VL9: Evolutionstheoretische Ansätze PDF

Summary

This document discusses evolutionary theories of Lamarck and Darwin, focusing on the development of facial expressions. It examines the role of facial action coding system (FACS) in understanding emotional responses and includes observational studies on children and animals to further analyze the phenomenon of emotional displays. The document is likely intended for a university-level course in evolutionary psychology or a related field.

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VL9: Evolutionstheoretische Ansätze Die Evolutionstheorie von Lamarck (1809) Die Evolutionstheorie von Charles Darwin (1859) VL9: Evolutionstheoretische Ansätze 1 → Wie ist nach Darwin der lange Hals der...

VL9: Evolutionstheoretische Ansätze Die Evolutionstheorie von Lamarck (1809) Die Evolutionstheorie von Charles Darwin (1859) VL9: Evolutionstheoretische Ansätze 1 → Wie ist nach Darwin der lange Hals der Giraffe entstanden? Die Emotionstheorie von Charles Darwin stammesgeschichtliche Entwicklung des mimischen Gesichtsausdruckes VL9: Evolutionstheoretische Ansätze 2 Aktualgenese (Einschätzungen und Bewertungen von Objekten, Situationen und Ereignissen in einer aktuellen Situation) von Emotionen Definition: Emotionen sind bewusste mentale Zustände wie zum Beispiel Furcht, Wut, Traurigkeit und Überraschung Emotionsausdruck: Gesamtheit der beobachtbaren körperlichen Veränderungen (Mimik, Gestik, Körperhaltung, Vokalisationen) Mimik drückt Gefühlszustände aus Gefühlszustände können durch die absichtliche Regulation des Ausdrucks verstärkt oder abgeschwächt werden (Emotionsverstärkung z.B. durch Haltung) Darwins Grundthese: „Beim Menschen lassen sich einige Ausdrucksformen, wie das Sträuben der Haare unter dem Einfluss extremer Furcht, kaum verstehen, es sei denn man nimmt an, dass der Mensch früher einmal in einem viel niedrigeren und tierähnlichen Zustand existiert hat. Die Gemeinsamkeiten gewisser Ausdrucksformen bei verwandten Arten - … - wird verständlicher, wenn wir annehmen, dass sie von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen.“ Forschungsmethoden Darwins 1. Intrakulturelle Beurteilung Fotografie mit spontaner Überraschung, n=24 Ergebnis 1 Versuchsperson wusste nichts mit dem Ausdruck anzufangen 22 Versuchspersonen gebrauchten die Worte „Überraschung“, „Erstaunen“ 1 Versuchsperson gebrauchte das Wort „Schrecken“ Aber: Beleg für intrakulturelle Übereinstimmung, jedoch nicht dafür, dass der Ausdruck angeboren ist 2. Interkulturelle Beurteilungen VL9: Evolutionstheoretische Ansätze 3 „Immer wenn dieselbe Bewegung des Gesichtes bei verschiedenen Menschen dieselbe Emotion ausdrücken, können wir … schließen, dass diese echt, d.h. angeboren und instinktiv sind“ Entwicklung eines Fragebogens, den er an Lehrer, Missionare und Kolonialbeamte in Afrika, Australien, Neuseeland, China, Indien… schickte (36 Antworten) 3. Beobachtung des Gesichtsausdrucks von Kindern Fokus: Säuglinge und Kleinkinder systematische Beobachtung der eigenen Kinder (Tagebuchaufzeichnungen) viele Emotionen werden mit außerordentlicher Kraft zum Ausdruck gebracht ohne bewusste Kontrolle des Gesichtsausdrucks wenig durch kulturspezifische Lernerfahrungen beeinflusst und geringerer Einfluss der Nachahmung Ergebnis: Querfalten weniger ausgeprägt 4. Vergleich von Mensch und Tier → Beobachtung des Ausdrucksverhaltens von Haustieren und Affen VL9: Evolutionstheoretische Ansätze 4 in ein Affengehege wurde eine Süßwasserschildkröte gesetzt Ergebnis: beobachtete mimischen