Elektrotechnik Skript PDF 2018
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Universität Bremen
2018
Jürgen Pannek
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Summary
This document is a lecture script on electrical engineering from the University of Bremen. It covers fundamental concepts like electric charge, current, voltage, and circuit analysis. The script, from 2018, provides a strong base for understanding electricity and related concepts.
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Elektrotechnik Skript zur Vorlesung Jürgen Pannek Fachgebiet 28: Dynamics in Logistics Fachbereich 04: Produktionstechnik Universität Bremen Vorwort Dieses Skript ist im Rahmen einer gleichnamigen Vorlesung entstanden, die ich im Winterse- mester 2018/19 und Sommersemes...
Elektrotechnik Skript zur Vorlesung Jürgen Pannek Fachgebiet 28: Dynamics in Logistics Fachbereich 04: Produktionstechnik Universität Bremen Vorwort Dieses Skript ist im Rahmen einer gleichnamigen Vorlesung entstanden, die ich im Winterse- mester 2018/19 und Sommersemester 2019 an der Universität Bremen gehalten habe. Es ist die vierte Auage dieses Skriptes und ich möchte mich an dieser Stelle bei all den Studierenden bedanken, die mich mit ihren Anmerkungen und Fehlerkorrekturen bei der Verbesserung des Skripts unterstützt haben. Eine elektronische Version dieses Skripts ndet sich unter http://dil.biba.uni-bremen.de/education.html Die Veranstaltung erstreckt sich über zwei Semester, während der den Studierenden die Grundlagen der Elektrotechnik nahe gebracht werden sollen. Ziel des ersten Teils der Veranstaltung ist es, den Studierenden den Umgang mit den grund- legenden physikalischen und elektrotechnischen Gröÿen und Einheiten zu vermitteln. Zudem sollen die Studierenden am Ende des ersten Teils der Vorlesung die Eigenschaften ohmscher Widerstände kennen, sowie in der Lage sein, Schaltungen und Netzwerke zu analysieren, zu vereinfachen und zu berechnen. Zudem werden Grundlagen der Elektrostatik eingeführt. Insbesondere werden wir die Themen Physikalische/elektrotechnische Grundgröÿen und Einheiten, Gleichstrom, Ohmsches Gesetz und elektrischer Widerstand, Verzweigte Stromkreise, Kirchhosche Gesetze, Serien- und Parallelschaltung von Bauelementen, Spannungs- und Stromquellen, Ersatzspannungs-/Stromquellen, Verfahren zur Netzwerkberechnung, und Grundlagen der Elektrostatik behandeln und in der zugehörigen Übung vertiefen. Im zweiten Teil sollen die Studierenden mit den Grundlagen des stationären elektrischen Strömungsfeldes sowie des magnetischen Feldes vertraut sein. Sie sollen zudem die Eigenschaf- ten von Wechselstrombauteilen kennen, einfache Schaltungen wie Filter oder Schwingkreise berechnen, und das Übertragungsverhalten von U, I und Phase beschreiben können. Die Vorlesung umfasst dabei die Themen Grundlagen der Feldtheorie, Wechselstrom, Wechselstromwiderstände und Wechselstromrechnung, Drehstrom, i Ortskurven, und Vierpole und Filter. Die Vorlesung baut auf dem Skript Grundlagen der Elektrotechnik für die Produktions- technik von Prof. Laur (Universität Bremen) sowie den Büchern , , , und auf. Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis v 1 Einleitung 1 1.1 Elektrische Ladung.................................. 1 1.2 Elektrische Stromstärke und Ladungserhaltung................... 2 1.3 Ionen- und Massenstrom............................... 3 1.4 Elektrische Spannung................................. 5 I Gleichstrom 7 2 Einfache Gleichstromkreise 9 2.1 Ideale Strom und Spannungsquelle......................... 9 2.2 Widerstand und Leitwert............................... 11 2.3 Widerstand stabförmiger Leiter........................... 13 2.4 Berechnung eines einfachen Stromkreises...................... 14 3 Verzweigte Stromkreise 17 3.1 Knotensatz von Kirchho und Maschenströme................... 17 3.2 Maschensatz von Kirchho und Knotenpotentiale................. 21 3.3 Verbraucher in Reihen- und Parallelschaltung................... 23 3.4 Reale Strom- und Spannungsquelle......................... 27 4 Verfahren zur Netzwerkberechnung 31 4.1 Zweigstrom Verfahren................................ 31 4.2 Maschenstrom Verfahren............................... 34 4.3 Knotenpotential Verfahren.............................. 36 5 Spezielle Netzwerke 39 5.1 Netzwerkberechnung mit dem Superpositionsprinzip................ 39 5.2 Zweipolzerlegung und Ersatzquellen......................... 43 5.3 Unendliche Kettennetzwerke............................. 47 5.4 SternPolygon Umwandlung............................. 49 II Feldtheorie 55 6 Elektrostatik 57 6.1 Das elektrische Feld.................................. 58 6.1.1 Ladungsverteilung.............................. 58 6.1.2 Coulombkraft................................. 60 iii 6.1.3 Elektrische Feldstärke............................ 62 6.1.4 Berechnung des elektrischen Feldes..................... 64 6.2 Gauÿscher Satz der Elektrostatik.......................... 65 6.2.1 Elektrische Spannung............................. 67 6.2.2 Elektrische Potential............................. 68 6.3 Felder an Grenzächen................................ 69 6.4 Elektrische Kapazität................................. 71 7 Elektrisches Strömungsfeld 75 7.1 Elektrische Stromdichte............................... 75 7.2 Ohmsches Gesetz und Kapazität........................... 77 7.3 Kirchhoscher Knoten und Maschensatz...................... 79 8 Magnetisches Feld 83 8.1 Magnetische Flussdichte............................... 83 8.1.1 Magnetfeld einer bewegten Ladung..................... 84 8.1.2 Magnetfeld von Leiterschleifen........................ 85 8.2 Quellenfreies Wirbelfeld............................... 86 8.2.1 Durchutungssatz............................... 88 8.2.2 Ringspulen und Zylinderspulen....................... 90 8.3 Induktivität...................................... 91 8.3.1 Spannungsinduktion............................. 93 8.3.2 Selbstinduktion................................ 94 8.3.3 Gegeninduktion................................ 96 III Wechsel- und Drehstrom 99 9 Wechselstromkreise 101 9.1 Harmonische Spannung und Wechselspannung................... 101 9.2 Zeigerdarstellung................................... 106 9.3 Zeigerrechnung für Wechselstromnetze....................... 108 9.4 Reihenschwingkreis.................................. 114 10 Ortskurven und Filter 123 10.1 Problemstellung und Interpretation......................... 123 10.2 Eektivwert einer Quellspannung als Parameter.................. 124 10.3 Nullphasenwinkel einer Quellspannung als Parameter............... 125 10.4 Eektivwert eines Schaltelements als Parameter.................. 125 10.5 Kreisfrequenz als Parameter............................. 127 10.5.1 RL Reihenschaltung............................. 128 10.5.2 RC Parallelschaltung in Reihe mit Spule................. 128 10.6 BodeDiagramm................................... 130 10.7 Vierpole und Filter.................................. 132 10.7.1 Tiefpass Filter................................. 132 10.7.2 Hochpass Filter................................ 134 11 Drehstrom 139 11.1 Symmetrische Systeme................................ 141 11.2 Unsymmetrische Systeme............................... 147 11.2.1 Sternschaltung bei Generator und Last................... 148 11.2.2 Ringschaltung bei Generator und Last................... 149 11.2.3 Gemischte Schaltung von Generator und Last............... 151 Abbildungsverzeichnis 155 Literaturverzeichnis 157 Kapitel 1 Einleitung In diesem Kapitel werden wir die Grundbegrie der elektrischen Ladung, Stromstärke und Spannung einführen. 