Werkstofftechnik 1 Herbstsemester 2023 PDF

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Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften Winterthur

2023

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Oliver Döbrich

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material science metallurgy engineering material properties

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This document is a lecture on material science covering the atomic structure of materials, crystal structures, crystal defects, and the deformation of crystal lattices. It's part of an undergraduate course called Werkstofftechnik 1 offered during the fall semester of 2023, at the Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

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IMPE Werkstofftechnik 1 Herbstsemester Dr.-Ing. Oliver Döbrich 1. Aufbau von Metallen ▪ Atomarer Aufbau der Werkstoffe IMPE ▪ Aufbau der Kristallstrukturen ▪ Kristallbaufehler ▪ Deformation von Kristallgittern Werks...

IMPE Werkstofftechnik 1 Herbstsemester Dr.-Ing. Oliver Döbrich 1. Aufbau von Metallen ▪ Atomarer Aufbau der Werkstoffe IMPE ▪ Aufbau der Kristallstrukturen ▪ Kristallbaufehler ▪ Deformation von Kristallgittern Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 2 Atomarer Aufbau der Werkstoffe ▪ Atomaufbau: IMPE ▪ Kern mit Protonen (pos. geladen) und Neutronen (neutral) ▪ Elektronen (neg. geladen) ▪ Beschreibung durch das Bohrsche Atommodell Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 3 Atomarer Aufbau der Werkstoffe ▪ Elektronen bewegen sich auf festen Bahnen IMPE um einen Kern herum (Modellbeschreibung nach Niels Bohr → siehe Bohr-Sommerfeldmodell) Max. Besetzung = 2 n2 ▪ Zentrifugalkraft der Elektronen entspricht der Anziehungskraft (Coulombschen Kraft) zw. Elektron und Atomkern ▪ Jedes Atom strebt die Edelgaskonfiguration an (8 Elektronen auf der Aussenschale – 2 für He) Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 4 Atomarer Aufbau der Werkstoffe IMPE Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 5 Atomarer Aufbau der Werkstoffe Atombindungsarten IMPE ▪ Die Eigenschaften der Atome und die zwischen ihnen wirkenden Kräfte bestimmen das Verhalten der Elemente Elektronenpaarbindung Ionenbindung Metallbindung Van der Waal’sche Kräfte (kovalente Bindung) zw. Metallen und Roos, Maile: Werkstoffkunde für Ingenieure in Nichtmetallatomen Nichtmetallen Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 6 Atomarer Aufbau der Werkstoffe ▪ Nahordnung: Anordnung beschränkt sich auf Nachbaratome => amorph IMPE ▪ Nah- und Fernordnung: Durch gesamten Festkörper räumlich wiederholendes netzartiges Muster oder Gitter => kristallin Fest (amorph) Fest (kristallin) z.B. SiO2 z.B. Aluminium Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 7 Atomarer Aufbau der Werkstoffe IMPE einkristallin Fest (amorph) 1. Bergkristall z.B. SiO2 2. Halbleiter Einkristall Fest (kristallin) z.B. Aluminium Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 8 Atomarer Aufbau der Werkstoffe Fragen / Aufgaben IMPE 1. Wie sind Atome aufgebaut und welche Ladungen haben die Teilchen? 2. Beschreiben Sie die drei stärksten Bindungsarten. 3. Worauf beruht die hohe elektrische Leitfähigkeit der Metalle gegenüber den Nichtmetallen? 4. Weshalb streben Atome eine Bindung an? Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 9 1. Aufbau von Metallen ▪ Atomarer Aufbau der Werkstoffe IMPE ▪ Aufbau von Kristallstrukturen ▪ Kristallbaufehler ▪ Deformation von Kristallgittern Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 10 Aufbau von Kristallstrukturen Anordnung der Atome bei Metallen IMPE ▪ Kristallsysteme: periodisch regelmäßige Anordnung von Atomen mit charakteristischen Symmetrieeigenschaften ▪ Abstraktion: kleinste Struktureinheit = Elementarzelle Bsp. Al: 4,05x10-10 m, d.h. auf einen Millimeter kommen ~2,5 Millionen Al-Atome ▪ mit Hilfe der Elementarzelle lässt sich das Kristallgitter durch wiederholte Aneinanderreihung in 3 Koordinatenrichtungen aufbauen ▪ Welche Anordnungen sind die wichtigsten für die Metalle? Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 11 Aufbau von Kristallstrukturen Elementarzelle = kleinste Einheit des Kristallgitters IMPE Weist alle Merkmale des gesamten Gitters auf. Elementarzelle EZ Gitterpunkte Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 12 Aufbau von Kristallstrukturen Strukturnachweis: Rastersondenmikroskopie STM IMPE ▪ ausserhalb der Festkörperoberfläche bilden sich überlappende Elektronenräume mit Tunnelstrom it z y Metallspitze als Taster x E it abzutastende Metalloberfläche Funktionsschema des Raster-Tunnel-Mikroskops STM (Scanning Tunneling Microscope) Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 13 Aufbau von Kristallstrukturen IMPE Ti2O3 Ti2O3 Ti2O3 Graphengitter Jones, L., Wang, S., Hu, X. et al. Maximising the resolving power of the scanning tunneling microscope. Adv Struct Chem Imag 4, 7 (2018) Aufnahmen eines Rastertunnelmikroskops Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 14 Aufbau von Kristallstrukturen Ebene Anordnung der Atome (Metall) IMPE a Dichteste Kugelpackung in der Ebene Keine dichteste Packung Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 15 Aufbau von Kristallstrukturen Die drei wichtigsten Metallgitter IMPE Fe: 0.28nm Al: 0.4nm krz: kubisch-raum-zentriert kfz: kubisch-flächen-zentriert hdp: hexagonal-dichtest-gepackt tetragonal innenzentriert Beispiele ▪ krz-Gitter: α-Fe, Cr, Mo, V, W … ▪ kfz-Gitter: Al, Ag, Au, Cu, γ-Fe, Ni, Pb … ▪ hdp-Gitter: Mg, Zn, α-Ti … Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 16 Aufbau von Kristallstrukturen Räumliche Anordnung der Atome (Metall) 1. Schicht: A-Kugeln machen IMPE w –Lücken und -Lücken A 2. Schicht: B-Kugeln: g nur in -Lücken B 3. Schicht: - entweder in -Lücken der zweiten Schicht und exakt über A-Kugeln A - oder als C-Kugeln in --Lücken der zweiten Schicht In der dritten Ebene gibt es zwei A B C Möglichkeiten -> zwei unterschiedliche Gitter aus dichtesten Ebenen. Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 17 Aufbau von Kristallstrukturen Räumliche Anordnung der Atome (Metall) IMPE Stapelfolge: A B C A B C... Schichtung mit A-, B- und C-Kugeln Kubisches Gitter Ebenen mit der dichtesten Packung stehen 45° geneigt im Würfel Die roten Ebenen sind aber nicht dichtest gepackt kfz: ABC hdp: ABA Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 18 Aufbau von Kristallstrukturen IMPE Quelle: Roos ▪ Allotropie = Änderung der Atomanordnung beim Erwärmen bzw. Abkühlen ▪ folgende Metalle weisen Allotropie auf: Fe, Ti, Co, Mn, Sn Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 19 Aufbau von Kristallstrukturen Allotropie und Wärmebehandlung IMPE ▪ Umwandlungen sind reversibel und finden bei langsamer Temperaturänderung immer bei denselben Temperaturen statt ▪ Die Umwandlung in ein anderes Atomgitter ist mit einer sprunghafter Änderung wichtiger Eigenschaften verbunden: ▪ spezifisches Volumen, elektrische Leitfähigkeit, Wärmeausdehnungskoeffizient ▪ Dieses Verhalten ist bei Stählen wichtig für Festigkeitssteigerungen durch Wärmebehandlungen (wird ab 4. Semester vertieft behandelt) ▪ Dazu müssen wir auch verstehen, wie viel Platz zwischen den Atomkugeln für Legierungselemente vorhanden ist und wie dicht die drei Gitterstrukturen gepackt sind. Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 20 Aufbau von Kristallstrukturen fest flüssig IMPE Volumen kfz krz g d  krz d krz T [°C] g kfz 910 1390 1536 Schematische Volumenänderungen von reinem Eisen als Funktion der Temperatur. Bei den Umwandlungen nimmt das Volumen sprunghaft zu oder ab. Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 21 Aufbau von Kristallstrukturen IMPE ▪ Packungsdichte = Volumen der Atome pro EZ geteilt durch Elementarzellenvolumen krz = 68 % kfz = 74 % hdP = 74 % Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 22 Aufbau von Kristallstrukturen IMPE Krz Kfz Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 23 Aufbau von Kristallstrukturen IMPE dichtest gepackt nichtdichtest gepackt -> 3 Richtungen -> 2 Richtungen 1 Gleitsystem = 1 (mögliche) Gleitebene + 1 (mögliche) Gleitrichtung Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 24 Aufbau von Kristallstrukturen Gleitebenen IMPE Plastische Verformbarkeit Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 25 Aufbau von Kristallstrukturen 1 Gleitsystem = 1 (mögliche) Gleitebene + 1 (mögliche) Gleitrichtung GR IMPE krz kfz GE 1 3 GS hdp GR 3 Gleitebenen (GE): Gitterebenen mit der grössten Belegungsdichte an Atomen Gleitrichtungen (GR): Gitterrichtungen mit der grössten Belegungsdichte an Atomen Anzahl Gleitsysteme: o krz: 12 (keine dichteste Ebene: Verformbarkeit erst bei hoher Temperatur: α-Fe, Cr) o kfz: 12 (davon alle optimal: beste Verformbarkeit, typisch Al, Cu, Ni, γ-Fe) o hdp: 3 (nur 3 Gleitsysteme: schlechte Verformbarkeit, typisch: Ti, Zn, Mg) Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 26 Aufbau von Kristallstrukturen Verformbarkeit IMPE kfz kann im kalten Zustand gut umgeformt werden. krz braucht Wärme zum Umformen, hat dafür im kalten Zustand eine höhere Festigkeit. Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 27 Aufbau von Kristallstrukturen Beispielhafter Einfluss der Gleitsysteme IMPE Magnesiumfelgen Aluminiumflaschen Magnesium Aluminium relativ spröde relativ duktil Ursache: hexagonales Gitter kubisch-flächenzentriertes Gitter 3 Gleitsysteme 12 Gleitsysteme -> besser Gießen als Umformen -> Umformen ist einfach Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 28 Aufbau von Kristallstrukturen Fragen / Aufgaben IMPE 1. Was versteht man unter amorpher Atomanordnung? 2. Was ist eine Elementarzelle? 3. Welches sind die drei wichtigsten Gittertypen der Metalle? 4. Nennen sie je ein Metall, das in krz und kfz auskristallisiert. Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 29 1. Aufbau von Metallen IMPE ▪ Atomarer Aufbau der Werkstoffe ▪ Aufbau von Kristallstrukturen ▪ Kristallbaufehler ▪ Deformation von Kristallgittern Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 30 Kristallbaufehler 1. Kristallstrukturen sind bekannt. IMPE 2. Bindungskräfte zwischen Atomen sind bekannt. 3. Berechnet man die Festigkeit von Eisen basierend auf den Bindungskräften hätte Eisen (nicht Stahl) eine Festigkeit von ca. 30‘000MPa. 4. Die theoretische Festigkeit einer Legierung im Vergleich zur gemessenen Festigkeit etwa 100 bis 1000 mal grösser. 5. Wieso? Idealer Kristall Antwort: Beim Erstarren bilden sich Fehler in den Gitterstrukturen. Diese erleichtern das Abgleiten von Atomschichten bei viel kleineren Belastungen. Allerdings bewirkt eine gezielte Anreicherung bestimmter Fehler eine Festigkeitssteigerung. Realkristall mit Gitterfehlern Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 31 IMPE Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 32 IMPE Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 33 Kristallbaufehler Einteilung der Gitterfehler nach ihrer geometrischen Erscheinungsform: IMPE ▪ nulldimensional (Punktfehler): Leerstellen, Zwischengitteratome, Substitutionsatome ▪ eindimensional (Linienfehler): Versetzungen ▪ zweidimensional (Flächenfehler): Stapelfehler, Zwillingsgrenzen, Klein- und Grosswinkelkorngrenzen, Grenzflächen (Oberflächen, Phasengrenzen) ▪ dreidimensional (räumliche Fehler): Hohlräume, Poren, Lunker, Ausscheidungen, Einschlüsse ➔ 4 Mechanismen zur Festigkeitssteigerung Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 34 Kristallbaufehler Nulldimensional – Punktfehler IMPE a) Leerstelle b) Zwischengitteratom c) Substitutionsatom d) Substitutionsatom Durch Verzerrungen am Gitter entstehen Spannungen – die Festigkeit steigt. Leerstellen und Zwischengitteratome lassen sich durch Verformungen oder starker Bestrahlung erzeugen. Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 35 Kristallbaufehler ▪ Wieviel freier Platz ist zwischen den Atomen vorhanden? IMPE -> Gitterlücken kfz krz OL TL OL TL OL= Oktaederlücken TL= Tetraederlücken 4 OL / EZ 8 TL / EZ 6 OL / EZ 12 TL / EZ Platzverhältnisse?  = 0,103 nm  = 0,056 nm  = 0,038 nm  = 0,072 nm -> grösste "Kugel", die zwanglos in eine Gitterlücke passt? -> kleine N, O, C, H Atome → Festigkeitssteigerung Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 36 Kristallbaufehler ▪ krz ➔ weniger dicht gepackt ➔ mehr kleinere Zwischengitterlücken (18) IMPE ▪ kfz ➔ dichter gepackt ➔ weniger Zwischengitterlücken (12), aber die Lücken (OL) sind grösser : C-At: 0.154 nm; kfz-Lücke: 0.056–0.103 nm; krz-Lücke: 0.038-0.072 nm ➔ im kfz-Eisen kann mehr Kohlenstoff eingelagert werden (max. 2 % C) ➔ im krz –Eisen aber nur max. 0,02 % C (bei 723 °C auf den TL) ➔ Beim Abkühlen unter 911°C haben quasi 2% - 0.02%= 1.98% Kohlenstoff- Atome keinen Platz mehr im Fe-Gitter und müssen irgendwohin. Auf diesem Effekt beruhen die meisten Wärmebehandlungen von Fe. Zum Beispiel kann man sehr schnell unter 911°C abkühlen, dann haben die C-Atome keine Zeit sich wegzubewegen und werden in den OL zwangsweise festgeklemmt. Das nennt man Härten. Der Stahl hat dann eine sehr hohe Härte und Festigkeit. Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 37 Kristallbaufehler Eindimensionale Fehler – Linienfehler / Versetzungen IMPE Starres Abgleiten auf einer Netzebene Gleitung durch Wanderung einer Versetzung - Es gibt Stufenversetzungen und Schraubenversetzungen Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 38 Kristallbaufehler Eindimensionale Fehler – Linienfehler / Versetzungen IMPE Stufenversetzung Schraubenversetzung b → Burgersverktor (Mass für Richtung und Grösse der Versetzung) Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 39 Kristallbaufehler Eindimensionale Fehler – Linienfehler / Versetzungen IMPE b 3 2 1 1 1 2 2 b 3 3 4 4 3 2 1 Versetzungslinie Beliebiger Umlauf im ungestörten Kristall führt an den Ausgangspunkt – um eine Versetzung bleibt der Burgers-Vektor b Steht parallell zur Versetzungslinie Burgers-Vektor b (von Ende bis Anfang A) → Vektor b steht senkrecht auf der Versetzungslinie Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 40 Kristallbaufehler Eindimensionale Fehler – Linienfehler / Versetzungen IMPE ▪ Dank Versetzungen schrittweises Gleiten über Netzebenen ▪ Atome überschreiten nacheinander die Energieschwelle ▪ 100 – 1000x geringerer Kraftaufwand! ▪ Versetzungen sind die „Träger“ von Verformung ▪ 2 cm Alu-Würfel hat ca. 1.5 Mio. km Versetzungslinien! Versetzungslinie einer Stufenversetzung Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 41 IMPE Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 42 Kristallbaufehler Zweidimensionale Fehler – Flächenfehler IMPE Stapelfehler im kfz-Gitter Antiphasengrenze Korngrenzen Roos, Maile: Werkstoffkunde für Ingenieure Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 43 Kristallbaufehler Zweidimensionale Fehler – Kleinwinkelkorngrenze IMPE ▪ Orientierungsunterschied bis 5° Zwillingskorngrenze ▪ (auch «Subkorngrenzen» genannt) Grosswinkelkorngrenze Kleinwinkelkorngrenze Entstehen durch flächige Versetzungen Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 44 Kristallbaufehler Zweidimensionale Fehler – Grosswinkelkorngrenze IMPE ▪ Winkel >5° ▪ „Dicke“ der Korngrenze (KG) 2 – 5 Atomabstände ▪ Kein Gleitsystem, aber gute Bindung bei niedriger Temperatur ▪ halbamorphe Bereiche Verzinktes Stahlrohr ▪ => erweichen bei hoher Temperatur, oberhalb ~ 0.5 TS Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 45 Kristallbaufehler Zweidimensionale Fehler – Zwillingskorngrenze IMPE ▪ Zwillingsgrenze im Kristallgitter, welches