Heimsuchung - Jenny Erpenbeck PDF
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Jenny Erpenbeck
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This document presents an analysis of Jenny Erpenbeck's novel, "Heimsuchung." The text outlines the novel's structure, characters, and significant themes related to home, displacement, and the impacts of historical events, particularly focusing on the experiences of the individuals in the story during the Weimar Republic, World War II, and the post-war period.
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# Heimsuchung ## Aufbau des Romans: - **Prolog:** Entstehung der märkischen Landschaft vor mehr als 24.000 Jahren. Vergänglichkeit. - **Binnenhandlung:** die episodenhaften Geschichten von 12 Menschen auf der verzweifelten Suche nach Heimat, die meist nicht erfolgreich ist oder nur von kurzer Daue...
# Heimsuchung ## Aufbau des Romans: - **Prolog:** Entstehung der märkischen Landschaft vor mehr als 24.000 Jahren. Vergänglichkeit. - **Binnenhandlung:** die episodenhaften Geschichten von 12 Menschen auf der verzweifelten Suche nach Heimat, die meist nicht erfolgreich ist oder nur von kurzer Dauer - **Epilog:** vorschriftsmäßiger, technisch perfekter Abriss des Hauses am See (Zeitraum von ca. 2 Wochen) → Verschwinden, Rückkehr zum alten Zustand > Rahmenfunktion von Pro-und Epilog ## Figuren - **Großbauer Wurrach:** verwitwet, hat vier Töchter (Grete, Hedwig, Emma, Klara), teilt klaras Grundstück in drei Parzellen, verkauft an den Tuchhändler, den Architekten und den Tee- und Kaffeeimporteur - **Der Tuchhändler:** verkauft an - **Jüdische Familie:** Ludwig (Erstgeborener) geht ins Exil nach Kapstadt, Eltern: Arthur und Hermine → werden ermordet, Schwester: Elisabeth mit Ehemann Ernst und Tochter Doris →werden ermordet, spätere Ehefrau Anna, Kinder Elliot und Elisabeth - **Doris:** Das Mädchen = Nichte von Ludwig, von Nazis nach der Entdeckung des Verstecks im Ghetto ermordet - **Der Architekt und seine Frau:** Sie kauft das Grundstück, Er baut das Haus am See nach ihren Wünschen, Er geht in den Westen, sie später auch, Sie versteckt sich im Krieg im Haus, wird vom Rotarmisten entdeckt, Sie vererbt das Haus den Nichten, diese sind Erben nach der Wende. - **Der Rotarmist:** vergewaltigt die Frau des Architekten, Familie wurde von deutschen Soldaten getötet, befenligt Soldaten die im Haus untergebracht sind, entdeckt Frau des Architekten im Schrankzimmer. - **Die Schriftstellerin:** hat Ehemann und Sohn, später Schwiegertochter und Enkelin, Besucherin = Großmutter der Schwiegertochter, geflüchtet, Enkelin = unberechtigte Eigenbesitzerin, lebt heimlich im Haus nach klärung der Besitzverhältnisse →ist Spielgefährtin des Kinderfreundes. - **Die Unterpächter:** mieten Werkstatt, lebt um 1990 am Seegrunstück mit seiner Frau lässt sie allein. - **Kinderfreund:** lebt im Dorf, spielt als Kind mit der Enkelin der Schriftstellerin, hofft auf Ehe mit ihr. ## Das Haus - **1930:** Verkauf des Grundstücks am See durch den Großbauern an den Architekten, Unterzeichnung des Kaufvertrags durch die spätere Ehefrau. - **Planung und Bau des Hauses am See nach Wünschen der Frau:** Umgestaltung des Gartens (fast zeitgleich: Planung und Hausbau des Kaffee und Teeimporteurs, Planung des Bootshauses des jüdischen Tuchhändlers) - **Bau von Werkstatt und Schuppen am See:** Erweiterung des Grundstücks durch Erwerb des judischen Nachbargrundstückes mit Steg und Badehaus. - **1945:** Verwüstung des Grundstücks durch die Rotarmisten - **Anschaffung von Bienen mit Haus und Schleuderraum:** Versiegelung des Hauses durch die Gemeinde in der DDR. - **Verpachtung des Hauses an ein Schriftstellerehepaar:** Verpachtung des Bienenhauses und Obstgartens an einen jungen Arzt aus Berlin → Verkleinerung des Grundstücks, Abriss vom Bienenhaus und Fällen der Obstbäume → Bau eines Hauses, Versetzung des Badehauses → Zugang zum See. - **Erwerb des Hauses durch Schriftstellerehepaar:** Vermietung der Werkstatt an Unterpächter - **nach Tod des Schriftstellerehepaares:** Erbe durch Sohn und Enkelin und Verfallsspuren am Haus. - **nach der Wende:** kein Umbau → ungeklärte Eigentumsverhältnisse → Kündigung des