Ausdruck bei den Affen ähnlich dem bei Überraschung beim Menschen 5. Beobachtung von Blindgeborenen Ergebnis: typischer mimischer und gestischer Ausdruck Ausschluss, dass Ausdrucksverhalten durch Nachahmung erworben wurde 6. Beobachtung von Geisteskranken Ähnlich wie Kleinkinder: zeigen starke Emotionen, die sie nicht unterdrücken können Berichte von Leitern in entsprechenden Einrichtungen Forschungsergebnisse Darwins am Beispiel der Überraschung idealtypischer mimischer Ausdruck der Überraschung: „… zeigt sich in einem leichten Anheben der Augenbrauen; […] während die Augen und der Mund leicht geöffnet werden. Das Anheben der Augenbrauen […] bringt quere Falten auf der Stirn hervor. Das Ausmaß der Öffnung der Augen und des Mundes entspricht dem Grad der erlebten Überraschung, wobei diese Bewegungen aber aufeinander abgestimmt sein müssen: Ein weit geöffneter Mund mit nur unbedeutend erhobenen Augenbrauen ergibt nur eine bedeutungslose Grimasse.“ Überraschungs-Vokalisation: „Oh“; pfeifende, zischende oder schnalzende Geräusche vergleichbare Forschungsergebnisse auch für andere Emotionen Mehrheit der Ausdrucksformen von Emotionen ist angeboren und universell Fähigkeit zum Erkennen der Bedeutung des Ausdrucks ist ebenfalls angeboren VL9: Evolutionstheoretische Ansätze 5 Aber: nur Hauptformen sind angeboren; andere Emotionsausdrücke wie „das Wenden der Augen zum Himmel beim Beten“ sind erlernt Wie erklärte Darwins seine Forschungsergebnisse zu Emotionen? → Prinzip der zweckassoziierten Gewohnheiten Vorfahren: willkürliches & bewusstes Ausführen, um bestimmten Zweck zu erreichen Ausführung wurde mit häufiger Wiederholung zur Gewohnheit erworbene Eigenschaft wurde an die nächste Generation weitergegeben (analog zu Lamarcks Idee) Heute: natürliche Selektion Welche Nachwirkungen hatten Darwins Arbeiten? Zunächst große Aufmerksamkeit (z.B. James, 1890/1950) Wenig beachtet, erst wieder ab 1970; aufgegriffen von Tomkins (1962), Ekman (1972), Izard (1971) Gründe Veränderungen des Zeitgeists → Behavioristen: Zweifel an angeborenen Verhaltensdeterminanten (nur wenige); Fokus auf Umweltvariablen Bewertung seiner wissenschaftlichen Methoden → Keine systematisch kontrollierten Beobachtungen (Berichte von Laien): Vorgabe der Hypothesen Grundannahmen heutiger Sichtweisen des Gesichtsausdrucks Theoretische Annahmen Teilklasse der menschlichen Gesichtsausdrücke drückt Emotionen aus oder ist zumindest mit Emotionen eng verbunden diese sind in der Phylogenese (Frage nach der stammesgeschichtlichen Entwicklung der den Emotionen zugrunde liegenden Dispositionen bzw. Mechanismen) entstanden VL9: Evolutionstheoretische Ansätze 6 durch natürliche Selektion emotionale Gesichtsausdrücke sind auch heute noch adaptiv Neuere Untersuchungen zur Universalität des Gesichtsausdrucks → Ekmans neuro-kulturelle Theorie Paul Ekman Anthropologe und Psychologe Studium an der University of Chicago und der New York University 1958 - 1960 diente er als Chefpsychologe der U.S. Armee ab 1972 Professor für Psychologie an der University of California, San Francisco Nach APA: gehört zu den 100 bedeutsamsten Psychologen Theoretische Annahmen: → Zwei Komponenten, die verantwortlich sind für… …Universalität des Gesichtsausdrucks („Neuro“ Komponente) „Neuro bezieht sich auf das mimische Affektprogramm – die Verbindung zwischen bestimmten Emotionen und der Aktivierung eines bestimmten Musters von Gesichtsmuskeln. Dieses Programm … ist zumindest teilweise angeboren und kann … ohne aufwendige kognitive Verarbeitung und Bewertung aktiviert werden.