Summary

Dieses Dokument beschreibt verschiedene praktische Anwendungsfälle von Big Data. Es werden Beispiele aus den Bereichen Gesundheitswesen, Social Media und Logistik aufgezeigt. Die beschriebenen Use Cases zeigen auf, wie Big Data im Gesundheitswesen, Social Media und Logistik bei der Verbesserung von Prozessen und Leistungen helfen kann.

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Big Data durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 36 % aufweisen wird. 13 Die Analyse und effektive Nutzung dieser Daten im Gesundheitswesen helfen dabei, Leben zu retten, Kosten zu senken und die Effizienz von Abläufen zu verbessern.14 Zu den Datenlieferanten im Gesundheitswesen zählt eine Vi...

Big Data durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 36 % aufweisen wird. 13 Die Analyse und effektive Nutzung dieser Daten im Gesundheitswesen helfen dabei, Leben zu retten, Kosten zu senken und die Effizienz von Abläufen zu verbessern.14 Zu den Datenlieferanten im Gesundheitswesen zählt eine Vielzahl von Quel- len, angefangen von elektronischen Gesundheitsakten bis hin zu Sensoren in Wearables wie Smartphones und Smartwatches. Diese generieren perma- nent wichtige Daten, die zu Verbesserung aller Dienstleistungen im Gesund- heitswesen beitragen können. Die folgende Auflistung zeigt einen Ausschnitt der erzielbaren Vorteile: Diagnose: Erkennung von Krankheiten in einem frühen Stadium, Früherkennung von medizinischen Notfällen, präventive Pflege, Identifizierung und Verhinderung von Suizidhandlungen und Selbst- verletzungen Medizinische Behandlung: personalisierte Behandlungspläne, ge- nauere Medikationsplanung, individualisierte Therapien und Wirk- stoffherstellung Forschung: Erkennung von Kreuzwirkungen von Medikamenten, ge- nauere Bestimmung von Wirksamkeiten von Behandlungsmethoden, Vorhersage von Krankheitsverläufen, Risikovorhersagen für Behand- lungsalternativen Die nachfolgende Übersicht zeigt einige Use Cases für Big Data im Gesund- heitswesen im Detail auf. 3.2.1 Datengesteuerte personalisierte Medizin Die Nutzung von Big-Data-Analysen, Genomik und anderen Diagnosetech- nologien zur Personalisierung der Medizin ist seit Jahrzehnten ein Hype- Thema. Eine wesentliche Herausforderung und zugleich das größte Hinder- nis stellte bisher die Verfügbarkeit von Daten auf breiter Front sowie von geeigneten Analysemethoden dar. Mit der Verfügbarkeit von neuen Daten- quellen und massiven Fortschritten im Bereich des maschinellen Lernens, der Bildanalyse und der Verarbeitung natürlicher Sprache stehen mittler- weile aus technischer Perspektive die geeigneten Tools zur Verfügung, um Daten zu organisieren und sinnvoll auszuwerten. Bei schweren Krankheiten, von denen große Teile der Bevölkerung betroffen sind, haben selbst kleine Verbesserungen in den Behandlungsmethoden 13 Vgl. Vyslotskyi, 2020 14 Vgl. Kayyali et al., 2013 13 Big Data 3.1.3 Social Media-Analysen zur Generierung von Nachfragesig- nalen Durch Social Media werden Unternehmen nicht nur befähigt, effektive Prog- nosen zu erstellen, sondern auch Nachfragetreiber durch Merkmalsanalyse zu identifizieren. Maschinelles Lernen kann helfen, Einflussfaktoren für den Umsatz eines Produktes zu bestimmen und diese individuellen Merkmale zu gewichten. Mittels solcher Analysen lassen sich beispielsweise Zielkunden- segmente eindeutig identifizieren. So könnte die Anzahl der Likes eines Pro- duktes auf Instagram ein stärkerer Indikator für den Umsatz sein als die An- zahl der Likes auf Facebook. Um das identifizierte Kundensegment zielgerichtet anzusprechen und Mar- ketingressourcen entsprechend zu fokussieren können Werbemaßnahmen dadurch feingranularer geplant und umgesetzt werden. Ergänzend können anschließend auch die Auswirkungen der Kombination von Eingabedaten verschiedener Social Media-Plattformen analysiert werden: möglichweise sind Likes auf Instagram und Facebook unabhängig voneinander keine star- ken Indikatoren für die Nachfrage, aber zusammen zeigen sie eine stärkere Beziehung, die den Umsatz antreibt. Dies könnte einen Hinweis geben, dass Marketing-Maßnahmen zwischen den beiden Plattformen sinnvoll aufeinan- der abzustimmen und zeitlich zu synchronisieren sind, um den bestmögli- chen Effekt zu erreichen. 3.2 Gesundheitswesen Im Bereich des Gesundheitswesens spielt der Einsatz von Technologie seit jeher eine wichtige Rolle im Kampf gegen Krankheiten, sowohl in der medi- zinischen Forschung als auch in der Behandlung und Pflege. Zu den größeren Entwicklungen der vergangenen Jahre gehören beispiels- weise die Telemedizin, die fortschreitende medizinische Bildgebung, elekt- ronische Gesundheitsakten, der Einsatz von Roboter und vieles mehr. All dies ist durch den Einsatz von Technologie und die breite Verfügbarkeit von digitalen Daten möglich geworden. Big Data und der Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz sind damit die maßgeblichen disruptiven Fakto- ren, welche die Gesundheitsbranche in den kommenden Jahren revolutio- nieren werden. Eines Berichts des Meinungsforschungsinstituts IDC zufolge wird erwartet, dass Big Data im Gesundheitswesen schneller wachsen wird als in anderen Branchen wie Fertigung, Finanzdienstleistungen oder Medien. Der Bericht prognostiziert, dass die Menge an Daten im Gesundheitswesen bis 2025 eine 12 Big Data 3.1.2 Nutzung von Social Media zur Verbesserung von Progno- sen Die genaue Prognose von Kundennachfrage nach einem spezifischen Pro- dukt ist für Einzelhändler und Hersteller in der Konsumgüterindustrie tradi- tionell eine große Herausforderung. Zu den klassischen Methoden für die Vorhersage von zukünftigem Kaufverhalten zählen der Rückgriff auf Erfah- rungswerte unter Berücksichtigung von saisonalen oder einmaligen Einflüs- sen (z. B. die erhöhte Nachfrage nach Elektrofahrrädern zu Zeiten der Corona-Pandemie) sowie datengetriebene Hochrechnungen zu Wachstum, um Veränderungen von Jahr zu Jahr berücksichtigen zu können Fortschrittliche statistische Modellierungen können darüber hinaus komple- xere Muster in Bezug auf Saisonalität, Zyklizität