DiF I - VL9

Grundlagen der Diagnostik in pädagogischen Handlungsfeldern: Motivation (Teil 1)

• Die Vorlesung behandelt die Grundlagen der Diagnostik in pädagogischen Handlungsfeldern, mit Schwerpunkt auf Motivation.
• Professoren Ricarda Steinmayr und Olga Kunina-Habenicht leiten die Vorlesung im Wintersemester 2024/2025.
• Die Agenda umfasst Definition von Motivation, Leistungsmotivation, Kausalattribution sowie intrinsische vs. extrinsische Motivation.

Definition von Motivation

• Motive sind überdauernde Persönlichkeitsmerkmale, die sich früh entwickeln und nur begrenzt veränderbar sind.
• Motivation ist die aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zielzustand (Rheinberg, 2002).
• "DIE Motivation" gibt es nicht; Motivation ist ein mehrdimensionales Konstrukt mit unterschiedlichen Facetten.

Facetten der Motivation

• Zu den Facetten der Motivation gehören Leistungsmotivation, Kausalattribution, intrinsische vs. extrinsische Motivation, Zielorientierungen, Selbstkonzept, Selbstwirksamkeitserwartungen und Interesse.

Zentrale Motive

• Es gibt drei zentrale Motive: das Leistungsmotiv, das Anschlussmotiv und das Machtmotiv.
• Das Leistungsmotiv ist das Bestreben, etwas besonders gut zu machen und stolz auf die eigene Kompetenz zu sein.
• Das Anschlussmotiv beschreibt das Bestreben, freundschaftliche Beziehungen zu anderen Personen aufzunehmen und zu pflegen.
• Das Machtmotiv ist das Bestreben, durch Einfluss auf andere Personen ein Gefühl von Stärke und Bedeutung zu erlangen.

Leistungsmotivation

• Leistungsmotivation bezieht sich darauf, wenn an das eigene Handeln ein Gütestandard angelegt und die eigene Tüchtigkeit bewertet wird (Brunstein & Heckhausen, 2018).
• Hoch leistungsmotivierte Personen gehen kalkulierte Risiken ein, konzentrieren sich stark auf ihre Arbeit und bevorzugen Selbstständigkeit.
• Sie benötigen unmittelbare Rückmeldung, beziehen Befriedigung aus der Arbeit selbst, und bevorzugen mittelschwere Aufgaben mit Neuigkeitsgehalt.
• Bessere Leistungen werden bei einfachen, konzentrationsabhängigen Aufgaben bei Personen mit hohem Leistungsmotiv erzielt (Biernat, 1989).
• Die Stärke des Leistungsmotivs im Alter von 31 Jahren sagt Einkommen und Berufserfolg im Alter von 41 Jahren voraus (McClelland & Franz, 1992).

Motivmessung

• Es gibt explizite und implizite Methoden zur Motivmessung.
• Explizite Messung erfolgt durch Fragebögen mit psychometrischer Qualität und einfacher Auswertung, aber sozial erwünschte Antworten sind möglich.
• Implizite Messung nutzt vieldeutiges Testmaterial, gibt größere Freiräume für Antworten und erfordert ein komplexes Auswertungssystem.
• Der Thematische Apperzeptionstest (TAT) ist ein projektives Verfahren zur impliziten Messung.
• Beim TAT werden den Testpersonen Bilder vorgelegt, zu denen sie spontan eine Geschichte erzählen oder schreiben sollen, um bestimmte Motive anzusprechen.
• Eine Geschichte im TAT wird als leistungsthematisch bewertet, wenn ein Tüchtigkeitsmaßstab genannt, ein herausragendes Leistungsergebnis erwähnt oder leistungsthematische Fernziele thematisiert werden.

Anreiz für leistungsmotiviertes Verhalten

• Affekte, die als Folge des Handelns antizipiert werden, sind ein Anreiz für leistungsmotiviertes Verhalten.
• Auf Erfolg folgen Freude, Zufriedenheit und Stolz, auf Misserfolg folgen Enttäuschung und Beschämung.
• Das Leistungsmotiv hat zwei Komponenten:Hoffnung auf Erfolg und Furcht vor Misserfolg.
• Das Risiko-Wahlmodell sagt individuell bevorzugte Aufgabenschwierigkeit vorher.
• Erfolgs- und Misserfolgsmotivierte unterscheiden sich in ihrem Anspruchsniveau.

