Blechbearbeitungsprozesse WS 2024/25

Einführung

• Die Vorlesung behandelt die Prozesskette der Blechbearbeitung im Wintersemester 2024/2025.
• Der Vorlesungsbetreuer ist Thomas Hess, erreichbar per E-Mail unter [email protected] und telefonisch unter +49 711 970-1205.
• Die Vorlesung findet am 21.10.2024 statt.
• Der nächste Vorlesungstermin ist am 28.10.2024 um 17:30 Uhr im Hörsaal V53.01.
• Ziel ist es, grundlegende Kenntnisse über die wichtigsten Herstellungsschritte der Blechbearbeitung zu vermitteln.
• Ein weiteres Ziel ist das Verständnis der Umform-, Trenn- und Fügetechnologien und deren Vor- und Nachteile.
• Die Studierenden sollen die Prozesskette im Kontext der Automobilfertigungstechnik einordnen können.
• Der Ablauf der Vorlesung umfasst die Themen Umformen, Trennen, Fügen und eine Zusammenfassung.

Prozesskette der Karosseriefertigung

• Die Prozesskette der Karosseriefertigung beinhaltet Walzwerk, Presswerk, Karosseriebau, Lackiererei und Endmontage.
• Die einzelnen Schritte sind Walzen, Tiefziehen, Schneiden und Schweißen, gefolgt von weiteren Fügeoperationen.

Blechwerkstoffe

• Blech ist ein Walzwerkerzeugnis und kann aus fast jedem Metall hergestellt werden.
• Es wird zwischen Feinblech (Dicke <3 mm) und Grobblech (Dicke >3 mm) unterschieden.
• Standardlieferformen sind Tafeln, als Sonderform gibt es das Band.
• Im Automobilbau werden hauptsächlich Stähle verwendet, aber auch Aluminium- und Magnesiumlegierungen kommen zum Einsatz.

Walzen von Blechen

• Längswalzen ist ein Verfahren, bei dem das Walzgut senkrecht zu den Walzachsen ohne Drehung durch den Walzspalt bewegt wird.
• Das Flachwalzen ist das wichtigste Verfahren des Längswalzens im Karosseriebau zur Herstellung von Blechen und Stahlplatten.
• Beim Flachwalzen gibt es eine Eintrittsgeschwindigkeit (vo), eine Umfangsgeschwindigkeit der Walze (vw) und eine Austrittsgeschwindigkeit (v1), wobei gilt: vo < vw < v1.
• Für das Flachwalzen gilt die Greifbedingung, sie ist abhängig von der Normalkraft (Fn), dem Reibungskoeffizienten (μ) und dem Einzugswinkel (𝛼E).
• Die Greifbedingung lautet FEinzug > FRück bzw. μ > tan 𝛼E.
• Wenn eine Normalkraft Fn= 5kN, Reibungskoeffizient = 0,49, Grenzwinkel a = ?
• Die Greifbedingung ist nicht mehr erfüllt, wenn FEinzug = FRück und der Einzugswinkel a = 26,1° = Grenzwinkel.

Tiefziehen

• Tiefziehen ist das Umformen eines ebenen Blechzuschnittes zu einem Hohlkörper ohne beabsichtigte Veränderung der Blechdicke (DIN 8584-3).
• Es gibt Tiefziehen ohne Blechhaltung, dabei entsteht Faltenbildung..
• Es gibt auch Tiefziehen mit Blechhaltung, dabei wird ein Niederhalter verwendet um optimale Ergebnisse ohne Faltenbildung zu erzielen.
• Die verschiedenen Stufen des Tiefziehprozesses am Beispiel des Porsche Taycan Türinnenblechs zeigt verschiedene Tiefziehstufen von 180 mm vor UT bis 49,5 mm vor UT.
• UT = 0, wobei das obere Werkzeug (Ziehstempel) vollflächig im unteren Werkzeug (Matrizengeometrie) anliegt.
• Tiefziehanlagen werden nach Presskraft in Small (3.150-12.500 kN), Medium (16.000-25.000 kN), Large (30.000-45.000 kN) und Super Large (50.000-90.000 kN) klassifiziert.
• Typische Bauteile sind Verstärkungen, Querträger, Schweller, Kotflügel, Dachrahmen.

Digitalisierung und Künstliche Intelligenz

• Künstliche Intelligenz (KI) ermöglicht es einem Computer Aufgaben zu lösen, die Intelligenz erfordern.
• Es wird unterschieden zwischen schwacher und starker KI.
• Schwache KI dient der Lösung konkreter Anwendungsprobleme.
• Starke KI besitzt gleiche intellektuelle Fähigkeiten wie der Mensch oder kann ihn sogar übertreffen.
• KI kann im industriellen Umfeld für autonomes Fahren, Assistenzsysteme, Ressourcenmanagement, Qualitätskontrolle und Predictive Analytics eingesetzt werden.
• Der Einsatz von kamerabasierten Überwachungssystemen kann die Prozesssicherheit erhöhen und Werkzeugschäden vermeiden.