und Trends berücksichtigen bis hin zu Anwendung von maschinellen Lernverfahren, um mit Hilfe von his- torischen Daten detaillierte Vorhersagemodelle zu konstruieren. Die große Chance für maschinelle Lernverfahren liegt in ihrer Fähigkeit, eine Vielzahl von unterschiedlichen Einflussfaktoren berücksichtigen zu können. Bei- spielsweise lässt sich somit der Einfluss von möglichen Indikatoren wie regi- onalen Feiertagen, Ferienzeiten, Wetter- und Verkehrsinformationen sowie Preis- und Werbedaten auf die Nachfrage bestimmen und das individuell pro Einzelprodukt. Diese zusätzlichen Daten reichern historischen Erfahrungs- werte an und erzeugen genauere Vorhersagen. Beispiel: Social-Media-Daten liefern eine besonders wertvolle Quelle an Informatio- nen um diese allgemeinen Daten um individuumsbezogene Details zu ergän- zen: Ein Beispiel hierfür ist die Berücksichtigung von positiven oder negativen Beispiel Erwähnungen eines Produktes - etwa innerhalb eines Tweets oder als Teil ei- ner Kundenrezension - die einen Echtzeiteinblick in die Zufriedenheit von Nut- zern gibt. Diese Analyseform wird als Sentiment Analyse bezeichnet und fin- det in der Praxis häufig Anwendung. Hieraus lassen sich wertvolle Informati- onen über die kurz- und mittelfristige Nachfrage nach Produkten ableiten und damit schnell auf sich ändernde Trends reagieren. Auch der Einfluss von konkreten Marketing-Maßnahmen kann durch die Technik zeitnah bewertet werden und Unternehmen damit unterstützen, Veränderungen in der Ver- brauchernachfrage zu antizipieren und schnell darauf zu reagieren. 11 Big Data den ständigen Zustrom von neuen Informationen. Die möglichen Use Cases für die Nutzung von Big Data im Social-Media-Bereich sind vielfältig, lassen sich aber in einige Oberkategorien zusammenfassen die im Folgenden dar- gestellt werden.12 3.1.1 Zielgerichtete Kundenansprache Die Fähigkeit, Kunden zu erkennen und individuell zu behandeln, ist einer der größten Erfolgsfaktoren von Einzelhändlern und Unternehmen mit einer exklusiven Kundenbasis, die Wert auf persönliche Beratung legt. Sie wirkt sich nicht nur positiv auf Umsatz und die erreichbare Markentreue und Kun- denloyalität aus, sondern ist ein entscheidendes Differenzierungskriterium für Unternehmen. Zudem steigt die Erwartungshaltung vieler Kunden: zwei Drittel aller Kunden erwarten, dass Marken ein maßgeschneidertes und per- sonalisiertes Erlebnis bieten. Durch die Nutzung von Social-Media-Daten wird es für Unternehmen möglich, Kunden nicht nur eindeutig zu erkennen und bei wiederkehrenden Besuchen auf einer Website unter Berücksichti- gung ihrer persönlichen Präferenzen zu behandeln. Sie bieten außerdem eine direkte Quelle, um Kundenpräferenzen in einer Detailtiefe zu erfassen, die weit über das hinausgeht, was klassische Händler über ihre Kunden wis- sen. Unternehmen können somit eine sehr feingliedrige Kundensegmentierung vornehmen, um bspw. demografischen Zielgruppen zu erstellen und ein Netzwerk von ähnlichen potenziellen Kunden identifizieren. Diese Netz- werke können persönlich angesprochen und mit zielgerichteten Angeboten, Rabatten und Bonusprogrammen individuell adressiert werden. Je mehr In- formationen über seine Kunden dem Unternehmen bekannt sind, desto bes- ser können auch weitere potenziell interessante Produkte und Inspirationen identifiziert werden. Dieses Feature ist in einer grundlegenden Form bei Amazon durch Empfehlungen wie "Kunden, die dieses Produkt erworben ha- ben, interessieren sich ebenfalls für..." bekannt. Durch Social-Media-Daten wird in Bezug auf die Individualisierung von Empfehlungen eine neue Stufe erreicht, die sich insbesondere auch nach den letzten aktuellen Interessen eines Nutzers richtet: so mag ein Kauf eines historischen Romans im vergan- genen Jahr zwar etwas über die grundsätzlichen Interessen des Kunden aus- sagen; die 25 Likes von Sachbüchern zum Thema Klimawandel aus den letz- ten beiden Wochen sind wahrscheinlich aber ungleich höher zu gewichten und für eine aktuelle Empfehlung wesentlich aussagekräftiger. 12 Vgl. Seeds, 2019 10 Big Data 3. Ausgewählte Big-Data-Szenarien in der Praxis Unternehmen verfügen heutzutage über riesige Datenmengen aus allen möglichen Bereichen ihrer Geschäftstätigkeit. Im vorangegangenen Kapitel wurde der Begriff Big Data insbesondere vor dem Hintergrund der unter- schiedlichen Charakteristika von Datenbeständen und den daraus folgenden technischen Implikationen erläutert. Um geschäftsrelevante Erkenntnisse und entscheidungsrelevante Informati- onen aus einer vorliegenden Datenmenge abzuleiten, ist es notwendig, den erwarteten "Business Insight" klar zu definieren: Der Aufbau einer Big-Data- Lösung sollte sich immer klar auf einen spezifischen und klar umgrenzten Anwendungsbereich (engl. Use Cases) fokussieren. Erst im Anschluss stehen Fragen zur technischen Umsetzung und Auswahl konkreter Technologien oder Analysemethoden. In diesem Kapitel werden praktische Anwendungsszenarien für Big-Data- Analysen in verschiedenen Branchen präsentiert. Sie zeigen auf, wie die Ana- lyse von strukturierten und unstrukturierten Daten, prädiktive Analysen, maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz verwendet werden, um Big Data-Analysen zu einem strategischen Wettbewerbsvorteil moderner Un- ternehmen zu machen. Hierbei steht die Nutzung der Daten aus strategi- scher Sicht im Vordergrund - die Funktionsweise konkreter Methoden und deren technische Implementierung wird in späteren Kapiteln erläutert. 