Leistungsmotivation und Anspruchsniveau

• Erfolgsmotivierte setzen sich meist realistische Ziele und bevorzugen Aufgaben mittlerer Schwierigkeit, die ihren Fähigkeiten entsprechen.
• Misserfolgsmotivierte setzen sich unrealistische Ziele, wählen sehr leichte oder sehr schwere Aufgaben, und vermeiden mittlere Aufgaben aufgrund des Risikos negativer Affekte.
• Ferner unterscheiden sich Erfolgs- und Misserfolgsmotivierte in der Kausalattribution von Leistungsergebnissen.

Kausalattribution

• Kausalattribution bezeichnet die subjektive Zuschreibung von Eigenschaften, Fähigkeiten oder Erfahrungen sowie die vermuteten Ursachen von Handlungen und Ereignissen.
• Die Attribution von Erfolg und Misserfolg beeinflusst die Motivation für weiteres Handeln.
• Schüler*innen sollten Erfolge eher internal und Misserfolge eher variabel attribuieren.

Attributionen von Lehrkräften

• Eine Studie von Butler (1994) untersuchte Attributionen von Lehrkräften.
• Lehrkräfte reagieren unterschiedlich, je nachdem, ob sie mangelnde Fähigkeit oder mangelnde Anstrengung als Ursache für schlechte Leistungen sehen.

Attributionsmuster

• Erfolgsmotivierte attribuieren Erfolge internal und Misserfolge variabel, erleben bei Erfolg starke positive und bei Misserfolg geringe negative Affekte.
• Misserfolgsmotivierte attribuieren Erfolge external und Misserfolge internal; sie erleben bei Erfolg geringe positive und bei Misserfolg starke negative Affekte.
• Das Selbstbewertungsmodell der Leistungsmotivation zeigt, wie Affektbilanz, Attribution, Handlungsdirektive, Erwartungsemotion und Ergebnisbilanz zusammenwirken.

Extrinsische und intrinsische Lernmotivation

• Intrinsische Motivation ist der Wunsch, eine Handlung durchzuführen, weil sie selbst als interessant und herausfordernd erscheint (Schiefele & Köller, 2001).Gründe für Handlung liegen in der Handlung selbst.
• Grundlegende Annahme: Verhalten, das intrinsisch motiviert ist, wird mit mehr Anstrengung, Konzentration, Energie verfolgt.
• Extrinsische Motivation ist der Wunsch, eine Handlung durchzuführen, um positive Folgen herbeizuführen oder negative Folgen zu vermeiden (Schiefele & Köller, 2001).Gründe für Handlung liegen außerhalb der Handlung selbst.

Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan

• Die Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan ist eine einflussreiche motivationale Theorie.
• Extrinsische Motivation ist nicht immer ungünstig und kann sich in bestimmten Umständen in intrinsische Motivation umwandeln.
• Intrinsische Motivation tritt wahrscheinlicher auf, wenn die grundlegenden Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit erfüllt sind.
• Die Theorie beschreibt fünf Stufen der Motivation: externe Regulation, introjizierte Regulation, identifizierte Regulation, integrierte Regulation und intrinsische Motivation.

Selbstbestimmungstheorie: Stufen

• Stufe 1, Externale Regulation: Handlung ist komplett durch externe Reize gesteuert.
• Stufe 2, Introjezierte Regulation: Handlung wird wegen der Folgen ausgeführt.
• Stufe 3, Identifizierte Regulation: Identifikation mit zugrundeliegenden Werten.
• Stufe 4, Integrierte Regulation: Integration von Zielen, Normen und Handlungen.
• Stufe 5, Intrinsische Motivation: Hier zusätzlich noch Freude für die Tätigkeit.
• Zunehmende Selbstbestimmung steigt von Stufe 1 zu Stufe 5. Autonomie, Kompetenz und soziale Eingebundenheit sind die Aspekte der Selbstbestimmungstheorie in der pädagogischen Arbeit mit Schüler*innen in der Praxis.