Kulturpsychologie: Vorlesung & Prüfung, PDF
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Steven J. Heine
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This document provides lecture notes on cultural psychology, covering topics such as cultural evolution, methods in cultural psychology, and exploring different cultures and their various psychological aspects. It also includes details regarding the course structure, including course materials, assessment modalities, such as weekly lectures, and upcoming exams. The document also includes specifics about the evaluation procedures, including exam format, duration, timings, and any other necessary information.
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Spezielle Themen der Sozialpsychologie: Kulturpsychologie Kulturpsychologie Heute: 1. Sitzung Vorstellung der Kursmodalitäten Überblick der VO-Inhalte Einführung in die Kulturpsychologie Kursmodalitäten I Wöchentliche Vorlesung in Präsenz Virtuelle Prüfung über OLAT Fü...
Spezielle Themen der Sozialpsychologie: Kulturpsychologie Kulturpsychologie Heute: 1. Sitzung Vorstellung der Kursmodalitäten Überblick der VO-Inhalte Einführung in die Kulturpsychologie Kursmodalitäten I Wöchentliche Vorlesung in Präsenz Virtuelle Prüfung über OLAT Für Zugriff auf Kursmaterialien müssen Sie sich für die VO anmelden Anmeldefrist VO endet mit dem letzten Semestertag (28.06.2024) An- und Abmeldefrist Prüfung beachten! Bitte von E-Mails diesbezüglich absehen! Kursmodalitäten II Bei Fragen/Unklarheiten während der VO: bitte jederzeit melden! Abseits der VO: Diskussionsforum im OLAT nutzen Prüfung Virtuell über OLAT Hauptsächlich Single- und Multiple-Select Fragen; evtl. offene Kurzantworten und andere Fragenformate Fixes Zeitfenster für die Durchführung (alle nehmen gleichzeitig teil) Dauer: 15-20 Minuten Keine Minuspunkte Genaue Informationen werden kurz vorher per E-Mail verschickt Prüfungsliteratur Ausgewählte Kapitel aus „Cultural Psychology“ Testfragen, viele Beispiele Folien + Vorlesung Autor Steven J. Heine Kanadischer Sozial- und Kulturpsychologe Professor an der University of British Columbia in Vancouver Guter R-Index (= hat im Laufe seiner Karriere verlässliche Forschungsergebnisse produziert) Terminüberblick: Prüfung Termin THEMA KAPITEL 26.06.2024, 15.30 Uhr (MI) 1. Prüfung 01.10.2024, 8.15 Uhr (DI) 2. Prüfung 1, 3-12, 14 21.11.2024, 18 Uhr (DO) 3. Prüfung Themen- und Terminüberblick: Block 1 SITZUNG DATUM THEMA KAPITEL Grundlagen der Kulturpsychologie 1 06.03. Einführung: Was ist Kultur? 1 Kulturelle Evolution: Die Entstehung von 2 13.03. 3 kulturellen Unterschieden 3 20.03. Methoden der Kulturpsychologie 4 Entwicklung und Sozialisation: Frühe Einflüsse von 4 17.04. 5 Kultur Themen- und Terminüberblick: Block 2 SITZUNG DATUM THEMA KAPITEL Individuelle Prozesse 5 24.04. Das Selbst und Persönlichkeit 6 6 08.05. Kognition und Wahrnehmung 9 7 15.05. Motivation 8 8 22.05. Emotionen 10 Themen- und Terminüberblick: Block 3 SITZUNG DATUM THEMA KAPITEL Interindividuelle Prozesse und Gesundheit 9 29.05. Das Leben in multikulturellen Welten 7 10 05.06. Interpersonale Attraktion und Beziehungen 11 11 12.06. Moral und Religion 12 12 19.06. Psychische Gesundheit 14 Was ist Kultur nicht (in dieser VO)? Alltagsverständnis: eine mit bildender Kunst, Literatur und aufklärerischem Denken angereicherte Lebensart (Helfrich, 2019) Synonym für Nationalität oder ethnische Zugehörigkeit Einführung in die Kulturpsychologie Inhalte 1. Zwei Auffassungen von Kultur im 5. Die Folgen von WEIRD Stichproben psychologischen Sinne 2. Die zentralen Fragestellungen und 6. Relevanz kulturpsychologischer Grundannahmen der Kulturpsychologie Forschung 3. Forschungsergebnisse, die diese 7. Kulturblinder versus multikultureller Grundannahme stützen Ansatz 4. Die vier Level psychologischer Universalität 8. Ethnozentrismus Kultur im psychologischen Sinne Zwei Auffassungen des Begriffs Kultur 1. Eine bestimmte Art der Information: jede Information, die ein Individuum von anderen durch soziale Lernprozesse erworben hat und die sein Verhalten beeinflussen können. Zum Beispiel Praktiken, Überzeugungen, Technologien oder Werte. 2. Eine bestimmte Gruppe von Individuen: Menschen, die sich in geteilten Lebenswelten (z.B. geografisch, historisch, sprachlich usw.) befinden und daher aus ähnlichen Erfahrungen lernen. Menschen innerhalb einer bestimmten Kultur sind vielen gleichen Ideen ausgesetzt, so dass sie dazu neigen, Überzeugungen, Praktiken usw. zu teilen. Herausforderungen bei der Definition 1. Fließende Grenzen Nationalität daher nicht immer aufschlussreich 2. Kulturen sind dynamisch 952-976 Herausforderungen bei der Definition 3. Unterschiede innerhalb einer Kultur sind gleichermaßen vorhanden wie Unterschiede zwischen zwei Kulturen Veranlagung (z.B. Temperament, Persönlichkeit, Fähigkeiten) Mehrere geteilte Lebenswelten durch verschiedene soziale Identitäten Beispiel: Eine österreichische wohlhabende Medizin-Studentin aus Absam, geboren 2001, Tochter türkischer Einwanderer Österreichische Kultur, tiroler Kultur, türkische Kultur(en), Studierenden-Kultur, Millenial, hoher sozioökonomischer Status, Frau, Medizinerin Individuelle, prägende Erfahrungen Herausforderungen bei der Definition Nur Mittelwertunterschiede Zugehörigkeit zu einer Kultur ist nicht bestimmend für individuelles Denken und Handeln Kulturelle Einflüsse Überzeugungen Werte Traditionen Bräuche Erfahrungen beeinflussen Soziale Normen Sprache psychologische Prozesse Kultur Symbole Aber: gleiche Praktiken neurologische Grundlage Technologien Institutionen Soziale Identitäten: Religion, Geschlecht, SES, Generationen Leitfragen der Kulturpsychologie Inwieweit sind psychologische Prozesse kulturspezifisch, da Menschen unterschiedliche Erfahrungen machen? Inwieweit sind psychologische Prozesse universal, da Menschen über die gleiche neurologische Grundlage verfügen? Allgemeine Psychologie vs. Kulturpsychologie Allgemeine Psychologie Fokussiert sich auf Universalien Nimmt häufig an, dass unser Denken unabhängig von Inhalten und Kontext abläuft Betrachtet unser Denken als abstrakten Prozessor und sucht nach allgemeinen Regeln, die ihn bestimmen Betrachtet kulturelle Variation als “Rauschen”, d.h. Messfehler (z.B. Übersetzungsfehler) Allgemeine Psychologie vs. Kulturpsychologie Kulturpsychologie Fokussiert sich auf kulturelle Besonderheiten Nimmt an, dass unser Denken in Abhängigkeit von Inhalten und Kontext abläuft Untersucht die verschiedenen Bedeutungssysteme, die wir als Reaktion auf unsere spezifische Umwelt entwickeln Betrachtet kulturelle Variation als die Nachricht (nicht das Rauschen) Zentrale Annahme der Kulturpsychologie Unser Denken ist eng verwoben mit unseren kulturellen Einflüssen. Kulturen entstehen aus der Interaktion von Menschen, und Kulturen formen, wie diese Menschen denken. Kulturelle Einflüsse bestimmen unsere Erfahrungen, was zu systematischen Unterschieden zwischen Kulturen führt Unterschiede in der Art und Weise, wie Menschen in verschiedenen Kulturen denken oder sich verhalten, lassen sich sinnvoll erklären, anstatt sie wegzuerklären. Kulturelle Universalien vs. Besonderheiten Lautsprache (Sprachen mit 10 bis Wie geht es dir? – Cómo estás? -> 70 Phonemen) Optionaler Verzicht auf Pronomen Konzepte von hell und dunkel Namen für Farben (schwarz, weiß, …) Inzest zwischen Eltern und Kindern Inzest zwischen Cousins und wird vermieden Cousinen Lächeln, wenn man glücklich ist Sich bei Scham auf die Zunge beißen © Christine Harris Ein Beispiel: die Linienaufgabe Die Linienaufgabe im Kulturvergleich → Selbst grundlegende Kognition ist kulturabhängig Ein guter Indikator: Neuroplastizität Taxi-Fahrer in London müssen ein 2-jähriges Straßen-Training absolvieren und diverse Tests bestehen, bevor sie zugelassen werden Hypothese: Die posterioren Hippocampi (räumliches Gedächtnis, Navigation etc.) von Taxifahrern sollten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe größer sein Kontrollgruppe Studie 1: Nicht-Taxifahrer (Altersverteilung parallelisiert) Kontrollgruppe Studie 2: Busfahrer in London (Berufserfahrung usw. parallelisiert) Ergebnisse: Andere Struktur im Hippocampus Größere post. HC, kleinere ant. HC Positive Korrelation zwischen Berufsjahren als Taxifahrer und der Größe der post. HC Maguire et al., 2000; 2006 Das kulturelle Gehirn 1. einen Bereich der linken ventralen okzipital-temporalen Region Ihres Gehirns spezialisiert 2. Ihr Corpus Callosum vergrößert 3. den Teil des präfrontalen Kortex verändert, der an der Sprachproduktion beteiligt ist (Broca-Areal) 4. Ihr verbales Gedächtnis verbessert und die Aktivierung des Gehirns bei der Verarbeitung von Sprache erweitert 5. die Verarbeitung von Gesichtserkennung in die rechte Hemisphäre verlagert 6. Ihre Fähigkeit, Gesichter zu erkennen, verschlechtert 7. die (standardmäßige) ganzheitliche visuellen Verarbeitung zugunsten einer eher analytischen Verarbeitung verändert Henrich, 2020 Fallbeispiel: das Volk der Sambia Tiefgreifende vs. oberflächliche Unterschiede zwischen Kulturen? Fallbeispiel: das Volk der Sambia Leben in einem Tal im Süden der Eastern Highlands Province in Papua-Neuguinea Bis vor einigen Jahrzehnten brutale Verhältnisse zu Nachbar-Völkern Leben heute friedlich; hauptsächlich vom Gartenbau Glaube: Weiblichkeit als Ausgangszustand; Männlichkeit muss anerzogen werden Wie? Durch diverse Initiationsrituale, wie viele andere Völker (z.B. Piercings, Prügel) Glaube: Sperma als wichtigste Quelle männlicher Stärke Fallbeispiel: das Volk der Sambia Besonderheit: Glaube, dass Jungen natürlicherweise kein Sperma produzieren können →Orale Aufnahme von Sperma im Rahmen jahrelanger ritualisierter homosexueller Praktiken Ab 7 Jahren: homosexuelle Zeit täglicher Oralverkehr an jugendlichen und erwachsenen Männern Ab spätem jugendlichen Alter: bisexuelle Zeit Heirat und Rollentausch Ab Vaterschaft: offiziell heterosexuell Quelle von Männlichkeit (Sperma) wird nun durch den Saft eines Baumes gedeckt Fallbeispiel: das Volk der Sambia Kulturell stark verschiedene Bedeutung von Sexualität und sexuellem Verhalten Sambische Männer durchlaufen alle Phasen der Sexualität als Form des Reifungsprozesses In anderen Kulturen hat sexuelle Orientierung starke Einflüsse auf die soziale Identität von Individuen In Sambia fehlt ein soziales Schema von