11 3.1 Social Media Social Media ist ein klassischer Anwendungsbereich für Big-Data-Analysen in dem die Verfügbarkeit von großen Datenbeständen traditionell eine wich- tige Rolle spielt. Eine Vielzahl der heute verfügbaren Daten wird in den sozialen Medien er- zeugt. Alleine 2,8 Milliarden Nutzer (Stand 2020) sind monatlich auf Face- book aktiv und generieren durch ihre Interaktion mit der Plattform große Merksatz Mengen an Informationen, die verwendet werden, um zielgerichtete Wer- bung auszusteuern und die Benutzererfahrung online bei der Nutzung zu verbessern. Die Plattformen befinden sich damit in einem ständigen Wandel und passen sich immer stärker auf die Nutzerbedürfnisse an. Durch den Einfluss von Big Data verändert sich die Social-Media-Erfahrung für Nutzer sowie Werbetreibende und Unternehmen gleichermaßen durch 11 Vgl. Accenture, 2019 9 Big Data enorme Auswirkungen auf die Senkung der Gesundheitskosten und die Ver- besserung der Resultate für die Patienten. Zum Beispiel können sich Krank- heiten wie Herzinsuffizienz auf unterschiedliche Weise manifestieren, und es gibt keinen einheitlichen Behandlungsansatz. Die richtige Behandlung für einen bestimmten Patienten zu finden, kann ihn schneller aus dem Kranken- haus holen und sogar sein Leben retten. Warum ein bestimmter Patient je- doch gut oder schlecht auf eine bestimmte Behandlung anspricht, bleibt der- zeit oft ein Rätsel. Durch den Einsatz fortschrittlicher Analysewerkzeuge lassen sich große Mengen von Behandlungsprotokollen und den erzielten Ergebnissen von Millionen Patienten untersuchen, sodass sich erfolgsversprechende Muster und Subpopulationen identifizieren lassen, die unterschiedlich auf Behand- lungen ansprechen. Auf diese Weise können personalisierter Behandlungs- protokolle erstellt und fortlaufend optimiert werden. Neue Patient werden hinsichtlich ihrer Symptome und diagnostischen Laborwerte mit ähnlichen Patienten verglichen und einer Behandlung zugeordnet, die gemäß der Da- tenlage die höchste Erfolgswahrscheinlichkeit hat. Bei vielen Krankheiten kann es versteckte Subpopulationen geben, die auf kein verfügbares Medi- kament oder keine Standardbehandlung ansprechen. Die Aufdeckung sol- cher Populationen wird eine gezielte Medikamentenentwicklung und effizi- ente klinische Studien ermöglichen, die neue Behandlungen und Heilmittel schneller verfügbar machen. Modellierung und Vorhersage von medizinischen Ereignissen Big Data und prädiktive Analysen unterstützen Fachleute im Gesundheits- wesen bei der klinischen Entscheidungsfindung. Prognostische Modellierung ist im Gesundheitswesen für verschiedene Zwecke weit verbreitet. Einige Modelle zielen auf die Vorhersage zukünftiger Ergebnisse von Krankheiten und/oder Behandlungen ab. Andere konzentrieren sich auf die Identifizie- rung von Patienten, die ein Risiko für die Entwicklung eines bestimmten Zu- stands haben könnten. Weiterhin lassen sich Modelle entwickeln, die die Ausbreitung von Krankheiten in der Bevölkerung vorhersagen. Beispiels- weise wurde die prädiktive Modellierung in vielen Ländern erfolgreich ein- gesetzt, um nicht diagnostizierten Diabetes zu identifizieren, das Überleben nach einer Reanimation im Krankenhaus vorherzusagen und die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie zu prognostizieren. 14 Big Data 3.2.2 Früherkennung von Symptomen der Parkinson-Krankheit Die Verbreitung von sogenannten Wearables wie Fitness-Trackern, Smart- watches oder Herzfrequenzmessguten ist in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. Diese Geräte sind mit einer Vielzahl von Sensoren zur Erfassung von Beschleunigungen, Erschütterungen, Luftdruck, Herzfrequenz und -rhythmus oder Blutsauerstoffgehalt ausgestattet. Damit bieten sie eine ide- ale Datenquelle, um Vitalwerte permanent zu überwachen und Auffälligkei- ten, die auf das Auftreten von Krankheiten hinweisen, frühzeitig zu erken- nen. Sie helfen damit nicht nur den Verbrauchern, fit und gesund zu bleiben, son- dern bieten auch Wissenschaftlern die Möglichkeit, Menschen mit einer Vielzahl von Krankheiten passiv zu überwachen und auf diese Weise an Da- ten zu gelangen, die über herkömmliche medizinische Studien nicht oder nur mit hohen finanziellen und organisatorischen Aufwänden zu beschaffen sind. Dies ist besonders spannend für Forscher, die sich mit der Parkinson-Krank- heit beschäftigen, die Bewegungsstörungen verursacht. Forscher von Apple haben einen Weg gefunden, die Symptome der Parkinson-Krankheit durch die Auswertung von Bewegungsdaten der Apple Watch zu erkennen. Die Krankheit lässt sich bereits sehr früh durch Veränderungen der Muskelspan- nung identifizieren, was sich beispielsweise in der Trittfrequenz und Kraft beim Aufsetzen eines Beins auf den Boden äußert. Neben der Frühdiagnose kann die Anwendung Ärzten dabei helfen, die Medikation für ihre Patienten anzupassen und Erfolge genau zu überwachen. 15 Beispiel: Forscher von Apple haben das Programm "Motor Fluctuations Monitor for Parkinson's Disease" (kurz MM4PD) entwickelt, eine Apple Watch-Anwen- dung, die rund um die Uhr Muster des Ruhetremors und weiterer Parameter Beispiel genau erfassen kann. Das System kann dabei helfen, Krankheitssymptome bereits zu erkennen, wenn der Patient noch keine Veränderung seiner moto- rischen Leistungen feststellt, also bereits zu einem Zeitpunkt der weit vor ei- nem ärztlichen Besuch steht. 3.2.3 Brain-Machine-Interfaces Das von Tesla-Gründer Elon Musk unterstützte Unternehmen Neuralink ar- beitet an der Entwicklung sogenannte Brain-Machine-Interfaces, um eine 15 Vgl. Hassenstab, 2021 15 Big Data datenbasierte Schnittstelle zum menschlichen Gehirn zu etablieren. Das er- klärte Ziel des Unternehmens ist es, eine Plattform zu entwickeln um mittels Gehirnimplantaten die menschlichen Fähigkeiten erweitern oder wiederher- stellen könnten. Damit sollen beispielsweise beschädigte Gehirnteile von ge- lähmten Menschen behandelt werden, um diesen zu ermöglichen, mittels neuroyaler Signale Roboterarme oder Computer-Cursor zu bewegen. Zudem sollen sich Krankheitsbilder, die einen neurologischen Ursprung haben, etwa Depressionen, Schlaflosigkeit sowie ein Dutzend anderer Krankheiten, be- handelt werden können - der Beweis, dass eine Behandlung über eine ent- sprechende Hardware-Sonde und Schnittstelle möglich ist, steht aber noch aus. Der bislang lediglich als Prototyp verfügbare und an Schweinen erprobte Hardware-Chip wird in das Gehirn des Wirtes eingesetzt und kann in Echtzeit Informationen einer Vielzahl von Neuronen auf einmal extrahieren. Die Elektroden leiten erkannte neuronale Impulse an einen Prozessor weiter, der in der Lage ist, Informationen aus bis zu Tausenden von Kanälen zu lesen, was etwa 15-mal besser ist als aktuelle, in Menschen eingebettete Systeme. Es erfüllt die Grundvoraussetzungen für wissenschaftliche Forschung und medizinische Anwendungen und liefert Einblicke in die Informationsverar- beitung des Gehirns. Das Unternehmen sieht sich bislang noch einer Reihe technischer Probleme gegenüber. So besteht eine große Schwierigkeit darin, die verwendeten Mikrodrähten resistent gegenüber dem korrosiven Umfeld eines lebenden Gehirns zu machen, um über mehrere Jahre hinweg einge- setzt werden zu können. Die Entwicklungen der nächsten Jahre werden zei- gen, ob die hohen Erwartungen, die an das Unternehmen gestellt werden, erfüllt werden können und welche Potentiale sich für den Einsatz von Brain- Machine-Interfaces zukünftig ergeben werden. 