“ …Kulturelle Unterschiede („kulturelle“ Komponente) „Kulturell bezieht sich auf die anderen Gruppen von Determinanten des Gesichtsausdrucks, nämlich auf die meisten emotionsauslösenden Ereignisse, die Regeln hinsichtlich der Kontrolle des Emotionsausdrucks und die meisten Konsequenzen von Emotionen. Diese sind unserer Ansicht nach gelernt und variieren mit der Kultur.“ → Beispiel: wie in verschiedenen Kulturen mit Beerdigungen umgegangen wird Zentrale Annahmen: VL9: Evolutionstheoretische Ansätze 7 Basisemotionen: Ärger, Ekel, Furcht, Traurigkeit, Freude und Überraschung → haben sich im Laufe der Evolution durch natürliche Selektion entwickelt Jede Basisemotion geht einher mit einem spezifischen Gefühl, physiologische Veränderungen und mimischen Gesichtsausdruck wird eine Basisemotion ausgelöst (z.B. Freude), dann wird dadurch automatisch das dazugehörige Mimikprogramm (z.B. Lächeln) aktiviert Automatischen Tendenz muss nicht im universellen Ausdruck resultieren, sondern kann willentlich kontrolliert werden (verstärkt, abgeschwächt, maskiert); Darstellungsregeln können interindividuell und interkulturell variieren VL9: Evolutionstheoretische Ansätze 8 VL9: Evolutionstheoretische Ansätze 9 Facial action soding system (FACS) Wann gelingt die Kontrolle des mimischen Gesichtsausdrucks? Unterdrückung des automatisch ausgelösten Affektprogramms gelingt spontan häufig nicht → Experiment Studenten wurden 2 Kurzfilme gezeigt Film A: Naturfilm Film B: Beinamputationen Interview über Gefühle VL9: Evolutionstheoretische Ansätze 10 Unabhängige Ratings (Glaubhaftigkeit, Natürlichkeit, angenehme Gefühle, …) Nur 10% der Probanden konnten Reaktionen auf einen stressauslösenden Film unterdrücken, obwohl sie explizit dazu aufgefordert worden Erfolg der Kontrolle ist höher, abhängig… …davon ob der Kontrollmechanismus gut geübt ist (gute und schlechte Lügner) …von der Stärke der Emotion …davon wie gut die Person vorbereitet ist …von der Anstrengung der Person, die Emotion zu verbergen Kann man zwischen echten und unechten Emotionsausdrücken unterscheiden? Indikatoren Echte Gefühlsausdrücke: dauern häufig zwischen 2 und 5 Sekunden an Unechte/vorgespielte Gefühlsausdrücke dauern kürzer oder länger der Gesichtsausdruck ist eher unsymmetrisch VL9: Evolutionstheoretische Ansätze 11 Forschungsergebnisse zur Universalität des Gesichtsausdruckes Vorgehensweise Beurteilungsstudien (wie bei Darwin) von Emotionsbildern (Photographien) Zuordnung von Emotionswörtern Darsteller häufig weiße amerikanische Frauen und Männer VL9: Evolutionstheoretische Ansätze 12 Kritik an Ekmans Studien → Russell (1994, 1995) Nicht-isolierte westliche Kulturen: Studierende können durch Medien und Reisen den Emotionsausdruck erlernt haben Vorgabe gestellter Gesichtsausdrücke (Photographien), keine spontanen Hohe Trefferhäufigkeit durch Vorauswahl der Bilder (besonders typische) Zwangswahlverfahren Studie von Ekman & Friesen (1971) Vorgehensweise 130 Kinder und 189 Erwachsene eines Stammes in Neuguinea untersucht, die kaum Kontakt zur Zivilisation hatten Geschichten in ihrer Sprache vorlesen, in denen eine der 6 Basisemotionen beschrieben wurde eins von drei Emotionsbildern heraussuchen (1 passend, 2 unpassend) VL9: Evolutionstheoretische Ansätze 13 Kritik von Russell Universalität nicht grundlegend in Frage gestellt aber methodische Einwände hervorgebracht, die bislang nicht überzeugend ausgeräumt wurden weitere Studien notwendig VL9: Evolutionstheoretische Ansätze 14

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