1.1 Elektrische Ladung Die elektrische Ladung wird allgemein mit Q bezeichnet und tritt (fein) verteilt in Materie auf, weist somit Ähnlichkeiten zur Masse auf. Allerdings existieren zwei Polaritäten für die elektrische Ladung, die in Protonen und Elektronen aufzunden sind. Ein Proton trägt die positive Ladung QProton = 1:6 10 19 C; [Q]SI = C (= ); Coulomb (1.1) und ein Elektron die negative Ladung QElektron = 1:6 10 19C: (1.2) Die elektrischen Ladungen von Proton und Elektron sind betragsmäÿig gleich groÿ und unter- scheiden sich lediglich im Vorzeichen. Den Betrag der elektrischen Ladungen von Proton und Elektron bezeichnet man mit Ladungsbetrag e , wobei das Vorzeichen für das Proton positiv gewählt wird, d.h. e=Q Proton = QElektron : (1.3) Kompensieren sich positive und negative Ladungen in einem lokalen Gebiet und bewegen sich ungeordnet, so treten kein elektrischen oder magnetischen Erscheinungen auf. Diese Lokalität begründet den Begri der wahren Ladung. Hierzu deniert man: Denition 1.1 (Wahre Ladung). Sei G ein gegebenes Gebiet. Weiter bezeichne Q+(G ) die positive und Q (G ) die negative Ladung von G , d.h. Q+ (G ) = Q ] fj 2 G j j = Protong Proton (1.4) Q (G ) = Q ] fj 2 G j j = Elektrong : Elektron (1.5) Dann bezeichnet man die wahre Ladung des Gebiets mittels Q(G ) = Q+ (G ) + Q (G ) (1.6) 1 2 Kapitel 1: Einleitung Für den Spezialfall Q(G ) =0 bezeichnet man das Gebiet G als elektrisch neutral. Beach- te, dass eine positive oder negative wahre Ladung nicht notwendig ist, um eine elektrische Stromstärke zu erregen. 1.2 Elektrische Stromstärke und Ladungserhaltung Um genau zwischen (wahrer) Ladung und Stromstärke unterscheiden zu können, führen wir zunächst den Begri des Ladungsdurchsatzes formal ein: Denition 1.2 (Ladungsdurchsatz). Sei G ein Gebiet, S ein Schnitt durch das Gebiet G und r eine Bezugsorientierung/Zählpfeil durch den Schnitt S. Dann bezeichnen wir mit der Funktion QD : R ! R den Ladungsdurch- satz, wobei QD (t) die Menge aller Ladungen durch S zu einem Zeitpunkt t 2 R darstellt. QD (t) ist positiv, wenn die Bewegungsrichtung der Bezugsorientierung entspricht, und negativ, wenn sie dem entgegen läuft. Weiter bezeichnen wir den inkrementellen Ladungsdurchsatz durch S mit dQD : R ! R dQD (t) = limt^!t QD (t^) , QD (t), im inkrementellen Zeitfenster dt. dQD () > 0, so steigt QD (). Ist umgekehrt dQD () < 0, so fällt QD (). Beachte hierbei Ist den subtilen Unterschied zwischen Q und QD : Während Q die wahre Ladung des Gebiets G bezeichnet, wirkt der Ladungsdurchsatz QD durch einen Schnitt. Die Bezeichnung Schnitt ist dabei eine allgemein Formulierung für etwa den Rand des Gebiets oder die Hülle um ein Objekt und wird oft auch als Hülle bezeichnet. Abbildung 1.1 veranschaulicht diese Begrie. I , QD Abbildung 1.1: Ladungsdurchsatz durch den Querschnitt eines Leiters Der Ladungsdurchsatz QD (t) kann somit als Darstellung eines Ladungsmessgeräts inter- pretiert werden. Die Einbaurichtung entspricht dabei der Bezugsorientierung, kann also bei falschen Einbau lediglich Vorzeichenfehler aufweisen. Mit Hilfe des Ladungsdurchsatzes können wir nun die sogenannte Stromstärke denieren: Denition 1.3 (Stromstärke). Gegeben sei ein Gebiet G , ein Schnitt S durch G und ein inkrementeller Ladungsdurchsatz dQD () durch S. Dann bezeichnen wir den (Dierential-)Quotienten QD (t^) QD (t) dQD (t) I (t) := dt = lim t^!t t^ t ; [I ]SI = Cs =: A (= Ampère ) (1.7) als elektrische Stromstärke. Analog zum Ladungsdurchsatz ist somit auch die Stromstärke mit einer Bezugsorientierung versehen, die das Vorzeichen festsetzt. Der Ladungsdurchsatz kann dabei durch Z t QD (t) = QD (0) + I ( )d (1.8) 0 1.3 Ionen- und Massenstrom 3 aus dem Ladungsdurchsatz QD (0) zum Zeitpunkt t =0 und der gegebenen Entwicklung der Stromstärke I (t) über die Zeit t berechnet werden. Betrachtet man nun ein deniertes Gebiet G , so ist die Summe aller Ladungen konstant. Dies kann durch folgende Bilanzgleichungen ausgedrückt werden. Theorem 1.4 (Ladungserhaltungsgesetz). : Sei G ein gegebenes Gebiet, Q die wahre Ladung des Gebiets, QD R ! R der Ladungsdurchsatz : nach auÿen durch die Hülle S von G , dQ R ! R die Änderung von Q, dQD R ! R die : () : Änderung von QD und I R ! R der Strom durch S , so gilt äquivalent X dQ(t) I (t) = (1.9) dt dQD (t) = dQ(t) (1.10) dQD (t) dQ(t) dt = dt (1.11) dQ(t) I (t) = : (1.12) dt Beachte, dass die Formulierung mittels der Summe in (1.9) irreführend, in der Literatur aber üblich ist: Die negative Änderung der wahren Ladung im Inneren des Gebiets G ist dabei gleich der Summe aller Ströme nach auÿen durch S. Da dies bei Schaltungen in der Regel mit Kabeln gelöst ist, kann hier einfach über alle Kabel summiert werden. Formal ist jedoch auch ein kontinuierlicher Übergang möglich, d.h. wir müssen über den Rand S von G integrieren. Beispiel 1.5 Gegeben sei ein Leiter mit konstanter Eingangsstromstärke I1 und konstanter Ausgangsstrom- stärke I2 =I1. Nach (1.9) gilt somit 2 X Ij = I1 + I2 = I1 I1 = 0: j =1 Somit muss die Änderung der wahren Ladung des Leiters ebenfalls 0 sein. Wir nennen I1 die sogenannte Driftladung. 1.3 Ionen- und Massenstrom Bei Strömen von Ladungen unterscheiden wir zwischen Elektronenströmen, bei denen die Masse (fast) vernachlässigbar ist, und Ionenströmen, wie etwa in Elektrolyten (ionenleitende Flüssig- keiten), vergleiche Abbildung 1.2. Da ein Ion mehrere Protonen bzw. Elektronen beheimaten und somit eine höhere Ladung aufweisen kann, führt der Durchtritt eines Ions durch einen Schnitt S des betrachteten Gebiets G zu einem Ladungsdurchsatz QD = z e; [QD ]SI = C wobei z die Ladungszahl des Ions und e wieder die Elementarladung ist. Für N Ionen ergibt sich somit der Ladungsdurchsatz QD = Nz e; (1.13) 4 Kapitel 1: Einleitung Verbraucher Quelle + + I f g I f g h+i h i h i h+i Elektrolyt Elektrolyt (a) Galvanisches Element aus Span- (b) Wiederauadbares (galvanisches) nungsquelle Element beim Laden Abbildung 1.2: Ionenleitung im Elektrolyten Um den Massenstrom einzuführen, benötigen wir die AvogadroKonstante NA , die die Teilchen- anzahl pro Stomenge angibt. Hier verwenden wir die mol Basis mit NA = 6:022 10 23 mol 1. Somit haben N Ionen die Masse N m = M; [m]SI = kg; (1.14) NA wobei M mit [M ]SI = g=mol die Molmasse eines Stos bezeichnet. Aus (1.13), (1.14) folgt: Theorem 1.6 (Faradaysches Gesetz). : Sei G ein gegebenes Gebiet eines Elektrolyten und QD R ! R der Ladungsdurchsatz nach auÿen durch die Hülle S von G. Passieren N Ionen mit Ladungsanzahl z die Hülle, so gilt QD (t)M (t)M ; m(t) =; (1.13) (1.14) z eNA = QDzF [m]SI = kg; (1.15) wobei F = eNA = 96485C=mol die Faraday Konstante bezeichnet. Den zugehörigen Massenstrom erhalten wir durch einfaches Dierenzieren der Massenglei- chung (1.15) nach der Zeit. Da die einzige zeitabhängige Gröÿe der elektrische Ladungsdurchsatz ist, ergibt sich folgende Gleichung: Theorem 1.7 (Massenstrom). Unter den Voraussetzungen von Theorem 1.6 geht mit dem elektrische Ionenstrom im Elektro- lyten ein Massenstrom m(t^) m(t) M dQD (t) m_ (t) = lim t^!t t^ t = (1.15) zF dt = (1.7) M zF I (t); [m_ ]SI = kgs ; (1.16) einher, wobei I nach (1.7) die Stromstärke bezeichnet. Aus Theorem 1.7 folgt, dass die Elektroden im Elektrolyten Masse aus den eingetragenen Ionen gewinnen bzw. verlieren. Die Elektroden fungieren dabei als Mittler zwischen dem äuÿe- rem Elektronenstrom I und der (allgemeinen) Ionenströmung im Elektrolyten. Beachte, dass nur ein Teil des äuÿeren Stromes für den Massenstrom zur Verfügung steht. 