kunden zu gewinnen (Recruitment)? Will es zufriedene Kunden halten (Retention) oder versucht es, abgewanderte Kunden zurückzugewinnen (Recovery)? Diese sogenannten drei Rs bilden damit eine zusätzliche Dimension bei der Abbildung der Marketinginstrumente: Recruitment: Kundenakquise durch Dialog und Interaktion; Akquise Retention: Kundenbindung durch Erhöhung der Kundenzufriedenheit; Als Akquise, auch Akquisi- tion, werden Maßnahmen Recovery: Rückgewinnung durch gezielte Maßnahmen, z. B. persönliche Gespräche. der Kundengewinnung bezeichnet. 1.2 Markenführung, Positionierung und Wettbewerbsstrategien Der Aufbau starker Marken ist ein Ziel des Marketings. Volvic, die deutsche Nummer eins auf dem Markt für stilles Wasser, ist z. B. eine Marke des Konzerns Danone. Marketingma- nager erschaffen, verbessern und schützen Marken. Das erfolgt meist in vier groben Schrit- ten (Kotler/Keller/Opresnik 2015): 1. Die Markenpositionierung wird identifiziert und aufgebaut. 2. Das Markenmarketing wird geplant und umgesetzt. 3. Die Markenleistung wird gemessen und interpretiert. 4. Der Markenwert wird aufgebaut und aufrechterhalten. Markenbegriff Markenführung – auch Branding genannt – wurzelt nicht in akademischer Theorie, son- dern wurde ganz pragmatisch und schrittweise in verschiedenen Werbeagenturen entwi- ckelt. Bis heute verwenden die großen Kommunikationsagenturen ihre eigenen, durchaus unterschiedlichen Markenmodelle und -konzepte. Aus diesem Grund ist eine einheitliche Definition des Markenbegriffs schwer zu finden (Aaker/Joachimsthaler 2000; Mooij 2022; Gehani 2016; Kapferer 2012). Klar ist, dass Marken nicht mit Produkten gleichgesetzt wer- den sollten. Auch wenn Marken sich oft von den am Markt überlegenen Produkten heraus- gebildet haben und auch heute noch mit deren Eigenschaften verbunden sind, haben sie doch eine Art Eigenleben entwickelt (Kapferer 2012). Das kann unter anderem auch daran erkannt werden, dass Marken inzwischen auch für Veranstaltungen, Dienstleistungen, Menschen, Orte und vieles mehr Anwendung finden. Beispielhaft dafür seien hier das Musikfestival „Rock am Ring“ oder das Städtemarketing genannt. 17 Die American Marketing Association bietet die folgende Definition an: „A brand is a ‚Name, term, design, symbol, or any other feature that identifies one seller’s good or service as distinct from those of other sellers’“ (American Marketing Association 2017). Dies ist jedoch eine eher juristische Definition und als solche wenig hilfreich für Marketingmana- ger. Aus Marketingsicht wird vielmehr auf die Wirkung von Marken fokussiert, also die Ver- mittlung von Werten, den Aufbau einer Beziehung mit dem Kunden und die daraus resul- tierende erhöhte Zahlungsbereitschaft. Eine Definition, die dies zusammenfasst, ist beispielsweise die folgende: „[...] [A] name that symbolizes a long-term engagement, cru- sade or commitment to a unique set of values, embedded into products, services and behaviors, which make the organization, person or product stand apart and stand out“ (Kapferer 2012, S. 12). Wert der Marke Obwohl ein einheitlicher Markenbegriff nicht existiert, besteht in der Literatur Einigkeit darüber, dass Marken Werte schaffen und damit selbst einen Wert (Brand Equity) darstel- Methoden len, der mit unterschiedlichen Methoden konkret bestimmt werden kann (Chernatony/ Die Messung von Brand McDonald 2011). Wenn Konsumenten Marken (er)kennen, diese mit positiven Assoziatio- Equity kann indirekt durch qualitative und nen verbinden, ihnen treu sind und sie als hochwertig wahrnehmen (Aaker 1991), können quantitative Marktfor- durch die Markenführung reale Marketingvorteile erzielt werden (Kotler/Keller/Opresnik schung erfolgen oder 2015). Beispiele hierzu: direkt durch Experimente und spezielle holistische Methoden. verbesserte Wahrnehmung der Produktleistung, stärkere Kundentreue, geringere Verwundbarkeit durch Marketingaktivitäten der Wettbewerber, geringere Verwundbarkeit durch Marketingkrisen, größere Margen, unelastischere Kundenreaktionen auf Preiserhöhungen, elastischere Kundenreaktionen auf Preissenkungen, steigende Handelskooperationen und Unterstützungsleistungen, höhere Effektivität der Marketingkommunikation, mögliche Lizenzierungschancen, zusätzliche Markenerweiterungschancen, leichtere Personalbeschaffung und -bindung sowie höhere Marktrendite. Starke Marken werden durch die Anwendung eines konsistenten Marketingmix aufgebaut (de Chernatony/McDonald 2011). Der gesamte Marketingmix sollte mit Blick auf den Mar- kenwert geplant und jede Taktik als markenbildende Aktivität verstanden werden, denn nur die Implementation des Marketingmix ermöglicht es Konsumenten, Marken zu erleben und zu verstehen. Werden z. B. kurzfristige verkaufsfördernde Maßnahmen wie Preisre- duktionen überbetont, kann es dazu kommen, dass die Marke an Wert verliert. 18 Positionierung im Markt Die Positionierung bildet den Kern einer jeden Marketingstrategie. Dabei werden im Positionierung Wesentlichen vier Fragen beantwortet (Kapferer 2012): Wer ist unsere Zielgruppe? Wer Eine Marke zu positionie- ren bedeutet, zu bestim- sind unsere Wettbewerber? Was ist unser Wettbewerbsvorteil, und wodurch erzielen wir men, wie diese von den diesen konkret? Konsumenten im Ver- gleich mit Wettbewerb- sangeboten wahrgenom- Die Positionierung erfolgt typischerweise in zwei Schritten: (1) Ermittlung der relevanten men werden soll. Wettbewerber und (2) Bestimmung des Wettbewerbsvorteils. Die Gruppe der relevanten Wettbewerber bilden dabei diejenigen Konkurrenten, die die gleiche Zielgruppe mit vergleichbaren Angeboten bedienen. Dies schließt sowohl den direkten als auch den indirekten Wettbewerb ein. Für Gerolsteiner Naturell sind bei- Indirekter Wettbewerb spielsweise alle stillen Wasser direkte Wettbewerber, sprudelnde Wasser und andere Dieser bezieht sich auf unterschiedliche Pro- Getränke hingegen sind dem indirekten Wettbewerb zuzuordnen. dukte, die jedoch die glei- chen Bedürfnisse erfüllen. Sind diese Wettbewerbsangebote – und damit der Wettbewerbsrahmen – erst einmal defi- niert, kann bestimmt werden, wie die eigene Marke innerhalb dieses Rahmens positioniert werden soll (Keller/Swaminathan 2019). Hinsichtlich welcher Attribute hält sie sich mit dem Wettbewerb die Waage (points of parity)? Was bietet sie, das besser ist als die Ange- bote der Konkurrenz (points of difference)? Fiji Water setzt sich beispielsweise durch seine Herkunft und seine (angeblich) besondere Reinheit von anderen Wassern ab und kommu- niziert dies gezielt durch die Promotionsstrategie. Kostenführer vs. Qualitätsführerstrategie Verwandt mit und basierend auf der Markenpositionierung ist die Frage, welche abneh- mergerichtete Strategie das Unternehmen anwendet, um den gewählten Markt zu bear- Abnehmergerichtete beiten. Mit anderen Worten, welcher primäre Vorteil wird den Kunden im