sexueller Orientierung Fallbeispiel: das Volk der Sambia Wie tiefgreifend sind diese Unterschiede? Welche Aspekte von Sexualität sind universal? Sind diese Rituale gerechtfertigt? Warum? Warum nicht? Universalie oder Besonderheit? Beweisführung schwierig; Abstraktionsniveau der Definition entscheidend Beispiel: Ehe Sehr abstrakte Analyse- Konkrete Analyse-Ebene Abstrakte Analyse-Ebene Ebene Zwei Menschen verlieben sich und Formalisierung einer längerfristigen Formalisierung einer versprechen sich, ihr Leben exklusiv Beziehung zwischen einem Mann und längerfristigen Beziehung miteinander zu teilen, bis zur einer Frau, fokussiert auf den Aufzug zwischen zwei (oder mehr) Scheidung oder (seltener) zum Tod von Nachwuchs Menschen → Ehen in westlichen Kulturen → Sehr stark verbreitet → Nahezu universal → Analyse-Ebene beeinflusst die Identifizierung von Universalien Universalie oder Besonderheit? Jeder Mensch ist in gewisser Hinsicht wie alle anderen Menschen, in anderer Hinsicht wie manche anderen Menschen und auf bestimmte Weise auch wie kein anderer Mensch. (Kluckhohn & Murray, 1948) Entscheidungsbaum Klassifizierung, ob ein Prozess universal ist versus nicht, ist schwierig Daher: Verschiedene Stufen der Universalität Zugänglichkeit = Wahrscheinlichkeit, dass ein Universal zugänglich psychologischer Prozess (Keine Variation) verwendet wird Ja Funktional-universal Nein Gleiche Zugänglichkeit? (Variation in der Verfügbarkeit) Ja Existenziell-universal Nein Gleiche Verwendung? (Variation in der Funktion) Ja Nicht universal Nein (kulturelle Erfindung) Kognitiv existent? Non-universale Prozesse Psychische Prozesse, die kulturspezifisch sind, gibt es kaum. Hauptsächlich: numerisches Schlussfolgern Z.B. Menschen, die nie mit einem Abakus gelernt haben, weisen ein anderes Konzept von Zahlen auf Völker ohne Zahlensysteme haben gleichermaßen gute Mengeneinschätzung, aber kein Konzept von Zahlen Die Pirahã leben im brasilianischen Bundestaat Amazonas. Existenziell-universale Prozesse Ein Prozess existiert in allen Kulturen, aber er wird nicht in gleicher Weise eingesetzt. Universelle Existenz Beispiel: Internale Motivation Menschen vieler Kulturen scheinen internale motivationale Zustände zu erfahren, z.B. erfolgreich zu sein und ihr Bestes zu geben In westlichen Kulturen wird dies eher durch Erfolgserlebnisse ausgelöst, während Ost-Asiaten:innen sich eher durch Misserfolg motiviert fühlen Funktionale Variabilität Funktional-universale Prozesse Ein Prozess existiert in allen Kulturen mit der gleichen Funktionsweise. Beispiel: Altruistische Bestrafung („costly punishment“) In allen 15 untersuchten Kulturen zeigte sich das Phänomen der altruistischen Bestrafung Funktionale Equivalenz Menschen in allen Kulturen nehmen Mühen auf sich, um unfaires Verhalten zu bestrafen → Funktionell-universal Jedoch variierte das Ausmaß → es wird nicht in allen Kulturen gleichermaßen eingesetzt Unterschiedliche Zugänglichkeit Universale Prozesse Das Auftreten eines Prozesses ist überall gleichermaßen wahrscheinlich und erfüllt die gleichen Funktion. Soziale Erleichterung Mengeneinschätzung (wenig, viel) Physikalisches Grundverständnis Objektpermanenz Stichproben in psychologischer Forschung Müller-Lyer-Illusion Keine universale Illusion? Stichproben in psychologischer Forschung Müller-Lyer-Illusion Die Psychologie ist WEIRD 68% aller Proband:innen in der Psychologie sind US Amerikaner:innen. 32% American Non-American 68% Die Psychologie ist WEIRD 96% aller Proband:innen in der Psychologie stammen aus WEIRD Ländern. 4% WEIRD Rest of world 96% Die Psychologie ist WEIRD WEIRD Länder machen nur 16% der Weltbevölkerung aus. 16% WEIRD Rest of world 84% Kulturpsychologische Forschung Kenntnis über psychologische Prozesse erweitern Umgang mit zunehmend multikulturellen Umgebungen Verständnis anderer Kulturen wird immer wichtiger Institut für transkulturelle Kompetenz (Polizei Hamburg) Kultur-Blindheit oder multikultureller Ansatz? Wie agieren wir am besten in unserem zunehmen multikulturellen Umfeld? Fokus auf Gemeinsamkeit oder Fokus auf Unterschiede? Kulturblinder Ansatz (color-blind approach) Gute Absicht: Unterscheidung führt zu Diskriminierung Problematisch in der Praxis: Unterschiede zu ignorieren hilft nicht Multikultureller Ansatz Menschen identifizieren sich stark mit den Gruppen, denen sie angehören Gerade Minderheiten-Gruppenmitglieder möchten ihre Eigenarten anerkannt wissen Kultur-Blindheit oder multikultureller Ansatz? Multikultureller Ansatz Verständnis und Anerkennung von kulturellen Unterschieden führt zu mehr Engagement und Wohlbefinden am Arbeitsplatz einem besseren Gespür für Diskriminierung und Rassismus verbesserten interkulturellen Beziehungen Es gibt nicht das eine multikulturelle Schema Mehrheits-Gruppenmitglieder fühlen sich manchmal übergangen halten häufig nicht so viel davon, da kulturblinde Ansätze helfen, bestehende Ungleichheiten zu rechtfertigen Die Vorteile für alle betonen (Mehrheiten und Minderheiten) Perspektive im Rahmen der Vorlesung “It would hardly be fish who discovered the existence of water.“ Clyde Kluckhohn Ethnozentrismus Eigene Gewohnheiten als natürlich und moralisch richtig betrachten Andere Menschen anhand dieser kulturellen Standards beurteilen Zusammenfassung 1/2 Kulturen sind schwer zu definieren, weil kulturelle Grenzen unklar sind und Kulturen dynamisch sind. Im Rahmen dieses Kurses verstehen wir Kultur im psychologischen Sinne als: 1. Informationen, die ein Individuum von anderen Mitgliedern seiner Spezies durch soziale Lernprozesse erlangt 2. Eine dynamische Gruppe von Individuen in geteilten Lebenswelten Die zentrale Annahme der Kulturpsychologie lautet: Unser Denken ist unauflöslich verwoben mit unseren kulturellen Einflüssen. Unserem Denken, Fühlen und Handeln wird durch kulturelles Wissen Bedeutung zugeschrieben. Unsere neuronalen Prozesse werden durch Erfahrungen beeinflusst (-> Neuroplastizität). Kultur bringt solche Erfahrungen mit sich. Daher beobachten wir kulturelle Unterschiede in der Aktivierung von bestimmten Hirnregionen sowie damit zusammenhängenden psychologischen Prozessen. Zusammenfassung 2/2 Am Fallbeispiel der Sambia wird deutlich, dass Phänomene durch kulturelle Erfahrungen sehr divergierende Bedeutungen erhalten. Psychologische Prozesse haben einen unterschiedlichen Grad an Universalität: kulturspezifisch, existenziell-universal, funktional-universal, universal Wie universal ein Prozess ist, ist Großteils unklar (-> WEIRD Stichproben) Die Anerkennung von Multikulturalität verbessert das Verhältnis von Angehörigen unterschiedlicher kultureller Gruppen. Die Kulturpsychologie bietet eine wichtige Perspektive auf die Funktionsweise des menschlichen Geistes und den Umgang mit zunehmend multikulturellen Lebenswelten. Referenzen Helfrich, H. (2013). Kulturvergleichende Psychologie. Springer Henrich, J. (2020). The WEIRDest people in the world: How the West became psychologically peculiar and particularly prosperous. Penguin UK. Maguire, E. A., Woollett, K., & Spiers, H. J. (2006). London taxi drivers and bus drivers: a structural MRI and neuropsychological analysis. Hippocampus, 16(12), 1091-1101. Dan Everett und die Pirahã https://www.youtube.com/watch?v=Z4wOzSrwW6E https://www.youtube.com/watch?v=0Vk02_nLcXc Spezielle Themen der Sozialpsychologie: Kulturpsychologie Kulturelle Evolution Inhalte 1. Einfluss des ökologisch-geographischen Umfelds auf kulturelle Normen 2. Distale und proximale Ursachen kultureller Entwicklung 3. Evozierte versus übertragene Kultur 4. Welche Ideen verbreiten sich? 5. Inwieweit haben Kulturen sich verändert? Inwieweit sind sie stabil geblieben? Leitgedanken Kulturelle Ideen und Normen entstehen nicht unbedingt, um universelle Probleme anzugehen, sondern sind das Ergebnis von menschlichen Interaktionen und Lernprozessen in unterschiedlichen Umgebungen. Kulturen sind fließend und dynamisch und ändern sich in den meisten Fällen im Laufe der Zeit. Zuerst sind die Hände zu waschen; die Speisen dürfen vor dem Essen nicht berührt werden; das Brot darf nur zusammen mit dem Hauptgericht gegessen werden, weil man sonst als ungeduldig gelten würde; man soll nicht einen so großen Bissen in den Mund stecken, daß Brosamen herabfallen; der Bissen soll erst hinuntergeschluckt werden, wenn er gut gekaut ist, denn sonst könnte man daran ersticken; als Säufer würde gelten, wer Wein in den vollen Mund hinein trinkt; mit vollem Mund darf man ferner nicht sprechen, weil sonst etwas in die falsche Röhre geraten könnte, was tödliche Folgen haben kann; bäurisch wäre es, etwas aus der Schüssel zu nehmen, was nahe bei einem anderen Gaste liegt; am Ende der Mahlzeit sind wieder die Hände zu waschen. Auszug aus Disciplina clericalis, einer Sammlung von Fabeln und Märchen des spanischen Gelehrten Petrus Alphonsi, Beginn des 12. Jhd. Hier erklärt ein Vater seinem Sohn das Benehmen am Tisch. Wie entstehen kulturelle Unterschiede? Ökologie Ressourcen Menschen Klima Nahrung Leben in Gruppen Populationsdichte Wasser Grundlegende menschliche Kultivierbares Geld Bedürfnisse und Motive Land Universeller psychologischer Kontakt zu Werkzeugkasten anderen Kulturen Grafik erstellt in Anlehnung an Abb. 1.1 in Matsumoto & Juang, 2013 Wie entstehen kulturelle Unterschiede? Theoretische Rahmenwerke, die die Auswirkung von geographisch- ökologischer Variation erklären: Proximale und distale Ursachen Evozierte versus übertragene Kultur Proximale und distale Ursachen Proximale und distale Ursachen am Beispiel der Schlacht um Cajamarca (1532) Der spanische Eroberer Pizarro nahm mit nur wenigen Soldaten Atahualpa, den Herrscher der Inka, fest Pizarro hatte 150-180 Fußsoldaten, 67 Berittene und 2 Geschütze Atahualpa hatte 4000-5000 Kämpfer Wie gelang es den Spaniern, die zahlenmäßig deutlich überlegenen Inka zu besiegen und im Zuge dessen Peru zu erobern? Wieso waren nicht umgekehrt die Inka in Europa, um Spanien zu erobern? Proximale und distale Ursachen Proximale Ursachen Hochseeschiffe Militärisches Wissen, über Jahrtausende schriftlich festgehalten (Taktik des Hinterhalts) Waffen und Rüstung aus Stahl Pferde (den Inka unbekannt) Übertragung von Krankheiten auf die Inka Direkter und unmittelbarer Bezug Proximale und distale Ursachen Proximale Ursachen Distale Ursachen Hochseeschiffe Fruchtbarer Halbmond Militärisches