1.4 Elektrische Spannung 5 f g (" I ) f g (# I ) h+i Bilanzhülle h+i Bilanzhülle h i h i f g f g Elektrolyt Elektrolyt (a) Kathode (b) Anode Abbildung 1.3: Strombilanz von Elektroden im Elektrolyten 1.4 Elektrische Spannung Als letzten Grundbegri führen wir nun die elektrische Spannung ein. Hierzu benötigen wir den Begri der Energie W, der die Fähigkeit eines Systems darstellt, Arbeit zu leisten. Im Folgenden verwenden wir den Energieerhaltungssatz. Theorem 1.8 (Energieerhaltungssatz). Eine Umwandlung für alle Arten von Energie ist verlustfrei durchführbar. Für eine nicht elek- : trische Energie Wne R ! R gilt somit die Veränderungsgleichung lim W (t^) W (t) = dW (t) = dW (t) = lim W (t^) W (t) : (1.17) t^!t t^!t ne ne ne Damit einher geht der Begri der Leistung: Denition 1.9 (Leistung). Für eine gegebene Energie W : R ! R bezeichnen wir den Dierentialquotienten in Hinblick auf die Zeit dW (t) P (t) = dt ; [P ]SI = Js = W(= Watt ; J= Joule ) (1.18) als Leistung. Bei konstanter Leistung P nimmt also die Energie W mit gleicher Rate ab oder zu. Die übertragene elektrische Energie W und die Leistung P im Stromkreis kann nun zum Ladungs- durchsatz QD und somit zur Stromstärke I in Zusammenhang gebracht werden. Denition 1.10 (Spannung). SeiG ein gegebenes Gebiet mit Energie W : R ! R und QD : R ! R der Ladungsdurchsatz nach auÿen durch die Hülle S von G. Dann denieren wir die elektrische Spannung über dW (t) J U (t) = ; [ U ]SI = = V(= Volt): dQD C (1.19) 6 Kapitel 1: Einleitung Denition 1.10 kann am besten anhand eines Beispiels wie in Abbildung 1.4 erläutert werden. Das gegebene Gebiet G aus Denition 1.10 ist der Stromkreis, der zugehörige Schnitt S die Wne # I , QD Quelle W, P Verbraucher Quelle W, P Verbraucher Wne I , QD " U (a) Energie- und Leistungsübertragung (b) Einfacher Stromkreis mit Beschreibungsgröÿen Abbildung 1.4: Einfach Stromkreise mit Quelle und Verbraucher Hülle um den Verbraucher. Durch die Hülle ieÿen Elektronen zum Verbraucher, wo elektrische in nicht elektrische Energie umgesetzt wird. Die umgewandelte Energie wird in (1.19) durch dW (), der gleichzeitige Ladungsdurchsatz durch die Hülle wird wie bisher auch durch dQD () dargestellt. Bemerkung 1.11 Beachte, dass wir die Spannung aus (1.19) mit Hilfe von (1.18) und (1.7), also dW (t) = P (t) dt und dQD t ()= () I t dt auch darstellen können durch P (t) U (t) = I (t) ; [U ]SI = W A = V: (1.20) Wie wir mit dem Pfeilsystem bereits angedeutet haben, gibt es eine Bezugsorientierung, die auch Zählrichtung genannt wird. Diese muss nicht mit der Wirkungsrichtung übereinstimmen. Wird etwa eine Batterie ge- oder entladen, so wechselt die Wirkungsrichtung, jedoch nicht die Zählrichtung im Stromkreis. Üblicherweise unterscheidet man das sogenannte Erzeugerpfeilsystem und das Verbraucher- pfeilsystem, vergleiche Abbildung 1.5. Beachte, dass die Zweipole jeweils Erzeuger und Verbrau- U " I , QD U # I , QD W, P W, P (a) Erzeugerpfeilsystem (b) Verbraucherpfeilsystem Abbildung 1.5: Zählpfeile für Zweipole cher sein können, das Vorzeichen also entsprechend wechselt. Man muss also immer klarstellen, welches der Pfeilsysteme genutzt wird. Teil I Gleichstrom 7 Kapitel 2 Einfache Gleichstromkreise Nach der Einführung der Grundbegrie der Elektrotechnik widmen wir uns nun den Kom- ponenten. Das Grundgerüst hierfür bildet der sogenannte Stromkreis, der die Komponenten miteinander verbindet. Hier werden wir insbesondere auf Quellen und Verbraucher sowie deren Eigenschaften eingehen. 2.1 Ideale Strom und Spannungsquelle Wie wir am Ende von Kapitel 1 gesehen haben, sind Quellen von Natur aus nichtelektrisch und wandeln nach der Energieerhaltungsgleichung (1.17), d.h. dW = dWne ; (1.17) nichtelektrische in elektrische Energie um. Die Kräfte, die die Ladungsträger antreiben, können dabei sowohl elektromagnetischer (Generator), photovoltaischer (Solarzelle) oder chemischer Natur (Akkumulator) sein. Quellen können gemäÿ ihrer StromSpannungsKennlinie beschrie- ben werden. Denition 2.1 (Ideale Spannungsquelle). Wir nennen eine Spannungsquelle ideal, wenn sie bei jedem Strom die sogenannte Quellenspan- nung Uq konstant hält und unbegrenzt leistungsfähig ist. In Abbildung 2.1 ist das Schaltzeichen einer Spannungsquelle enthalten, welches durch die eingeblendete Quellenspannung indiziert wird. "I U Uq P Abbildung 2.1: Schaltzeichen einer idealen Spannungsquelle Basierend auf der Denition der idealen Spannungsquelle können wir deren Leistung ablei- ten. 9 10 Kapitel 2: Einfache Gleichstromkreise Theorem 2.2. Die Leistungsabgabe einer idealen Spannungsquelle im Erzeugerpfeilsystem beträgt nach (1.20) P = U q I: (2.1) Gegeben eine positive Stromstärke I> 0 und eine positive Quellenspannung Uq > 0. Im Erzeugerpfeilsystem gibt die Quelle somit Leistung ab, bei negativer Stromstärke nimmt sie Leistung auf. Da die Quellenspannung konstant ist, hängt die Stromstärke vom angeschlossenen Netzwerk ab. U P (I ) Uq U (I ) = U q = const. I Laden Entladen Abbildung 2.2: Kennlinien einer idealen Spannungsquelle Bemerkung 2.3 Anstelle der Quellenspannung U q kann eine Spannungsquelle auch durch die sogenannte einge- prägte Spannung U e beschrieben werden. Die eingeprägte Spannung U e kann analog zur einer Druckerhöhung durch eine Pumpe in Strömungsrichtung verstanden werden und ist im umge- kehrter Pfeilrichtung angesetzt, vergleiche Abbildung 2.3. "I U Volumenstrom "I U Volumenstrom Uq Pumpe Ue Pumpe P P Druck Druck abfall erhöhung Abbildung 2.3: Analogie Spannungsquelle / Pumpe Analog zur Spannungsquelle denieren wir die ideale Stromquelle. Denition 2.4 (Ideale Stromquelle). Wir nennen eine Stromquelle ideal, wenn sie bei jedem Strom den sogenannten Quellenstrom Iq konstant hält und unbegrenzt leistungsfähig ist. In Abbildung 2.4 ist das Schaltzeichen einer Stromquelle enthalten, welches durch die einge- blendete Quellenstrom indiziert wird. Basierend auf der Denition der idealen Spannungsquelle können wir deren Leistung ableiten. 2.2 Widerstand und Leitwert 11 "I U Iq P Abbildung 2.4: Schaltzeichen einer idealen Stromquelle Theorem 2.5. Die Leistungsabgabe einer idealen Stromquelle im Erzeugerpfeilsystem beträgt nach (1.20) P = UI q : (2.2) Gegeben eine positive Spannung U > 0 und einen positiven Quellenstrom Iq > 0. Im Erzeugerpfeilsystem gibt die Quelle somit Leistung ab, bei negativer Stromstärke nimmt sie Leistung auf. Da der Quellenstrom konstant ist, hängt die Spannung vom angeschlossenen Netzwerk ab. I P (U ) Iq I (U ) = I q = const. U Abbildung 2.5: Kennlinien einer idealen Stromquelle 2.2 Widerstand und Leitwert Gegenspieler der Quelle im Stromkreis ist der sogenannte Verbraucher. Während die Quelle aktiv eine Strömung von Ladungsteilchen durch den Stromkreis anstöÿt, setzt der Verbrau- cher diesem Strom einen Widerstand entgegen, agiert also passiv. Analog zu Quellen können Verbraucher und die zugehörigen Widerstände gemäÿ ihrer StromSpannungsKennlinie be- schrieben werden. Entsprechend analog zur Quelle können wir daher wie folgt denieren: Denition 2.6 (Verbraucher und Widerstand). Gegeben sei ein Objekt an einem Leiter mit anliegender Stromstärke I und Spannung U. Wir nennen das Objekt einen Verbraucher, den Quotienten R= U I ; [R]SI = VA = (= Ohm ) (2.3) den elektrischen Widerstand des Verbrauchers und den Kehrwert des elektrischen Widerstandes G= I U ; [G]SI = VA = S (= Siemens ) (2.4) den elektrischen Leitwert des Verbrauchers. 12 Kapitel 2: Einfache Gleichstromkreise Ebenfalls analog zur Quelle ist das Schaltzeichen eines Verbrauchers konstruiert, vergleiche Abbildung 2.6. Beachte, dass ein Verbraucher im Verbraucherpfeilsystem gezeichnet wird und es zwar möglich, aber unüblich ist hierfür das Erzeugerpfeilsystem zu nutzen. Hierbei unterscheidet #I U P Abbildung 2.6: Schaltzeichen eines Verbrauchers man zwischen einer linearen und einer nichtlinearen Kennlinie, wie sie beispielhaft in Abbildung 2.7 dargestellt sind. P U P U P I I (a) Lineare Kennlinie (b) Nichtlineare Kennlinie Abbildung 2.7: Kennlinien eines Widerstands Den linearen Fall von Abbildung 2.7a nennt man auch Ohmschen Fall: Denition 2.7 (Ohmscher Verbraucher und Ohmscher Widerstand). Gegeben sei ein Verbraucher mit linearer StromSpannungsKurve. Dann liefern (2.3), (2.4) für jedes Wertepaar (I; U ) dieselben elektrischen Widerstands- und Leitwerte, die auch Ohmscher Widerstand und Ohmscher Leitwert genannt werden. Gleichungen (2.3) und (2.4) werden auch Ohmsches Gesetz genannt. Im Allgemeinen muss man jedoch auf einen weiter gefassten Begri zurückgreifen, um die Veränderung des Widerstands bei wechselndem Arbeitspunkt zu charakterisieren. Denition 2.8 (Dierentieller Widerstand). Für einen Verbraucher bezeichnen wir dU RD = ; [RD ]SI = (2.5) dI als dierentiellen Widerstand. Beachte, dass für den Ohmschen Widerstand R = RD gilt, wohingegen im nichtlinearen Fall RD sowie der Widerstand R und der Leitwert G vom jeweiligen Arbeitspunkt abhängen. Wie auch bei der Quelle kann für einen Verbraucher dessen Leistungsaufnahme angegeben werden: 2.3 Widerstand stabförmiger Leiter 13 Theorem 2.9. Die Leistungsaufnahme eines Verbrauchers im Verbraucherpfeilsystem beträgt nach (1.20) P = UI; [P ]SI = W: (2.6) Beachte, dass entweder Spannung oder Stromstärke bekannt sein müssen, um mittels der Kennlinie die Leistung des Verbrauchers