Vergleich zur Strategie Eine abnehmergerichtete Konkurrenz geboten und kann von diesen auch so wahrgenommen werden? Strategie ist ein langfristi- ger Verhaltensplan, der Dabei gibt es im Grunde zwei Wahlmöglichkeiten, um besser oder billiger als die Konkur- durch die Realisierung eines/mehrerer Wettbe- renz zu sein. Entscheidet sich ein Unternehmen dafür, bessere Angebote zu machen, – dies werbsvorteile in der kann sich auf die Qualität, die Marke, Zusatzleistungen oder die Art der Kundenbeziehung Wahrnehmung der Kun- den ihr Verhalten beein- beziehen – verfolgt es eine Strategie der Qualitätsführerschaft, auch Differenzierungsstra- flusst bzw. stimuliert tegie genannt (Homburg 2017). Bietet es hingegen vergleichbare Produkte zu einem gerin- (Bruhn 2016, S. 75). geren Preis an, dann ist es eine Kostenführerstrategie. In diesem Fall nutzt das Unterneh- men oft Kostendegressionseffekte (durch Standardisierung, Verfahrensinnovation, Kostendegression effiziente Vertriebswege etc.), damit diese Strategie trotz niedrigen Preisen zu zufriedens- Bei einer Kostendegres- sion sinken die Stückkos- tellenden Gewinnen führt. Alternativ dazu gibt es noch einen dritten Weg: der Fokus auf ten eines Guts mit jeder eine Marktnische, die von den Wettbewerbern bisher vernachlässigt wurde, etwa weil sie zusätzlich produzierten unattraktiv ist. Einheit dieses Guts. Da es in einem gesättigten Markt jedoch nur wenige solcher Marktnischen gibt, kann die Nischenstrategie auch in die Dualität von Kosten- vs. Qualitätsführerschaft einbezogen werden, sodass eine Matrix von vier Strategierichtungen entsteht, die für Unternehmen in gesättigten Märkten mögliche Optionen sind. 19 Tabelle 4: Grundkonzeptionen für Wettbewerbsstrategien Zentraler Vorteil Qualität Preis Marktabdeckung Gesamt Strategie der Qualitätsfüh- Strategie der aggressiven rerschaft Kostenführerschaft Teil Strategie der selektiven Qua- Strategie der selektiven Kos- litätsführerschaft tenführerschaft Quelle: Porter 2013. Strategie der Qualitätsführerschaft: realisiert Leistungsvorteile (Qualität, Service) auf dem Gesamtmarkt, z. B. Volvic, Evian. Strategie der selektiven Qualitätsführerschaft: bietet in einer lukrativen Nische, die von größeren Unternehmen vernachlässigt wird, besondere Leistungen zu einem hohen Preis an, z. B. Voss, Fiji. Strategie der aggressiven Kostenführerschaft: bietet niedrige Preise auf dem Gesamt- markt an, z. B. Frische Brise, Handelsmarken. Strategie der selektiven Kostenführerschaft: bietet die Unternehmensleistung auf einem Teilmarkt besonders günstig an, z. B. günstige regionale Mineralwassermarken. 1.3 Marketingmanagement Als Marketingmanagement wird allgemein die Umsetzung und Durchführung des moder- nen, erweiterten Marketingverständnisses in einem konkreten Unternehmen bezeichnet. Es berücksichtigt dabei die vier zentralen Orientierungspunkte des Marketings: das Unter- nehmen selbst, den Kunden, die Wettbewerber und das gesellschaftliche Umfeld. Das Ziel ist es, aus der Kombination von Unternehmensressourcen und den Gegebenheiten des Umfelds Aktivitäten abzuleiten, die die Kundenbedürfnisse besser erfüllen können, als es die Konkurrenz vermag. Die Definition der American Marketing Association spiegelt die wesentlichen Schritte des Marketingmanagements folgendermaßen wider: „Marketing Management is the process of setting goals for an organization (considering internal resources and market opportuni- ties), the planning and execution of activities to meet these goals, and measuring progress toward their achievement“ (American Marketing Association 2017). 20 Tabelle 5: Schritte des Marketingmanagements Schritt Beispiel 1: Situationsanalyse Informationen über die unternehmensin- Das fiktive Getränkeunter- terne und -externe Ausgangssituation nehmen „Sitt“ analysiert eigene Potenziale den Getränkemarkt, die gesellschaftliches Umfeld Trends, das Kundenver- halten, die Wettbewerber Kunden etc. und stellt fest, dass es Wettbewerber nur wenige Mineralwasse- rangebote gibt, die sich speziell an Teenager rich- ten. 2: Marketingziele ökonomische Ziele (Rendite, Gewinn, „Sitt“ entwickelt ein stilles Umsatz, Deckungsbeitrag etc.), psycho- Wasser unter dem Namen grafische Ziele (Kundenzufriedenheit, „isso“ und setzt ein Ziel Image), soziale Ziele, Umweltziele von 0,5 % Marktanteil sowie weitere Ziele. 3: Marketingstrategie strategische Marketingplanung, langfris- Der Markt soll selektiv-dif- tiger Verhaltensplan zur Erreichung der ferenziert bearbeitet wer- Ziele, inkl. Auswahl der Märkte und den; Jugendliche von 12 Marktsegmente1, Marktbearbeitungsstra- bis 19 Jahren sind die Ziel- tegie, grundlegende Verhaltensweisen gruppe. Das Produkt soll gegenüber Marktteilnehmern als „cool“ wahrgenommen werden und etwas teurer als Konkurrenzprodukte sein. 4: Marketinginstrumente operative Marketingplanung (vier Ps) Produkt: stilles Wasser aus Product: Leistungs- und Programmpo- dem Sitt-Brunnen, 0,75 litik Liter große Plastikflasche, Price: Preis- und Konditionspolitik türkis getönt, Einzelver- kauf und 6er-Packung Place: Vertriebspolitik Preis: 0,89 Euro/4,99 Euro Promotion: Kommunikationspolitik Distribution: zusätzlich für Dienstleistungen 6er: Supermärkte und People: Dienstleistungspersonal Drogerien Processes: Dienstleistungserstellungs- Einzel: Schulen, Imbiss, prozess Gastro, Veranstaltungen Physical Facilities: physisch fassbare Promotion: Werbung in Leistungspotenziale des Anbieters Jugendzeitschriften und (Räumlichkeiten etc.) Social Media 5: Marketingimplementierung Realisierung und Durchsetzung, inkl. der Produktlaunch durch Bestimmung von Verantwortlichkeiten, zuständige Marketingab- Führungskonzepten und Budgets teilung 6: Marketingcontrolling Evaluation der Zielerreichung und evtl. Wurde das Marktanteils- Anpassung der Maßnahmen ziel erreicht? 1 Unter Marktsegment ist ein Teil eines Markts zu verstehen, der bestimmte Merkmale aufweist und relativ homogen ist. Quelle: erstellt im Auftrag der IU, 2018 in Anlehnung an Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2015, S. 20 und Walsh/Deseniss/Kilian 2013, S. 22. 