Wissen, über Jahrtausende schriftlich festgehalten (Taktik des Hinterhalts) Waffen und Rüstung aus Stahl Pferde (den Inka unbekannt) Übertragung von Krankheiten auf die Inka Direkter und unmittelbarer Bezug Haben indirekte, langfristige Folgen Fruchtbarer Halbmond Außergewöhnliches Vorkommen an Getreide (Gerste, Einkorn, Emmer) und Hülsenfrüchten Vorkommen sehr gut zähmbarer Tiere Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht Überschuss an Nahrungsmitteln Verbreitung nach Ost und West Fruchtbarer Halbmond Konzentration auf andere Dinge möglich Entwicklung von Werkzeugen Dichte Besiedelung förderte den Austausch von Ideen Deutlich frühere Erfindung von Stahl, Schiffen und Schriften Enges Zusammenleben mit Tieren über Tausende von Jahren führte zur Entwicklung von Resistenzen gegen Keime, die durch Tiere übertragend wurden (Masern, Tuberkulose, Pocken, Grippe) Proximale und distale Ursachen Proximale Ursachen Distale Ursachen Hochseeschiffe Fruchtbarer Halbmond Militärisches Wissen, über Jahrtausende schriftlich festgehalten Sesshaftes Leben, Landwirtschaft (Taktik des Hinterhalts) Domestizierung von Tieren Waffen und Rüstung aus Stahl Pferde (den Inka unbekannt) Resistenzen gegen Keime Übertragung von Krankheiten auf die Fortschritt verbreitet sich über Inka Jahrtausende nach Ost und West Direkter und unmittelbarer Bezug Haben indirekte, langfristige Folgen Proximale und distale Ursachen Erforschung ökologisch-geographischer Ursachen zunehmend Reis- versus Weizenanbau (distal) Interdependeteres Denken (sich selbst als Teil eines Netzwerks betrachten) Holistischeres Denken Mehr Toleranz gegenüber Nepotismus Gehen seltener alleine einen Kaffee bei Starbucks trinken Talhelm et al. 2014; 2018 Entstehung von kulturellen Unterschieden Erforschung ökologisch-geographischer Ursachen zunehmend Breitengradpsychologie (proximal und distal) Abstand zum Äquator als Prädiktor Je weiter entfernt, desto glücklicher, kreativer, individualistischer, weniger aggressiv, weniger Morde Distale Ursache: Klima Proximale Ursachen: Wohlstand (-> Bildung, Autonomie, persönlicher Wachstum) Bedrohung durch die Umwelt (Pathogene, giftige Tiere, Naturkatastrophen) Bevölkerungsdichte Einkommensungleichheit v. d. Vliert & v. Lange, 2019 Evozierte versus übertragene Kultur Evozierte Kultur: Jeder hat eine Veranlagung zu universellen Tendenzen, aber unterschiedliche Umwelt- oder Situationsfaktoren führen zu verschiedenen adaptiven Reaktionen. Beispiele Kooperative Verhaltensweisen durch Reisanbau Konformität durch erhöhte Pathogenprävalenz Übertragene Kultur: beinhaltet kulturelle Ideen, die durch soziales Lernen aufgenommen werden (z.B. durch Beobachtung, Imitation, Instruktion) Beispiele Sprache Eltern bringen ihren Kindern bei, sich anzupassen Evozierte versus übertragene Kultur Edgerton (1971) hat den Einfluss dieser Übertragungsformen vergleichen Untersuchte Gemeinschaften mehrerer ostafrikanischer Völker, die in geographisch unterschiedlichen Gegenden siedeln (regenreiches Hochland, trockene Steppe) Die Zugehörigkeit des Volkes war der entscheidende Prädiktor für Einstellungen, nicht die Art der Nahrungsbeschaffung (Landwirtschaft vs. Viehzucht) Übertragene Kultur hat evozierte Kultur hier übertrumpft Evozierte Kultur entsteht über die Zeit und kann erst durch übertragene Kultur wirksam werden. Verbreitung von kulturellen Ideen Kulturelle Veränderung Beispiel: Veränderung der Einstellungen zu gleichgeschlechtlicher Ehe Verbreitung von kulturellen Ideen Kulturelle Veränderung Einstellungen zur Dringlichkeit klimaschonender Maßnahmen Parallelen zwischen kultureller und biologischer Evolution Drei Bedingungen für das Auftreten biologischer Evolution 1. Individuelle Variabilität innerhalb einer Art für ein Merkmal 2. Variabilität führt zu unterschiedlichen Reproduktionsraten 3. Merkmal hat eine genetische Grundlage Natürliche Selektion kann im Laufe der Zeit zu einem erhöhten Anteil dieses Merkmals in der Bevölkerung führen. Parallelen zwischen kultureller und biologischer Evolution Ähnlichkeiten Einige Prozesse kultureller Veränderung ähneln der natürlichen Selektion: Manche Ideen oder Normen werden mit größerer Wahrscheinlichkeit weitergegeben als andere Wenn kulturelle Ideen häufiger werden, beginnt die kulturelle Entwicklung von Normen. Unterschiede Kopierfehler sind in Genen selten, in kulturellen Ideen jedoch häufiger. Kulturelle Ideen verbreiten sich deutlich schneller (horizontale Ausbreitung) Kulturelle Ideen müssen nicht evolutionär adaptiv sein. Verbreitung von kulturellen Ideen Welche Eigenschaften beeinflussen, ob sich eine kulturelle Idee verbreitet? 1. Vermittelbar 2. Nützlich 3. Emotional 4. Etwas unerwartet Verbreitung von kulturellen Ideen 1. Vermittelbar Einfach zu behalten Einfach weiterzugeben (z.B. dadurch, dass die Idee schlicht, nützlich und sozial erwünscht ist) Mechanismus: Dynamischer sozialer Einfluss Menschen beeinflussen sich gegenseitig, was zur Häufung bestimmter Einstellungen in verschiedenen Orten oder Kulturen führt Verbreitung von kulturellen Ideen 2. Nützlich Menschen haben eine intrinsische Motivation, anderen zu helfen Die Verbreitung nützlicher Ideen steigert das Ansehen Geschichten mit nützlichen Informationen werden eher behalten und weitergegeben Verbreitung von kulturellen Ideen 3. Emotional Gemeinsame emotionale Reaktionen verbinden uns mit anderen Menschen Urbane Legenden werden wohl v.a. aufgrund dessen trotz ihres fiktionalen Charakters weitergegeben Geschichten mit starker emotionaler Wirkung werden am ehesten weitererzählt Beispiel: Kurz bevor er zum trinken ansetzen wollte, entdeckte er eine tote Ratte in der Flasche. Nachdem er ungefähr die Hälfte getrunken hatte, entdeckte er eine tote Ratte in der Flasche. Er schluckte plötzlich etwas Stückiges und entdeckte dann die Reste einer toten Ratte in der Flasche. (Heath, Bell & Sternberg, 2011) Verbreitung von kulturellen Ideen 4. Etwas unerwartet Minimal kontraintuitive Ideen: Aussagen, die unsere Erwartungen etwas verletzen -> Aufmerksamkeit wird auf sich gezogen, dürfen aber nicht zu abstrus sein 4 Experimente von Barrett und Nyhof (2001) Bessere Erinnerung und Vermittlung von erwartungswidrigen Elemente im Vgl. zu gewöhnlichen Elementen aus unbekannten Märchen 60.4% (kontraintuitiv) vs. 43.3% (gewöhnlich) Effekte hielten bis zu 3 Monate an Verbreitung von kulturellen Ideen Welche Ideen sind erfolgreich? An Ideen, die minimal kontraintuitive Elemente enthalten, erinnert man sich langfristig (+ 1w) besser 42 Märchen der Gebr. Grimm wurden untersucht Diejenigen, die ein paar überraschende Elemente enthielten, waren am bekanntesten („kulturell erfolgreich“) Norenzayan et al. (2006) Veränderung von Kulturen weltweit (in den letzten Jahrzehnten) Zentrale Veränderungen der letzten Jahrzehnte Zunehmende/r… Vernetzung Individualismus Intelligenz Vernetzung Zunehmende weltweite Vernetzung Problemlose Kommunikation Einfach zu reisen →Entstehung globaler Kulturen Global agierende große Unternehmen (IKEA, Starbucks, Apple) Global verfügbare Unterhaltungsmedien Gegenbewegung Tribalismus: Rückkehr zu traditionellen Kulturen Individualismus und Kollektivismus Zunehmender Individualismus Individualistische Kulturen betonen persönliche Ziele und individuelle Besonderheiten und sind geprägt von schwachen familiären Bindungen Kollektivistische Kulturen sind geprägt von engen Beziehungen, der Bereitschaft, sich anzupassen und starken Bindungen zur Familie US Amerikaner sind heute deutlich weniger sozial eingebunden als in den 60er Jahren. Steigender Individualismus in den USA Individualistische Werte Wichtigkeit von Freunden im Verhältnis zur Familie Erziehung zu früher Unabhängigkeit Bedürfnis nach Selbstdarstellung und Besonderheit Beispiel: einzigartige Babynamen; Verwendung von individualistischen versus kollektivistischen Wörtern in Büchern Grossman & Varnum (2015) Steigender Individualismus in den USA Individualistische und kollektivistische Wörter, die als Marker für Individualismus in Büchern gewertet wurden Individualistische Wörter Kollektivistische Wörter fähig dazugehören etw. erreichen Pflicht sich unterscheiden geben besitzen Harmonie persönlich gehorchen bevorzugen teilen besonders gemeinsam Grossman & Varnum (2015) Steigender Individualismus in den USA Individualistische Praktiken Scheidungen vs. Ehen Haushaltsgröße Einzelkind- vs. Mehrkinderhaushalte Allein lebende Menschen (Single-Haushalte) Grossman & Varnum (2015) Steigender Individualismus in den USA Zwischenmenschliche Strukturen Grossman & Varnum (2015) Steigender Individualismus in den USA Prädiktoren Pathogenprävalenz Urbanisierung Säkularismus sozioökonomische Struktur Ergebnis: sozioökonomische Struktur einziger bedeutsamer Prädiktor von Veränderung in Individualismus über die Zeit Grossman & Varnum (2015) Steigender Individualismus weltweit 51/78 Länder zeigen zunehmenden Individualismus Sozioökonomische Entwicklung ist der entscheidende Prädiktor Verhältnis Firmenangestellter zu landwirtschaftlichen Jobs (Praktiken) Ansehen des Berufs Bildungsabschlüsse Einkommen Urbanisierung (Praktiken) Santos et al. (2017) Steigender Individualismus weltweit? Santos et al. (2017) Steigender Individualismus weltweit In wenig entwickelten Ländern beeinflussen ökologische Faktoren individualistische Praktiken Santos et al. (2017) Steigender Individualismus weltweit 1964 Thomas Talhelm, Vortrag, ICPS 2019 Steigender Individualismus weltweit? 