bestimmen zu können. Im Ohmschen Fall lässt sich (2.6) folgendermaÿen vereinfachen: Theorem 2.10. Die Leistungsaufnahme eines Verbrauchers mit linearer StromSpannungsKurve im Verbrau- cherpfeilsystem beträgt nach (1.20) und (2.3), (2.4) 2 2 P = UI = RI 2 = UR = GU 2 = IG : (2.7) Generell ist die elektrische Leistung im Verbraucherpfeilsystem unabhängig von der Kenn- linie positiv, ein Widerstand nimmt somit Leistung auf. 2.3 Widerstand stabförmiger Leiter Als letztes Element des Stromkreises behandeln wir die Leiter, die Quellen und Verbraucher miteinander verbinden. Vor dem Hintergrund von Denition 2.6 fällt dabei auf, dass auch die Leiter in diesem Sinne Verbraucher sind, also auch nach Theorem 2.9 Leistung aufnehmen. Hierbei ergibt sich folgender Zusammenhang: Theorem 2.11. [] = m Es bezeichne l mit l SI die Länge und A mit A SI [ ] =m 2 den konstanten Querschnitt eines homogenen stabförmigen Leiters und es gelte l A. Dann ist der Widerstand des Leiters gegeben durch l R= ; [R]SI = ; (2.8) A wobei den spezischen Widerstand des Leitermaterials mit []SI = m darstellt. Der Zusammenhang wird dabei experimentell nachgewiesen, wodurch auch der spezische Widerstand bestimmt wird. Der Kehrwert des spezischen Widerstands = ; 1 []SI = mS = 1m wird dabei in Analogie zum Leitwert als spezische elektrische Leitfähigkeit bezeichnet. Bei zugehörigen Experimenten kann zudem nachgewiesen werden, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Widerstand eines Leiters und der Temperatur des Leiters gibt. Hierbei gilt: 14 Kapitel 2: Einfache Gleichstromkreise Theorem 2.12. [] = C Gegeben sei ein homogener Leiter mit Temperatur mit SI . Weiter sei für das Material des Leiters für die Bezugstemperatur 0 der Bezugswiderstand 0 gegeben, d.h. R 0 0. ( )= Zudem seien die linearen und quadratischen Temperaturkoezienten 0 und 0 mit 0 SI [ ] = 1 K (= 1 Kelvin ) [ ] = und 0 SI K12 gegeben. Dann gilt für alle aus einem Gebiet G mit 0 2 G ( ) = 0 1 + 0 ( 0 ) + 0 ( 0 )2 ; []SI = m: (2.9) Im Regelfall ist die Bezugstemperatur 20C und man kann bei nur geringen Abweichungen der Temperatur auf den quadratischen Term in (2.9) verzichten. Zudem kann man aus (2.9) das Verhältnis (2 ) (1 ) = 2 ++ cc0 ; c0 = 1 0 ; [c0]SI = K 1 0 0 folgern, welches die Umrechnung des spezischen Widerstands bei verschiedenen Temperaturen 1 , 2 erlaubt. Beachte, dass sich nach (2.8) auch das Widerstandsverhältnis R(2 ) R(1 ) = 2 ++ cc0 ; c0 = 1 0 ; [c0]SI = K 1 0 0 äquivalent über das Temperaturverhältnis berechnen lässt. 2.4 Berechnung eines einfachen Stromkreises Mit den in den vorausgehenden Sektionen eingeführten Elementen der Quelle, des Verbrau- chers und des Leiters kann nun ein einfacher Stromkreis gebildet werden. Nach dem Ladungs- und Energieerhaltungssatz 1.4 haben alle diese Elemente eines Stromkreises die Gröÿen Strom und Spannung gemein. Die typische Fragestellungen für eine gegebene ideale Spannungs- oder Stromquellen ist dabei die Berechnung der jeweils fehlenden Gröÿe I, U. I =? Iq Uq Kennlinie Uv (Iv ) U =? Kennlinie Iv (Uv ) (a) Erregung durch ideale Spannungsquelle (b) Erregung durch ideale Stromquelle Abbildung 2.8: Einfache Stromkreise mit Quelle und Verbraucher Zur Berechnung dienen folgende Resultate: Theorem 2.13. Gegeben sei ein Stromkreis mit Quellenspannung U q. Die zugehörige Stromstärke des Strom- ( ) kreises ergibt sich dann aus der Kennlinie des Verbrauchers Uv Iv , bei der die Verbraucher- spannung der aufgezwungenen Quellenspannung U q gleich ist, d.h. Uv (Iv ) = U q : 2.4 Berechnung eines einfachen Stromkreises 15 Für einen Ohmschen Widerstand erhält man somit Uq I= : (2.10) R Theorem 2.14. Gegeben sei ein Stromkreis mit Quellenstrom I q. Die zugehörige Spannung des Stromkreises ( ) ergibt sich dann aus der Kennlinie des Verbrauchers Iv Uv , bei der die Verbraucherspannung der aufgezwungenen Quellenspannung I q gleich ist, d.h. Iv (Uv ) = I q : Für einen Ohmschen Leitwert erhält man somit q U = IG : (2.11) Aus beiden Resultaten kann man dabei folgern, dass die Ergebnisgröÿen proportional zu den Quellgröÿen sind. Beachte, dass der nichtlineare Fall durch die Kennlinie ersetzt wird. Dies kann etwa graphisch oder durch Lösen der nichtlinearen Gleichungen Uv (I ) = U q bzw. Iv (U ) = I q geschehen. Hierbei ist die Wirkungsgröÿe ( , I U ) anders als im Ohmschen Fall nicht unbedingt proportional zur Quellgröÿen q (I , U q ). 16 Kapitel 2: Einfache Gleichstromkreise Kapitel 3 Verzweigte Stromkreise In einem verzweigten Stromkreis liegen beliebig viele Quellen und Verbraucher vor, die un- terschiedlichst miteinander verbunden sein können. Wir können lediglich voraussetzen, dass die Spannungen und Ströme im Netzwerk eindeutig und endlich sind, was etwa bei parallel- geschalteten idealen Spannungs- oder in Serie geschalteten idealen Stromquellen nicht der Fall ist. Im Rahmen der Netzwerkberechnung wollen wir nun aus den gegebenen Quellgröÿen und Verbraucherwiderständen oder -kennlinien für alle Netzelemente die Ströme, Spannungen und Leistungen berechnen. In diesem Kontext werden wir folgende Begriichkeiten verwenden: Denition 3.1 (Knoten). In einem gegebenen Netzwerk bezeichnen wir Punkte, an denen sich mehr als zwei Verbindungen treen, als Knoten. Hier verwenden wir die Notation K für einen Knoten und K für die Menge aller Knoten im Netzwerk. Denition 3.2 (Zweig). In einem gegebenen Netzwerk nennen wir die Schaltungselemente zwischen zwei benachbarten Knoten einen Zweig. Mit Z bezeichnen wir dabei einen Zweig und mit Z die Menge aller Zweige. Denition 3.3 (Masche). Jede geschlossene Zweigkette in einem gegebenen Netzwerk deniert eine Masche. Eine Masche wird mit M und die Menge der Maschen mit M bezeichnet. Ein einfaches Beispiel eines verzweigten Stromkreises ist in Abbildung 3.1 gegeben, auf das wir im Weiteren Bezug nehmen werden. 3.1 Knotensatz von Kirchho und Maschenströme Nach dem Ladungserhaltungsgesetz aus Theorem 1.4 müssen die jedem Knoten eines Netz- werkes zuieÿenden Ströme in jedem Augenblick wieder abieÿen. Andernfalls würde sich der Knoten auaden. Die Stromstärken in Abbildung 3.1 erfüllen diese Bedingung in jedem Knoten. Diese Überlegung kann wie folgt formalisiert werden: 17 18 Kapitel 3: Verzweigte Stromkreise 4V 21V 1A 8A K1 2 14V 1 7A 2 1V 3A 16V K2 10A 3 9V K3 (a) Schaltbild eines verzweigten Stromkreises (b) Graph des verzweigten Stromkreises Abbildung 3.1: Verzweigter Stromkreis Theorem 3.4 (Kirchhoscher Knotensatz). Für ein gegebenes Netzwerk gilt, dass in jedem Knoten die Summe der zuieÿenden Ströme I gleich der Summe der abieÿenden Ströme I ist. Ströme können dabei in einem Knoten zu- bzw. abieÿen, und ob sie zu- bzw. abieÿen ist a priori nicht bekannt. Daher kann aus der Kenntnis der Zweige, die sich in einem Knoten treen, aus obiger Aussage keine Formel angegeben werden. Legt man aber eine Pfeilrichtung fest, so bekommen Zu- und Abüsse ein Vorzeichen und müssen nicht a priori als Zu- oder Abüsse bekannt sein. Es gilt: Korollar 3.5 Gegeben sei ein elektrisches Netzwerk mit Knoten Kj und Zweigen Zk , j 2 K, k 2 Z und man betrachte alle Ströme als abieÿend. Für jeden Knoten Kj sei Zj die Menge aller sich in Knoten Kj treenden Zweige. Dann gilt X Ik = 0 (3.1) k2Zj für alle j 2 K. Die Formel (3.1) wird dabei auch als Knotengleichung bzw. Stromgleichung bezeichnet. Die Aussage von Korollar 3.5 ist durch den Kirchhoschen Knotensatz 3.4 trivial. Da vor der Berechnung eines Netzwerkes aber Betrag und Vorzeichen jedes Stroms abgesehen von Quellenströmen unbekannt sind, ist man gezwungen, die Pfeilrichtung willkürlich festzulegen und kann insbesondere Theorem 3.4 nicht anwenden. Um ein Netzwerk nun zu berechnen, können die Gleichungen (3.1) zu den Knoten aufgestellt werden. Hier gilt: 3.1 Knotensatz von Kirchho und Maschenströme 19 Korollar 3.6 Für ein Netzwerk mit k = ]K Knoten können k 1 unabhängige Knotengleichungen (3.1) aufgestellt werden. Das Kernergebnis dieses Korollars ist eine direkte Folgerung aus dem Kirchhoschen Kno- tensatz 3.4, nämlich dass alle Zweigströme zusammen die Stromverteilung im Netzwerk redun- dant beschreiben. Um dies zu verdeutlichen, greifen wir auf das Beispiel eines verzweigten Netzes in Abbildung 3.1b zurück. Die Knotengleichungen für die Knoten K2 und K3 lassen sich dabei zu einer Gleichung zusammenfassen, die die drei Ströme durch die eine gemeinsame Hülle um die Knoten K2 , K3 ieÿen, siehe Abbildung 3.2. K1 K2 K3 Abbildung 3.2: Unabhängigkeit der Knotengleichungen im Netzwerk Folglich entspricht die Knotengleichung für K1 genau der Knotengleichung für die kombi- nierten Knoten K2 , K3 , ist also abhängig. Alternativ kann die Berechnung über Maschenströme erfolgen: Denition 3.7 (Maschenstrom). Ein Maschenstrom IM ist ein ktiver (Teil-)Strom in einer Masche M , also einer geschlossenen Zweigkette, eines Netzwerks. Die Maschenströme können leicht mit dem folgenden Algorithmus berechnet werden. Hierbei verwenden wir den Begri eines Baumes in einem Netzwerk, wobei ein vollständiger Baum alle Knoten des Netzwerks verbindet, ohne dass Zweige sich kreuzen: Algorithmus 3.8 (Maschenstromberechnung) Gegeben sei ein elektrisches Netzwerk mit mindestens einer Quelle. 