21 ZUSAMMENFASSUNG Geschicktes Marketing analysiert Kundenbedürfnisse und stellt die unternehmensinternen Ressourcen auf unternehmensexterne Marktrea- litäten ein, um so der Zielgruppe passgenaue Produkte anbieten zu kön- nen. Marketing beschreibt sowohl eine Managementfunktion als auch eine Reihe von funktionsübergreifenden Prozessen, die zur Erfüllung des Unternehmenszwecks Kundennutzen erschaffen, kommunizieren und bereitstellen sowie Beziehungen so pflegen, dass alle Anspruchsgruppen davon profitieren. Diese Definition umfasst die drei Kernbausteine des Marketings: die funktionalen, führungsorientierten und aktivitätenorien- tierten Aspekte. Das klassische transaktionale Marketing wird zuneh- mend vom Beziehungsmarketing abgelöst, bei dem die Kundenbezie- hung im Mittelpunkt steht. Ein wichtiges Marketingziel ist der Aufbau starker Marken, die von Kon- sumenten erkannt, als hochwertig wahrgenommen und mit positiven Assoziationen verbunden werden sowie Kundentreue generieren. Durch strategische Markenführung können reale Marketingvorteile erzielt wer- den. Die Markenführung basiert auf der Markenpositionierung und der Wahl einer abnehmergerichteten Strategie. Die Markenpositionierung beschreibt aus der Kundensicht wie eine Marke wahrgenommen wird, während die Strategie der Kosten- oder Qualitätsführerschaft den Wett- bewerbsvorteil definiert. Als Marketingmanagement wird allgemein die Umsetzung und Durch- führung des modernen, erweiterten Marketingverständnisses in einem konkreten Unternehmen bezeichnet. 22 LEKTION 2 PRODUKTPOLITIK LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – was ein Produkt ist und wie man Produkte typologisieren kann. – welche Ebenen von Produkten unterschieden werden können. – welche Gestaltungsfelder die Produktpolitik umfasst. – was der Produktlebenszyklus ist. – wie sich Innovationen am Markt durchsetzen. 2. PRODUKTPOLITIK Aus der Praxis „Wirklich guter Schlaf“ ist das Versprechen von Casper, einem jungen Unternehmen aus New York, das Matratzen über das Internet verkauft. Im Gegensatz zum üblichen Geschäftsmodell, bei dem die Kunden im Laden zwei Minuten Probe liegen und sich ansonsten vom Verkaufspersonal über die unübersichtliche Vielzahl von Angeboten bera- ten lassen, gibt es bei Casper nur ein einziges Modell. Dieses soll dank innovativer Materia- lien, Verarbeitung und umfangreicher Tests für jede Körperform und jeden Schlaftyp geeignet sein. Wer mit seiner Matratze nach 100 Nächten nicht zufrieden ist, bekommt sein Geld zurück. Das ungewöhnliche Produktkonzept kam gut an. Im Jahre 2013 gegrün- det, verbuchte das Unternehmen bereits 2014 einen Umsatz von 20 Millionen Dollar und expandierte nach Kanada. Inzwischen können Matratzen von Casper auch in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in Großbritannien bestellt werden. Das Produktprogramm wurde ebenfalls um Kopfkissen, Matratzenschoner, Bettwäsche und Hundebetten erwei- tert. In Zukunft ist geplant, noch weitere Produkte zum Themengebiet Schlaf anzubieten: „To the extent any product touches sleep, it’s something we’re interested in pursuing“ (Mochari 2015). 2.1 Begriffe der Produktpolitik Caspers Erfolg begann mit einem originellen Produkt, das Industriestandards auf den Kopf stellte. Als eines der vier Ps ist die Produktpolitik das Herz des Marketingmix, denn ein zu vermarktendes Produkt ist im weitesten Sinne die Grundvoraussetzung für jede Marke- tingtätigkeit. Der Begriff Produktpolitik fasst also alle Entscheidungen zusammen, die die Gestaltung des Leistungsangebots eines Unternehmens betreffen (Bruhn 2016). Kurz gesagt, beschäftigt sich die Produktpolitik mit der Frage: Was soll vermarktet werden? Um diese Frage zu beantworten, betrachten wir zunächst die verschiedenen Versuche, den Begriff Produkt zu beschreiben und zu erfassen. In der Literatur gibt es hierzu unterschied- liche Ansätze, die vor allem für die Marketingforschung interessant sind, aber auch für Unternehmen ist es relevant, sich darüber im Klaren zu sein, dass sie mehr verkaufen als physische Gegenstände. Die folgenden Typologien und Kategorien sind Anhaltspunkte, mit denen der Begriff Produkt möglichst umfassend dargestellt werden kann. Was ist ein Produkt? Alles was ein Konsument in einem Austauschprozess zur Bedürfnisbefriedigung erhalten Produkt kann, ist ein Produkt im Sinne des Marketings, d. h., dass Produkte materieller und imma- Ein Produkt ist ein Bündel terieller Natur sein können (Lamb/Hair/McDaniel 2009). Ein iPod ist beispielsweise ein von Attributen (Ausstat- tung, Funktionen, Nutzen materielles (d. h. „berührbares“) Produkt, während das Streamen eines Liedes nicht ange- und Verwendung), das fasst werden kann. Selbst eine Idee, wie etwa ein Liedtext oder eine Melodie, kann ver- ausgetauscht oder ver- kauft werden und somit ein Produkt sein. Um die große Vielfalt möglicher Produkte zu wendet werden kann. erfassen, wird oft auch der Begriff „Leistungspolitik“ verwendet. 24 Produktebenen Zur Leistungspolitik gehören neben der eigentlichen Kernleistung meist auch Zusatz- und Serviceleistungen, denn das übergeordnete Ziel ist es, den Kundennutzen zu maximieren. Kauft ein Kunde etwa eine neue Küche, um einen Platz zum Kochen zu haben, erhält er oder sie nicht nur die physischen Schränke und Geräte, sondern meist auch weitere Leis- tungen wie eine individuelle Planung und Beratung, Lieferung, Montage und Garantiever- sprechen. Weil sich Produkte in gesättigten Märkten oft nur geringfügig unterscheiden, werden diese Zusatzleistungen für Unternehmen immer bedeutender, da sie sich somit aus Kundensicht vom Wettbewerb abheben können. Die mit Produkten verbundenen Leis- tungen lassen sich systematisch als verschiedene Produktebenen oder -dimensionen dar- stellen (Kotler et al. 2016). Die drei Produktebenen, die sich aus der Leistungsbetrachtung ergeben, werden in der folgenden Darstellung mithilfe des Eingangsbeispiels (Casper) skizziert: Abbildung 1: Produktebenen (nach Leistung) Quelle: erstellt im Auftrag der IU, 2018 in Anlehnung an Kotler et al. 2016, S. 410. Die diskutierten Produktebenen schaffen verschiedene Nutzenkomponenten für den Kon- sumenten. Das heißt, die Leistung ist das, was das Unternehmen bietet, während der Nut- zen beschreibt, was der Kunde davon hat. Leistung führt meist zu Nutzen. Es sind jedoch auch Leistungen denkbar, die für den Kunden keinen unmittelbaren Nutzen haben (z. B. die Pappverpackung einer Zahnpastatube, die durch Stapelbarkeit eher dem Handel zugu- tekommt). Grundsätzlich wird aus Kundensicht zwischen dem Grundnutzen und dem Zusatznutzen Grundnutzen unterschieden (Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2015). In den meisten Fällen ist jedoch ein Der Grundnutzen beschreibt die Befriedi- Produkt, das nur den Grundnutzen erfüllt, nicht akzeptabel. Eine Hose beispielsweise gung des ursprünglichen bekleidet und wärmt, doch Konsumenten erwarten wesentlich mehr von einer Hose: Sie Bedürfnisses. 