Steuern und Unternehmen

Seminar Überblick

• Seminartitel: "Stand und Methoden der empirischen Steuerforschung"
• Dozent: Prof. Dr. Andreas Oestreicher
• Institut: Georg-August-Universität Göttingen, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Department für Betriebswirtschaftslehre, Abteilung für deutsche und internationale Besteuerung

Organisation

• Anmeldung zur Prüfung bis 18.04.2024
• Veranstaltungsort: VG 4.104
• Veranstaltungstermine:
  • 18.04.2024: Steuerbelastungsmaße/Daten
  • 02.05.2024: Statistische Methoden
  • 23.05.2024: Statistische Methoden/Experimente
  • 30.05.2024: Anfertigung eigener empirischer Arbeiten
  • 06.06.2024: Vorträge
  • 20.06.2024: Vorträge
  • tbd.Oec. 2.215: Mündliche Prüfungen

Zielsetzung

• Vermittlung methodischer Kenntnisse der empirischen und quantitativen Forschungsmethoden im Bereich der Steuerlehre
• Vermittlung eines Überblicks über den Stand der empirischen Steuerforschung
• Einführung in den Umgang mit der Statistiksoftware STATA
• Relevanz für eigene Forschungstätigkeit und praktische Relevanz

Vorträge

• Gruppengröße: 4-5 Personen
• Vortragsdauer: abhängig von der Größe der Gruppe
• Zu bearbeitende Papiere zu den einzelnen Themenblöcken werden vier Wochen vor dem Vortragstermin bekannt gegeben
• Zentrale Aspekte:
  • Theoretische Grundlagen und zugrundeliegendes Modell
  • Empirische Methodik
  • Ergebnisse der Papiere (Ökonomischer Aussagegehalt)

Literaturhinweise

• Steuerbelastungsmaße:
  • Blouin, J./Core, J./Guay, W. (2010): Have the tax benefits of debt been overestimated?
  • Broer, M./Schneider, J. (2005): Unternehmenssteuerbelastung im internationalen Vergleich
  • Devereux, M.P./Griffith, R. (1999): The Taxation of Discrete Investment Choices
• Statistische Methoden:
  • Angrist, J.D./Pischke, J.-S. (2014): Mastering Metrics
  • Stock, J.H./Watson, M.W. (2019): Introduction to Econometrics
  • Wooldridge, J.M. (2019): Introductory Econometrics – A Modern Approach
  • Baum, C.F. (2006): An Introduction to Modern Econometrics Using STATA
  • Cameron, C.A./Trivedi, P.K. (2010): Microeconometrics Using Stata

Inhaltsübersicht

• Kapitel I: Steuerbelastungsmaße
  • 1. Einführung
  • 2. Tarifliche Steuerbelastung
  • 3. Effektive Steuerbelastung
• Kapitel II: Statistische Methoden
  • 1. Einführung
  • 2. Grundlagen ökonometrischer Methoden
  • 3. Fortführende ökonometrische Methoden### Zukunftsorientierte Maße
• Eigenschaften:
  • Berücksichtigung von Interdependenzen zwischen Steuerarten: möglich (+)
  • Berücksichtigungsfähige Belastungsebenen: Unternehmens- und Anteilseignerebene (+)
  • Umfang abbildbarer Steuervorschriften: eingeschränkt (+/-)
  • Berücksichtigung künftiger Steuerreformen: möglich (+)
  • Berücksichtigung unternehmensindividueller Charakteristika: abhängig von Art des Modells
  • Berücksichtigung der Unsicherheit der zukünftigen Unternehmensentwicklung: abhängig von Art des Modells

Simulation auf Basis von Mikrodaten

• Grundlage: Mikrodaten (Unternehmen, Haushalte)
• Simulationsumfang:
  • Typische Einzelfälle
  • Repräsentative Stichprobe
  • Vollerhebung
• Berücksichtigung der Entwicklung der Stichprobe/Grundgesamtheit über die Zeit:
  • Statische Modelle
  • Dynamische Modelle
• Untersuchungsziel:
  • Hauptzweck: Ermittlung von Aufkommens-/Verteilungswirkungen von Steuerreformen
  • Vereinzelt auch: Ermittlung effektiver Steuerbelastungen

Simulation auf Basis synthetischer Daten

• Ökonomische Ausgangsdaten für ein Unternehmen werden endogen durch Modell ermittelt
• Beispiel: European Tax Analyzer
• Vorgehen:
  1. Fortschreibung eines repräsentativen Beispielunternehmens über 10 Perioden mittels modellierter Investitions-, Personal- und Finanzplanung
  2. Exakte Ermittlung der Steuerbelastungen für jede Periode
  3. Ermittlung des Endvermögens (= bilanzielles Eigenkapital) am Ende der 10. Periode (1) ohne Steuern und (2) mit Steuern
  4. Berechnung der effektiven Durchschnittssteuerbelastung auf Basis der Baldwin-Rendite