16 3.3 Öffentlicher Sektor Lokale Regierungen, Bundesbehörden und Ministerien nutzen datenbasierte Anwendungen, um ihre Arbeitsabläufe zu optimieren und die Effizienz und Sicherheit des öffentlichen Sektors, des Rechts und der Verteidigung zu ver- bessern. Bei Anwendungsfällen in Behörden werden dieselben Datensätze oft in mehreren Anwendungen gleichzeitig verwendet. Zum Beispiel kann eine Behörde einen Finanzbericht ausführen, um die Effizienz der Beschaf- fung zu bewerten, während eine andere Stelle die gleichen Daten für die Budgetierung verwendet. Die Anwendungsfälle variieren, aber die Datens- ätze und Anwendungen werden sich überschneiden (Data Center, 2017). 16 Vgl. Neuralink.com, o.J. 16 Big Data 3.3.1 Erkennung von Betrug und Steuervermeidung Weltweit gehen jedes Jahr Milliarden von Dollar durch Steuerbetrug, Steu- erhinterziehung, Nichteinziehung und Nichteinhaltung von Vorschriften ver- loren. Regierungen auf der ganzen Welt setzen zunehmend auf Big-Data- Analysen im Steuerwesen ein mit dem Ziel, die Einhaltung dieser Vorschrif- ten sicherzustellen und Steuerverschwendung zu beseitigen. Steuerhinter- ziehung ist ein großes Problem, mit dem jede Wirtschaft in ihrem gesamten Geschäftsumfeld konfrontiert ist. Einige der Möglichkeiten, wie Big Data bei der Reduzierung von Steuerhinterziehungen hilft, sind nachfolgend be- schrieben:17 Umfassende Verknüpfungen von steuerbaren Vermögensgegen- ständen: Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Gruppierung von Da- ten auf der Basis von Verknüpfungen oder Beziehungen. Im Falle von Unternehmen werden Mitarbeiterinnen, Geschäftsführerin und die Adressen aller Niederlassungen berücksichtigt. Im Fall von Einzelper- sonen wird die Gruppierung auf Emailadressen, Postanschriften, Handynummern, gemeinsamem Besitz von Vermögenswerten, In- vestitionen und Bankkonten basieren. Zudem werden Informationen aus den bestehenden Datenbanken der Steuerbehörde berücksich- tigt. Durch die Zusammenführung dieser Daten wird ein umfassender Überblick über alle steuerbaren Vermögensgegenstände erstellt. Ein Steuerbetrug durch die Nichtangabe von steuerbarem Vermögen wird somit erschwert. Erkennung von Betrugsmustern in steuerbaren Transaktionen: Big- Data-Analyseplattformen können dabei helfen, Datenmuster zu er- kennen und komplexe Geschäftsbeziehungen aufzudecken. Muster der Steuerhinterziehung entwickeln sich ständig weiter, sodass eine Suche nach fixen Strukturen nicht nicht effektiv ist. Stattdessen wer- den auffällige Transaktionen identifiziert, indem Algorithmen und Modelle ausgeführt werden, um die von den Händlern eingereichten Käufe mit den entsprechenden Informationen der Verkäufe abzuglei- chen, um die Art, Qualität und das Volumen der Daten auf Auffällig- keiten und Abweichungen von üblichem Verhalten hin zu untersu- chen. Betrugsmuster der Steuerhinterziehung wie Verrechnungs- preismanipulationen, zirkulärer Handel, Hawala-Geschäften etc. können somit aufgespürt werden. 17 Vgl. Sharma, 2019 17 Big Data 3.3.2 Verbrechensbekämpfung durch Predictive Policing Im Bereich der Verbrechenserkennung und Strafverfolgung werden Daten- analysen zunehmend von Behörden genutzt, um bestehende Ermittlungs- verfahren zu ergänzen und neue Möglichkeiten zur Verbrechensbekämp- fung zu schaffen. Die Verfügbarkeit von riesigen Datensätzen und hochent- wickelter Software hat die Verbrechensanalyse zu einem zentralen Bestand- teil der modernen Polizeiarbeit gemacht. Polizeibeamte vor Ort können je- derzeit auf detaillierte Informationen in zentralen Datenbanken zugreifen oder Handlungsempfehlungen von ihren Kollegen im Lagezentrum erhal- ten.18 Die Nutzung von statistischen Daten ermöglicht es, Vorhersagen darüber zu treffen, wo Verbrechen wahrscheinlich stattfinden werden und wo sich Ver- dächtige wahrscheinlich aufhalten. Dieser Ansatz wird oft als "Predictive Po- licing" bezeichnet und hilft der Polizei, Verbrechen zu verhindern. Predictive Policing kann auch dazu verwendet werden, offene Fälle zu lösen. 19 Beispiel: Quantitative Ansätze zur Verbrechensanalysegibt es bereits seit Jahrhunder- ten. So wurden im Jahr 1829 erstmals Karten entworfen, die Verbrechensda- ten visualisierten. Die Karten enthielten Daten zu Eigentumsdelikten aus Beispiel mehreren Jahren sowie sowie Bildungsdaten, die aus der französischen Volkszählung stammten. Die Karten zeigten eine positive Korrelation zwi- schen diesen beiden Informationsschichten; in Gebieten mit höherem Bil- dungsniveau kam es häufiger zu Eigentumsdelikten. Die Menge der Daten, die der Polizei zur Verfügung stehen, wächst expo- nentiell, wobei sich auch insbesondere die Struktur und Art von Daten än- dert, die für Vorhersagemodelle genutzt werden können. Die grundlegends- ten Modelle stützen sich auf die Daten vergangener Verbrechen. Dies hat seine Wurzeln in der Theorie der wiederholten Viktimisierung, die gut etab- liert ist. Einzelpersonen, Unternehmen und Wohnorte, die einmal zum Opfer geworden sind, werden wahrscheinlich erneut Ziel von Verbrechen. Analys- ten verwenden daher Ereignisvariablen wie die Art der Straftat, die Tageszeit und der Wochentag, an dem sie begangen wurde, um Vorhersagen über die Orte zukünftiger