25 soll dem Anlass angemessen sein (sozialer oder Geltungsnutzen), gut sitzen und der Figur schmeicheln (Erbauungsnutzen) sowie ein gutes Gefühl geben (Marke, emotionaler Nut- zen). Das heißt, dass mögliche Zusatznutzen sozialer Nutzen (Geltungsnutzen), Erbau- ungsnutzen oder emotionaler Nutzen sein können. Werden die Produktdimensionen vom Nutzenstandpunkt aus betrachtet, so erhält man fünf Kategorien (Kotler/Keller/Bliemel 2007). Je mehr Nutzenkomponenten ein Produkt bietet, desto höher die Kategorie, in die es zugeordnet wird. Die verschiedenen Arten von Zusatznutzen sind jedoch nicht an eine Reihenfolge gebunden und müssen nicht zwangsläufig vorhanden sein. Abbildung 2: Produktebenen (nach Nutzen) Quelle: erstellt im Auftrag der IU, 2018 in Anlehnung an Kotler/Keller/Bliemel 2007, S. 493. Qualität Qualität Eng verbunden mit dem Nutzen eines Produkts ist die Frage nach dessen Qualität. Je Diese bezeichnet die höher die Qualität, desto höher ist in der Regel auch der Nutzen für den Kunden. Qualität „Gesamtheit der Bestand- teile und Eigenschaften kann in objektiver (im Sinne von messbaren Eigenschaften) oder subjektiver (gemessen an eines Produkts oder einer den Vorstellungen des Konsumenten) Hinsicht diskutiert werden. Allgemein kann zwi- Dienstleistung, die sich schen folgenden Qualitätsdimensionen unterschieden werden (Meffert/Burmann/Kirchge- auf seine Fähigkeit aus- wirken […] Bedürfnisse org 2015): zu befriedigen“ (Kotler/ Keller/Opresnik 2015). Gebrauchsnutzen: Funktioniert das Produkt wie erwartet? Haltbarkeit: Was ist die Lebensdauer des Produkts? Zuverlässigkeit: Wie wahrscheinlich ist es, dass das Produkt versagt? Ausstattung: Welche Zusatzvorzüge gibt es? Normgerechtigkeit: Werden Gütenormen eingehalten? Ästhetik: Gefällt das Produkt? Umwelt- und Sozialverträglichkeit: Ist das Produkt nachhaltig? 26 Produkttypologisierung Produkte zu kategorisieren hilft dem Begriffsverständnis und ist gleichzeitig auch für die Auswahl von passenden Marketingstrategien bedeutsam. Je nachdem, um was für eine Art von Produkt es sich handelt, können spezialisierte Marketingtaktiken zum Einsatz kom- men. Es gibt beispielsweise einschlägige Handbücher für Dienstleistungsmarketing, Busi- ness-to-Business-Marketing, Destinationsmarketing usw. In der Literatur existieren unter- schiedliche Produkttypologien, die z. B. basieren auf (Walsh/Deseniss/Kilian 2013): Materialität (Sachgüter vs. Dienstleistungen): Hierbei werden Produkte danach unter- schieden, ob sie physisch berührt werden können oder nicht. Wenn das möglich ist, dann handelt es sich um Sachgüter (z. B. ein Bleistift oder ein Auto). Nicht materielle Güter sind in der Regel Dienstleistungen (z. B. ein Haarschnitt, ein Ölwechsel oder die Bearbeitung der Steuererklärung). Konsumentengruppe (Konsumgüter [B2C] vs. Investitionsgüter [B2B]): Hierbei wird danach unterschieden, wer die Güter nachfragt. Sind es „normale“ Endkonsumenten, die Produkte für den privaten Gebrauch kaufen, wird von Konsumgütern gesprochen. Sind es Unternehmen, die Produkte für den Weiterverkauf oder die Verwendung im Unternehmen kaufen, wird hingegen von Investitionsgütern gesprochen. Bestimmte Produkte, wie beispielsweise Büromaterial, fallen in beide Kategorien. Nutzungsdauer (Verbrauchsgüter vs. Gebrauchsgüter): Hierbei richten sich die Katego- rien nach der Dauer der Nutzung. Werden Produkte schnell aufgebraucht, z. B. Lebens- mittel, sind es Verbrauchsgüter. Werden sie länger benutzt, sind es Gebrauchsgüter (z. B. Fahrrad). Nutzungshäufigkeit (Waren des täglichen vs. Waren des aperiodischen Bedarfs): Es wird danach unterschieden, wie oft Produkte nachgefragt werden. Weihnachtsbäume bei- spielsweise werden nur kurz vor Weihnachten gekauft und sind deshalb auch nur dann erhältlich. Zahnpasta wird das ganze Jahr über benutzt und wird deshalb auch stets angeboten. Kaufgewohnheit (Convenience Goods, Shopping Goods, Specialty Goods, Unsought Goods): Dabei werden Produkte danach eingeteilt, auf welche Art und mit welchem Auf- wand sie gekauft werden. Convenience Goods werden mühelos und ohne viel Aufwand oder Nachdenken relativ regelmäßig eingekauft, z. B. Shampoo oder Brot. Shopping Goods werden seltener, dafür aber mit mehr Such- und Vergleichsaufwand erworben, z. B. Kleidung oder Möbel. Specialty Goods sind Sonderprodukte mit einzigartigen Eigen- schaften, z. B. Antiquitäten oder sehr hochpreisige Modemarken. Unsought Goods schließlich sind Güter, die nicht aktiv nachgefragt werden, weil sie entweder noch unbe- kannt oder unattraktiv sind, z. B. Versicherungen oder völlig neue Lösungen. 2.2 Gestaltungsfelder der Produktpolitik Produktpolitische Entscheidungen werden typischerweise von Produktmanagern getrof- fen, die für die Entwicklung von Produkten und deren Führung am Markt zuständig sind (Bruhn 2016). Sie setzen die Ziele für die Produktpolitik, welche sowohl ökonomisch orien- tiert (z. B. bezogen auf verkaufte Mengen oder Ansprache bestimmter Segmente) als auch psychologischer Natur sein können (z. B. bezogen auf Image und Konsumenteneinstellun- 27 gen). Basierend auf diesen Zielen entwickeln sie Strategien und setzen produktpolitische Instrumente ein. Diese verteilen sich grob betrachtet auf drei Gestaltungsfelder: die grund- sätzliche (erstmalige) Produktgestaltung, die Variation von Produkten mit der Zeit sowie Produktprogramm die Kombination von Produkten zu sogenannten Produktprogrammen. Unter einem Produktpro- gramm (auch Portfolio oder Sortiment) ist die Produktgestaltung und Qualitätsmanagement Gesamtheit aller Leistun- gen zu verstehen, die ein Anbieter zum Kauf bereit- Die Produktgestaltung entwickelt Produkte, also die Gesamtheit von Kern- und Zusatzleis- stellt. tungen, um Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Als ein Produktentwickler von Procter & Gamble in den 50er-Jahren zum ersten Mal Großvater wurde, fielen ihm die mit den Stoff- windeln verbundenen Erschwernisse auf: Sie passten schlecht, liefen aus und mussten ständig gewaschen werden. Diese Erkenntnis führte zu der Entwicklung von Pampers, den Einwegwindeln, die für Procter & Gamble zum Verkaufsschlager wurden und den Markt für Babyprodukte weltweit veränderten. Die Produktgestaltung umfasst die folgenden Aspekte (Walsh/Deseniss/Kilian 2013; Bruhn 2016): Technisch-funktionale Eigenschaften: Wie kann der Kernnutzen bereitgestellt wer- den? Aus welchem Material sollten die Einwegwindeln sein, damit sie saugstark, aber zugleich sanft sein konnten? Produktdesign: Wie ist das Produkt äußerlich durch Farbe und Form usw. gestaltet? Welchen Schnitt sollten Pampers haben, damit die Windeln den meisten Babys passen würden? Welche Farben oder Muster würden Mütter ansprechend finden? (Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass Väter von den Procter&Gamble-Marktforschern in den 50ern nicht befragt wurden.) Produktverpackung: Eine gute Verpackung sollte das Produkt (1) schützen, (2) werb- lich anpreisen, (3) anwenderfreundlich sowie (4) möglichst leicht und ökologisch sinn- voll zu entsorgen sein. Wie sollten die Windeln also verpackt werden und in welcher Menge pro Packung, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden? Qualitätsmanagement: Wie können die funktional-technischen Eigenschaften dauer- haft gesichert werden? Das Qualitätsmanagement dient dazu, Arbeitsabläufe und Pro- zesse zu optimieren. Serviceleistungen Servicepolitik: Sollen weitere Serviceleistungen wie Garantien, Lieferung, Kunden- Darunter sind „immateri- dienst oder Value Added Services angeboten