2016 Thomas Talhelm, Vortrag, ICPS 2019 Wohlstand und Individualismus ✓Modernisierung steigert Individualismus ✓In fast allen Ländern führt steigender Wohlstand (BIP) zu stärkeren individualistischen Praktiken wie Single-Haushalten und höheren Scheidungsraten ✓Auch in China Wohlstand und Individualismus.50.40 DivorcesPerMarriage Scheidungsrate in.30 China und BIP Heilongjiang Shanghai Liaoning Jilin Beijing.20 Tianjin Qinghai Ningxia Mongolia Shaanxi Sichuan Shanxi Gansu Hunan Hebei.10 Yunnan Henan Zhejiang Hainan Guizhou Jiangsu Guangxi Hubei Shandong Guangdong Anhui Fujian.00 0 10000 20000 30000 40000 Thomas Talhelm, ProvincePerCapitaGDP2000RMB Vortrag, ICPS 2019 Wohlstand und Individualismus Page 1 ✓Modernisierung steigert Individualismus ✓In fast allen Ländern führt steigender Wohlstand (BIP) zu stärken individualistischen Praktiken wie Single-Haushalten und mehr Scheidungsraten ✓Auch in China ✓Auch in Japan Wohlstand und Individualismus Thomas Talhelm, Vortrag, ICPS 2019 Wohlstand und Individualismus ABER In manchen kollektivistischen Ländern nehmen kollektivistische Werte zu Möglicherweise verstärkt Wohlstand das, was vorher schon da war Zunehmende Intelligenz Die Menschen wurden einige Zeit lang intelligenter (Flynn-Effekt) Sundet et al., 2004 Zunehmende Intelligenz Allerdings: V.a. die Fähigkeit zum schlussfolgernden Denken nahm zu Numerisches Verständnis blieb gleich Verbale Intelligenz nimmt seit einiger Zeit ab Heutige Generationen lesen weniger Ravens Matrizentest Zunehmende Intelligenz Unklar, wieso schlussfolgerndes Denken besser geworden ist. Debattierte Ursachen: Verbesserte Ernährung Zunehmende Komplexität unserer Umwelt Bildungsinflation Komplexere Geschichten in Unterhaltungsmedien (Serien, Filme, Videospiele) Veränderung von Kulturen weltweit (in den letzten Jahrzehnten) Zentrale Veränderungen der letzten Jahrzehnte Zunehmende/r… Vernetzung Individualismus (die Praktiken, weniger die Werte) Intelligenz (auslaufend) Stabilität von Kulturen Fortbestehen von Merkmalen ist zurückzuführen auf: Frühere Strukturen Einfluss von frühen Bedingungen Pluralistische Ignoranz Stabilität von Kulturen Aufbau auf frühen Strukturen Beispiel 1: Italien Norditalien verfügte bereits im Mittelalter über ein komplexes Netz Italien, 1499 an informellen und formellen Organisationen, die Menschen zusammenbrachten, die Kommunikation förderten und das Engagement in der Gemeinschaft erhöhten Süditalien wurde autokratisch von normannischen Königen regiert, was Korruption und Misstrauen zwischen Familien hervorbrachte Auch heute sind diese Strukturen immer noch deutlich erkennbar Stabilität von Kulturen Aufbau auf frühen Strukturen Beispiel 2: Antisemitismus Vor ca. 2300 Jahren begonnen (im 3 Jhd. v.u.Z.) Zur Römischen Kaiserzeit (27 v. bis 284 n.u.Z.) stark verfestigt und ausgebreitet Kreuzzüge …. Holocaust … Antisemitismus Schwarzer Alhambra-Edikt Tod Vertreibungen von Juden seit 1100 Beharrlichkeit von Antisemitismus Dort, wo im 14. Jhd. (zur Hochzeit der Pest) bereits antisemitische Pogrome stattgefunden hatten, gab es mehr… Gewalt gegen Juden (1920er) Stimmen für die NSDAP Deportationen nach 1933 Angriffe auf Synagogen Antisemitische Briefe an Der Stürmer Nicht erklärt durch politischen Extremismus oder Einstellungen zu Gewalt Voigtländer & Voth (2012) Beharrlichkeit von Nationalismus Dort, wo die NSDAP in 1928, 1930 und 1933 stark war, ist heute die AfD außergewöhnlich stark rechtspopulistischen Denkweise relativ schnelle und national gefärbte Lösungen für Probleme und Krisen der Zeit Insider-Outsider-Denken Gemeinden, die stärker NSDAP gewählt haben, haben sich über die vergangenen 20 Jahre selbst eher rechts bis rechtsradikal eingeschätzt ausländerfeindlicher und fremdenfeindlicher als Gemeinden, in denen die NSDAP nicht so stark gewählt wurde Cantoni et al. (2017, in progress); Cantoni (2019; Interview in der Zeit) Stabilität von Kulturen Ökonomische Entwicklung südlich der Sahara Länder mit viel Sklavenraub weisen kaum Fortschritt auf Waffen-Sklaven-Spirale: Angst vor Deportation Bewaffnung zur Verteidigung Waffen konnten nur von Europäern gegen Sklaven erhalten werden Starkes Misstrauen zwischen Nachbardörfern Stabilität von Kulturen Einfluss früher Bedingungen Laborstudie zum autokinetischen Effekt untersuchte, wie früher Input die Entwicklung von Normen beeinflusste Konföderierter gab deutlich erhöhte Bewegung an Im Laufe des Experiments schlossen sich aufgrund der Uneindeutigkeit dieser Aufgabe immer mehr Menschen der Schätzung an Die Schätzung blieb bis zu 5 Generationen lang erhöht, obwohl bereits kein Ursprungsmitglied mehr anwesend war Stabilität von Kulturen Pluralistische Ignoranz: Die Tendenz zur kollektiven Fehlinterpretation der Gedanken, die dem Verhalten anderer zugrunde liegen Beispiele: Studierende der Princeton Universität glauben, dass die meisten starken Alkoholkonsum auf dem Campus befürworten, obwohl sie selbst dagegen waren Prohibition in den USA Kaum Aufschrei, daher Glaube, dass es weitläufig akzeptiert ist Kaum jemand wollte sich für Alkoholerlaubnis einsetzen, da sie dies für sozial unerwünscht hielten Umfragen zeigten dann, dass die Mehrheit der Amerikaner:innen gegen die Prohibition war Stabilität von Kulturen Pluralistische Ignoranz Menschen werden davon beeinflusst, was sie glauben, das andere denken; nicht von dem, was andere tatsächlich denken. Wenn jeder fälschlicherweise annimmt, dass alle anderen eine bestimmte kulturelle Norm befürworten, halten sie sich an die Norm und verfestigen so die Kultur. Zusammenfassung 1/2 Kulturen sind dynamisch; Normen ändern sich derzeit innerhalb von Generationen. Ökologische Faktoren beeinflussen kulturelle Variation (zum Beispiel dadurch, dass sie unterschiedliche Versorgungssysteme erfordern). Ein Beispiel hierfür ist der Anbau von Reis versus Weizen in China. Menschen denken unterschiedlich, je nachdem, aus welcher Anbauregion sie kommen, auch wenn sie selbst nie mit dem Anbau in Kontakt gekommen sind. Im Gegensatz zur biologischen Evolution, verändert sich Kultur wesentlich schneller und gezielter sowie unabhängig davon, ob eine Norm adaptiv ist. Zusammenfassung 2/2 Je vermittelbarer, nützlicher und emotionaler eine Idee, desto eher verbreitet sie sich. Außerdem hilft es, wenn Geschichten intuitiv sind, aber auch ein paar kontraintuitive/überraschende Elemente enthalten. Individualistische Praktiken nehmen in den meisten Ländern zu, was durch die verbesserte ökonomische Entwicklung erklärt wird. Individualistische Werte nehmen vor allem in Ländern zu, die traditionellerweise individualistisch sind. Wohlstand scheint also das zu verstärken, was bereits da war. Kulturen sind stark miteinander vernetzt (teilweise Homogenisierung). Kulturen weisen allerdings auch viel Beständigkeit auf, da frühere Strukturen und frühe Umstände einen starken und anhaltenden Einfluss auf nachfolgende Generationen haben. Referenzen Cantoni, D., Hagemeister, F., & Westcott, M. (2017). Persistence and activation of right-wing political ideology. Peliminary progress report. Abgerufen unter https://epub.ub.uni-muenchen.de/40424/1/cantoni.pdf Interview mit Davide Cantoni zu den Ergebnissen dieser Studie in der Zeit.: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-02/afd-waehler-rechtsextremismus-nsdap-gemeinden- milieu/komplettansicht https://www.pewresearch.org/religion/fact-sheet/changing-attitudes-on-gay-marriage/ https://www.pewresearch.org/science/2021/05/26/gen-z-millennials-stand-out-for-climate-change- activism-social-media-engagement-with-issue/ Sundet, J. M., Barlaug, D. G., & Torjussen, T. M. (2004). The end of the Flynn effect?: A study of secular trends in mean intelligence test scores of Norwegian conscripts during half a century. Intelligence, 32(4), 349-362. https://thomastalhelm.weebly.com/ Turkheimer, E., Haley, A., Waldron, M., d'Onofrio, B., & Gottesman, I. I. (2003). Socioeconomic status modifies heritability of IQ in young children. Psychological Science, 14, 623-628. Spezielle Themen der Sozialpsychologie: Kulturpsychologie Methoden der Kulturpsychologie Inhalte 1. Kulturpsychologische Forschung durchführen 2. Besondere Methoden der kulturpsychologischen Forschung 3. Fallstudie Leitgedanken Die wissenschaftliche Untersuchung psychologischer Phänomene ist anspruchsvoll. Umso mehr, wenn wir versuchen, diese in verschiedenen Kulturen zu erforschen. Wir haben Schwierigkeiten, Zugang zu unseren eigenen psychischen Zuständen zu bekommen, ganz zu schweigen von den psychischen Zuständen anderer. Auswahl der zu untersuchenden Kulturen Wie entscheiden wir, welche Kulturen wir untersuchen? Abhängig von der Forschungsfrage „Wie ist der Einfluss von X auf Y?“ Beispiel: Wie ist der Einfluss von Individualismus auf das Bedürfnis nach Einzigartigkeit? Kulturen auswählen, die unterschiedliche Ausprägungen von X haben. Auswahl der zu untersuchenden Kulturen „Ist X ein universales Phänomen?“ Beispiel: Ist Theory of Mind ein universales Phänomen? Kulturen auswählen, die sich maximal unterscheiden. Baka in Kamerun Bedeutsame Vergleiche anstellen Existiert das zu untersuchende Phänomen überhaupt? Verstehen von kulturellen Normen in Bezug auf das Phänomen essentiell Eine Mischung aus Ethnographien, internationalen Forschungskollaborationen und eigener Erfahrung helfen dabei, das Verständnis einer Kultur zu steigern Bedeutsame Vergleiche anstellen Implizites Verständnis einer Befragung Anonym Keine richtigen oder falschen Antworten Eigene Meinung kann frei und spontan geäußert werden, ohne Konsequenzen Mehrere ähnlich formulierte Fragen Tzotzil-Maya im mexikanischen Bundesstaat Chiapas Bedeutsame Vergleiche anstellen Messinvarianz ist gegeben, wenn ein Set von Items (Variable, manifeste) in versch. Populationen und/oder unter versch. Bedingungen (z.B. Messzeitpunkten) dasselbe Konstrukt erfasst. Messinvarianz ist notwendig, um Gruppenunterschiede (z.B. Unterschiede zw. versch. Kulturen) bzw. Veränderungen in den Verteilungskennwerten (z.B. Mittelwerten, Varianzen) oder indiv. Werten als Gruppenunterschiede in Konstruktausprägungen bzw. als Veränderungen in Konstruktausprägungen interpretieren zu können. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/messinvarianz Bedeutsame Vergleiche anstellen Messinvarianz kann verlangen, dass unterschiedliche Methoden zur Messung desselben Konstrukts verwendet werden müssen (z.B. Formulierung von Items). die damit verbundenen Herausforderungen haben dazu geführt, dass die meiste kulturpsychologische Forschung in Industrienationen durchgeführt wurde (insbesondere mit Studierenden-Stichproben). Bedeutsame Vergleiche anstellen Probleme bei der Auswahl besonders vergleichbarer Stichproben Generalisierbarkeit: Das Ausmaß, in dem die Ergebnisse auch auf andere Bevölkerungsgruppen/Kulturen zutreffen Treffen die Unterschiede auch auf Nicht-Studierende zu? Teststärke (auch: statistische Power) Die Wahrscheinlichkeit, einen Effekt zu identifizieren, vorausgesetzt er existiert Gibt es Unterschiede in X zwischen Kultur A versus B? Kulturelle Unterschiede können durch die Untersuchung ähnlicher Stichproben verwässert werden Bedeutsame Vergleiche anstellen Unabhängige Variable (UV) Die variierende oder manipulierte Variable Kultur Mehr Varianz bedeutet größere Wahrscheinlichkeit eines Effekts auf eine… Abhängige Variable (AV) Die gemessene Variable Bedeutsame Vergleiche anstellen Vergleiche von ähnlichen Kulturen, z.B. Studierende aus zwei industrialisierten Gesellschaften Weniger Varianz der UV (Studierende machen ähnliche Erfahrungen) Schwieriger, einen Effekt auf die AV zu finden Konservativer Test mit geringerer Teststärke für die Untersuchung kultureller Einflüsse Umfragen und Fragebögen: Übersetzung Manche Wörter haben keine direkte Übersetzung. Deutsche Begriffe im Englischen Emotionswörter ohne schadenfreude Bezeichnung im Deutschen doppelganger Amae zeitgeist Gigil angst gestalt psychology gemeinschaft uberfremdung Umfragen und Fragebögen: Übersetzung Um vergleichbare Daten zu erhalten, muss man Fragen stellen, die vergleichbare Bedeutung haben. Bilinguale Forschende Problem, wenn die Forschenden nicht beide Sprachen fließend sprechen Rückübersetzung (beste Methode) 1. Übersetzer 1: Originalsprache -> Zielsprache 2. Übersetzer 2: Zielsprache -> Originalsprache 3. Vergleich von Version 1 und 2, Diskussion und Behebung von Diskrepanzen Wahnsinnig → Crazy → Verrückt Wichtig: Erhalt der Bedeutung Umfragen und Fragebögen: Antworttendenzen Antworttendenzen: Faktoren, die bei der Beantwortung von Fragebögen die VP – je nach Untersuchungsanlass – dazu veranlassen können, die Antwort nicht in Übereinstimmung mit der eigentlich zutreffenden Selbsteinschätzung zu geben. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/response-set Umfragen und Fragebögen: Antworttendenzen Inhaltliche Antworttendenz: Sozial erwünschtes Antwortverhalten Im Streit bleibe ich stets sachlich und objektiv. (KSE-G) Auch wenn ich selbst gestresst bin, behandle ich andere immer freundlich und zuvorkommend. (KSE-G) Es ist schon mal vorgekommen, dass ich jemanden ausgenutzt habe. (KSE-G) Ich zahle gerne höhere Preise für umweltfreundliche Produkte. (SEMAF07) Umfragen und Fragebögen: Antworttendenzen Formale Antworttendenzen = Unabhängig vom Iteminhalt Tendenz zur Mitte oder zu Extremwerten Unterschiede zwischen Subkulturen Lehne Stimme voll stark ab und ganz zu Ich gehe aus mir heraus, bin gesellig. 1 2 3 4 5 6 7 Ich bin eher schüchtern. 1 2 3 4 5 6 7 Ich neige dazu, die Führung zu übernehmen. 1 2 3 4 5 6 7 Tendenz zu Extremwerten Tendenz zur Mitte Umfragen und Fragebögen: Antworttendenzen Tendenz zur Mitte oder zu Extremwerten Mögliche Lösung: Forced choice (ja/nein) Item Nein Ja Ich gehe aus mir heraus, bin gesellig. Nein Ja Ich bin eher schüchtern. Nein Ja Ich neige dazu, die Führung zu übernehmen. Nein Ja Problem: Erfasst keine Nuancen Umfragen und Fragebögen: Antworttendenzen Tendenz zur Mitte oder zu Extremwerten Mögliche Lösung: Standardisierung „Z-Transformation“ -> jeder einzelne Wert wird in einen standardisierten Wert (z-Wert) umgewandelt. Problem: Nur für Untersuchung des Antwortmusters geeignet, nicht für Mittelwertvergleiche. Umfragen und Fragebögen: Antworttendenzen Akquieszenz Ja-Sage-Tendenz; Reaktionstendenz, inhaltsunabhängig bei Beurteilungen, Testfragen oder Aufgaben eher eine zustimmende (z.B. «Ja», «stimme zu») als eine ablehnende/verneinende Antwortalternative zu wählen. Akquieszenz verfälscht das Ergebnis im Sinne einer erhöhten Zustimmungsquote. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/akquieszenz Umfragen und Fragebögen: Antworttendenzen Akquieszenz Lösung: Durch Berücksichtigung aller Antwortalternativen bei der Fragenformulierung (z.B. «Stimmen Sie zu oder stimmen Sie nicht zu?» ) oder die Variation der Antwortpolungen der Items eines Fragebogens kann die Gefahr von Verzerrungen durch die A. verringert werden. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/akquieszenz Beispiel: Selbstwertgefühl (Rosenberg) „Im Großen und Ganzen bin ich mit mir zufrieden.“ „Manchmal fühle ich mich nutzlos.“ Umfragen und Fragebögen: Antworttendenzen Bezugsgruppeneffekte Umfragen und Fragebögen: Antworttendenzen Bezugsgruppeneffekte Lösungen Konkrete Fragestellungen und Items „Sind Sie hilfsbereit?“ zu vage „Würden Sie bestehende Termine absagen, wenn eine Freundin von Ihnen Hilfe beim Lernen benötigen würde?“ natürliche UV, quasi- experimentelles Design) Zwei Arten der Manipulation: Zwischensubjektfaktor (between): Versuchsbedingung, Randomisierung Innersubjektfaktor (within): jede VP erlebt alle Variationen, optional in zufälliger Reihenfolge Experimentelle Versuchsdesigns Beispiel: Wie bewerten Inder:innen im Vergleich zu Jamaikaner:innen Menschen von hohem sozialen Status? Befragungsmethode: Bewertung einer Person von hohem Status Problematisch, weil wir nicht wissen, ob sich in Punktedifferenzen unterschiedliche Bewertungen oder unterschiedliche Antworttendenzen widerspiegeln. Experiment: Inder:innen und Jamaikaner:innen werden 3 verschiedenen Statusbedingungen randomisiert zugeteilt (hoher vs. mittlerer vs. niedriger Status) Vergleich von Mittelwertunterschieden innerhalb einer Kultur und von Mustern zwischen zwei Kulturen Neurowissenschaftliche Studien Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT; englisch: fMRI) EEG Molekulargenetik In allen Bereichen der psychologischen Forschung eine wertvolle Ergänzung Replikation Exakte Wiederholung eines Experiments oder einer Studie Je häufiger erfolgreich repliziert, desto reliabler der Befund Fehlgeschlagene Replikationen können verschiedene Ursachen haben Den Originaleffekt gibt es nicht (mehr) Die Replikation ist methodisch stark vom Original abgewichen In der Kulturpsychologie: Es gibt den Effekt nicht in dieser Kultur Zunehmendes Bewusstsein für die Bedeutung von Replikationen disziplinübergreifend (z.B. Open Science Movement) Besondere Methoden der Kulturpsychologie Wie können wir die ethische und praktische Unmöglichkeit der Manipulation von Kultur umgehen und uns kausalen Rückschlüssen annähern? Situationsauswahl (situation sampling) Kulturelles Priming (cultural priming) Besondere Methoden der Kulturpsychologie Situationsauswahl (zweistufige Methode) 1. VPs von 2 oder mehr Kulturen beschreiben zahlreiche Situationen, in denen sie etwas Bestimmtes erlebt haben (z.B. Kränkung, Misserfolg). 2. Neue VPs beider Kulturen erhalten diese Listen und werden gebeten sich vorzustellen, wie sie sich in diesen Situationen verhalten hätten. Beispiel: Situationen beschreiben, in denen das Selbstwertgefühl gestiegen oder gesunken ist Kulturelle Unterschiede in der Reaktion in einer bestimmten Situationen? Kulturelle Unterschiede in den typischen Situationen, die erlebt werden? Besondere Methoden der Kulturpsychologie Kulturelles Priming Die meisten kulturellen Unterschiede liegen im Ausmaß einer bestimmten Eigenschaft, nicht in einer grundlegend anderen Art. (→ existentiell-universal, Einführung) Da die Denkprozesse grundsätzlich existieren (lediglich weniger oder in anderen Kontexten verwendet werden), kann man diese durch Priming akut verfügbar machen. Besondere Methoden der Kulturpsychologie Kategorisierung von Kulturen Strenge-Lockerheit (Tightness-Looseness) = die Ausprägung sozialer Normen und Toleranz für Normverstöße in einer bestimmten Kultur oder Gesellschaft Dimensionen nach Hofstede (1980): Individualismus- Kollektivismus, Machtdistanz, Unsicherheitsvermeidung, Maskulinität - Femininität, lang- vs. kurzfristige Orientierung, Genuss - Zurückhaltung Besondere Methoden der Kulturpsychologie Kategorisierung von Kulturen Aufbauend auf Hofstede Vertiefende Erforschung von Individualismus-Kollektivismus (Triandis, 1996) World-Values-Survey (Schwartz, 1994): Universalismus, Benevolenz,… Glaube darüber, wie die Welt funktioniert (Leung et al., 2002): Spiritualität, Macht des Schicksals, soziale Komplexität, … Messungen auf Kulturebene Meistens werden Individuen verschiedener Kulturen befragt. Wie können wir Kultur messen? Untersuchen von kulturgeprägten Botschaften Werbung Gesetze Zeitungsartikel Märchen Webseiten Songtexte Messungen auf Kulturebene Die Untersuchung von kulturgeprägten Botschaften 1. Fokus auf eine konkrete, quantifizierbare Menge Beispiel: Songtexte in der Arbeiterklasse versus oberer Mittelklasse in den USA 2. Formulierung spezifischer Hypothesen Arbeiterklasse: Botschaften, die Resilienz betonen; o. Mittelklasse: Botschaften, die Besonderheiten betonen 3. Kodierung der Daten, um quantitative Überprüfung der Hypothesen zu ermöglichen Mehrere, hypothesenblinde Kodierer; Bildung von inhaltlichen Kategorien Messungen auf Kulturebene Entpacken kultureller Befunde Kulturen sind komplexe „Pakete“ Herausforderung, kulturelle Unterschiede zu entpacken Identifizierung von kulturellen Unterschieden Doch durch welche kulturellen Erfahrungen sind diese Unterschiede entstanden? Entpacken kultureller Befunde Beispiel: Japaner:innen schämen sich häufiger als US-Amerikaner:innen; Warum*? Hypothese: Kollektivismus und damit verbundene interdependente Selbstsicht 1. Belegen, dass Japaner:innen eine stärkere interdependente Selbstsicht aufweisen als US-Amerikaner:innen 2. Belegen, dass interdependente Selbstsicht wie vorhergesagt mit Schamempfindlichkeit korreliert *i.e., durch welche kulturspezifischen Erfahrungen entsteht dieser Unterschied? Entpacken kultureller Befunde Interdependentes Selbstkonzept Kultur (Japan vs. USA) Schamgefühl Kombination verschiedener Methoden Problem: Kein einzelner Ansatz ist perfekt Alternative Erklärungen, methodische Probleme Lösung: Kombination verschiedener Methoden Wenn diese zum gleichen Ergebnis kommen, steigert das die Reliabilität eines Befundes enorm Ockhams Rasiermesser (Occam‘s razor): Prinzip der Parsimonie, Sparsamkeitsprinzip Die einfachste Erklärung eines Problems ist meistens die korrekte https://de.wikipedia.org/wiki/Ockhams_Rasiermesser Fallstudie: Gewalt in den Südstaaten der USA Etablierter Befund: Mehr Gewalt in den Südstaaten als im Norden Seit dem 18. Jhd: Mehr Lynchmorde, Angriffe durch Heckenschützen, Morde, Stammesfehden, gewalthaltige Spiele (z.B. Gänsereiten, Schienbein-Treten) Heute: Stärkere Befürwortung der Todesstrafe, körperlichen Bestrafung von Kindern, Waffenbesitz, Krieg; Waffen in der Schule; häusliche Gewalt Was erklärt diese Unterschiede? Temperatur? Armut? Sklaverei? Fallstudie: Gewalt in den Südstaaten der USA Nisbett und Cohens Erklärung: Ehrenkultur Im Süden Hirten, im Norden Landwirte Hirten sind stärker durch Diebstahl bedroht