1. Lege einen vollständigen Baum im Netzwerk fest. Nur die Verbindungszweige bilden die Maschenströme. 20 Kapitel 3: Verzweigte Stromkreise 2. Lege ausgehend von dem vollständigen Baum für jeden Verbindungszweig eine Masche M fest und füge sie M hinzu. 3. Berechne Maschenströme für jede Masche. Bei der Festlegung des vollständigen Baumes gilt die Faustregel, dass dieser die Quelle(n) beinhalten soll. Dies ist zwar nicht in jedem Fall sinnvoll, aber immer zulässig. Die Anzahl der so festlegbaren Maschen mit zugehörigen Maschenströmen ist m=z (k 1); (3.2) wobei m die Maschenanzahl, z die Anzahl der Zweige, und k die Anzahl der Knoten bezeichnet. Mit Hilfe der Maschenströme können wir nun die Zweigströme zusammensetzen: Theorem 3.9 (Zweigströme). Gegeben sei ein Netzwerk mit einer Maschenmenge M sowie die zugehörigen Maschenströ- me IjM für alle Maschen j 2 M und Zweigmenge Z. Dann können die Zweigströme aus der Überlagerung der Maschenströme berechnet werden, die einen Zweig durchsetzen, d.h. es gilt X Ik = IjM 8k 2 Z : (3.3) j 2fM 2MjM \k6=;g Als Beispiel ziehen wir wieder den Stromkreis aus Abbildung 3.1 heran und führen hierfür Algorithmus 3.8 durch. I3 I1 I1M I3M I4 I2 I2M Abbildung 3.3: Maschenströme im Netzwerk Hier wählen wir den Baum und die Maschen wie in Abbildung 3.3 in Rot bzw. gestrichelt dargestellt. Es ergibt sich I1 = I1M I2 = I1M + I2M + I3M I3 = I1M + I3M I4 = I3M mit I1M = 1A, I2M = 10A , und I3M = 8A. 3.2 Maschensatz von Kirchho und Knotenpotentiale 21 Die Maschenströme beschreiben die Stromverteilung in einem Netzwerk vollständig und sind nach Formel (3.2) ein kompakter Variablensatz. Zudem erfüllen die Maschenströme die Kirch- hosche Knotenbedingung (3.1) per Konstruktion. Man muss beachten, dass Algorithmus 3.8 bei der Wahl der Maschen dem Anwender Freiheiten einräumt. Hier benutzt man üblicherweise eine möglichst enge Maschenwahl, es ist jedoch jede andere Maschenwahl zulässig. 3.2 Maschensatz von Kirchho und Knotenpotentiale Bisher haben wir zur Analyse der Ströme den Ladungserhaltungssatz aus Theorem 1.4 ge- nutzt, um von den Strömen in den Knoten eines Netzwerks auf die Ströme in den Maschen zurückschlieÿen zu können. Neben den Strömen muss nach dem Energieerhaltungssatz 1.8 auch die Summe der von den Quellen abgegebenen elektrischen Leistungen von den Verbrauchern vollständig aufgenommen werden. Es gilt also: Korollar 3.10 (Energieerhaltungssatz) Gegeben sei ein elektrisches Netzwerk mit Schaltungselementen Lj , j 2 L und xierten Pfeil- richtungen für alle Zweige Zk , k 2 Z. Dann gilt X Ij Uj = 0: (3.4) j 2L Leider hilft uns das Ergebnis dieses Satzes nicht weiter, da keine Rückschlüsse auf die Netz- werkberechnung gezogen werden können. Der Satz kann dennoch zur Kontrolle der berechneten Spannungen und Stromstärken herangezogen werden. Liest man Korollar 3.10 genau, so ist darin nicht speziziert, dass es sich um das gesamte Netzwerk handeln muss. Wenn man die Bilanz nur über die Leistungsanteile erstreckt, die der Maschenstrom IjM mit den Elementspannungen Uj der Masche Mk bildet, so gilt (3.4) auch für jede Masche Mk , k 2 M. Wir können also folgern, dass X IjM Uj = 0 j 2L\Mk für alle Maschen k 2 M gilt. Nun können wir weiter ausnutzen, dass der Maschenstrom nach Denition 3.7 innerhalb einer Masche konstant ist. Somit erhalten wir den sogenannten Kirch- hoschen Maschensatz: Theorem 3.11 (Kirchhoscher Maschensatz). Gegeben sei eine Masche M eines elektrisches Netzwerk mit Schaltungselementen Lj , j 2 L und xierten Pfeilrichtungen für alle Zweige Zk , k 2 Z. Dann ist die Summe der Elementspan- nungen in der Masche M Null, d.h. X Uj = 0: (3.5) j 2L Wendet man (3.5) an, so erhält man für die betrachtete Masche die sogenannte Maschen- oder Spannungsgleichung. Innerhalb einer Masche gehen ideale Spannungsquellen dabei mit ihrer Quellspannung Uq ein, wohingegen ideale Stromquellen mit ihrer unbekannten Spannung berücksichtigt werden 22 Kapitel 3: Verzweigte Stromkreise müssen. Die Orientierung des Spannungszählpfeile innerhalb einer Masche ist dabei ebenso freigestellt wie der Umlaufsinn der Masche. Einmal festgelegt gehen Spannung mit einem im Umlaufsinn orientierten Zählpfeil mit positivem, und Spannung mit entgegengesetzter Orien- tierung mit negativem Vorzeichen in die Spannungsgleichung (3.5) ein. Betrachten wir hierzu wieder unser Beispiel aus Abbildung 3.1. U2 U3 U1 U4 (a) Masche mit Spannungszählpfeilen (b) Masche mit festgelegtem Umlaufsinn Abbildung 3.4: Beispiel zur Anwendung des Kirchhoschen Maschensatzes Fixieren wir die Spannungszählpfeile wie in Abbildung 3.4a und den Umlaufsinn der Masche wie in Abbildung 3.4b, so ergibt sich die Spannungsgleichung U1 + U2 + U3 U4 = 0; wobei U2 die Quellspannung der idealen Spannungsquelle ist. Analog zum vorigen Abschnitt können auch hier die Maschen mit Hilfe der Schritte 1 und 2 aus Algorithmus 3.8 bestimmt werden, wobei die Wahl des vollständigen Baumes und damit der Maschen frei ist. Es können daher wie zuvor auch nur m=z (k 1) Maschen mit unabhängigen Spannungsgleichungen bestimmt werden. Alternativ zur Beschreibung der Spannungsverteilung im Netzwerk durch Element- oder Zweigspannungen kann auch die Spannung jedes Netzwerkknotens Ki gegenüber einem festen Bezugspunkt B betrachten. Hierzu denieren wir: Denition 3.12 (Elektrisches Potential). Gegeben sei ein elektrisches Netzwerk und ein Punkt P in diesem Netzwerk. Für einen beliebigen festen Bezugspunkt B nennen wir 'P = UP B ; [']SI = V (3.6) das elektrische Potential des Punkts P , wobei UP B die Spannung des Punktes P gegenüber dem Bezugspunkt B darstellt. Ist P ein Knoten des Netzwerks, so spricht man vom sogenannten Knotenpotential oder der Knotenspannung. 3.3 Verbraucher in Reihen- und Parallelschaltung 23 Beachte, dass nach Denition 3.12 für das Potential des Bezugspunkts B die Gleichung 'B = UBB = 0 gilt. Hier werden wir nicht mit der Erweiterung von Bezugspunktpotentialen ungleich Null Gebrauch machen. Mit Hilfe des Kirchhoschen Maschensatzes aus Theorem 3.11 folgt nun direkt: Theorem 3.13 (Knotenpotential). Gegeben sei ein elektrisches Netzwerk sowie zwei Punkte P1 und P2 in diesem Netzwerk mit zugehörigen elektrischen Potentialen '1 , '2. Für die Spannung jedes Zweiges, der die Punkte P1 und P2 verbindet, gilt UP1 P2 = '1 '2 : (3.7) Beachte, dass die sich aus den Knotenpotentialen durch Dierenzbildung ergebenden Zweig- spannungen per Konstruktion den Kirchhoschen Maschensatz erfüllen. Da ein Netzwerk we- niger Knoten als Zweige hat, bilden die Knotenpotentiale einen für die Netzwerkberechnung zweckmäÿigen und kompakten Variablensatz mit Umfang k 1 falls einer der Knoten als Bezugs- punkt B genutzt wird. Zweige mit idealen Spannungsquellen als einzigem Element verringern die Anzahl der unbekannten Potential weiter. Betrachten wir hierzu nochmals unser Beispiel aus Abbildung 3.1. In Abbildung 3.5a ist der Fall mit eines Bezugspunkts als Knoten des Netzwerk abgebildet, wohingegen in Abbildung 3.5b ein externer Punkt als Bezugspunkt gewählt wurde. K1 K1 U3 U3 '3 K2 '1 K2 '4 '2 B K3 = B K3 (a) Interner Bezugspunkt (b) Externer Bezugspunkt Abbildung 3.5: Beispiel zu Knotenpotential mit Bezugspunkt Die Spannung U3 am Widerstand ergibt sich nun durch U3 = UK1 K2 = '1 '2 = '3 '4 : 3.3 Verbraucher in Reihen- und Parallelschaltung Nun wollen wir den Kirchhoschen Maschen- und Knotensatz aus den Theoremen 3.11 und 3.4 nutzen, um Strom-Spannungs-Kennlinien von Reihen- und Parallelschaltungen von Verbrau- chern zu berechnen. 