werden? Pampers bietet beispielsweise elle, die Primärleistung unterstützende oder einen Onlinebabyratgeber, Schwangerschaftstipps usw. eigenständige Leistungen, die den Kundennutzen Produktpolitische Entscheidungen im Lebenszyklus steigern“ (Bruhn 2016, S. 150) zu verstehen. Vier Jahrzehnte lang war Procter & Gamble mit Pampers so erfolgreich, dass der Marken- name teilweise zum Synonym für Einwegwindeln wurde. Doch Ende der 90er-Jahre sank der Marktanteil plötzlich. Der Kernnutzen (Saugfähigkeit) war kein Alleinstellungsmerkmal mehr, sodass Procter & Gamble einen Weg finden mussten, sich neu zu positionieren. Die Lösung war die Entwicklung von verschiedenen „Modellen“, die in ihrer Funktion optimal an die jeweilige Entwicklungsphase eines Kindes – vom Säuglings- bis ins Vorschulalter – angepasst waren. Mit dieser Weiterentwicklung konnte Pampers erneut den ersten Platz im Windelmarkt erkämpfen. Die meisten Produkte müssen mit der Zeit an neue Marktreali- täten angepasst werden. Zu den produktpolitischen Entscheidungen gehören (Walsh/ Deseniss/Kilian 2013): 28 Produktvariation: Wie kann ein Produkt durch die bewusste Veränderung von Nutzen- komponenten verbessert werden? Die Basisfunktion bleibt bestehen, während Design, Farbe und Geschmack etc. variiert werden. Dies ist oft nötig, wenn sich Kundenbedürf- nisse ändern oder die Position im Markt verteidigt werden muss. Die Matratze von Cas- per kann beispielsweise angepasst werden, wenn neue Materialien verfügbar sind oder es neue Erkenntnisse aus der Schlafforschung gibt. Produktdifferenzierung: Können durch abgewandelte Versionen eines Produkts neue Marktsegmente angesprochen werden? Anders als bei der Produktvariation erweitert sich hier das Produktprogramm, denn neue Produkte lösen die alten nicht ab, sondern beide Varianten werden angeboten. So bietet Casper inzwischen auch Hundebetten an. Produktelimination: Dient ein Produkt immer noch den Unternehmenszielen? Ist die Antwort negativ, wird das Produkt aus dem Angebot entfernt. Stellt sich z. B. irgend- wann heraus, dass Casper-Kissen nicht den Zuspruch finden, der für die kostende- ckende Produktion nötig ist, könnten diese aus dem Sortiment entfernt werden. Produktportfoliomanagement Pampers wurde 2012 zur ersten „Milliarden-Dollar-Marke“ im Procter&Gamble-Portfolio. Neben den Einwegwindeln umfasst deren Produktprogramm aber auch viele andere bekannte Marken wie beispielsweise Swiffer, Pantene, Braun usw. Das Produktprogramm von Procter & Gamble ist also sehr groß, sowohl hinsichtlich der Breite als auch der Tiefe. Programmbreite Die Marketingziele aller Produkte (oder Marken) im Portfolio werden vom Portfolioma- Diese ist durch die Anzahl der Produktlinien defi- nagement gesteuert und die Ressourcen entsprechend dazu verteilt. Sortimentserweite- niert. rung und -bereinigung gehören ebenfalls zu den Aufgaben. Programmtiefe Diese beschreibt die Zahl der Produkte pro Pro- Abbildung 3: Dimensionen des Produktprogramms von Procter & Gamble duktlinie. Quelle: erstellt im Auftrag der IU, 2018. Im Produktportfoliomanagement wird weiterhin entschieden, nach welchen Kriterien die Programmstruktur ausgerichtet werden soll, insbesondere wie die einzelnen Produktli- nien ausgestaltet werden. Dabei können verschiedene Leitlinien angewandt werden (Walsh/Deseniss/Kilian 2013): 29 Produktlinie Ausrichtung am Material oder der Herkunft der Güter, z. B. besteht das Produktpro- Die ist eine Gruppe von gramm der Kraft Heinz Company aus Lebensmitteln; Produkten, die bestimmte Kriterien gemeinsam Ausrichtung an bestimmten Preislagen, z. B. bietet der Konzern LVMH ein heterogenes haben. Markenprogramm zu sehr hohen Preisen; Ausrichtung an Bedarfskreisen, z. B. ist das Procter&Gamble-Portfolio durch das Bedarfsfeld Hygiene bestimmt. 2.3 Innovationsmanagement Kodak, Pionier der Fotografie, hatte sein Produktprogramm einst so erfolgreich ausgerich- tet, dass die gesamte Fotowertschöpfungskette abgedeckt werden konnte. Als ein 23-jäh- riger Mitarbeiter von Kodak im Jahre 1975 die erste Digitalkamera erfand, wurde dies zwar im Unternehmen toleriert, jedoch nicht aktiv als Strategie verfolgt. Im Jahre 2012 meldete das Unternehmen Insolvenz an und ist heute nur noch eine Nischenmarke (Viki 2017). Kodak hat also nicht, wie oft behauptet, die digitale Revolution verschlafen, sondern Innovationsma- bewusst vernachlässigt. Das Innovationsmanagement – heute eine Voraussetzung für nagement den wirtschaftlichen Erfolg – hat versagt. Darunter versteht man die bewusste Gestaltung eines Innovationssystems Produktlebenszyklus zur Entwicklung von Neu- produkten und die damit verbundenen Verände- Erfolgreiches Innovationsmanagement beginnt mit einem grundlegenden Verständnis des rungen in einem Unter- Produktlebenszyklus. Dies ist eine idealtypische Darstellung der Phasen, die ein Produkt nehmen. von der Neueinführung bis zu seiner Eliminierung durchläuft (Walsh/Deseniss/Kilian 2013). Die Einführungsphase ist durch hohe Investitionen und geringe Umsätze gekenn- zeichnet. In der Wachstumsphase entsteht ein überdurchschnittlicher Zuwachs, mit dem die Gewinnzone erreicht werden kann. In der Reifephase dehnt sich der Markt weiter aus, Erfahrungskurvenef- aber die Wachstumsraten sinken. Erfahrungskurveneffekte und Economies of Scale sind fekte in dieser Phase am höchsten. Ist der Markt gesättigt, gehen die Umsätze zurück, sodass Diese beziehen sich auf eine Steigerung der Effizi- das Produkt sich in der Sättigungsphase befindet. Schließlich gibt es kaum noch Bedarf enz dadurch, dass man für das Produkt, der Umsatz ist stark rückläufig, und der Zyklus endet mit der Verfalls- bereits Erfahrung im phase. Markt und mit dem Pro- dukt gesammelt hat und auf dieser Basis Verbesse- rungen vornehmen kann. Economies of Scale Diese beschreiben Betriebsgrößenvorteile, z. B. günstigere Einkaufs- konditionen durch Men- genrabatte oder sinkende Stückkosten wegen bes- serer Verwaltungskoste- numlage. 