als Landwirte Zum Schutze ihres Besitzes mussten Hirten sich einen Ruf der Gewaltbereitschaft erarbeiten, indem sie auf Verletzungen ihrer Ehre sehr aggressiv reagierten. Schottisch-irische Siedler im Süden, Angel-Sachsen im Norden; brachten bereits die Einstellung mit sich, dass Männer aggressiv reagieren müssen auf Beleidigungen Fallstudie: Gewalt in den Südstaaten der USA Multiple Methoden: Archivdaten Umfragedaten Physiologische Daten Verhaltensmaße Feldexperiment Fallstudie: Gewalt in den Südstaaten der USA Multiple Methoden: Archivdaten Umfragedaten Physiologische Daten Verhaltensmaße Feldexperiment Fallstudie: Gewalt in den Südstaaten der USA Fallstudie: Gewalt in den Südstaaten der USA Multiple Methoden: Archivdaten Umfragedaten Physiologische Daten Verhaltensmaße Feldexperiment Fallstudie: Gewalt in den Südstaaten der USA Feldexperiment Bewerbungsschreiben an Unternehmen im Norden versus Süden der USA: 27jähriger, der gerade aus dem Gefängnis kommt UV: Art des Verbrechens Mord eines Mannes, der mit seiner Freundin Sex hatte und ihn dafür öffentlich beleidigt hat und diese Beleidigung auch nach Aufforderung und Drohung nicht zurückgenommen hat (Ehre-Bedingung) Diebstahl eines Autos (Kontroll-Bedingung) Unternehmer aus den Südstaaten reagierten empathischer auf die Ehrenbedingung als Nordstaatler; kein Unterschied in der Kontrollbedingung Fallstudie: Gewalt in den Südstaaten der USA Ehrenkulturen wurden vermehrt in Kulturen mit ineffizienter Exekutive gefunden, wie zum Beispiel Teile der Türkei, Brasilien, Spanien, aber auch in Subkulturen wie kriminellen Vereinigungen Methoden anderer Forscher Situationsauswahl Kulturelles Priming Agentenbasierte Modellierung Zusammenfassung Die Untersuchung unterschiedlicher Kulturen verlangt ein genaues Verständnis dieser Kulturen und der Schwierigkeiten, die sich beim Studiendesign ergeben können. Dabei tragen eine akkurate Übersetzung und das Bewusstsein für kulturabhängige Antworttendenzen essentiell zur Lösung bei. Erkenntnisse werden durch den Einsatz verschiedener Methoden gestärkt, darunter Archiv- und Umfragedaten, experimentelle Methoden sowie physiologische und verhaltensbezogene Daten. Es ist wichtig, die Prozesse eines kulturellen Unterschieds oder Phänomens zu entschlüsseln. Interkulturelle Studien können entmutigend sein, aber sehr lohnend und informativ, wenn sie richtig durchgeführt werden. Spezielle Themen der Sozialpsychologie: Kulturpsychologie Frühe Einflüsse von Kultur One of the most significant facts about humanity may finally be that we all begin with the natural equipment to a live a thousand kinds of life but end in the end having lived only one. Clifford Geertz (1926-2006) Frühe Einflüsse von Kultur Wie entwickeln sich aus den gleichen neuronalen Dispositionen interkulturelle Unterschiede? Wie beeinflussen Erfahrungen in der frühen Kindheit unsere Art zu denken? Entwicklung und Sozialisation Inhalte 4. Kulturelle Unterschiede im Auftreten 1. Sensible Phase des Spracherwerbs und der Trotzphase und der pubertären des Kulturerwerbs Rebellion 2. Das Entstehen kultureller Unterschiede 5. Sozialisation durch Bildung mit zunehmendem Alter 3. Einflüsse in der frühen Kindheit: Eltern- 6. Fallstudie: Mathematik-Ausbildung in Kind-Interaktionen, Bindungstypen, Ostasien Erziehungsstile, Nomen-bias Leitgedanken Kulturelle Normen und kulturelle Unterschiede entstehen größtenteils durch Sozialisation in unterschiedlichen Umgebungen. Universalgehirne entwickeln sich zu kulturell vielfältigen Gehirnen Menschen werden nicht mit kulturellem Wissen oder Fähigkeiten geboren. Menschen werden mit der Bereitschaft geboren, aus jedem kulturellen Umfeld zu lernen. Sensible Phase kultureller Sozialisation Zeitspanne in der Entwicklung, in der es leicht ist, eine Fähigkeit zu erwerben Es gibt einen Zielkonflikt zwischen der Fähigkeit, neue Verhaltensweisen für eine neue Umgebung zu erlernen und der Fähigkeit, sich auf Verhaltensweisen für bestimmte Umgebungen zu spezialisieren. Entwicklungsübergänge zwischen dem Erlernen neuer Fähigkeiten und der Konsolidierung bestehender Fähigkeiten weisen auf die Existenz einer sensiblen Phase hin. Sensible Phase kultureller Sozialisation Spracherwerb Menschen können zum Zeitpunkt der Geburt alle Phoneme (Laute) voneinander unterscheiden Bereits ab dem 4. Lebenstag zeigen Säuglinge eine Präferenz für ihre eigene Sprache Im ersten Lebensjahr tritt die Fähigkeit der Phonemunterscheidung zurück Spracherwerb Das Verlernen der Fähigkeit zur Phonemunterscheidung In Hindi gibt es zwei verschiedene „b“-Laute, die für englische Muttersprachler gleich klingen Ba (nicht aspiriert) und bha (aspiriert) Spracherwerb Die neuronale Aktivität von bilingualen Menschen unterscheidet sich in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Erwerbs der Zweitsprache Wenn beide Sprachen sehr früh erlernt wurden, werden sie in denselben Hirnregionen verarbeitet Wenn die Zweitsprache später erlernt wird, wird sie in anderen Regionen verarbeitet Das Gehirn kann sich flexibel strukturieren, um den Input verschiedener Sprachen zu verarbeiten, allerdings nur in einer sensiblen Phase Spracherwerb Untersuchungen von Wolfskindern Sensorische Deprivation in der sensiblen Phase der neuronalen Entwicklung (8/9 Monate bis 3,5 Jahre) verhindert neuronales Wachstum Allerdings: Konfundierung mit vielen anderen Variablen (schwerer Missbrauch, Vernachlässigung in allerlei Bereichen, Trauma) Experimentelle Forschung unmöglich Kulturerwerb Spracherwerb ist ein essentieller Bestandteil der Sozialisation Sprache und Kultur hängen stark voneinander ab jede Sprache wird vom Menschen als Mitglied der Gesellschaft erworben Kultur wird Großteils in Form von Sprache weitergegeben Sprache ist das Symbolsystem unserer Kultur Gibt es eine sensible Phase des Kulturerwerbs? Kulturerwerb Cheung, Chudek & Heine (2011) Kulturerwerb Kulturerwerb Entstehung psychologischer Unterschiede Da kulturelle Erfahrungen mit dem Alter zunehmen, sollten auch kulturelle Unterschiede in psychologischen Prozessen mit dem Alter deutlicher werden 7-Jährige aus China und Kanada denken in ähnlicher Weise über ihre Zukunft nach; 9- und 11-Jährige zeigen deutlich weniger Überschneidung Fremd-Attributionen, Optimismus und der Fokus auf positive Aspekte des Selbst unterscheidet sich mit zunehmendem Alter zwischen Kulturen Einflüsse in der frühen Kindheit Frühe Eltern-Kind-Interaktionen entscheidende Quelle kultureller Praktiken im Laufe der Frühentwicklung Eltern-Kind-Interaktionen können in verschiedenen Kulturen sehr stark variieren Beispiel: Forschung von Keller (2007) zur Untersuchung von Mutter- Kind-Interaktionen in verschiedenen kulturellen Kontexten Deutsche aus der städtischen Mittelschicht Griech:innen aus der städtischen Mittelschicht Costa-Ricaner:innen aus der städtischen Unterschicht Ländliche indische Gujarati Ländliche Kameruner:innen Mutter-Kind-Interaktion Körperkontakt Augenkontakt Mutter-Kind-Interaktion Körperkontakt Augenkontakt Schlafarrangements https://www.menti.com/alhuv89kg4qd 69 69 93 8 Schlafarrangements Co-Sleeping: Die Praxis, dass Kinder im Bett ihrer Eltern schlafen Kulturabhängig starke Unterschiede in Schlafarrangements In 2/3 der untersuchten Gesellschaften Co-Sleeping In fast allen Gesellschaften im gleichen Zimmer Bei europäischen Nord-Amerikaner:innen fast immer in einem eigenen Zimmer ab der Geburt In anderen Subkulturen der USA ist Co-Sleeping weit verbreitet Schlafarrangements Studie in den USA und Indien Welches Schlafarrangement würden Sie für eine 7-köpfige Familie in einer Wohnung mit 3 Schlafzimmern wählen? Es gibt 301 verschiedene Arrangements. 15,11 und 8 14 und 3 Jahre alt Jahre alt Shweder et al., 1995 Schlafarrangements Inder:innen finden diese drei 8 Arrangements gleichermaßen angemessen (47% halten Nr. 3 für das beste) 8 14 11 15 11 15 Schlafarrangements Inder:innen finden diese drei 8 Arrangements gleichermaßen angemessen (47% halten Nr. 3 für das beste) US Amerikaner:innen finden 8 14 nur Nr. 3 angemessen (88% halten es für das beste) Welche Überlegungen beeinflussen diese Bewertung? 11 15 11 15 Schlafarrangements Inzest-Vermeidung: Gegengeschlechtliche postpubertäre Familienmitglieder sollten sich kein Zimmer teilen Schlafarrangements Inzest-Vermeidung: Gegengeschlechtliche postpubertäre Familienmitglieder sollten sich kein Zimmer teilen Schutz der Schutzbedürftigen: Kleine Kinder sollten nicht alleine gelassen werden Sorge um Keuschheit: Unverheiratete heranwachsende Frauen sollten beaufsichtigt werden, um sexuelle Aktivitäten zu verhindern. Respekt vor Status: Heranwachsende Jungen erlangen Status dadurch, dass sie sich kein Zimmer mit ihren Eltern oder kleinen Geschwistern teilen müssen Schlafarrangements Inzest-Vermeidung: Gegengeschlechtliche postpubertäre Familienmitglieder sollten sich kein Zimmer teilen Schutz der Schutzbedürftigen: Kleine Kinder sollten Heiliges-Ehepaar-Prinzip: Paare sollten nicht alleine gelassen werden ihren eigenen Raum für Intimität haben Sorge um Keuschheit: Unverheiratete Autonomie-Ideal: Kleine Kinder sollten heranwachsende Frauen sollten beaufsichtigt werden, alleine schlafen, um Selbstständigkeit zu um sexuelle Aktivitäten zu verhindern. entwickeln. Respekt vor Status: Heranwachsende Jungen erlangen Status dadurch, dass sie sich kein Zimmer mit ihren Eltern oder kleinen Geschwistern teilen müssen Bindungsverhalten Bindungstheorie besagt, dass Eltern und Kinder für eine enge Bindung miteinander prädisponiert sind (Bowlby, 1969) Bindungstyp bezeichnet die Art der Beziehung zwischen Kleinkindern und ihren Eltern, ermittelt durch den Fremde-Situations-Test (Ainsworth & Wittig, 1969) Der Fremde-Situations-Test überprüft das Verhalten von einem Kleinkind, das mit einer fremden Person allein im Raum gelassen wird. Bindungstypen Studien ursprünglich fast nur in den USA durchgeführt 62% sicher 23% vermeidend 15% unsicher-ambivalent Studien in anderen Kulturen kommen zu ähnlichen Ergebnissen Sichere Bindung wird allgemein als Ideal angesehen Bindungsverhalten Das Bedürfnis nach einer Eltern-Kind-Bindung scheint universal zu sein Allerdings sind Eltern-Kind-Beziehungen sehr unterschiedlich Kinder aus Kommunen (z.B. israelische Kibbuzim) zeigen häufiger unsicher-ambivalenten Stil Viele Kinder haben mehrere Bindungspersonen Diese Kinder fühlen sich