24 Kapitel 3: Verzweigte Stromkreise Wir konzentrieren uns dabei zunächst auf die Berechnung von Reihenschaltungen und führen folgenden Begri ein: Denition 3.14 (Zweipol). Ein elektrisches Bauteil oder eine elektrische Schaltung mit zwei Anschlüssen bezeichnen wir als Zweipol. Jede Reihenschaltung kann, wie exemplarisch in Abbildung 3.6 gezeigt, durch einen Zweipol dargestellt werden. Im Schaltbild in Abbildung 3.6a ist dies durch die Einrahmung symbolisiert. Diese Einrahmung entspricht einem Ersatzwiderstand, den wir zur Berechnung einer Reihen- schaltung heranziehen. I R1 R2 R3 R I U1 U2 U3 U U (a) Schaltbild (b) Reduktion auf Ersatzwiderstand Abbildung 3.6: Reihenschaltung von Verbrauchern Beachte, dass die Stromstärke für alle Verbraucher gleich ist, da alle Verbraucher auf genau einem Zweig liegen, für welche nach dem Kirchhoschen Knotensatz (Theorem 3.4) die Zuüsse aus dem Anfangsknoten gleich die Abüsse aus dem Endknoten sein müssen. Aus dem Kirch- hoschen Maschensatz nach Theorem 3.11 bzw. des Knotenpotentials nach Theorem 3.13 folgt somit die Spannungsgleichung U (I ) = U1 (I ) + U2 (I ) + U3 (I ): (3.8) Einen Punkt der Kennlinie des Zweipols erhält man demnach durch Addition der Spannungen der einzelnen Verbraucher, die sich bei gemeinsamer Stromstärke I einstellen. Die Teilspannungen Ui des Zweipols lassen sich durch anliegende Stromstärke und den Wi- derstand ausdrücken, d.h. es gilt U1 (I ) = R1 (I )I U2 (I ) = R2 (I )I U3 (I ) = R3 (I )I: Somit folgt aus (3.8) die Gleichung U (I ) = (R1 (I ) + R2 (I ) + R3 (I ))I (3.9) für allgemeine (nichtlineare) Widerstände folgt. Im Ohmschen Fall vereinfacht sich (3.9) zu U (I ) = (R1 + R2 + R3 )I = RI: (3.10) Folglich gilt: 3.3 Verbraucher in Reihen- und Parallelschaltung 25 Theorem 3.15 (Widerstand Reihenschaltung). Für eine Reihenschaltung von n Verbrauchern Rj , j = 1; : : : ; n ist der Widerstand des sich ergebenden Zweipols gegeben durch n X R= Rj : (3.11) j =1 Mit Hilfe dieser Rechenregel kann zudem eine Aussage über die Spannung getroen werden: Theorem 3.16 (Spannungsteilerregel). Gegeben sei eine Reihenschaltung aus n Verbrauchern Rj , j =1 ; : : : ; n. Dann beträgt der Anteil der Spannungsabfalls an einem Verbraucher Rj an der Gesamtspannung U Uj IRj U = n P = RRj : (3.12) I Rj j =1 Die Spannungen längs einer Reihenschaltung von Widerständen verhalten sich also zuein- ander wie die entsprechenden Widerstände. Analoge Schlussfolgerungen können für parallelgeschaltete Widerstände mit Hilfe des Kirch- hoschen Knotensatzes aus Theorem 3.4 gezogen werden. Hierbei wollen wir die StromSpann- ungsKennlinie I (U ) der (eingerahmten) Parallelschaltung sowie die Zweigströme berechnen. Jede Parallelschaltung kann dabei wie eine Reihenschaltung durch einen Zweipol dargestellt werden. Exemplarisch ist dies in Abbildung 3.7 gezeigt, wobei die Einrahmung im Schaltbild in Abbildung 3.7a den Zweipol symbolisiert. Diese Einrahmung entspricht einem Ersatzleitwert, vgl. Abbildung 3.7b, den wir zur Berechnung einer Parallelschaltung heranziehen. G1 I I1 G2 I G I2 G3 U I3 U (a) Schaltbild (b) Reduktion auf Ersatzleitwert Abbildung 3.7: Parallelschaltung von Verbrauchern Nach Theorem 3.13 ist das Knotenpotential U auf allen Zweigen der Parallelschaltung gleich. Für das Beispiel gilt also U := U1 = U2 = U3. Aus dem Kirchhoschen Knotensatz nach Theorem 3.4 folgt dann I (U ) = I1 (U ) + I2 (U ) + I3 (U ): (3.13) 26 Kapitel 3: Verzweigte Stromkreise Mit Hilfe der Leitwerte der Verbraucher gilt folglich I (U ) = (G1 (U ) + G2 (U ) + G3 (U ))U (3.14) welche sich im Ohmschen Fall zu I (U ) = (G1 + G2 + G3 )U = GU (3.15) vereinfacht. Zusammenfassend erhalten wir daher folgendes Resultat: Theorem 3.17 (Leitwert Parallelschaltung). Für eine Parallelschaltung von n Verbrauchern mit Leitwert Gj , j = 1; : : : ; n ist der Leitwert des sich ergebenden Zweipols gegeben durch n X G= Gj : (3.16) j =1 Theorem 3.18 (Stromteilerregel). Gegeben sei eine Parallelschaltung aus n Verbrauchern mit Leitwert Gj , j ; : : : ; n. Dann =1 beträgt der Anteil der anliegenden Stromstärke an einem Verbraucher Gj an der Gesamtstrom- stärke I Ij UGj I = n P = GGj : (3.17) U Gj j =1 Die Stromstärken in einer Parallelschaltung verhalten sich zueinander wie die entsprechen- den Leitwerte. Aus den Theoremen 3.15 und 3.17 können wir schlieÿen, dass sich Gruppen von parallel und in Reihe geschaltete Verbraucher (ohne Quellen) mit Zweipolstruktur zu Ersatzwiderständen bzw. Ersatzleitwerten zusammenfassen lassen. Man spricht hierbei von passiven Netzwerkteilen. Ein Beispiel für eine komplexere Schaltung ist durch Abbildung 3.8 gegeben. 3 2 4 A 1 B RAB A B 5 6 (a) Schaltbild (b) Reduktion auf Ersatzleitwert Abbildung 3.8: Ersatzschaltbild einer komplexen Schaltung 3.4 Reale Strom- und Spannungsquelle 27 Für dieses Beispiel ergeben sich die Gleichungen G34 = G3 + G4 R234 = R2 + R34 = R2 + 1 G34 R56 = R5 + R6 G23456 = G234 + G56 = 1 + 1 R234 R56 RAB = R1 + R23456 =R + 1 1 G23456 bzw. die Gesamtgleichung 1 RAB = (G3 + G4) 1 + R2 1 + (R5 + R6) 1 + R1 : Bemerkung 3.19 Beachte, dass sich nicht jedes passive Netzwerk derart reduzieren lässt. Dies ist etwas für den vollständigen Graphen eines Vier-Knoten-Netzwerkes mit dann sechs Verbrauchern der Fall. 3.4 Reale Strom- und Spannungsquelle In Kapitel 2 haben wir ideale Strom- und Spannungsquellen kennengelernt. Da diese unbe- schränkt Leistung abgeben können, entspricht diese Darstellung keiner realen Quelle. Dies wol- len wir im Folgenden erweitern. Zur Darstellung einer realen Spannungsquelle kann eine Reihenschaltung und der Kirchho- sche Maschensatz 3.11 genutzt werden: Denition 3.20 (Reale Spannungsquelle). Wir nennen eine Reihenschaltung aus einer idealen Spannungsquelle mit Quellspannung U q und einem Innenwiderstand Ri eine reale Spannungsquelle. Die Kennlinie der realen Spannungsquel- le ist gegeben durch U = Uq Ri I: (3.18) Eine reale Spannungsquelle ist in der Abbildung 3.9 dargestellt. Aus dem Kirchhoschen Maschensatz und der Darstellung der realen Spannungsquelle nach Abbildung 3.20 folgt die Spannungsgleichung Uq + UR = 0; i U wodurch sich mit dem Ohmschen Gesetz 2.7 direkt die Gleichung 3.18 ergibt. Abbildung 3.10 veranschaulicht diesen Zusammenhang graphisch. Beachte, dass mit zunehmendem Belastungsstrom, den an den beiden Klemmen abgegrien wird, die Klemmenspannung U abnimmt. Die Schnitte mit dem Strom- und Spannungsachsen werden auch als Leerlaufpunkt mit I = 0 und U = Uq sowie Kurzschlusspunkt mit U =0 und I= U q =Ri bezeichnet. 28 Kapitel 3: Verzweigte Stromkreise Ri U Ri P I Uq U Abbildung 3.9: Zweipol einer realen Spannungsquelle U Uq Uq I Ri Abbildung 3.10: Kennlinien einer realen Spannungsquelle Die Leistungsbilanz einer realen Quelle umfasst drei einzelne Leistungen, die in Abbil- dung 3.11 verzeichnet sind. Diese umfassen die Leistungsabgabe der idealen Quelle P q = U qI, die Leistungsaufnahme des Innenwiderstands P Ri = Ri I 2 und der Leistungsabgabe der realen Quelle P. Nach dem Energieerhaltungssatz 1.8 gilt somit P = Pq PR i = Uq Ri I I: U Pq i PR P Uq I Ri Abbildung 3.11: Kennlinien einer realen Spannungsquelle Das Verhältnis zwischen dem Leistungsertrag P und dem Leistungsaufwand Pq wird dabei auch Wirkungsgrad genannt. 