30 Abbildung 4: Produktlebenszyklus Quelle: erstellt im Auftrag der IU, 2018. S-Kurve Kodaks Untergang lässt sich jedoch nicht allein mit dem Produktlebenszyklus erklären, der hauptsächlich die Erklärungsvariable Zeit nutzt. Vielmehr markierte die Erfindung der digitalen Kamera und das Ende der Filmfotografie einen fundamentalen Technologie- sprung. Dieses Phänomen wird durch das S-Kurvenkonzept erfasst, dessen Ziel es ist, das Innovationsmanagement für technologische Diskontinuitäten zu sensibilisieren (Foster 1986). Die Grundidee ist, dass jede Technologie irgendwann zwangsläufig an eine Leis- tungsgrenze stoßen (bedingt durch Größe, Komplexität oder Materialeigenschaften) und deshalb durch eine neue Technologie ersetzt werden wird. Die grafische Umsetzung dieser Theorie gleicht zwei S-förmigen Kurven: 31 Abbildung 5: S-Kurvenkonzept Quelle: Foster 1986. Für Unternehmen ist es von zentraler Bedeutung, die Grenzen der Technologien abzu- schätzen, auf denen ihre Produkte basieren, um auf Technologiesprünge vorbereitet zu sein. Eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung sollte kontinuierlich damit beschäftigt sein, neue Produkte zu entwickeln und vorzubereiten. Kodak hätte also die Entwicklung der Digitalkamera als strategische Richtung zielstrebig verfolgen müssen. Adoption neuer Produkte Tatsächlich war es das Unternehmen Sony, das 1981 die erste filmlose Kamera auf den Markt brachte, doch es dauerte weitere 20 Jahre, bis die digitale Fotografie den Massen- markt erreichte, denn es braucht oft Zeit, bis neue Produkte vom Konsumenten akzeptiert Adoptionsprozess werden und sich am Markt durchsetzen können (Adoptionsprozess). Dabei gibt es immer Dieser Prozess wird gene- Konsumenten, die adoptionsfreudiger sind als die Mehrheit. Diese Innovatoren und frühen rell in fünf Phasen unter- teilt: Aufmerksamkeit, Adopter sind hochinformiert und haben ein großes Interesse am jeweiligen Produkt. Die Interesse, Bewertung, gezielte Ansprache dieser Konsumentengruppen ist äußerst wichtig, um den Diffusions- Versuch und Annahme. prozess von Produktinnovationen voranzutreiben (Rogers 2003). Diffusionsprozess Dieser Prozess beschreibt die kumulierte Adoption einer Neuerung im Zeit- ablauf. 32 Abbildung 6: Diffusionskurve Quelle: Rogers 2003. ZUSAMMENFASSUNG Die Produktpolitik ist das Herz des Marketingmix und fasst alle Entschei- dungen zusammen, die die Gestaltung des Leistungsangebots eines Unternehmens betreffen. Der Begriff Leistungsangebot ist dabei umfas- sender als z. B. Produktpalette, da er Produkte mit all ihren Dimensio- nen beschreibt. Als Produkt gilt im Marketing all das, was ein Konsu- ment erwirbt, um ein Bedürfnis zu befriedigen. Die Hauptaufgaben der Produktpolitik sind das erstmalige Gestalten von Produkten, die Verän- derung dieser Produkte entsprechend der Marktrealitäten sowie die Kombination von Produkten zu stimmigen und profitablen Produktpro- grammen. Verschiedene Analysewerkzeuge helfen Unternehmen, ihren Innovati- onsprozess zu optimieren. Dazu gehören die Produktlebenszyklusana- lyse, das S-Kurvenkonzept und die Diffusionskurve. 33 LEKTION 3 KOMMUNIKATIONSPOLITIK LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – was die Kommunikationspolitik beinhaltet und was ihre Ziele sind. – warum es bedeutsam ist, die Kommunikationswerkzeuge zu integrieren. – was die zentralen Instrumente der massenmedialen Kommunikation sind. – was die zentralen Instrumente der persönlichen Kommunikation sind. 3. KOMMUNIKATIONSPOLITIK Aus der Praxis Ginch Gonch stellt „funderwear“ her. Das Kofferwort aus „fun“ und „underwear“ steht für hochwertige Herren- und Damenunterwäsche mit lustigen Motiven. Dazu passend ist auch das Motto der kanadischen Marke: „Live like a kid!“ Zu kaufen gibt es die unkonventionel- len Stücke weltweit in Boutiquen und Kaufhäusern der gehobenen Preisklasse. Im Jahre 2003 gegründet, definierte die Marke zunächst vor allem homosexuelle Männer als ihre Zielgruppe (Hancock 2016). Diese waren relativ einfach zu erreichen, denn es gab spezifi- sche schwule Magazine, Websites, Fernsehsendungen, Filme usw., durch die die Ziel- gruppe nicht nur ohne Streuverluste erreicht werden konnte, sondern die auch noch wesentlich preisgünstiger waren als die Mainstreammedien. Hinzu kamen PR-Events, Sponsorships von privaten Veranstaltungen, Blogging und soziale Medien. Zwei durchtrai- nierte „Ginch Gonch Boys“ traten auf Partys und Veranstaltungen auf und trugen dabei nichts als ihre Unterwäsche. Die kanadische Hockeymannschaft Cutting Edges, die nur aus homosexuellen Spielern besteht, wurde 2006 gesponsert. Die Werbung von Ginch Gonch ist locker, witzig und sexy, mit einer Prise Nostalgie und gut durchdachten Zweideutigkei- ten. Sie wird vornehmlich online platziert, da die Effektivität von Webanzeigen besser kurzfristig ermittelt werden kann. Ginch Gonch hatte den homosexuellen Markt im Sturm erobert, und bald kamen heterose- xuelle Frauen und später auch Männer als Zielgruppe hinzu. Mit dem Übertritt in den Main- streammarkt präsentiert sich die Marke heute als breitgefächert und spricht insbesondere explizit verschiedene Ethnizitäten an. Eindeutig homosexuelle Inhalte sind aus der Wer- bung verschwunden. Homosexuelle Events und Bewegungen werden zwar weiterhin gefördert, aber Ginch Gonch möchte über das Image als „schwule Marke“ hinauswachsen. 3.1 Integrierte Marketingkommunikation Das Eingangsbeispiel verdeutlicht, wie eine kohärente Marketingkommunikation Marken bekannt machen und mit Inhalt füllen kann, also Markenassoziationen schafft, mithilfe dessen stimmige Botschaften übermittelt und eine strategische Positionierung erreicht werden kann. Dazu müssen die Kommunikationsaktivitäten integriert und aufeinander abgestimmt werden. Sie sollten medienneutral geplant werden, d. h., alle Kommunikati- onsoptionen und -kanäle sollten bezüglich ihrer Effektivität (Nutzen) und Effizienz (betrie- Kommunikationspolitik bener Aufwand) objektiv bewertet werden. Richtig betriebene Kommunikationspolitik Diese gestaltet und über- macht sich bezahlt (Kotler/Keller/Opresnik 2015). mittelt Informationen, um die Konsumenten im Sinne der Unternehmens- Rolle und Ziele ziele zu beeinflussen (Homburg 2017). Die Aufgabe der Marketingkommunikation ist es, in Dialog mit den Konsumenten zu tre- ten, um sie... 36... über Produkte und Marken zu informieren, von Produkten und Marken zu überzeugen sowie sie an Produkte und Marken zu erinnern (Lamb/Hair/McDaniel 2009). Als konkrete Ziele der Kommunikationspolitik werden sowohl ökonomische (wirtschaftli- che) als auch vorökonomische (potenzialbezogene) Größen genannt (Homburg 2017). Die wirtschaftlichen Ziele (z. B. Marktanteil, Kundenzahl, Absatz, Rentabilität etc.) beziehen sich jedoch auf den Marketingmix als Ganzes, sodass nur die potenzialbezogenen Ziele reine Kommunikationsziele sind. Diese können sein: Kategoriebedürfnis, Kategoriebedürfnisse Bekanntheitsgrad und Image, Diese beziehen sich auf die Schaffung neuer Kate- Einstellungen der Nachfrager zum Unternehmen und zu den Produkten sowie gorien. Völlig neue, inno- Kaufabsicht der Nachfrager. vative Produkte lösen oft Probleme, denen sich Konsumenten nicht aktiv Kommunikationsprogramme entwickeln bewusst sind, sodass es noch keine Nachfrage nach der Lösung gibt. Das Erfolgreiche Kommunikationskampagnen werden nicht nach Gutdünken zusammenge- Bedürfnis muss erst etab- würfelt, sondern analytisch und stufenweise geplant. Dies erfolgt typischerweise in acht liert werden (Kotler/ Schritten (Kotler/Keller/Opresnik 2015): Keller/Opresnik 2015). 