Verbrechen dieser Art zu treffen. Neuere Vorhersageme- thoden können jedoch Daten aus einer weitaus größeren Bandbreite von Quellen einbeziehen Quellen einbeziehen, um Vorhersagen darüber zu tref- fen, wo Verbrechen wahrscheinlich auftreten und wo sich mutmaßliche 18 Vgl. Bachner, 2013 19 Vgl. Bachner, 2013 18 Big Data Verbrecher sich wahrscheinlich aufhalten. Diese Variablen können in drei Kategorien unterteilt werden: Räumlichen Variablen (engl. spatial variables): hierzu gehören Vari- ablen, die physikalische Aspekte geografischer Räume erfassen, bei- spielsweise Bereiche mit potenziellen Opfern (Daten zu Populations- dichten, demografische Daten von Stadtviertel), Fluchtwege (Auto- bahnen, öffentliche Transportwege) und Daten zum Wohnsitz von Kriminellen (Bars und bekannte Drogenumschlagsplätze). Zeitliche Variablen (engl. temporal variables): Variablen, die über die Zeit variieren (im Gegensatz zum geografischen Raum), z. B. haben saisonale Wettermuster eine erhebliche Vorhersagekraft für eine Vielzahl von Verbrechen, wie Selbstmord und Autodiebstahl. Soziale Netzwerkvariablen (engl. social network variables): Variab- len der sozialen Netzwerkanalyse beschreiben die Beziehung zwi- schen Individuen, z. B. Verwandtschaft, Freundschaft, Feindschaft, Zugehörigkeit zu einer Organisation oder die Teilnahme an einer fi- nanziellen Transaktion oder Verbrechen (Täter/Opfer-Beziehung). 3.3.3 Nicht-prädiktive Verwendung von Verbrechensdaten Die zunehmende Verfügbarkeit von Daten hat die Entwicklung von statisti- schen Methoden vorangetrieben, die zwar auf dem neuesten Stand der Po- lizeiarbeit sind, sich aber dennoch von prädiktiven Methoden unterschei- den. Diese nicht-prädiktiven Methoden werden in erster Linie zur Aufklärung und zum besseren Verständnis von Verbrechen eingesetzt. Geografische Profiling wird zum Beispiel verwendet, um die Basis für kriminelle Aktivitäten zu identifizieren. Eine spezielle Form der geografischen Profilerstellung, die so genannte "journey-to-crime"-Analyse, schätzt den wahrscheinlichen Auf- enthaltsort eines Serientäters. Ein Journey-to-Crime-Modell leitet diese Schätzungen anhand der Orte und Zeiten von kriminellen Vorfällen ab. Das Modell kann auch allgemein beobachtete Merkmale berücksichtigen, wie z. B. eine Pufferzone um den Wohnort eines Kriminellen, die typischerweise zurückgelegte Entfernung, um eine Straftat zu begehen, andere "Aktivitäts- knotenpunkte" (z. B. Arbeits- und Erholungsorte) und die Wohnorte anderer bekannter Straftäter. Das Modell ordnet jedem Quadrat auf einer Karte (also einer vordefinierten geografischen Einheit) eine Wahrscheinlichkeit zu; eine höhere Wahrscheinlichkeit bedeutet eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass der Wohnsitz des Verbrechers innerhalb dieses Quadrats liegt. Die Polizei kann dann eine informierte, gezielte Suche nach dem Wohnort eines Ver- brechers durchführen. 19 Big Data 3.4.1 Vorhersage des Erfolgs von Filmen und TV-Serien Durch Big-Data-Analysen können Filmproduzenten detaillierte Informatio- nen darüber erhalten, wie sie einen bestimmten Film produzieren und ver- markten sollten. Von Casting-Entscheidungen bis hin zu den Farben, die im Marketing verwendet werden können, unterschiedliche Facetten eines Films den Verkauf beeinflussen. Sind die spezifischen Präferenzen der Ziel- gruppe bekannt, kann bestimmt werden, wie Inhalte optimiert werden müs- sen, um das maximale Potenzial der Produktion zu erreichen. Eine genaue Vorhersage davon, was das Publikum eines Filmes möchte, garantiert bei- nahe seinen finanziellen Erfolg. Beispiel: Im Jahr 2018 veröffentlichte 20th Century Fox ein Papier, in dem beschrieben wird, wie der Inhalt von Filmtrailern mithilfe von maschinellem Lernen ana- Beispiel lysiert wird. Das "Merlin" genannte System untersucht, welche Filmszenen eine bestimmte Zielgruppe am besten ansprechen und optimiert die Gestal- tung der Trailer entsprechend. Dadurch kann die klassische Bewertung von Trailern ein Testpublikum um die massenhafte Datenanalyse ergänzt wer- den, indem Daten von online angesehen Trailern berücksichtigt werden. 3.4.2 Content-Optimierung bei Netflix Mit mehr als 200 Millionen Nutzern ist Netflix Anfang 2021 die größte Platt- form für Video-Streaming weltweit. Mit dieser großen Abonnentenzahl kann Netflix eine enorme Menge an Daten zu den Sehgewohnheiten seiner Nutzer sammeln. Diese Daten helfen Netflix, bessere Entscheidungen treffen, die Nutzerzufriedenheit zu erhöhen und Nutzer langfristig an den Service zu bin- den.21 Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten zur Optimierung der Inhalte von Filmen und Serien. Traditionelle Fernsehsender haben nur rudimentäre Möglichkeiten, Feedback zu ihrem Programm einzuholen. Bewertungen sind nur Näherungswerte, die Freigabe einer Pilot-Folge für eine neue Serie ba- siert auf Tradition und Intuition. Netflix ist hier im Vorteil, denn als Internet- Unternehmen kennt Netflix seine Kunden sehr gut und hat nicht nur eine "Persona" oder "Vorstellung" davon, wie der durchschnittliche Kunde ist. 22 Beim Betrachten einer Serie ist Netflix in der Lage für jeden Zuschauer die "Abschlussrate" zu ermitteln, d.h. genau zu bestimmen wie viele Zuschauer einer Serie, von der ersten Staffel bis zum Ende von Staffel 3 geschaut haben. 