spiegelsymmetrisch aufgebaut ist ▪ Zwillingskorngrenzen liegen immer innerhalb der Kristallkörner (typisches Gefügemerkmal) Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 46 Kristallbaufehler Zweidimensionale Fehler – Zwillingskorngrenze IMPE ▪ Häufig bei (Re-)Kristallisation ▪ Bsp.: austenitische Stähle, Cu-, Ni-Legierungen ▪ Mech. Zwillingsbildung: Vor allem bei ungünstigen Gleitbedingungen für Versetzungen, bei rascher plastischer Verformung: Bsp.: hdP-Metalle: Ti, Sn, Cd a) Abgleiten von b) mechanische Versetzungen (langsam) Zwillingsbildung (schnell) Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 47 Kristallbaufehler Dreidimensionale Fehler IMPE Unerwünscht Partikel ▪ Poren und Lunker (= Hohlraumbildung durch Schwund beim Abkühlen einer Schmelze) ▪ Risse und Einschlüsse (= Ansammlungen von Leerstellen) Gezielt produziert ▪ Ausscheidungen (= Verbindungen mit Fremdatomen), Beispiele: ▪ Ni3Al in Nickelbasis-Superlegierungen ▪ Cr23C6 in Chromstählen ▪ Dispersionen: pulvermetallurgisch eingebrachte Oxide in Metallen, Al2O3 in Al-Legierung ▪ > Ausscheidungsverfestigung: einer der wichtigsten Vorgänge zur Festigkeitssteigerung -> Kapitel Aluminium und ausscheidungsgehärteter Stahl hauptsächlich in den Vorlesungen WT1 und WT2 Ausscheidungen ➔ 1. Mechanismus zur Festigkeitssteigerung Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 48 Kristallbaufehler Fragen / Aufgaben IMPE 1. Worin unterscheiden sich Idealkristalle von Realkristallen? 2. Listen Sie die Gitterfehler nach ihrer Erscheinungsform auf. Nennen Sie je ein Beispiel. 3. Welche Gitterbaufehler erkennen Sie? Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 49 IMPE Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 50 1. Aufbau von Metallen IMPE ▪ Atomarer Aufbau der Werkstoffe ▪ Aufbau von Kristallstrukturen ▪ Kristallbaufehler ▪ Deformation von Kristallgittern Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 52 Deformation von Kristallgittern IMPE Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 53 Deformation von Kristallgittern Substituierte oder eingelagerte Atome IMPE 1 2 3 4 t2 > t1 Bild 2.25: Punktförmige Fehlstellen und ihre deformierte Umgebung im gestört durch Gitterdeformationen, hier ebenen Modell eines Gitters: verursacht durch ein grösseres 1 Leerstelle; 2 passendes Einlagerungsatom; Substitutionsatom: Abschieben erschwert, -> 3 grösseres 4 kleineres Substitutionsatom mehr Kraft -> höhere Festigkeit Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 54 Deformation von Kristallgittern Substituierte oder eingelagerte Atome IMPE 80 Maximale Festigkeit durch 60 Legieren Festigkeitsdifferenz DRMK [MPa] 40 20 Festigkeit Rein-Ni Festigkeit 0 Atom-% Ni in Cu Rein-Cu 0 20 40 60 80 100 Mischkristallverfestigung von Kupfer durch sehr gut lösliches Ni Mischkristalle ➔ 2. Mechanismus zur Festigkeitssteigerung Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 55 Deformation von Kristallgittern IMPE ▪ Durch den Versetzungseffekt ist die Dehngrenze ca. 100 – 1000x kleiner als die theoretisch berechnete Spannung für das Einsetzen einer plastischen Verformung Quelle: Ilschner, Singer Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 56 Deformation von Kristallgittern Kaltverfestigung – Versetzungsdichte im Kupfereinkristall IMPE ca. 10 km/cm3 ! ca. 105-107 km/cm3 ! a) Unverformt, weichster Zustand b)→c) Zunehmend verformt und infolge ansteigender Versetzungsdichte zunehmend kaltverfestigt. Stelle c) ist vor lauter Versetzungslinien kaum mehr elektronentransparent ▪ Versetzungen entstehen durch plastische Verformung & Kristallisation ▪ Versetzungen verschwinden durch gegenseitiges Aufheben & Leerstellen Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 58 Deformation von Kristallgittern Gegenseitiges Blockieren von Versetzungen durch viele neuen Versetzungen die durch Kaltverformung entstehen. Kaltverfestigung > Versetzungen blockieren Versetzungen IMPE -> es braucht mehr Kraft um Ebenen gleiten zu lassen => Kaltverfestigung Versetzungen gezielt einbringen z.B. durch Kaltwalzen normales, unverformtes gewalzt, Körner in Gefüge: isotrop Walzrichtung: anisotrop die zufällige Orientierung der durch das Walzen wird die zufällige einzelnen Gefügekörner bewirkt Orientierung aufgehoben und eine über Alles gesehen eine Vorzugsrichtung entsteht. gleichmässige Verteilung der anisotropen Eigenschaften, so dass der Werkstoff isotrop wird. Versetzungen möchten in diese Richtung wandern Werkstofftechnik 1 und werden durch andere Versetzungen blockiert Dr.-Ing. Oliver Döbrich 59 Deformation von Kristallgittern ▪ Alle Massnahmen, welche das Wandern von Versetzungen erschweren IMPE bzw. behindern, bewirken eine Erhöhung der Festigkeit (genauer: der Dehngrenze) und vermindern mehr oder weniger deutlich die Zähigkeit metallischer Werkstoffe. ▪ Alle Umstände, die das Wandern der Versetzungen begünstigen, bewirken eine Abnahme der Festigkeit. ▪ Wird die Versetzungsbewegung durch unüberwindliche Hindernisse völlig blockiert, wird eine plastische Verformung verhindert und der metallische Werkstoff verhält sich komplett spröde. Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 60 Deformation von Kristallgittern Einfluss einer Kaltverfestigung bei Messing IMPE 500 400 stark kaltgewalzt stark kaltgewalzt: viele Versetzungen in Messing eingebracht Dehngrenze Rp0.2 [MPa] DRV 300 200 DRMK 100 weichgeglüht: fast alle weichgeglüht Versetzungen ausgeheilt 0 0 10 20 30 Zn-Gehalt in Gew.-% Versetzungen ➔ 3. Mechanismus zur Festigkeitssteigerung Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 61 Deformation von Kristallgittern Korngrenzenverfestigung (Kornfeinung) IMPE ▪ Die Korngrenze als unstete Übergänge behindern das Gleiten ▪ Ansammlung von Versetzungen an Korngrenzen ▪ Kleine Korngrössen erhöhen somit die Festigkeit: Feinkorn !!! ▪ Petch-Hall-Effekt (proportional zu D-1/2) ▪ Erzeugung durch Wärmebehandlung oder „Impfen der Schmelze“ – mehr Kristallisationskeime ▪ Einziger Mechanismus, der Festigkeit und auch Zähigkeit erhöht !!! Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 62 Deformation von Kristallgittern Korngrenzenverfestigung (Kornfeinung) IMPE Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 63 Deformation von Kristallgittern Korngrenzenverfestigung (Kornfeinung) IMPE Versetzungswandern wird an Korngrenze Mit abnehmendem Korngrenzendurchmesser blockiert -> Festigkeitssteigerung steigt die 0.2%-Dehngrenze vom Cr-Ni-Stahl stark an Korngrenzen ➔ 4. Mechanismus zur Festigkeitssteigerung Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 64 Deformation von Kristallgittern Mechanismen zur Festigkeitssteigerung IMPE Dim. Hindernis (Abhängigkeit) Mechanismus gelöste Fremdatome, 0 Mischkristall-Verfestigung (Konzentration c) Versetzungen 1 Versetzungs-Verfestigung (Versetzungsdichte N) Korngrenzen mit 2 Korngrenzen-Verfestigung (Korn-Durchmesser d) Ausscheidungen mit Ausscheidungs-Verfestigung 3 (Teilchen-Durchmesser D) Dispersions-Verfestigung Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 65 Deformation von Kristallgittern Mechanismen zur Festigkeitssteigerung IMPE a) Mischkristallverfestigung b) Verformungsverfestigung c) Kornfeinungsverfestigung d) Ausscheidungshärtung Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 66 Deformation von Kristallgittern Fragen / Aufgaben IMPE 1. Welches sind die vier Verfestigungsmechanismen und erläutern Sie diese? 2. Wie werden Versetzungen für folgende Beobachtungen verantwortlich gemacht: a. Kaltbearbeitung macht Aluminium stärker b. Legierung aus 20% Zink und 80% Kupfer ist härter als 100% Kupfer 3. Weshalb kann mit Kornfeinung nebst der Festigkeit auch die Zähigkeit erhöht werden? Werkstofftechnik 1 Dr.-Ing. Oliver Döbrich 67

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