1. Zielgruppe auswählen: An wen richtet sich die Kommunikation? Die Zielgruppe kann deckungsgleich mit dem ausgewählten Marktsegment sein oder auch nur eine Teil- menge davon. HelloFresh beispielsweise, der Lieferdienst für Lebensmittel nach Rezept, führte bestimmte Maßnahmen (E-Mails, persönliche Anrufe, Rückgewinnungs- rabatte etc.) speziell für Kunden ein, die ihre Kochbox nach einigen Wochen wieder abbestellt haben. 2. Kommunikationsziele festlegen: Welche konkreten Ziele sollen in einem bestimm- ten Zeitraum mit der Kommunikationspolitik verfolgt werden? Als das Automobil Isuzu Rodeo im amerikanischen Markt eingeführt wurde, war das Kommunikationsziel beispielsweise nur, Konsumenten zu einem Besuch beim Isuzu-Händler zu bewegen (Steel 1998). 3. Kommunikationsbotschaft bestimmen: Was soll wie und von wem gesagt werden? So warb die Kulthausfrau Klementine 18 Jahre lang für die „porentiefe Reinheit“ von Ariel-Waschmittel. 4. Kommunikationskanäle auswählen: Auf welchem Träger soll die Botschaft vermit- telt werden? Grob können zwar persönliche Kanäle und Massenkanäle unterschieden werden, diese Grenzen werden jedoch von den sozialen Medien zunehmend ver- wischt. Die Lebensmittelhändler Lidl, Penny und Edeka duellieren sich etwa gern mit humorvollen Beiträgen auf Facebook und Twitter, unter anderem mit einem hochwer- tigen Spot, der das Musical „La La Land“ parodiert (Theobald 2017). 5. Budget festlegen: Wie viel Geld soll für Kommunikationsmaßnahmen ausgegeben werden? Autokonzerne bestimmen ihr Budget in der Regel basierend auf einem Pro- zentsatz des geplanten Verkaufspreises eines Modells. Allgemein kann das Budget anhand der finanziellen Möglichkeiten festgelegt werden, z. B. als ein Prozentsatz des Umsatzes, orientiert an den Mitbewerbern oder auf der Basis von Zielen und Aufga- ben. Letzteres ist der empfehlenswerte Weg. 37 6. Kommunikationsmix gestalten: Welche Medien und Vertriebskanäle werden ausge- wählt? Dabei sollten die unverwechselbaren Merkmale und Kosten jedes Werkzeugs berücksichtigt werden. Die Modekette Zara macht beispielsweise praktisch keine Wer- bung, sondern verlässt sich auf ihre exklusiven Standorte und Mund-zu-Mund-Kom- munikation. Konkurrent H & M dagegen gibt jährlich Millionen für klassische Werbe- kampagnen aus. 7. Kommunikationsergebnisse messen: Welche Wirkung hatten die Kommunikations- maßnahmen? Dies kann durch Konsumentenbefragungen festgestellt werden. So fand eine Studie heraus, dass der englische Slogan „Come in and find out“ der Firma Douglas ineffektiv war, denn deutsche Konsumenten übersetzten diesen mit „Komm rein und finde wieder hinaus“ (Volpert 2003). 8. Marketingkommunikationsprozess steuern: Die einzelnen Kommunikationswerk- zeuge müssen kontinuierlich aufeinander abgestimmt werden, um so effektiv wie möglich zu sein. Pepsi gewann in den 70er-Jahren die legendäre „Pepsi Challenge“ gegen Coca-Cola, versäumte es aber, die erhöhte Aufmerksamkeit, die aus den Blind- verkostungen resultierte, in Absatz umzuwandeln. Gezielt abgestimmte verkaufsför- dernde Maßnahmen wären hier sinnvoll gewesen. Medien kombinieren Jedes Kommunikationswerkzeug hat Vorteile und Nachteile. Wie sie ausgewählt und kom- biniert werden, hängt von mehreren Faktoren ab, unter anderem von der (1) Marktstellung des Unternehmens, der (2) Art des Produktmarkts (Konsum oder Industrie), (3) den Cha- rakteristiken der Zielgruppe, (4) der Kaufbereitschaft der Konsumenten und der Art der Kaufentscheidung Kaufentscheidung, (5) der Phase im Lebenszyklus und (6) dem zur Verfügung stehenden Die Art der Kaufentschei- Budget. Sechs Kriterien dienen dazu, die Effektivität und Effizienz der integrierten Marke- dung bezieht sich darauf, mit welchem kognitiven tingkommunikation einzuschätzen (Keller/Swaminathan 2019): und sonstigen Aufwand ein Kauf verbunden ist. Reichweite: Wird die angestrebte Zielgruppe erreicht? Man unterscheidet impul- sive, habituelle, limitierte Mitwirkung: Welche Auswirkung hat die Kommunikation auf die Zielgruppe? und extensive Kaufent- Gemeinsamkeit: Vermitteln die verschiedenen Kommunikationswege eine konsistente scheidungen. Botschaft? Komplementarität: Ergänzen sich die Kommunikationswege gegenseitig? Vielseitigkeit: Wirkt die Kommunikation sowohl bei den Konsumenten, die nur von einem Werkzeug erreicht werden, als auch bei denjenigen, die mit mehreren Werkzeu- gen in Kontakt kommen? Kosten: Welche Kosten fallen an? 3.2 Kommunikationsinstrumente Die zur Verfügung stehenden Kommunikationsinstrumente können unterteilt werden in massenmediale und persönliche Kommunikationsinstrumente. Das zentrale Merkmal massenmedialer Kommunikation ist, dass sich die Botschaft an eine Masse von Empfän- gern richtet, daher also nicht individuell auf Personen abgestimmt ist. Dennoch wird es durch die Fragmentierung der Medienlandschaft immer einfacher, auch genau definierte Zielgruppen zu erreichen. Auf der Kehrseite wird es jedoch zunehmend schwieriger, eine 38 große Menge von Konsumenten über ein einziges Medium zu erreichen. So schauten z. B. Fragmentierung in den 80er-Jahren 20 Millionen Menschen „Wetten, dass?“, doch bevor die Sendung im Diese bezieht sich auf die Änderung der Struktur Jahre 2014 eingestellt wurde, waren es nur noch sechs bis sieben Millionen. Zu den mas- der Medienlandschaft. senmedialen Kommunikationswerkzeugen zählen Werbung, Verkaufsförderung, Sponso- Klassische Mainstream- ring und Eventmarketing sowie Public Relations. medien verlieren an Reichweite, stattdessen gibt es immer mehr Ange- Anders als die massenmediale Kommunikation richtet sich die persönliche Kommunika- bote mit sehr spitzen Ziel- gruppensegmenten. tion an individuelle Konsumenten und kann in Form und Inhalt angepasst werden. Zur persönlichen Kommunikation zählen Direktmarketing, interaktives Marketing, Mund-zu- Mund-Kommunikation und persönlicher Verkauf. Massenmediale Kommunikationsinstrumente Persönliche Kommunikationsinstrumente Werbung Direktmarketing Verkaufsförderung interaktives Marketing Sponsoring & Eventmarketing Mund-zu-Mund-Kommunikation (WoM) Public Relations persönlicher Verkauf Im Folgenden werden die Vor- und die Nachteile dieser Kommunikationsinstrumente betrachtet. Massenmediale Kommunikationsinstrumente Werbung Als Werbung wird die unpersönliche, durch einen dabei explizit genannten Auftraggeber bezahlte Präsentation von Produkten bezeichnet. Werbung kann traditionell über Print- medien (Zeitungen, Zeitschriften, Flyer, Prospekte etc.), Übertragungsmedien (Radio, Fernsehen, Kino etc.), Displaymedien (Plakate, Schilder, Werbeaufsteller etc.) und auch über elektronische Medien (z. B. Internetseite) erfolgen (Kotler/Keller/Opresnik 2015). Gängige Werbemaßnahmen sind etwa Werbespots im Fernsehen, eine Anzeige in der Tageszeitung oder ein Werbebanner auf einer Webseite. Zu den Plattformen zählen unter anderem auch das Product Placement, welches die gezielte in den Kontext eingebundene Darstellung von Markenprodukten in verschiedenen Medien, z. B. in Film, Fernsehen oder Videospielen beschreibt. Durch