21 Vgl. Bulygo, 2021 22 Vgl. Bulygo, 2021 21 Big Data Anschließend können die Gemeinsamkeiten dieser Nutzer und die Unter- schiede zu denjenigen Nutzer bestimmt werden, die die Serie zwischen Staf- fel 1 und 3 abgebrochen haben. Zudem kann bestimmt werden, wie groß die "Zeitlücke" zwischen dem Anschauen einer Episode und dem Anschauen der nächsten war und an welchen Stellen die Nutzer pausiert haben. Das Ver- ständnis der Sehgewohnheiten von Nutzern beschränkt sich also nicht auf die Kenntnisse, welche Serie von wem geschaut wurde, sondern geht auf eine tiefere Ebene. Auf diese Weise lassen sich allgemeine Nutzertrends und neue Sehgewohnheiten, wie die Nachfrage nach schnelleren Schnittfolgen oder Split-Screen-Ansichten (mehrere Kameraperspektiven in einem Bild), identifizieren. ude önnen „langat ige“ zenen er annt werden oder kri- tische Punkte innerhalb der Handlung, die Zuschauer zum Abbrechen des Films verleiten. Netflix erhebt zu jedem Zeitpunkt unter anderem die folgenden Daten- punkte pro Zuschauer: Wann wird pausiert, zurück- oder vorgespult? An welchem Tag, Datum und zu Uhrzeit werden Inhalte angesehen? Wo befindet sich der Nutzer (Postleitzahl)? Welches Gerät wird zum Anschauen verwenden (Smartphone, Tab- let, PC, Fernseher) Wann werden Inhalte pausiert und verlassen Abgegebenen Bewertungen (ca. 4 Millionen pro Tag) Suchanfragen (ca. 3 Millionen pro Tag) Browsing- und Scrolling-Verhalten Welche Lautstärke wird verwendet? Wird der Abspann angeschaut oder übersprungen? Die Ergebnisse dieser Analysen können zur grundsätzlichen Optimierung des Contents verwendet werden. Erste Ansätze gehen auch so weit, dass ver- schiedene Versionen eines Filmes produziert werden bzw. verschiedene Sze- nen in unterschiedlichen Versionen vorliegen. So könnte beispielsweise ei- nem Zuschauer mit einer Präferenz für actionlastige Szenen nur eine kurze Variante eines Dialogs zwischen zwei Personen vorgespielt werden, wäh- rend einem anderen Zuschauer eine deutliche längere Version gezeigt wird. Auch eine Unterscheidung hinsichtlich der Brutalität von einzelnen Szenen ist vorstellbar, um eine entschärfte Filmversion für Kinder und eine Original- version für erwachsende Zuschauer umsetzen zu können. Schließlich sind auch alternative Enden von Filmen denkbar, sodass das Filmerlebnis für je- den Zuschauer individualisiert werden kann. 22 Big Data 3.4.3 Verbesserung des Zuschauererlebnisses durch Rich Con- tent Ein genaueres Verständnis des Inhalts eines Films und einer Szene erlaubt es Algorithmen, dem Zuschauer weitergehende Informationen anzubieten und das Zuschauererlebnis dadurch zu verbessern. Auf Knopfdruck wird die Wie- dergabe eines Filmes pausiert und der Nutzer erhält Informationen zu den folgenden Themen: Besetzung: Details zu den Schauspielern der aktuellen Szene, ein- schließlich einer biografischen Skizze und der Nennung ihrer bekann- testen Filme Charaktere: Die Hauptfiguren des Films oder der Serie inklusive ihrer persönlichen Geschichte Hinter den Kulissen: otos, ideos und erg nzende “Behind the ce- nes“-Inhalte Musik: Informationen zum gerade abgespielten Lied Trivia: Hintergrundfakten, wie Verbindungen zu anderen Filmen und Serien, Szenenaufschlüsselungen oder Drehorte Shopping: Informationen zu Kleidung, Schmuck, Uhren oder Autos die in der aktuellen Szene zu sehen sind Die Informationen können entweder manuell von Experten zu jeder Szene annotiert werden, was in der Praxis aber sehr aufwendig und nur für spezi- elle Inhalte – beispielsweise die Verlinkung eines speziellen, limitierten Pro- duktes in Verbindung mit einer gesonderten Marketing-Kampagne – sinnvoll ist. Der überwiegende Teil der Informationen lässt sich automatisch anrei- chern indem mittels Gesichtserkennung die in einer Szene auftretenden Schauspieler identifiziert und mit ihren Biografien verlinkt werden. Ziel der Funktion ist es, das Zuschauererlebnis durch einen immer stärkeren Einbe- zug des Nutzers in die Szene zu verbessern und sein Engagement mit den Inhalten zu erhöhen. Auch die Möglichkeiten zur Verlinkung von Einkaufsop- tionen, um z. B. die Kleidung oder den Schmuck eines Schauspielers zu re- cherchieren, wird somit möglich und zu einer weiteren Monetarisierungsop- tion insbesondere für kostenfreie Inhalte. Beispiel: Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Funktion „X-Ray“ des Streaming-Diens- tes Amazon Prime, welche Zusatzinformationen zu einer Szene verfügbar macht. Beispiel 23 Big Data 3.5 Internet of Things Neue Sensor-, Mobil- und Funktechnologien treiben die Entwicklung des In- ternets der Dinge (engl. Internet of Things, kurz IoT) voran und verändern durch die zunehmende Konnektivität die Art und Weise wie Geräte in Form von interaktiven Netzwerken zusammenarbeiten. Das IoT umfasst eine Viel- zahl von verschiedenen Geräten, angefangen bei Smart Devices wie intelli- genten Fernsehern und vernetzten Küchengeräten, Anlagen zur Haussteue- rung- und automation über Smartphons, Smartwatches und Fitness Trackern bis hin zu vernetzten industriellen Produktionsanlagen und der Infrastruktur für autonome Fahrzeuge, Logistik und Verkehrsüberwachung. Daten aus IoT-Systemen bieten vielversprechende Potentiale für Big-Data- Analysen. Wichtig für das Verständnis ist, dass es sich um Datensätze han- delt, die von Sensoren automatisiert und meist in hoher Frequenz (z. B. se- Merksatz kündlich oder häufiger) generiert werden und die mittlerweile so kosten- günstig sind, dass sie in sehr großen Mengen in allen möglichen Produkten eingesetzt werden können. Das Potenzial von Sensoren liegt in ihrer Fähigkeit, Daten über die physische Umgebung zu sammeln, die dann analysiert oder mit anderen Formen von Daten kombiniert werden können, um Muster zu erkennen. Nachfolgend werden einige der zentralen Anwendungsfälle im Bereich IoT vorgestellt. 3.5.1 IoT als treibende Kraft der Product-as-a-Service-Ökonomie Die Potentiale von jederzeit verfügbaren Daten zur Nutzung eines Produkts hat zur Entstehung neuer Geschäftsmodelle geführt, die als Product-as-a- Service (PaaS), Equipment-as-a-Service (EaaS) oder Servitization definiert werden. Über verschiedene Branchen hinweg gehen Unternehmen vom Ver- kauf von Produkten zum Verkauf von Dienstleistungen über. Pay-per-Use bezeichnet ein Konzept, bei dem ein Verbraucher für die bloße Nutzung des Produkts bezahlt, anstatt das eigentliche Produkt zu kaufen. Es stellt ein voll- ständig serviceorientiertes Modell dar, bei dem der Produktumsatz im We- sentlichen wegfällt und stattdessen durch nutzungsbasierte oder ergebnis- orientierte Umsätze ersetzt wird. Der Umsatzstrom wird allein durch die Fä- higkeiten des Produkts bestimmt wird.23 Eine Grundvoraussetzung ist, dass für den Hersteller detailliert erfasst wer- den kann, wann und wie ein Produkt genutzt wird, um seine Abrechnung an der tatsächlichen Nutzung auszurichten. Ein Beispiel ist der Umstieg des Flugzeugturbinenbauers Rolls Royce auf die Vermietung von Turbinen: 23 Vgl. Obrien, 2020 24 Big Data anstatt seinen Kunden (in den meisten Fällen Airlines, teilweise Flugzeug- bauer) einzelne Turbinen zum Kauf anzubieten werden diese nun nutzungs- abhängig pro geleistete Flugstunde berechnet. Bleibt ein Flugzeug am Bo- den, fällt keine Gebühr an. Das Konzept, den Produktpreis an der Nutzung auszurichten, ist zwar nicht neu, aber die technologischen Fortschritte im IoT haben die Verfolgung der Nutzung von Produkten einfacher und genauer gemacht, was es zu einer praktikableren Option für eine größere Anzahl von Branchen macht. Dieses Modell bietet sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher mehrere Vorteile. 