3.4 Reale Strom- und Spannungsquelle 29 Denition 3.21 (Wirkungsgrad einer realen Spannungsquelle). Für eine gegebene reale Spannungsquelle mit idealer Quellspannung Uq und Innenwiderstand Ri bezeichnet der Quotient P = Pq = UUq (3.19) den Wirkungsgrad der realen Spannungsquelle. In analoger Weise wird eine reale Stromquelle deniert: Denition 3.22 (Reale Stromquelle). Wir nennen eine Parallelschaltung aus einer idealen Stromquelle mit Quellstrom Iq und einem Innenleitwert Gi eine reale Stromquelle. Die Kennlinie der realen Spannungsquelle ist gegeben durch I = Iq Gi U: (3.20) Im Vergleich zu der realen Spannungsquelle nimmt hier die Stromstärke I ab, wenn die durch das angeschlossene Netzwerk abgefragte Spannung U zunimmt. Die Schnittpunkte mit den Strom- und Spannungsachsen heiÿen ebenso Kurzschlusspunkt für U =0 und I = Iq und Leerlaufpunkt für I =0 und U = I q =Gi. Abbildungen 3.12 und 3.13 veranschaulichen die Schaltung sowie die Kennkurven der realen Stromquelle. I Gi Iq Gi P U Abbildung 3.12: Zweipol einer realen Spannungsquelle U Iq Iq I Gi Abbildung 3.13: Kennlinien einer realen Spannungsquelle Für den Wirkungsgrad denieren wir zudem wie bei der realen Spannungsquelle: 30 Kapitel 3: Verzweigte Stromkreise Denition 3.23 (Wirkungsgrad einer realen Spannungsquelle). Für eine gegebene reale Stromquelle mit idealem Quellstrom I q und Innenleitwert Gi bezeichnet der Quotient P = Pq = IIq (3.21) den Wirkungsgrad der realen Stromquelle. Die Leistungskurve für Strom- und Spannungsquelle verlaufen ebenfalls analog. Beachte, dass die Leistungsabgabe P am Punkt I q =2 für die reale Spannungsquelle bzw. U q =2 für die reale Stromquelle ein Maximum erreicht. Hier entspricht zudem die Leistungsaufnahme durch den Innenwiderstand bzw. den Innenleitwert genau der abgegebenen Leistung an das Netzwerk, der Wirkungsgrad beträgt somit 50%. Dieser Betriebspunkt wird auch Anpassung genannt. Kapitel 4 Verfahren zur Netzwerkberechnung Nachdem wir im vorangegangenen Kapitel die Eigenschaften verzweigter Stromkreise disku- tiert haben, widmen wir uns nun der Berechnung der elektrischen Gröÿen in einem Netzwerk. Kernelement dieser Analyse werden der Kirchhosche Knoten- und Maschensatz sein, die im Netzwerk zu erfüllen sind. Die Verfahren unterscheiden sich daher nicht durch die Herangehens- weise, sondern durch den Variablensatz, den sie verwenden. Wie im vorangegangenen Kapitel werden wir uns auch hier mit dem Beispiel aus Abbildung 3.1 beschäftigen und die zugehörige Lösung mit den jeweiligen Verfahren berechnen. Mit den gegebenen Werten versehen stellt sich die Schaltung des Beispiels wie folgt dar: U1q = 4V U2q = 21V K1 R3 = 2 R1 = 1 K2 R4 = 2 I1q = 10A R2 = 3 K3 Abbildung 4.1: Beispielschaltbild für die Netzwerkberechnung Anhand dieses Beispiels wollen wir nun die Netzwerkberechnung mit Hilfe von Zweigströ- men, Maschenströmen, und Knotenpotentialen motivieren und durchführen. 4.1 Zweigstrom Verfahren Im Rahmen des Zweigstrom Verfahrens bilden die Zweiströme den grundlegenden Variablensatz. In den einzelnen Schritte werden folglich unbekannt Zweigströme in dem Netzwerk eingeführt, um die Gleichungen gemäÿ dem Kirchhoschen Knotensatz aus Theorem 3.4 aufzustellen. 31 32 Kapitel 4: Verfahren zur Netzwerkberechnung Für unser Beispiel aus Abbildung 4.1 stellt sich das wie folgt dar: Gegeben ist die Stromstärke der Stromquelle I1q. Zur Aufstellung der Gleichung für den Knoten K2 muss somit eine unbekannte Stromstärke am Widerstand R2 eingeführt werden. Wir be- zeichnen diese mit Ia und orientieren die zugehörige Pfeilrichtung zum Knoten K2. Folglich gilt mit dem Knotensatz nach (3.1), dass bei Widerstand R3 die Stromstärke I1 + Ia anliegt, wobei q die Pfeilrichtung von K2 wegführt. Da bei Knoten K1 nur der Zweigstrom I1 + Ia bekannt ist, q muss ein weiterer unbekannter Strom Ib eingeführt werden. Diesen denieren wir auf dem lin- ken Zweig und orientieren in abieÿend von Knoten K1. Der auf dem dritten Zweig abieÿend orientierte Strom ergibt sich mit dem Knotensatz nach (3.1) zu I1 + Ia q Ib. Die obigen Überlegungen sind in Abbildung 4.2 zusammengefasst. U1q U2q Ib I1q + Ia Ib K1 I q + Ia 1 R3 R1 K2 R4 Iq 1 R2 Ia K3 Abbildung 4.2: Schaltbild mit Unbekannten für das Zweigstromverfahren Als Nächstes denieren wir Maschen nach Algorithmus 3.8 für das Schaltbild und legen die zugehörigen Spannungszählpfeile in Richtung der Stromzählpfeile fest. Letzteres wird uns bei der Rechnung die Verwendung von Vorzeichen erleichtern. Da bei Maschen über Stromquellen die zugehörige Spannungsgleichung die Spannung der Stromquelle enthalten würde, wäre bei einer solchen Masche eine Spannung eine Unbekannte. Da für das Verfahren nur Stromstärken als Unbekannte betrachtet werden sollen, scheiden diese Maschen aus. Somit ergibt sich die (für dieses Beispiel eindeutige) Maschendarstellung, die in Abbildung 4.3 skizziert ist. Basierend auf den Maschen können wir nun den Kirchhoschen Maschensatz aus Theorem 3.11 nutzen, um die Spannungsgleichungen aufzustellen. Aus (3.5) erhalten wir für die linke und rechte Masche aus Abbildung 4.3 U1 + U1q U3 U2 = 0 U2 + U3 U2q + U4 = 0: Setzen wir die Widerstände als Ohmsch (vergleiche Denition 2.7) voraus, so können wir mit dem Ohmschen Gesetz aus Denition 2.6 die Spannungen durch die Ströme an den Widerstän- den ersetzen. Dies ergibt R1 Ib + U1q R3 (Ia + I1q ) R2 Ia = 0 R2 Ia + R3 (Ia + I1q ) U2q + R4 (Ia + I1q Ib ) = 0 4.1 Zweigstrom Verfahren 33 U1q U2q Ib I1q + Ia Ib K1 I q + Ia 1 R3 U3 R1 U1 K2 U4 R4 Iq 1 R2 U2 Ia K3 Abbildung 4.3: Schaltbild mit Maschen für das Zweigstromverfahren und somit das lineare Gleichungssystem R2 R3 R1 Ia = U1q + R3 I1q R 2 + R3 + R4 R4 Ib R3 I1q + U2q R4 I1q : Setzen wir nun die Werte aus Abbildung 4.1 ein, so erhalten wir 3 2 1 Ia = 4V + 2 10A 3 + 2 + 2 2 Ib 2 10A + 21V 2 10A () 75 1 Ia = 16V 2 Ib 19V Dieses Problem kann mit den üblichen Verfahren zur Lösung linearer Gleichungssysteme (Gauss, LR, QR etc.) gelöst werden und wir erhalten Ia = 3A und Ib = 1A: Mit Hilfe dieser Werte (sowie I1q = 10A gemäÿ Abbildung 4.2) können die restlichen Gröÿen des Netzwerks leicht berechnet werden. Es ergibt sich: I1 = Ib = 1A I2 = Ia = 3A I3 = Ia + I1q = 7A I4 = Ia Ib + I1q = 8A U1 = R1 Ib = 1V U2 = R2 Ia = 9V U3 = R3 (I1q + Ia ) = 14V U4 = R4 (I1q + Ia Ib ) = 16V Zusammengefasst ergibt sich folgender Algorithmus: 34 Kapitel 4: Verfahren zur Netzwerkberechnung Algorithmus 4.1 (Zweigstrom Verfahren) Gegeben sei ein elektrisches Netzwerk mit mindestens einer Quelle. 1. Lege für alle Zweige mit Hilfe des Kirchhoschen Knotensatzes (3.4) bzw. (3.1) die unbe- kannten Zweigströme fest 2. Lege mit Hilfe von Algorithmus 3.8 Maschen fest 3. Stelle mit Hilfe des Kirchhoschen Maschensatz 3.11 die Spannungsgleichungen für die Maschen auf 4. Forme die Spannungsgleichungen mit Hilfe der StromSpannungsKennlinien der jewei- ligen Widerstände aus Denition 2.6 in Funktionen der Stromstärken um (linearer Fall: Ohmsches Gesetz) 5. Löse das (im Ohmschen Fall lineare) Gleichungssystem 6. Bestimme restliche Netzwerkgröÿen über StromSpannungsKennlinien der jeweiligen Widerstände Sofern eine eindeutige Lösung für die Kenngröÿen des Netzwerks existiert, ist das Zweig- strom Verfahren auf beliebig groÿe und kongurierte Netzwerke anwendbar. Die Anzahl der unbekannten Ströme entspricht der Anzahl der Spannungsgleichungen, und somit der Anzahl der identizierbaren Maschen abzüglich der Anzahl der Stromquellen. 4.2 Maschenstrom Verfahren Im Gegensatz zum Zweigstrom Verfahren baut das Maschenstrom Verfahren auf Maschenströ- men als Unbekannten auf. Hierzu nutzen wir den Kirchhoschen Maschensatz nach Theorem 3.11 und denieren zunächst die Maschen und Maschenströme mittels Algorithmus 3.8. Für unser Beispiel aus Abbildung 4.1 ergeben sich die Maschen und Maschenströme aus Abbildung 4.4. Die zwei eingeführten unbekannten Maschenströme bezeichnen wir mit I1M und I2M. Beachte, dass die Wahl der Maschenströme als Unbekannte die Kirchhoschen Knotenglei- chungen automatisch a priori erfüllt. Abbildung 4.5 erweitert dies durch die Spannungszählpfei- le, wobei die Pfeilrichtung willkürlich festgelegt wurde. Hier ist U1 und I1M im Erzeugersystem orientiert. Mit Hilfe des Kirchhoschen Maschensatzes können wir nun analog zum Zweigstrom Ver- fahren die Spannungsgleichungen aufstellen: U1 + U1q U2 U3 = 0 U2 + U3 U2q + U4 = 0: Setzen wir wieder die Widerstände als Ohmsch gemäÿ Denition 2.7 voraus, so lassen sich die Spannungen mit dem Ohmschen Gesetz aus Denition 2.6 durch die Ströme an den Wider- ständen ersetzen. Unter Beachtung der Pfeilorientierung, d.h. U = RI im Verbraucher und U = RI im Erzeugersystem, erhalten wir R1 I1M + U1q R3 ( I1M + I2M ) R2 ( I1M + I2M I1q ) = 