Werbung kann eine große Menge geografisch verstreuter Konsumenten erreicht werden. Durch die Möglichkeit Bild, Ton und Videosequenzen einzusetzen, z. B. im Fernse- hen oder Youtube gewinnt Werbung an Ausdruckskraft und kann ein positives Image auf- bauen. Durch eine starke Ausdruckskraft und Wiederholung der Botschaft prägen sich Pro- dukte und Unternehmen beim Konsumenten ein. Eine kreative Gestaltung hat positiven Einfluss auf die Bekanntheit des Produktes oder Unternehmens. Dieser Effekt kann beson- ders gut bei Produktneueinführungen genutzt werden. (vgl. Meffert et al., 2015, S. 588 f.) 39 Werbemaßnahmen sind allerdings auch mit hohen Kosten verbunden. Die Produktion von Print und TV Werbung ist teuer, und das macht es schwierig für kleinere Unternehmen, große Konsumentengruppen zu erreichen. Auch ist eine individuelle Ansprache bei mas- senmedialen Werbemaßnahmen nicht möglich, und es bleibt bis heute schwierig, die Effi- zienz und Effektivität der Werbung zu messen. Darüber hinaus stellt sich durch die zahllo- sen Kommunikationskanäle bei den Konsumenten eine gewisse „Werbemüdigkeit“ ein. Werbung wird umso störender empfunden, je drastischer sie die Mediennutzung unter- bricht, beispielsweise ständige Werbeunterbrechungen bei einem Spielfilm auf den priva- ten Fernsehsendern. Neue Technologien ermöglichen es den Nutzern, diese Werbeunter- brechungen auszublenden bzw. zu überspringen. Tabelle 6: Übersicht Werbung Vorteile Nachteile Erreichbarkeit einer großen Menge von Konsu- hohe Kosten menten „Werbemüdigkeit“ bei Konsumenten Starke Ausdruckskraft durch Bild, Ton, Farbe etc. mögliches Ausblenden von Werbung durch neue Botschaft präsent und wiederholbar Technologie Aufbau eines positiven Images individuelle Ansprache nicht möglich volle Kontrolle über die Produktpräsentation Effizienz und Effektivität schwer messbar Quelle: erstellt im Auftrag der IU, 2018. Verkaufsförderung Das Nachlassen der Wirkung von klassischen Werbemaßnahmen hat dazu geführt, dass Verkaufsförderung (Promotion) an Bedeutung gewonnen hat. (vgl. Meffert et al., 2015, S. 670.) Unter Verkaufsförderung versteht man die kurzfristige Anregung von Verkauf durch gezielte Anreize, wie etwa Warenproben, Coupons, Geschenke, Preisnachlässe und Kun- denbindungsprogramme oder auch Finanzierungsangebote, Inzahlungnahme und Ver- Verbundwerbung bundwerbung. Auch die Geschäfts- und Käuferwerbung (Wettbewerbe unter den Verkäu- Bei der Verbundwerbung fern) zählen zu den verkaufsfördernden Maßnahmen (Kotler/Keller/Opresnik 2015). schließen sich Unterneh- men unterschiedlicher Branchen, welche die Durch die zeitliche Limitierung von Verkaufsförderungsmaßnahmen lassen sich deren gleichen Konsumenten Effekte messen. Die Verkaufsförderung liefert keine Argumente für den Kauf im Sinne von ansprechen, zusammen, um diese in einer gemein- Wettbewerbsvorteilen, sondern greifbare und direkte Anreize für das Handeln. samen Werbeaktion anzu- sprechen. Ein gutes Beispiel für die Durchführung von Rabattaktionen ist der auch in Deutschland immer beliebter werdende Black Friday. Der Begriff Black Friday kommt aus den USA und bezeichnet den Tag nach Thanksgiving und den Beginn der Weihnachtseinkaufssaison. Der Einzelhandel regt durch Rabatte den Konsum an. Allerdings ist bei der Verkaufsförderung zu beachten, dass ein zu starker oder zu häufiger Einsatz von Maßnahmen nicht nur zu einem Wirkungsnachlass im Laufe der Zeit führen kann, sondern auch dem Markenwert an sich schaden kann. Wie auch bei der Werbung können zu häufige verkaufsfördernde Maßnahmen dazu führen, dass die Konsumenten diese wegen Überfrachtung ausblenden. 40 Tabelle 7: Übersicht Verkaufsförderung Vorteile Nachteile kurzfristige messbare Effekte Ein zu starker Einsatz kann dem Markenwert können direkt zum Kauf führen schaden. liefern einen Anreiz zum Kauf, der für den Kun- Die Wirkung lässt mit der Zeit nach. den einen Zusatznutzen darstellt Die Konsumenten blenden verkaufsfördernde Maßnahmen wegen Überfrachtung aus. Quelle: erstellt im Auftrag der IU, 2018. Sponsoring und Eventmarketing Beim Sponsoring und Eventmarketing werden von Unternehmen Aktivitäten und Pro- gramme in Sport, Kunst, Unterhaltung oder auch Wohltätigkeitsveranstaltungen organi- siert und/oder finanziell unterstützt. Hierzu zählen auch Festivals, Werksbesichtigungen, Firmenmuseen (z. B. Porschemuseum) und Aktivitäten in Fußgängerzonen. Unternehmen können durch Sponsoring oder Organisation von unterschiedlichen Events Kontakt mit verschiedenen Zielgruppen pflegen. Aus diesem Grund sponsert z. B. Merce- des die Fashion Week in Berlin. Sehr aktiv im Eventmarketing ist beispielsweise auch die Marke Red Bull, welche durch die Red Bull Music Academy, Red-Bull-Flugtage etc. mit unterschiedlichen Zielgruppen gemeinsame Erlebnisse schafft. Der Sponsor oder Event- marketer tritt so mit den Konsumenten in einen markenaufbauenden Kontakt und schafft durch gemeinsame Erlebnisse eine emotionale Bindung. Neben den ökonomischen Grö- ßen, wie Umsatz, Gewinn und Marktanteil, werden mit Sponsoring und Eventmarketing vor allem psychologische Ziele verfolgt. Hierunter fallen die Steigerung der Bekanntheit, Imageverbesserung, Kontaktpflege und der Nachweis gesellschaftlichen Engagements und Verantwortung. (vgl. Meffert et al., 2015, S. 681.) Die Planung und Durchführung von Events ist sehr aufwendig, und es wird nur eine geringe Zahl an Konsumenten angesprochen. Darüber hinaus können die Maßnahmen nicht beliebig wiederholt werden, denn sonst verlieren sie an Wirkung. Tabelle 8: Übersicht Sponsoring und Eventmarketing Vorteile Nachteile direkt Beteiligung der Konsumenten aufwendige Planung und Durchführung aktive Teilhabe und emotionale Bindung nicht beliebig wiederholbar langfristige Steigerung des Marktwerts, wenn Wirkung auf Zahl der Teilnehmer begrenzt richtig eingesetzt Quelle: erstellt im Auftrag der IU, 2018. Public Relations Public Relations oder auch Öffentlichkeitsarbeit versucht durch gezielte, transparente Kommunikation den Dialog mit allen Anspruchsgruppen eines Unternehmens aufzuneh- men und auf diese Weise die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Das Ziel ist es, das 41 Anspruchsgruppen Image eines Unternehmens zu verbessern. Zu einer vollständigen PR-Kampagne gehören Unter Anspruchsgruppen Pressemappen, -termine, -mitteilungen sowie Lobbyarbeit und Kontaktpflege, darüber (engl. Stakeholders) wer- den Personen oder Grup- hinaus auch Unternehmensmagazine, Jahresberichte, Spenden und Veröffentlichungen. pen von Personen ver- standen, die von der PR übernimmt wichtige Funktionen im Unternehmen (vgl. Meffert et al. 2015, S. 669): Tätigkeit eines Unterneh- mens auf irgendeine Weise betroffen sind. Informationsfunktion: Vermittlung von Informationen an die Öffentlichkeit, Kontaktfunktion: Aufbau und Aufrechterhaltung der Stakeholderverbindungen,