in Anwesenheit von Fremden sicher Fremdeln hängt von der Erziehung ab; es ist kein Automatismus menschlicher Entwicklung Bindungstheorie nicht universal anwendbar auf andere Kulturen Erziehungsstile Häufige Klassifizierung in 4 Stile nach Baumrind (1997) Gut für Kinder aus westlichen Gesellschaften (in Hinblick auf schulische Leistung und wahrgenommene elterliche Wärme) Erziehungsstile In vielen Kulturen sind strenge Erziehungsstile die Norm, allerdings passen nicht alle Elemente in die autoritäre Kategorie Erziehungsstile unterscheiden sich ja nach Alter des Kindes teilweise stark Wärme und Ansprechbarkeit werden unterschiedlich ausgedrückt Ausdruck von Wärme (Cheah et al., 2015) Europäisch-amerikanische Mütter Chinesisch-amerikanische Mütter “Hugging and kissing” “I make him his favorite dumplings” “when my child sits on my lap for “I help him organize clothes and quilts” more cuddles” “I help and guide the child to develop good “Tell her ‘I love her’ all the time.” habits and be polite” “Devoting some time just to her and nothing/no one else when “(I will) tell her how proud of her father and playing” I are of her” “Spending as much time as possible “I will let her know how special she is” together” “When she is having a difficult time, I will “We always eat dinner together.” let her know that mom still loves her” Erziehungsstile In vielen Kulturen sind strenge Erziehungsstile die Norm, allerdings passen nicht alle Elemente in die autoritäre Kategorie Erziehungsstile unterscheiden sich ja nach Alter des Kindes teilweise stark Wärme und Ansprechbarkeit werden unterschiedlich ausgedrückt Rolle des elterlichen Lehrers in chinesischer Erziehung sehr wichtig, aber kein Teil der autoritären Klassifizierung Erziehungsstile haben teils unterschiedliche Auswirkungen je nach Kultur Noun-bias Nomen sind dominierend im kindlichen Wortschatz von US- Amerikaner:innen Chinesische Kleinkinder verwenden mehr Verben als Nomen Kein Noun-Bias bei koreanischen Kleinkindern Nicht universal Noun-bias-Hypothese Linguistische Erklärung: Nomen stehen im Englischen an dominanten Positionen (z.B. am Ende eines Satzes) Naoko ate a cookie. Naoko wa kukkii o tabemashita. Nomen (und Pronomen) können im Japanischen, Chinesischen und Koreanischen weggelassen werden „Liebe“ statt „Ich liebe dich.“ Noun-bias-Hypothese Alternative Erklärung: Kinder lernen anders über Objekte zu kommunizieren „Das ist ein gelber Bus mit schwarzen Rädern.“ versus „Hier kommt Papa-Bus und sagt ‚Hallo!‘ zu Bruder-Bus.“ Aufmerksamkeit von Kindern wird auf eigenständige Merkmale versus Beziehungen von Objekten zueinander gelegt Schwierige Phasen der Entwicklung Trotzphase Gekennzeichnet von zunehmendem Widerstand und Gefühlsausbrüchen Wichtig für Kinder, um Autonomie und Individualität zu entwickeln Grundstein zukünftiger funktionaler Beziehungen; Reifeprozess Trotzphase nicht universal Selten in Kulturen, die keinen Wert auf Individualität legen Ansicht in einigen Kulturen, dass Widerstand Unreife widerspiegelt, nicht einen Schritt in Richtung persönliches Wachstum Schwierige Phasen der Entwicklung Pubertäre Rebellion Chaotische Periode des Sturm und Drang Erhöhtes Risikoverhalten, Gewaltbereitschaft, Kriminalität, Ungehorsam Zurückgeführt auf hormonelle Veränderungen; biologisch determinierte, natürliche Entwicklung Nicht universal: Befragung in 175 vor-industrialisierten Gesellschaften Nur 44% der befragten Gesellschaften haben mit dieser Phase problematisches Verhalten von Jungen assoziiert (nur 18% von Mädchen) Was beeinflusst pubertäres Verhalten? Individualismus: Jugendliche betrachten elterliche Kontrolle als Einschränkung, der widerstanden werden muss In nicht-industrialisierten Gesellschaften werden erwachsene Aufgaben in jüngerem Alter übernommen Komplexe, moderne Gesellschaften bieten eine Vielzahl von Optionen für Menschen; individualistische Werte verstärken die Suche nach der richtigen Rolle Mehr Stress für Teenager Sozialisation durch Bildung 1. Hammer 2. Säge 3. Holzscheit 4. Beil Welches passt nicht und warum? Sozialisation durch Bildung Aleksandr Romanovič Lurija 1902-1977 Russischer Psychologe Sozialisation durch Bildung Sozialisation durch Bildung Im hohen Norden sind alle Bären weiß. Nowaja Semlja liegt im hohen Norden. Welche Farbe haben die Bären in Nowaja Semlja? „Das müssen Sie die Menschen fragen, die dort waren und die Bären gesehen haben." Verlassen auf praktische Erfahrung; Gruppierung anhand der Beziehungen der Objekte zueinander, nicht anhand der Eigenschaften Sozialisation durch Bildung Kulturvergleichende Forschung zeigt, dass formale Bildung… abstraktes Denken fördert; Menschen versuchen stärker, über direkte Erfahrung hinaus Schlussfolgerungen zu ziehen die Fähigkeit zur Bildung abstrakter Kategorien steigert (basierend auf bestimmten Regeln oder Gemeinsamkeiten) höheren IQ vorhersagt Fallbeispiel: Mathematik-Kenntnisse Fallbeispiel: Mathematik-Kenntnisse Was könnte diese Unterschiede erklären? Lehrmethoden mehr Unterricht (240 vs. 180 Tage) und davon mehr Mathe-Unterricht mehr Frontalunterricht (90% vs. 46%) mehr Anwendungsbeispiele (80% vs. 10%) mehr Hausaufgaben (in den USA weniger als die Hälfte) Wertschätzung von Bildung Höherer Stellenwert in Asien unter Eltern und Kindern nachgewiesen Erwartungen der Eltern US Amerikanische Mütter haben viel geringere Ansprüche an die Leistung ihrer Kinder als asiatische Mütter Sprache Dezimalsystem in der Sprache: zehn-eins versus Elf, drei-zehn versus Dreißig Führt zu mehr Schwierigkeiten beim Erlernen der Grundlagen Sozialisation durch Bildung Bildung beeinflusst, wie Menschen denken Bildung selbst wird durch Kultur beeinflusst; durch unterschiedliche Einstellungen, Werte und so basale Eigenschaften wie Sprache Zusammenfassung Wir werden mit der Bereitschaft geboren, uns jede Sprache und Kultur anzueignen, aber eine sensible Periode begrenzt, wie leicht wir manche Dinge lernen können. Manche Praktiken, wie z.B. Eltern-Kind-Interaktionen und Schlafarrangements, unterscheiden sich bereits ab der Geburt. Kulturelle Unterschiede in den Sozialisationserfahrungen, insbesondere aus der elterlichen Erziehung und der formalen Bildung, sind allgegenwärtig und werden mit zunehmendem Alter ausgeprägter. Spezielle Themen der Sozialpsychologie: Kulturpsychologie Themen- und Terminüberblick: Block 2 SITZUNG DATUM THEMA KAPITEL Individuelle Prozesse 5 24.04. Das Selbst und Persönlichkeit 6 6 08.05. Kognition und Wahrnehmung 9 7 15.05. Motivation 8 8 22.05. Emotionen 10 Das Selbst und Persönlichkeit Inhalte Selbstkonzepte in verschiedenen Kulturen Bedürfnis nach Selbstkonsistenz Einfluss des Selbstkonzepts auf die Subjektive und objektive Ansichten gegenüber Ingroups und Selbstaufmerksamkeit Outgroups Flexibilität der Selbstkonzepte Implizite Theorien über das Selbst Kulturelle Variabilität und Universalität von Gleichstellung der Geschlechter Persönlichkeitsstrukturen Selbstkonzepte in verschiedenen Kulturen Bedürfnis nach Selbstkonsistenz Leitgedanken Es gibt Aspekte des Selbstkonzepts, die universal sind, und andere, die kulturell variabel sind. Diese Unterschiede haben wichtige Implikationen für unsere sozialen Interaktionen und deren Wahrnehmung. Beispiel: Vorstellungen von Handlungsfähigkeit Ich glaube, ich blieb einfach konzentriert. Es war an der Zeit, der Welt zu zeigen, was ich tun kann. Ich bin einfach froh, dass ich in der Lage war, es zu tun. Ich wusste, dass ich Suzy O'Neil schlagen kann, tief in meinem Herzen habe ich daran geglaubt, und ich weiß, dass sich die ganze Woche über die Zweifel eingeschlichen haben, sie waren mit mir auf den Blöcken, aber ich habe einfach gesagt: "Nein, das ist meine Nacht." —Misty Hyman, Goldmedaillengewinnerin über 200 m Schmetterling bei den Frauen (Neal, 2000) Beispiel: Vorstellungen von Handlungsfähigkeit Hier ist der beste Trainer der Welt, der beste Manager der Welt, und all die Leute, die mich unterstützen - all diese Dinge kamen zusammen und wurden zu einer Goldmedaille. Ich habe es also nicht allein geschafft, nicht nur allein. —Naoko Takahashi, Goldmedaillengewinnerin im Frauen- Marathon (Yamamoto, 2000) Beispiel: Vorstellungen von Handlungsfähigkeit Ich glaube, ich blieb einfach konzentriert. Es war Hier ist der beste Trainer der Welt, der an der Zeit, der Welt zu zeigen, was ich tun kann. beste Manager der Welt, und all die Ich bin einfach froh, dass ich in der Lage war, es Leute, die mich unterstützen - all diese zu tun. Ich wusste, dass ich Suzy O'Neil schlagen Dinge kamen zusammen und wurden zu kann, tief in meinem Herzen habe ich daran einer Goldmedaille. Ich habe es also geglaubt, und ich weiß, dass sich die ganze nicht allein geschafft, nicht nur allein. Woche über die Zweifel eingeschlichen haben, sie waren mit mir auf den Blöcken, aber ich habe —Naoko Takahashi, einfach gesagt: "Nein, das ist meine Nacht." Goldmedaillengewinnerin im Frauen- Marathon (Yamamoto, 2000) —Misty Hyman, Goldmedaillengewinnerin über 200 m Schmetterling bei den Frauen (Neal, 2000) Selbstkonzepte Selbstkonzepte Eine häufige Unterscheidung basierend auf Markus & Kitayama: Unabhängiges versus interdependentes Selbstkonzept Viele kulturelle Unterschiede werden anhand dieser Unterscheidung erklärt. Unabhängiges Selbstkonzept Leitet seine Identität von inneren Attributen ab und hat die folgenden Merkmale: Abgegrenzt von Beziehungen Stabil über Situationen und Lebensspanne hinweg Einzigartig, in sich geschlossen und kohärent Fließender Übergang zwischen Ingroup und Outgroup Interdependentes Selbstkonzept Eine relationale Entität, die grundsätzlich mit wichtigen Beziehungen verbunden ist und die folgenden Merkmale aufweist: Definiert durch soziale Beziehungen und Rollen Flexibel über Situationen und Rollen hinweg Nicht abgegrenzt oder getrennt von anderen und dem Kontext Klare Ingroup-Outgroup-Unterscheidung Beispiel: Vorstellungen von Handlungsfähigkeit Variieren die Modelle von Handlungsfähigkeit systematisch mit Nationalität? Markus et al., 2006, Studie 1 Beispiel: Vorstellungen von Handlungsfähigkeit Variieren die Modelle von Handlungsfähigkeit systematisch mit Nationalität? Einzigartigkeit und persönliche Attribute (USA > Japan) Sie hob sich von Anfang an von der Masse ab und hielt sich an ihre typischen Strategien. Sie hat uns allen gezeigt, wie ein Weltklasse-Champion aussieht. Ihr