24 Für Hersteller führt die Vernetzung von Produkten führt zu einem besseren Einblick in die Art und Weise, wie Kunden das Produkt nut- zen, und ermöglicht so die Produktentwicklung und Personalisie- rung. Zudem können durch die Umstellung auf Pay-per-Use-Ge- schäftsmodelle neue Kundensegmente erschlossen werden, da ge- ringere Kapitalkosten anfallen und damit die Produkte auch für Kun- den interessant werden, die sich die hohe Anfangsinvestition für den Kauf eines Geräts nicht leisten können, z. B. weil sie ein bestimmtes Gerät nur unregelmäßig nutzen möchten. Langfristig bietet sich die Chance, die Kundenbeziehung dauerhaft zu verbessern, da service- orientierter Ansatz im Gegensatz zu einem einmaligen Transaktions- prozess einen regelmäßigen Kontakt zwischen Hersteller und Kunden voraussetzt. Für Kunden liegt ein wesentlicher Vorteil darin, dass das Betriebsri- siko für ein Produkt auf den Gerätehersteller übertragen wird, der im Rahmen des Serviceangebots die Verantwortung für die Wartung übernimmt. Zudem ist die Preisgestaltung für den Kunden häufig transparenter und besser planbar, da es keine hohen Fixkosten, son- dern einen flexiblen nutzungsabhängigen Preis gibt, der über den ge- samten Nutzungszeitraum verteilt wird. Die Abrechnung wird trans- parenter, da der Kunde genau weiß, für welche Leistungen er zahlt. 3.5.2 Vorausschauende Wartung industrieller Maschinen Die Instandhaltung und Wartung von industriellen Maschinen und Ferti- gungsanlagen ist eine anspruchsvolle Aufgabe: der Stillstand einer größeren Anlage kann pro Minute Ausfallkosten von mehreren Hunderttausend Euro erzeugen, sodass eine hohe Maschinenverfügbarkeit unbedingt sicherge- stellt werden muss. Um den Ressourcenverbrauch für Reparaturen zu 24 Vgl. Obrien, 2020 25 Big Data minimieren und dabei gleichzeitig die Qualität der gefertigten Erzeugnisse sicherstellen ist es essenziell, Wartungsintervalle korrekt zu planen. Eine zu häufige Wartung provoziert unnötige Stillstandszeiten und führt zum Aus- tausch noch funktionsfähiger (Verschleiß-)Teile. Gleichzeitig birgt eine zu späte Wartung die Gefahr längerer Ausfallzeiten im Fehlerfall und die Be- schädigung weiterer Komponenten der Maschine. In der Vergangenheit war es schwierig, all diese Faktoren zu berücksichtigen. Mit dem Einzug von von IoT in industriellen Anlagen (im europäischen Raum auch als Industrie 4.0 bezeichnet) hat sich jedoch eine neue Chance für die vorausschauende Wartung ergeben. Techniken und Software für die voraus- schauende Wartung haben sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt. Unter- nehmen müssen sich nicht mehr auf Techniken verlassen, bei denen sie Da- ten in Tabellenkalkulationen importieren und Erkenntnisse manuell aufde- cken. Mit dem zunehmenden Einsatz von KI und maschinellen Lernalgorith- men in Predictive-Maintenance-Tools können Unternehmen jetzt dank Big Data Wartungsaufgaben genau vorhersagen. Vorausschauende Wartung für Fräsmaschinen bei Bosch Beispiel: Beispiel Spindeln in Fräsmaschinen sind anfällig für Brüche während des Produktions- prozesses. Zudem kann die Reparatur von Spindeln sehr teuer sein. Die Vor- hersage von Schäden und des genauen Zeitpunkts des Spindelbruchs kann daher die Kosten erheblich senken. Um diese Herausforderung zu meistern, identifizieren spezielle Sensoren (z. B. Ultraschall- oder Vibrationssensoren) die Muster einer brüchigen Spindel. Daraufhin können relevante Alarmein- stellungen für den aktuellen Zustand der Maschine erstellt werden. Die Sen- soren erzeugen Daten, die dann mit den Informationen von der Maschine und dem spezifischen Werkstück, das bearbeitet wird, verglichen werden. Durch die Analyse der Daten ist es möglich, Verhaltensmuster zu erkennen, die genauer vorhersagen, wann die Spindel zu brechen droht. So können Wartungspläne entsprechend geplant werden. Insgesamt konnten somit eine höhere Prozesstransparenz bei gleichzeitig geringeren Wartungskosten und reduzierten Maschinenstillstandszeiten er- zielt werden.25 25 Vgl. Köhler, 2021 26 Big Data 3.5.3 Nachverfolgbarkeit von Produkten in Logistik und Handel Handel & Logistik ist ein Schlüsselbereich, in dem das IoT als Basistechnolo- gie großen Einfluss hat. Funktechnologien wie RFID (Radio Frequency Iden- tification) werden im Bereich der Logistik bereits seit einiger Zeit erfolgreich zur Verfolgung von Containern, Paletten und Kisten eingesetzt. Somit lassen sich die Transportwege lückenlos nachvollziehen und dokumentieren. Insbe- sondere in geschlossenen Kreisläufen und bei hochwertigen Gütern ist eine genaue Nachverfolgbarkeit immens wichtig. Auch für Einzelhändler bietet die Technologie viele Vorteile zur Bestandsführung, beispielsweise eine Ver- ringerung des Verwaltungsaufwands, automatisierte Kundenabfertigungs- prozesse, eine Inventur auf Knopfdruck und zuverlässigen Diebstahlschutz. Andere Technologien zur Umsetzung von Indoor-Positionierungssysteme wie Beacons können direkt untereinander oder mittels moderner Smartpho- nes interagieren (z. B. über Bluetooth Low Energy (BLE)). Ein Netzwerk von In-Store-Beacons kann den Standort von Kunden in einem Geschäft identifi- zieren und ihnen Push-Benachrichtigungen senden. Zum Beispiel könnte ein Benutzer eine Einkaufsliste auf seinem Smartphone erstellen