Unterpachtvertrages. - **Verkauf des Hauses aber illegales Bewohnen der Enkelin:** kleine Reperaturen durch Kinderfreund - **2000:** Abriss des Hauses. ## Heimat, Haus, Heimsuchung - **Definition nach Jenny Erpenbeck:** "Heimat ist etwas, das man wahrscheinlich erst bemerkt, wenn man es verloren hat" - Heimat verweist auf die Beziehung zwischen Mensch und Raum - Heimat ist Land, Landesteil oder Ort, in dem man (geboren und aufgewachsen ist oder sich durch ständigen Aufenthalt zu Hause fühlt. - **Heimsuchung:** die Suche nach einer Heimat - Heimsuchung / Bedrohung durch schicksalhafte Prüfungen durch äußere Umstände ### Heimatbegriff - ein Ort (Land, Dorf, Haus, Zimmer, Sitzbank, See) - •Sprache, Idee, Ideologie, Utopie - Gebräuche und Traditionen ### Gesellschaft - Großbauer und seine Töchter - Architekt - Tuchfabrikant - Frau des Architekten - Mädchen Doris - Rotamist - Schriftstellerin - Besucherin - Unterpächter - Kinderfreund - Unberechtigte Eigentümerin ### Flucht als Motiv - **Flucht im ersten Weltkrieg:** Der Architekt muss sich als Soldat im Ersten Weltkrieg hinter die feindlichen Linien zurückziehen (vgl. 5.39) - **Flucht vor den Nationalsozialisten:** Der jüdische Tuchhändler Ludwig flieht mit seiner Frau Anna nach Kapstadt, Schriftstellerin flieht als Kommunistin mit jüdischer Großmutter zusammen mit dem Ehemann ins Exil in die sowijetunion. - **Flucht und Vertreibung im Zweiten Weltkrieg:** Die Eltern der Frau des Unterpächters aus dem Erzgebirge müssen auf der Flucht ihre zwei Töchter Fremden überlassen; die Kinder werden getrennt und wissen lange nichts voneinander. Die Besucherin (die Großmutter der Frau des Sohnes des Schrift- stellerehepaars) flieht mit drei Enkeln vor der Roten Armee, dann nach Berlin. Ein deutscher Beamter, als Bürgermeister im sog. „Warthegau" eingesetzt flieht vor der Roten Armee. (S. 115) Flucht der Nichte der Frau des Architekten vor Russen (vgl. S.73) - **Flucht vor Zwangsarbeit und Lager in der Stalin -Ära:** Das Schriftstellerehepaar versteckt sich vor dem drohenden Abtransport nach Nowosibirsk. - **Flucht vor Erinnerung/Schuld:** von den Russen eingesetzter Bürgermeister im Warthegau: nach Deportation und Ermordung von Juden und Jüdinnen in seinem Bezirk (vgl. S. 115), Schriftstellerin: verschweigt stalinistisches Unrecht, lässt aus, hat Hilfleistung unterlassen. Besucherin: hat Bruder ihres ukrainischen Mannes abgewiesen (vgl. S.136f.) - **Flucht in den Westen:** Der Architekt des Hause setzt sich ab in den Westen, bevor er in der DDR verhaftet wird. Der Unterpächter versucht als Student mit einem Freund schwimmend die Elbe zu durchqueren, um in die Bundesrepublik zu gelangen; der Freund ertrinkt dabei, der Unterpächter wird verurteielt und bleibt im Osten - **Gefängnisgenossen des Unterpächters:** Männer aus dem Baugewerbe beim Mauerbau versuchten die Möglichkeit zur Flucht zu nutzen (vgl. S.152) - **Frau des Architekten:** Erinnerung an die eine Nacht, unklare Täter-Opfer Beziehung (bei der Vergewaltigung) - **Unterpächter:** steht seiner Frau nicht bei; trägt vielleicht Mitschuld am Ertrinken seines Freundes bei gescheiterter Republikflucht. - **Flucht vor Armut:** Ukrainer: der Ehemann der Besucherin, Bruder desselben, Rotarmist konstatiert das Fehlen von Armut bei Deutschen →sieht entsprechend ein Kriegsgrund (vgl. S. 95) ## Verknüpfung der Geschehnisse mit historischen Umständen ### Kaiserzeit/Weimarer Republik: - Großbauer, Verheiratung von Töchtern, Patriarchat, Hierarchien, Besitzverhältnisse - Bau von Ferienhäusern am Scharmützelsee - Hausbau mit vielen Details - Besucher, Lebensweise, Sommerresidenz - intakte Natur, Krebse im See ### NS-Zeit: - Enteignung der Jüdinnin und Juden, Deportation und Ermordung - Bau von Ghettos, Konzentrationslagem - Zwangsverkauf von jüdischem Besitz (Arisierung) - Witze, Anpassung an politische Verhältnisse, Opportunismus, Mitläufertum und Bereicherung - Verwaltung der neu besetzten Gebiete durch deutsche Staatsbeamte (Warthegau) - Schauspieler als Gäste, Berufsverbote, Propaganda und Judenhetze - Morde und Gewalt der deutschen Wehrmacht in Russland ### Krieg und Kriegsende: - Zerstörung der Städte im Bombenkrieg - Flucht und Vertreibung und deren Folgen (Familienzusammen-gehörigkeit, Armut, Verlust von Heimat und Sicherheiten) - Besatzung durch die Rote Armee (Vergewaltigung, Zerstörung, Vandalismus ) - Hunger und Armut der Nachkriegszeit ### DDR: - Besitzverhältnisse und neue Richtlinien in der späteren DDR (junger Arzt mit neuen Rechten, Architekt scheitert am Schraubenknauf im Westen) - Republik flucht und Folgen - Haus geht an die Gemeinde - Kommunistin aus dem Exil pachtet und kauft später das Grundstück (Schriftstellerin), Beziehung zur Führungselite der DDR ### Wende und wiedervereinigtes Deutschland: - zunächst juristisch unklare Lage der Eigentumsverhältnisse - Rückgabe nach einem Gerichtsstreit an die Erben der Alteigentümerin (Frau des Architekten) sowie die Nachfahren der jüdischen Tuchhändlerfamilie - Verfall und Abriss des Hauses statt Sanierung und Erhalt ## Erzähltextanalyse - **Raum und Schauplatz:** Raum bzw. Schauplatz in dem sich die Handlung abspielt. fiktive Geschehen kann sich in realen Räumen wiederfinden, dient Atmosphäre, soziales Umfeld, Lokalkolorit in dem Figuren leben und handeln - **Beziehung zwischen Ort und Figur** - **Motive und Leitmotive:** kleinste strukturbildende und bedeutenste Einheit Motiv, sprachliches Bild als ordnende und verbindende Funktion Leitmotiv, Farben, Stimmungen, Symbole, Personen, Sätze, Redewendungen... Betonung durch häufige Wiederholung für Personen, Orte, Konflikte etc. - **Zeit und Zeitstrukturen:** Zeitdeckung: Erzählzeit und erzählte Zeit annähemd deckungsgleich, Zeitraffung Erzählzeit kürzer als erzählte Zeit, Zeitdehnung: Erzählzeit länger als erzählte Zeit - **Figuren und Figurenkonstellation:** Art der Beziehung zueinander (allgemein biographische Beschreibung) kompositorische Konstellation (Parallelfiguren oder Kontrastfiguren) - **Darbietungsform:** erzählte Rede - Innensicht (Gedanken und Gefühle) - Figuren/ Personenrede (indirekte Rede) →vielfach bei personalen Erzählsituationen, erlebte Rede zwischen direkter und indirekter Rede 3. Pers. Indikativ Präteritum (Bsp. Hatte er wirklich diesen Freund in St. Petersburg anstatt Er fragte sich, ob...), Innerer Monolog- unmittelbare Innenwelt - 1. Pers. Singular, meistens Präsens → Erzähler tritt zurück - Identifikationsmöglichkeiten, Bewusstseinsstrom - erweitert inneren Monolog-frei von grammatischen Regeln, fließende Übergänge - **Erzähler, Erzählhaltung und Erzählperspektive:** auktorialer Erzähler: allwissend, außerhalb des Geschehens, souverän, Haupt - Darbietungsform: Erzählerbericht, personaler Erzähler: Blickwinkel einer oder mehrerer Personen (Innen- u. Polyperspktive), subjektive Erleben einer Figur, Haupt Darbietungsform: szenische Darstellung, erlebte Rede, innerer Monolog, Ich-Erzähler: Ich-Form, eingeschränkt auf eine Figur, kennt Erinnerungen der Figur, auktorialer Erzähler einer Figur => auktoriale Ich-Erzählperspektive, heterodiegetischer Erzähler: unbeteiligt, homodigetischer Erzähler: beteiligt - **Einleitung:** Einleitungssatz, Deutungshypothese: Wer? (Erzählertyp), Hauptteil: Was? (eigenständiger, inhaltlicher Zugriff), Wie? (Erzähltechnik und Sprache), Warum? - **Überprüfung der Deutungshypothese:** Einordnung des Textauszugs, Gliederung des Auszuges, wer? Was? Wie? Warum? → mit Belegen, Abschnitt für Abschnitt, Erzähltechnik etc., Aussage der Abschnitte zueinander - **Schluss:** Bestätigung (oder nicht) der Deutungshypothese, Zentral: Was u. Warum - **Sprachliche Mittel:** Aufzählung - wiederkehrende, aufeinanderfolgende.. Handlungen, Wiederholung - Thematische Schwerpunktsetzung (Überzeugung...) durch Schreibweise - Thema, Strukturierung des Textes hervorgehoben, Bsp. Schreibmaschiene tippen, Ellipsen - Gedankenrede, Verdrängung einer Auseinanderseteung, Sprichwörter, Reime - Kontrastierung: Floskel vs. Begebenheiten, Fachvokabular: zeigt Tynismus der NS-Zeit durch euphemistische Begriffe, fachliche Kompetenz, Personifizierung - Gegenstand o.ä. menschliche Fähigkeiten zuord-nen, Wortspiele/Metaphorik - Hervorhebung der Wortbedeutung, Metapher, Gebrauch von Futur - Vorrausdeutung, Zeitraffung - Konzentration auf wichtige Ereignisse, Bsp. Haus, Haut, Heimat, Heimstatt, Wortfelder-Leitmotivische Verknüpfung o. Betrachten, Blick, sichtbar