Schneiden

• Scherschneiden ist ein Trennverfahren (nach DIN 8580), Schneidprozesse gehören zur Hauptgruppe Trennen.
• Das Zerteilen ist eine Untergruppe des Trennens und umfasst die Verfahren Scherschneiden und Messerschneiden (DIN 8588).
• Die verschiedenen Schneidverfahren sind Ausschneiden, Ausklinken, Nachschneiden, Lochen, Abschneiden und Beschneiden.
• Beim Scherschneiden befindet sich der Wert der Schneidkantenradien RM und Rs real im Bereich von 15-50 μm.
• Es gibt Offenschneiden (vollkantig und kreuzend) sowie Geschlossenschneiden (vollkantig und kreuzend).
• Werkzeuggeometrie hat Einfluss auf die Standzeit einer Schneide

Stoffschlüssiges Fügen

• Stoffschlüssige Fügetechnologien im Bereich der Türen des Porsche Cayenne sind Widerstandsschweißen, Buckelschweißen und MIG-Löten.
• Zu den Schweißverfahren gehören Schutzgas-, Widerstand-, Reib-, Laserstrahl-, Lichtbogen- und Gasschmelzschweißen.
• Für die Schweißbarkeit sind Werkstoff, Schweißeignung, Schweißmöglichkeit und Schweißsicherheit von Bedeutung.
• Beim Widerstandsschweißen, speziell beim Punktschweißen, kommen Elektroden, Werkstücke mit Stoffwiderständen und ein Transformator zum Einsatz
• Man nutzt für das Laserschweißen und Wolfram-Schweißen ein Schutzgas, das Schmelzbad sowie den Lichtbogen vor Stickstoff, Sauerstoff und Wasserstoff in der Luft schützt.
• Materialien mit hoher elektrischer Leitfähigkeit eignen sich für das Fügen mit dem Widerstandspunktschweißen

Umformtechnisches Fügen

• Zum Umformtechnischen Fügen gehören Falzen, Stanznieten und Blindnieten
• Falzen ist ein formschlüssiges Verbindungsverfahren für Dünnbleche bis 1 mm Dicke, das manuell oder per Falzmaschinen durchgeführt werden kann.
• Mögliche Werkstoffe sind Stahl, Aluminium, Kupfer und kunststoffbeschichtete Bleche.
• Es gibt Einfach- und Doppelfalzvarianten (Liegefalz und Stehfalz).
• Beim Porsche Cayenne kommen für das Fügen der Türen Stanzmuttern (Stanznietprozess) zum Einsatz.
• Hier kommt ein Halbhohlstanzniet zum Einsatz.
• Der Prozessablauf beim Stanznieten umfasst das Positionieren, Klemmen, Setzen und Prüfen der Nietverbindung.
• Qualitätsmerkmale nach dem Stanznieten sind die Oberflächenbündigkeit, die Restbodendicke und der Hinterschnitt.
• Beim Blindnieten sind neben dem Werkzeug (Handnietzange) Nietdorn, Nietkopf, Nietschaft und Nietschließkopf von Bedeutung.
• Der Prozessablauf umfasst Vorbohren, Einsetzen, Ziehen, Nietschließen und Abreißen des Nietdorns sowie die Kontrolle der Nietverbindung.
• Vorteile des Umformtechnischen Fügen: Kombinationsmöglichkeiten verschiedener Werkstoffe, Verbindung beschichteter Fügepartner, Prozessverträglichkeit mit Zwischenschichten, keine Nachbearbeitung notwendig, keine Rauch- und Gasentwicklungen, niedriger Energieeinsatz

Kleben

• Kleben dient dem Verbinden unterschiedlicher Materialien im Karosseriebau.
• Es dient der Schall- und Schwingungsdämpfung, Gas- und Flüssigkeitsdichtung sowie der Erhöhung der Bauteilsteifigkeit.
• Kleben bietet Korrosionsschutz und ermöglicht verzugsarmes Fügen durch geringe Temperaturbelastung sowie flächige Krafteinleitung.
• Im Rohbau werden Bördelfalz- und Punktschweißklebstoffe eingesetzt, für Aluminium werden Epoxidharze verwendet.
• Weitere Klebstoffe sind Strukturklebstoffe (Kautschuk, Epoxidharz), Unterfütterungsklebstoffe (Kautschuk, Acrylat, PVC) und Scheibenklebstoffe (Polyurethan).
• Vorteile und Nachteile des Klebens sind die höhere Karosseriesteifigkeit, geringe Warmfestigkeit und aufwendige Oberflächenvorbehandlungen.

Aktuelle Entwicklungen in der Fügetechnologie

• Es gibt neuartige Fügemethoden (RWTH Aachen) für hybride Werkstoffe (Metall + FVK), bei denen metallische Pins auf einer Trägerplatte aufgebracht werden.
• Nach dem Aushärten des Harzes kann das Bauteil durch Kondensatorentladungsschweißen an ein metallisches Anschlussbauteil angeschweißt werden.
• Vorteile gegenüber Klebtechnik und Nietverfahren sind die Vermeidung von Beschädigungen der Verstärkungsfasern und eine kürzere Prozessdauer.
• Das EJOWELD-Verfahren ist eine weitere innovative Fügetechnologie für hybride Strukturen.
• Die Schritte umfassen Durchdringen des Deckblechs, Reinigung der Oberflächen, Plastifizieren des Reibelements und Stauchen/Ausbilden der Verschweißung.
• Für die Karosserietür werden verschiedene Umform-, Trenn- und Fügeprozesse erfolgreich kombiniert.
• Umformtechnisches Fügen ermöglicht das Verbinden hybrider Strukturen, ist effizient, und führt verschiedene Baugruppen zusammen