Simulation auf Basis künstlicher Daten

• Endogene Bestimmung eines Zahlungsstroms durch Modell
• Deterministische Vorgabe eines Zahlungsstroms
• Stochastische Vorgabe einer Zahlungsstromverteilung
• Beispiel: Niemann, R., Entscheidungswirkungen von Verlustverrechnungsbeschränkungen bei der Steuerplanung grenzüberschreitender Investitionen, Working Paper, Tübingen 2004

Unternehmensspezifische Steuerbelastung auf Basis simulierter Einkünfte

• Vorgehen zur Ermittlung der unternehmensspezifischen Grenzsteuerbelastung:
  1. Prognose künftiger Einkünfte
  2. Ermittlung der auf diese Einkünfte entfallenden Steuerzahlungen und Berechnung des Steuerbarwerts
  3. Ermittlung der MTR als Änderung des Steuerbarwerts infolge einer Erhöhung der Einkünfte zu Beginn des Prognosezeitraums um eine Einheit
• Ansätze zur Simulation zukünftiger Unternehmensgewinne:
  • Random-Walk-Ansatz
  • Autoregressiver Prozess 1. Ordnung („AR(1)-Ansatz“)/Mean-Reversion-Prozess
  • Nicht-parametrischer Ansatz (Blouin/Core/Guay, 2010)

Datenquellen

• Anforderungen an ideale Daten:
  • Mikrodaten
  • Originäre Steuerdaten
  • Möglichkeit zur Verknüpfung mit weiteren Unternehmenscharakteristika
  • Verfügbarkeit für mehrere Perioden
  • Verfügbarkeit für mehrere Länder
  • Übliche Anforderungen wie Vollständigkeit (oder Repräsentativität), Richtigkeit, Konsistenz …
• Mögliche Datenquellen:
  • ...### Datenquellen
• Mögliche Datenquellen für die Datenerhebung in der Wirtschaftswissenschaft
  • Steuerstatistiken
  • Veröffentlichte Jahresabschlüsse und andere Finanzdaten
  • Bestandserhebung über Direktinvestitionen deutscher Unternehmen

Steuerstatistiken

• Erfassung von Daten aus Steuerklärungen
• Jährlich erfasste Steuerarten (z.B. Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer)
• Veröffentlichung von zusammenfassenden Auswertungen (kostenlos über die Homepage des Statistischen Bundesamtes erhältlich)
• Zugriff auf Mikrodaten setzt Antrag an die Forschungsdatenzentren der Statistischen Landesämter voraus
• Vorteile:
  • Originäre Steuerdaten
  • Kostengünstig
  • Datenzuverlässigkeit
• Nachteile:
  • Große zeitliche Differenz zwischen Erhebungsjahr und Veröffentlichung
  • Erfassungslücken im Zeitablauf
  • Bereitstellung von Daten und Datenfernzugriff sehr zeitintensiv
  • Verknüpfung mit anderen Statistiken allenfalls sehr eingeschränkt möglich

Veröffentlichte Jahresabschlüsse und andere Finanzdaten

• Kostenlose Veröffentlichungen: Bundesanzeiger
  • (un)konsolidierte Abschlüsse deutscher Unternehmen
  • Recherche einzelner Jahresabschlüsse möglich, aber Massenauswertung sehr zeitintensiv
  • Angaben nicht standardisiert
• Kostenpflichtige Veröffentlichungen: Datenbanken privater Anbieter (z.B. Bureau van Dijk, Thomson Reuters)
  • Vorteile:
    • Datenumfang
    • Verknüpfung mit anderen Datenbanken möglich
    • Arbeit auf eigenem Rechner möglich
  • Nachteile:
    • Kosten
    • Datenqualität
    • Keine Vollerhebung, keine Zufallsstichprobe

Bestandserhebung über Direktinvestitionen deutscher Unternehmen

• MiDi-Datenbank der Deutschen Bundesbank
  • Erfassung deutscher Unternehmen mit Direktinvestitionen im Ausland und umgekehrt
  • Inhalt: Beteiligungsinformationen und Bilanzinformationen
  • Gewisse Voraussetzungen für Berücksichtigung der Daten zu den Direktinvestitionen (z.B. Mindestbeteiligungsquote, Mindestbilanzsumme)
  • Vorteile:
    • Grundsätzlich Vollerhebung
    • Datenqualität (amtliches Muster)
  • Nachteile:
    • Nutzung nur als Gastforscher der Deutschen Bundesbank
    • Verknüpfung mit anderen Daten nur eingeschränkt zulässig
    • Abweichende Definition von Konzern und Direktinvestition
    • Erfassung nur eines Teilausschnitts deutscher Unternehmen