0 R2 ( I1M + I2M I1q ) + R3 ( I1M + I2M ) U2q + R4 I2M = 0: 4.2 Maschenstrom Verfahren 35 U1q U2q K1 I1M + I2M R3 I1M I2M R1 Kq2 R4 I1M + I2M I1 R2 I1q K3 Abbildung 4.4: Schaltbild mit Unbekannten für das Maschenstrom Verfahren U1q U2q K1 I1M + I2M R3 U3 I1M I2M R1 U1 Kq2 U4 R4 I1M + I2M I1 R2 U2 I1q K3 Abbildung 4.5: Schaltbild mit Spannungszählpfeilen für das Maschenstrom Verfahren Durch Ausklammern der Unbekannten I1M , I2M ergibt sich das lineare Gleichungssystem M R 1 + R2 + R3 R2 R3 I1 = U1q R2 I1q R2 R3 R2 + R3 + R4 IM 2 R2 I1q + U2q : Durch Einsetzen der bekannten Werte vereinfacht sich das System zu M 6 5 I1 4V 3 10A = 3 10A + 21V: 5 7 IM 2 Lösen mit den üblichen mathematischen Methoden ergibt folglich I1M = 1A und I2M = 8A: 36 Kapitel 4: Verfahren zur Netzwerkberechnung Durch Addieren der Maschenströme nach Angabe von Abbildung 4.4 ergeben sich die Zweigströ- me analog zum Zweigstrom Verfahren zu I1 = I1M = 1A I2 = I1M + I2M I1q = 3A I3 = I1M + I2M = 7A I4 = I2M = 8A U1 = R1 I1M = 1V U2 = R2 (I1M I1q ) = 9V U3 = R3 ( I1M + I2M ) = 14V U4 = R4 I2M = 16V Analog zum Zweigstrom Verfahren können wir anhand des vorausgegangenen Beispiels den Algorithmus des Maschenstrom Verfahrens zusammenfassen: Algorithmus 4.2 (Maschenstrom Verfahren) Gegeben sei ein elektrisches Netzwerk mit mindestens einer Quelle. 1. Lege mit Hilfe von Algorithmus 3.8 Maschen fest 2. Stelle mit Hilfe des Kirchhoschen Maschensatz 3.11 die Spannungsgleichungen für die Maschen auf 3. Lege Spannungszählpfeile für alle Verbraucher/Quellen im Netzwerk fest 4. Forme die Spannungsgleichungen mit Hilfe der StromSpannungsKennlinien der jewei- ligen Widerstände aus Denition 2.6 die Spannung in Funktionen der Stromstärken um (linearer Fall: Ohmsches Gesetz) 5. Löse das (im Ohmschen Fall lineare) Gleichungssystem 6. Berechne Zweigströme aus der Überlagerung der Maschenströme 7. Bestimme restliche Netzwerkgröÿen über StromSpannungsKennlinien der jeweiligen Widerstände Das Maschenstromverfahren ist auf beliebig groÿe und beliebig kongurierte Netzwerke an- wendbar, sofern eine eindeutige Lösung exisitiert. Hierbei ist die Zahl der Unbekannten, also der Maschenströme, gleich der Anzahl der identizierten Maschen nach Algorithmus 4.2 abzüglich der Anzahl der Stromquellen. 4.3 Knotenpotential Verfahren Als dritte Methode diskutieren wir das sogenannte Knotenpotential Verfahren. Hierbei wer- den die Knotenpotentiale als Unbekannte genutzt, die bezüglich eines Bezugsknotens deniert sind. Für unser Beispiel aus Abbildung 4.1 verwenden wir Knoten K3 als Bezugsknoten und setzen das zugehörige Potential auf Null. Für die übrigen Knoten führen wir die Potentiale wie in Abbildung 4.6 skizziert durch Substitution der Verbraucherspannungen via entsprechender Potentiale ein. 4.3 Knotenpotential Verfahren 37 U1q U2q '1 R3 '1 + '2 R1 U1q + '1 '2 U2q + '1 R4 Iq 1 R2 '2 '=0 Abbildung 4.6: Schaltbild mit Unbekannten für das Knotenpotential Verfahren Durch die Wahl der Knotenpotentiale ist dabei die Kirchhosche Maschengleichung a priori erfüllt. Aus den Verbraucherspannungen folgen mit den StromSpannungsKennlinien bzw. mit dem Ohmschen Gesetz im lineare Fall die Zweiströme in Abbildung 4.7. (U1q + '1 )=R1 (U2q + '1 )=R4 '1 ( '1 + '2 )=R3 R3 R1 '2 R4 '2 =R2 Iq 1 R2 '=0 Abbildung 4.7: Schaltbild mit berechneten Zweigströmen für die Verbraucher Nun liefert der Kirchhosche Knotensatz nach (3.1) die Stromgleichungen '1 + '2 U1q + '1 U2q + '1 R3 = R + R 1 4 '2 q '1 + '2 R2 + I1 = R : 3 Diese Gleichungen können in ein lineares Gleichungssystem überführt werden. Zur Vereinfa- 38 Kapitel 4: Verfahren zur Netzwerkberechnung chung der Schreibweise gehen wir hier auf die Leitwerte der Widerstände über und erhalten G1 G3 G4 G3 '1 = G1 U1q + G4 U2q G3 G2 G3 '2 I1q : Die Lösung für die gegebenen Parameterwerte lautet '1 = 5V und '2 = 9V: Einsetzen in die in Abbildung 4.6 und 4.7 enthaltenen Formeln liefert die zugehörigen Span- nungen und Ströme. Zusammengefasst ergibt dieses Vorgehen den folgenden Algorithmus: Algorithmus 4.3 (Knotenpotential Verfahren) Gegeben sei ein elektrisches Netzwerk mit mindestens einer Quelle. 1. Lege Bezugsknoten und Knotenpotentiale fest 2. Forme die Spannungsgleichungen mit Hilfe der StromSpannungsKennlinien der jewei- ligen Widerstände aus Denition 2.6 die Spannung in Funktionen der Stromstärken um (linearer Fall: Ohmsches Gesetz) 3. Bestimme mit dem Kirchhoschen Knotensatz aus Theorem 3.4 die Stromgleichungen 4. Löse das (im Ohmschen Fall lineare) Gleichungssystem 5. Berechne Zweigspannungen aus den Knotenpotentialen 6. Bestimme restliche Netzwerkgröÿen über StromSpannungsKennlinien der jeweiligen Widerstände Die Anzahl der unbekannten Knotenpotentiale ist dabei gleich der Anzahl der Knoten minus 1 (k 1) abzüglich der Anzahl an Zweigen, die jeweils nur eine ideale Spannungsquelle enthalten. Bemerkung 4.4 Beachte, dass das Knotenpotential Verfahren für Netzwerke mit Anzahl Zweige z k der Anzahl an Knoten besonders geeignet ist. Grund hierfür ist die Abhängigkeit der Variablensatzes von der Anzahl der Knoten, nicht wie im Fall der Zweigstrom oder Maschenstrom Verfahren von der Anzahl der Maschen. So hat beispielsweise ein 10 Eck k = 10 Knoten. Falls das Netzwerk vollständig ist, also jeder Knoten mit jedem Knoten verbunden ist, so ergeben sich m z k= ( 1) = 36 Maschen. Das Knotenpotential Verfahren benötigt hier also Unbekannte, 9 das Zweigstrom oder Maschenstrom Verfahren jedoch 36 Unbekannte. Kapitel 5 Spezielle Netzwerke Die Methoden aus dem vorangegangenen Kapitel 4 sind universell einsetzbar und generieren aus dem elektrischen Netzwerk mit Hilfe des Kirchhoschen Knoten- und Maschensatz bzw. dem Knotenpotential ein lineares Gleichungssystem. Entsprechend der Anzahl der Wahl des Variablensatzes ist die Gröÿe dieses System gegeben. Damit einhergehend wächst der Aufwand der Lösung dieses Gleichungssystems mit exakten Lösern typischerweise kubisch, also O(n3) für n als Anzahl der freien Variablen. In diesem Kapitel konzentrieren wir uns auf Spezialfälle von elektrischen Netzwerken, für die das Gleichungssystem vermieden werden kann. Die Methoden eignen sich für weniger um- fangreiche Netzwerke. 5.1 Netzwerkberechnung mit dem Superpositionsprinzip Die Anwendung des Superpositionsprinzips, das wir im Folgenden angeben, diskutieren und anwenden werden, setzt die Linearität des betrachteten elektrischen Netzwerks voraus. Dazu müssen alle Quellen ideal und alle Widerstände konstant sein. Letzteres heiÿt insbesondere, dass die Netzwerkelemente eine Gerade also StromSpannungsKennlinie aufweisen, Widerstände also ohmsch sind. Für ein derartiges Netzwerk gilt nach den Resultaten des vergangenen Kapitels, dass die Lösung durch ein lineares Gleichungssystem gegeben ist. Letzteres ergibt sich aus den Strom /Spannungsgleichungen der Kirchhoschen Sätze. Diese werden nichtlinear, sobald auch nur ein Element der Schaltung nichtlinear ist. Die obigen Voraussetzungen sind also notwendig. Das Superpositionsprinzip lautet dann wie folgt: Theorem 5.1 (Generisches Superpositionsprinzip). Die Wirkungen simultaner Erregungen addieren sich zur Gesamtwirkung. Die Folgerung des Superpositionsprinzips folgt dabei allein aus der Linearität des Netzwerks. Um dies mit Hilfe von Formeln fassen zu können, benötigen wir die Begrie der Erregung und der Wirkung: Denition 5.2 (Erregung). Die Erregungen eines Netzwerks sind die Quellspannungen U q und Quellströme I q. Erregungen werden mit Xj bezeichnet. 39 40 Kapitel 5: Spezielle Netzwerke Denition 5.3 (Wirkung). Die Wirkung von Erregungen Xj , j = 1; : : : ; n, ist ein beliebiger interessierender Strom/Span- nung/Potential des Netzwerks. Die Wirkung wird mit Y bezeichnet. Beachte, dass eine Wirkung insbesondere keine Elementleistung darstellt. Mit diesen Begrien können wir Theorem 5.1 nun wie folgt darstellen: Theorem 5.4 (Algebraisches Superpositionsprinzip). Gegeben sei ein Netzwerk mit Erregungen Xj , j = 1; : : : ; n. Dann gilt n X Y = cj Xj ; [Y ]SI = A oder V (5.1) j =1 für konstante Vorfaktoren cj , j = 1; : : : ; n. Betrachten wir hierzu wieder unser Beispiel aus dem vorangegangenen Kapitel. U1q U2q I =? R3 R1