Trainer war ihr wichtigster Berater, der ihr bei der Entwicklung von Strategie und Kompetenz half. Bezug auf Team und Zweifel (USA < Japan) Nach all der Hilfe, die sie von ihrem Team erhielt, wusste sie, dass sie es nicht im Stich lassen konnte. Sie gewann, obwohl sie befürchtete, dass die ungewohnten Bedingungen mit extremer Hitze und Feuchtigkeit ihre Leistung beeinträchtigen könnten. Markus et al., 2006, Studie 2 Beispiel: Vorstellungen von Handlungsfähigkeit Keine Unterschiede bei: Bezug auf andere Personen (nicht Wettbewerbsteilnehmer:innen): Man sollte seine Fans immer schätzen und ihr Engagement für einen respektieren. Bezug auf andere Wettbewerbteilnehmer:innen: Ich hoffe, meine Fans respektieren auch meine Konkurrent:innen, vor allem bei den Olympischen Spielen. Athletischer Hintergrund: Gewann 2002 die 5.000-m-Weltmeisterschaften in Kalifornien. Markus et al., 2006, Studie 2 Wer bin ich? 20-Aussagen-Test Abstrakte Ich bin sportlich Ich bin Merkmale Ich bin rücksichtsvoll Ich bin Ich bin stur Ich bin Ich bin Ich bin Beziehungen Ich bin Freundin Ich bin Ich bin Sohn Ich bin Ich bin Ich bin Gruppen- Ich bin Österreicher Ich bin zugehörigkeiten Ich bin Studentin Ich bin Ich bin Ich bin “Twenty-Statements Test” (Kuhn & McPartland, 1954) 20-Statements-Test Ma & Schoeneman, 1997 Selbstkonzept: USA vs. Japan Verschwindende kulturelle Unterschiede: Japaner:innen und US Amerikaner:innen unterscheiden sich nicht verlässlich 70% japanischer Studierender individualistisch; 30% der arbeitenden Menschen individualistisch (Matsumoto et al., 1996) Individualism-Collectivism Assessment Inventory (ICAI) Selbstkonzept: Japanische Erwachsene vs. Studierende Selbstkonzept: USA vs. Japan US Amerikaner:innen waren interdependenter als Japaner:innen Selbstkonzept Neuronale Evidenz für kulturell unterschiedliche Selbstkonzepte Beziehungen zwischen In- und Outgroup Enge Beziehungen sind in allen Kulturen wichtig, aber sie sind besonders wichtig für die Art und Weise, wie Menschen das Selbst in interdependenten, im Gegensatz zu unabhängigen Kulturen, definieren. Beziehungen zwischen In- und Outgroup Für das interdependente (kollektivistische) Selbst: Ingroup-Outgroup-Unterscheidungen sind entscheidend, um zu bestimmen, wem gegenüber Menschen Verpflichtungen haben. Es ist schwierig, in die Ingroup einer Person zu gelangen. Es ist selten, dass ein Ingroup-Mitglied seinen Status verliert und in die Outgroup fällt. Ingroup-Outgroup-Grenzen sind stabil. Beziehungen zwischen In- und Outgroup Für das unabhängige (individualistische) Selbst: Beziehungen können relativ leicht gebildet und aufgelöst werden, mit weniger Auswirkungen auf das Selbstkonzept. Die Menschen sind eher bereit, neue soziale Verbindungen einzugehen und größere Netzwerke zu pflegen. Sie sind auch weniger beunruhigt, wenn Beziehungen mit der Zeit verblassen. Die Grenze zwischen Ingroup und Outgroup ist fließender und durchlässiger. Beziehungen zwischen In- und Outgroup Empirische Belege: Asiatische Amerikaner:innen können Emotionen von engen Freunden besser erkennen als europäische Amerikaner:innen, während europäische Amerikaner:innen präziser die Emotionen von Fremden identifizieren können. Amerikaner:innen haben ein höheres Maß an allgemeinem Vertrauen gegenüber Fremden als Japaner:innen. Individualismus-Kollektivismus Die unabhängige und die interdependente Sichtweise des Selbst treten eher in individualistischen bzw. kollektivistischen Kulturen auf. Individualistische Kulturen Ermutigen Gedanken und Verhaltensweisen, die ein unabhängiges Selbstkonzept fördern Legen Wert auf Abgrenzung von anderen und Selbstständigkeit Kollektivistische Kulturen Ermutigen Gedanken und Verhaltensweisen, die interdependente Selbstkonzepte fördern Legen Wert auf enge Beziehungen und Gruppenzugehörigkeit Individualismus-Kollektivismus Unterschiede innerhalb eines Landes finden sich überall Regionale Unterschiede: innerhalb der Vereinigten Staaten weisen Hawaii und der Süden die höchsten Werte für Kollektivismus auf Unterschiede je nach sozioökonomischem Status (SES): höherer SES sagt meist einen höheren Individualismus und ein niedrigerer SES einen höheren Kollektivismus vorher (Vgl. BIP und Individualismus) SES und Individualismus-Kollektivismus Amerikanische Eltern aus der Mittelschicht betonen, wie wichtig es ist, den Kindern Selbstbestimmung beizubringen, Michael W. Kraus während amerikanische Eltern aus der Arbeiterklasse die Konformität mit Autoritätspersonen betonen In den USA: höherer SES, weniger Interdependenz; in Europa: Kein Zusammenhang; in Japan: höherer SES, größere Interdependenz In Abhängigkeit vom SES sprechen Menschen anders, verhalten sich anders und präsentieren sich anders auf Facebook (Kraus et al., 2017) Je höher der SES, desto eher haben US Amerikaner:innen ein unabhängiges Selbstkonzept (Kraus et al., 2012). SES und Individualismus-Kollektivismus Hypothese (Stephens et al., 2012): Personen, die ohne familiären akademischen Hintergrund studieren („First-Generation-Studierende“), haben eher Nicole Stephens interdependente Selbstkonzepte (niedrigerer sozioökonomischer Hintergrund) und dies hat bedeutsame Auswirkung auf akademische Leistungen und Wohlbefinden Theorie der kulturellen Passung (cultural mismatch theory) SES und Individualismus-Kollektivismus: Interventionsstudie Interdependente Unabhängige Willkommensnachricht Willkommensnachricht Lernen durch Zugehörigkeit zu Lernen, indem man persönliche einer Gemeinschaft, Interessen erkundet, Kontakte zu Kommiliton:innen Ideen und Meinungen zum und Dozierenden, Ausdruck bringt, Zusammenarbeit mit anderen seine eigene intellektuelle Reise und Lernen von anderen und antritt und Beteiligung an gemeinsamer an unabhängiger Forschung Forschung. teilnimmt. SES und Individualismus-Kollektivismus: Interventionsstudie Höhere Motivation durch eine das Selbstkonzept ansprechende Willkommensnachricht. SES und Individualismus-Kollektivismus: Interventionsstudie Leistungslücke zwischen First- gen und continuing-gen Studierenden wird geschlossen. Geschlechter, Selbstkonzept und Kultur Sind Frauen eher interdependent und Männer eher unabhängig? Nur ein verlässlicher Unterschied: Frauen erzielten höhere Werte bei Verbundenheit als Männer. „I feel like doing something for other people because I can almost feel their trouble.“ Keine Geschlechter-Unterschiede wurden für Kollektivismus, Handlungsfähigkeit oder Selbstbehauptung gefunden. Gleichstellung der Geschlechter Geschlechterrollenorientierung Beispielitems der Sex Role Ideology Scale: Zum Wohle der Familie sollte eine Frau eine sexuelle Beziehung zu ihrem Mann haben, ob sie will oder nicht. (T) Der Mann sollte in einer Familie für alle größeren Entscheidungen verantwortlich und zuständig sein. (T) Eine Ehe sollte die Karriere eines Mannes gleichermaßen beeinträchtigen wie die einer Frau. (E) Frauen sollten auch traditionell männliche Berufe wie Maurer oder Pilot ergreifen. (E) Gleichstellung der Geschlechter 1966 belehrte der Bundesgerichtshof in DE noch: „Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt.“ „Wenn es ihr versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft.“ Gesetzesänderung in Ö 1989, in DE 1997 Unter sehr viel Druck gibt Kohl die Abstimmung frei 471 Abgeordnete stimmen dafür 138 dagegen, fast ausschließlich Männer der schwarz-gelben Regierungskoalition, unter ihnen Horst Seehofer und Friedrich Merz Gleichstellung der Geschlechter Kulturen haben unterschiedliche Ansichten zur Gleichstellung der Geschlechter. World Values Survey; z.B. „wenn Arbeitsplätze knapp sind, sollten Männer mehr Recht auf einen Arbeitsplatz haben als Frauen” -- 3.6% Zustimmung in Island vs. 99.6% in Ägypten (1999-2004) Hohe Gleichstellung: Frauen sollten so behandelt werden wie Männer (z.B. Finnland, Deutschland). Geringe Gleichstellung: Männer sollten mehr Rechte, Privilegien und Macht erhalten als Frauen (z.B. Pakistan, Nigeria). Gleichstellung der Geschlechter Männer und Frauen in einer bestimmten Kultur haben ziemlich ähnliche Ansichten über die Gleichstellung der Geschlechter. In den meisten Fällen hatten Männer traditionellere Vorstellungen von Geschlechterrollen als Frauen. Gleichstellung der Geschlechter Prädiktoren für Gleichstellungsgrad der Geschlechter Religion Geografische Lage Urbanisierung Sozioökonomische Entwicklung Diese Ergebnisse sind korrelativ, nicht kausal. Befürwortung von Geschlechtergleichstellung (WVS, 2010-14) Durchschnittliche jährliche Veränderung (y) in der Befürwortung (x) Steigende Befürwortung von Gleichstellung im Zugang zu universitärer Ausbildung Teilweise sinkende Befürwortung im Recht von Frauen auf einen Arbeitsplatz, wenn diese knapp sind. Gleichstellung der Geschlechter Geographisch-ökologische Ursachen (vgl. Kapitel 3 -> distale Ursachen) Boserup (1970): unterschiedliche Geschlechternormen können aus unterschiedlichen traditionellen Anbaumethoden resultieren. Gleichstellung der Geschlechter Sagt die historische Verwendung des Pfluges aktuelle Einstellungen zu Geschlechterrollen vorher? Datenquelle: ethnographischer Atlas (Murdock, 1967) -> Kodierung, Kategorisierung und Zusammenfügung ethnographischer Informationen zu mehr als 1200 präindustrialisierten Gesellschaften -> Verlässliche und daher sehr nützliche Datenquelle in den Sozialwissenschaften (Bahrami-Rad et al., 2021) Gleichstellung der Geschlechter Orte, die den Pflug eingeführt hatten, weisen heute eine niedrige Gleichberechtigung der Geschlechter und eine geringe Erwerbsbeteiligung von Frauen auf. Das gleiche Muster ist in den Vereinigten Staaten zu sehen, wenn man die Herkunftskulturen der Einwanderer als Prädiktor verwendet. Belegt die Persistenz von Kultur Gleichstellung der Geschlechter Zusammenfassung Kulturen, die städtischer, protestantischer, individualistischer, nördlicher gelegen sind und eine kürzere Geschichte der Verwendung des Pfluges in der Landwirtschaft haben, neigen eher zu egalitären Geschlechteransichten und –praktiken. Weitere Aspekte des Selbst im Kulturvergleich Selbstkonsistenz Selbstaufmerksamkeit Implizite Theorien des Selbst Sind Sie überall die gleiche Person, unabhängig von Ihrem Gegenüber oder der jeweiligen Situation? Selbstkonsistenz Kulturen unterscheiden sich in der Motivation, in verschiedenen Situationen konsistent zu sein. Studie: Teilnehmer:innen beantworten de