und diese mit der Store-App teilen. Beim Betreten des Ladens zeigt die Laden-App dem Kunden eine Karte an, auf der alle Produkte auf seiner Einkaufsliste markiert sind. Jedes Mal, wenn sich der Kunde einer Position nähert, an der sich eine Gruppe von Produkten aus seiner Einkaufsliste befindet, wird er von der App benachrichtigt und erhält eine Empfehlung für eine bestimmte Marke. An der Kasse könnte das System alle Produkte im Einkaufswagen automatisch per RFID identifizieren, eine Rechnung erstellen und bestätigen sowie die Bezahlung über das Smartphone abwickeln. Das Bestandssystem des Ladens wird automatisch aktualisiert, wenn der Kassiervorgang abgeschlossen ist.26 3.6 Banken- und Finanzbranche Die Digitalisierung in der Finanzbranche und der Siegeszug von Big-Data- Analysen, maschinellem Lernen und Künstliche Intelligenz verändern die Art und Weise, wie Finanzinstitute auf dem Markt konkurrieren. Große Unter- nehmen nutzen diese Technologien, um die digitale Transformation zu ge- stalten, um so auf geänderte Nachfragemuster von Kunden zu reagieren und Effizienzgewinne zu realisieren. Big Data im Finanzwesen bezieht sich auf die Vielzahl an Daten aus unter- schiedlichen Quellen, die genutzt werden können, um das Kundenverhalten zu antizipieren, neue Strategien für Banken und Finanzinstitute zu 26 Vgl. Slama, 2021 27 Big Data vermeiden, bevor diese durch Prüfstellen und Aufsichtsbehörden entdeckt werden. Insbesondere die folgenden beiden Bereiche sind hierbei von zentraler Be- deutung:28 Die Einhaltung von regulatorischen Vorschriften dauerhaft zu kon- trollieren und sicherzustellen: wird ein Bezug zwischen den gelten- den Vorschriften und den Unternehmensprozessen und -daten her- gestellt, die davon betroffen sind, so lassen sich durch gezielte Über- wachung von Kennzahlen drohende Abweichungen frühzeitig erken- nen. Konsequente Prüfung aller Transaktionsdaten: die Prüfung von Transaktionen auf Besonderheiten, Auffälligkeiten und ihre Bedeu- tung für die Beeinflussung von Compliance-Risiken geschieht in der Praxis aktuell meist stichprobenartig und periodisch. Eine durchge- hende Prüfung aller Transaktionen kann hier zu mehr Transparenz führen, um die Anforderungen aufsichtsrechtlicher Meldeprozesse zu erfüllen. 3.6.3 Digitale Vermögensverwaltung mittels Robo-Advisor Robo-Advisor sind auf Algorithmen basierende Systeme, die automatisiert Trading- oder Anlagestrategien für den Finanzmarkt umsetzen, um in Pro- dukte wie Aktien und Anleihen zu investieren. Sie erledigen damit viele Auf- gaben, für die früher teure Finanzexperten erforderlich waren. Die Dienst- leistungen reichen von automatischem Rebalancing bis hin zur Steueropti- mierung und erfordern wenig bis keine menschliche Interaktion. Sie ermög- lichen es auch auf bestimmte Marktsituationen zu reagieren und beispiels- weise in einem Crash-Szenario automatisch eine Umschichtung von Vermö- gen in sichere Anlageklassen vorzunehmen. Mittels solcher Systeme lassen sich auch individuelle und beliebig komplexe Anlagestrategien automatisieren, die auf verschiedenen äußeren Bedingun- gen beruhen. So sind die Systeme in der Lage, Tausende von Variablen auf einmal zu betrachten, einschließlich demografischer Daten, Timing, histori- scher Trends, technischer Analyse, Fundamentalanalyse, Marktstimmung und mehr. Diese Daten können anschließend in Bezug auf die eigene Anla- gestrategie bewertet werden, sodass auf Basis der Analyse Handlungsemp- fehlungen abgeleitet und umgesetzt werden können werden. 28 Vgl. Valenta, 2019 29 Big Data Metriken und Kennzahlen berechnen und mit klaren Zielen koppeln, z. B. die Anzahl der erfolgten Interaktionen wie Likes, Klicks auf eine Anzeige oder Produktkäufe. Entsprechen diese Kennzahlen nicht den Vorgaben können schnell und effektiv Maßnahmen ergriffen werden, um gegenzusteuern und Kampagnen anzupassen. 3.7.2 Kundensegmentierung und optimale Preisbildung Marken ermitteln den optimalen Preis, den ein Verbraucher für ein Produkt zu zahlen bereit ist, indem sie verschiedene Faktoren berücksichtigen: Ver- fügbarkeit, Marktwettbewerb, allgemeine Nachfrage, Wert des Produkts für den Verbraucher usw. Für ein kleines Unternehmen mit einer begrenzten Anzahl von Produkten ist diese Art der Analyse beherrschbar und zielfüh- rend. Sobald die Anzahl der Produkte zunimmt und Produkte und Produkt- klassen für unterschiedliche Kundengruppen relevant werden, wird diese Vorgehensweise zunehmend komplexer. Einige Produkte müssen zudem dy- namisch in Abhängigkeit der konkreten Nachfrage in einem bestimmten Zeitpunkt bepreist werden; hierzu zählen beispielsweise Tickets für Lang- streckenflüge, deren Preise abhängig von der aktuellen Auslastung und Um- buchungen von einer Minute auf die andere schwanken können. Mit der Fähigkeit, große Datenmengen zu analysieren, können Unterneh- men ihre Produkte auf der Grundlage von Marktschwankungen korrekt be- preisen und dadurch mehr Umsatz machen und letztendlich den Lebenszeit- wert ihrer Kunden steigern30. Beispiel: Sasol, ein Chemie- und Energiekonzern, nutzte Big Data, um seine Preisge- staltung zu aktualisieren und erzielte damit beeindruckende Ergebnisse. Ur- sprünglich erhöhte das Vertriebsteam die Preise jedes Jahr klassisch unter Beispiel Berücksichtigung der Kosten für die Herstellung des Produkts, Standardmar- gen, Preise für ähnliche Produkte, jährliche Standarderhöhungen usw. Jähr- liche Standarderhöhungen zur Steigerung der Gewinn-Marge ließen sich ge- genüber den Kunden aber nur begrenzt vermitteln, weshalb die Preisbildung auf eine datengetriebene Methode umgestellt wurde. Durch eine granula- rere Betrachtung von einzelnen Produkten und der individuellen Nachfrage- historie von Kunden wurde eine dynamische Preisgestaltung mit spezifischen Rabatten umgesetzt. Durch die Verwendung von Kaufdaten zur Gruppierung von Kunden konnte Sasol den Umsatz steigern, indem die Preisgestaltung auf der Grundlage der Zahlungsbereitschaft der Kunden festgelegt wurde. 30 Vgl. Seitzer, 2020 31

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