Fourier Transformation: Introduction PDF
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University of Vienna
Franz Embacher
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This document introduces the fundamentals of Fourier transformation theory. It focuses on representing a function as a continuous superposition of harmonic oscillations. Key properties of the transformation are discussed, including the concept of distributions and their Fourier transforms.
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mathe online Skripten http://www.mathe-online.at/skripten/ Fouriertransformation: Einführung Franz Embacher Fakultät für Mathematik der Universität Wien E-mail: [email protected] WWW: http://homepage.univie.ac.at/franz.embacher/ In diesem Skriptum werden die Grundlagen der Theorie der Fouriertransformati- on behandelt. Dabei geht es hauptsächlich um die Darstellung einer gegebenen Funktion (eines Signals“) als kontinuierliche Überlagerung“ von harmonischen ” ” Schwingungen. Die wichtigsten Eigenschaften der Fouriertransformation werden diskutiert, und das Konzept der Distributionen (verallgemeinerten Funktionen) und ihrer Fouriertransformierten wird vorgestellt. Das Thema wird im Nachfolge- skriptum Fouriertransformation: Beispiele vertieft. 1 Motivation und Definition Zur Motivation des Konzepts der Fouriertransformation gehen wir von einer auf der Menge der reellen Zahlen definierten periodischen Funktion f mit Periode T aus, die in eine Fourier- reihe1 entwickelt werden kann. In vielen Anwendungskontexten ist die Funktion f reellwertig (d.h. f : R → R) und stellt ein zeitabhängiges Signal dar, aber grundsätzlich darf sie kom- plexwertig2 sein (also f : R → C). Um die Schreibweise in diesem Abschnitt so einfach wie möglich zu halten, wollen wir annehmen, dass die Fourierreihe von f an jeder Stelle t ∈ R gegen f (t) konvergiert. Dann kann f als Fourierreihe dargestellt werden, wobei wir für die Zwecke dieses Abschnitts die komplexe Form wählen: ∞ ∞ 2π X X jn t f (t) = cn e T = cn ej ωn t. (1.1) n=−∞ n=−∞ 1 Siehe dazu die Skripten Fourierreihen: Einführung und Fourierreihen: Beispiele. 2 Zum Rechnen mit komplexen Zahlen siehe die Skripten Komplexe Zahlen und die komplexe Ebene und Polardarstellung komplexer Zahlen und die komplexe Exponentialfunktion. Fouriertransformation: Einführung 2 Dabei bezeichnet ωn = 2π T n die Kreisfrequenzen3 der harmonischen Schwingungen, die zur Fourierreihe beitragen. Die in (1.1) auftretenden Fourierkoeffizienten können mit Hilfe der Formel 1 T /2 −j n 2π t 1 T /2 −j ωn t Z Z cn = e T f (t) dt = e f (t) dt für n ∈ Z (1.2) T −T /2 T −T /2 berechnet werden. Gibt es eine der Fourierreihe entsprechende Darstellung von Funktionen, die nicht peri- odisch sind? Da exakte Periodizität eine starke Idealisierung ist, ist diese Frage von großem praktischen Interesse. Sie betrifft insbesondere zeitabhängige Vorgänge (Signale), die durch Funktionen beschrieben werden, die nur in einem bestimmten Zeitintervall ein bestimmtes, uns interessierendes Verhalten zeigen, davor und danach aber sehr klein oder überhaupt 0 sind. Die zentrale Idee, eine solche Darstellungsform zu finden, besteht darin, die Periode T in den Beziehungen (1.1) und (1.2) gegen Unendlich streben zu lassen. Man kann sich vorstellen, dass sich das Intervall − T2 , T2 im Grenzfall T → ∞ über die ganze reelle Zahlengerade erstreckt, also mit R identifiziert wird. Die Kreisfrequenzen ωn rücken für wachsendes T immer näher zusammen. Die Differenz zweier benachbarter Kreisfrequenzen ist durch 2π 2π ∆ω = ωn+1 − ωn = (n + 1) − n = (1.3) T T gegeben. Für hinreichend großes T wird sie beliebig klein. Daher können wir im Grenzfall T → ∞ ein Kontinuum von Kreisfrequenzen erwarten. Die diskreten Werte ωn werden dann durch eine kontinuierliche Variable ω ersetzt, die beliebige reelle Werte annehmen kann. Die Differenz ∆ω wird im kontinuierlichen Grenzfall zu einer infinitesimal kleinen“ ” Größe, die wir mit dω bezeichnen. In diesem Sinn ersetzen wir 1 T /2 −j ωn t ∆ω T /2 −j ωn t dω ∞ −j ω t Z Z Z cn = e f (t) dt = e f (t) dt → e f (t) dt , T −T /2 2π −T /2 2π −∞ | {z } F (ω) (1.4) wobei die Funktion F : R → C als Abkürzung für das Integral auf der rechten Seite eingeführt wurde. Die Fourierreihe (1.1) wird damit ersetzt durch ∞ Z ∞ Z ∞ X j ωn t dω jωt 1 f (t) = cn e → F (ω) e = ej ω t F (ω) dω, (1.5) n=−∞ |{z} −∞ 2π 2π −∞ dω → F (ω) 2π wobei die Summe in ein Integral übergegangen ist. Damit ist der Grenzübergang T → ∞ sowohl für (1.1) als auch für (1.2) durchgeführt. Unser Ausgangspunkt sind also die beiden Beziehungen 3 Das ist etwas schlampig formuliert: Genau genommen ist |ωn |, also 2π T |n|, die Kreisfrequenz der Schwin- gung, die durch ej ωn t und ej ω−n t (oder, gleichwertig, durch cos(|n| 2π 2π T t) und sin(|n| T t)) repräsentiert wird. Der Fall n = 0 entspricht ω0 = 0, was den konstanten (zeitunabhängigen) Anteil von f charakterisiert. Wir wollen aber der Einfachheit halber auch im Folgenden die saloppe Sprechweise verwenden, dass ωn die möglichen Kreisfrequenzen bezeichnet. Fouriertransformation: Einführung 3 Z ∞ 1 f (t) = ej ω t F (ω) dω (1.6) 2π −∞ und Z ∞ F (ω) = e−j ω t f (t) dt. (1.7) −∞ Sie haben grundsätzlich eine zu (1.1) und (1.2) analoge Bedeutung: Sie besagen, dass die Funktion f in der Form (1.6) dargestellt werden kann, also als kontinuierliche Überlagerung von harmonischen Schwingungen (man spricht auch von der Fourierdarstellung von f ), wobei die Anteile, die den unterschiedlichen Werten der Kreisfrequenz4 ω entsprechen, durch (1.7) gegeben sind. Der Unterschied zu (1.1) – (1.2) besteht darin, dass zu einer periodischen Funktion nur diskrete Werte der Kreisfrequenz beitragen (nämlich die ωn ), weshalb man von einem Linienspektrum spricht, während im Fall der nicht-periodischen Funktion f in (1.6) – (1.7) ein kontinuierliches Spektrum vorliegt. Die Funktion F wird das Frequenzspektrum5 (oder kurz Spektrum, auch Spektralfunktion) von f genannt. Dass die Variable ω in (1.6) und (1.7) alle reellen Werte annehmen kann, also auch negative, mag ein bisschen verwundern. Das bedeutet natürlich nicht, dass es harmonische Schwingungen mit negativen Kreisfrequenzen gäbe, sondern rührt daher, dass zur komplexen Darstellung einer harmonischen Schwingung mit Kreisfrequenz ω > 0 beide Funktionen t 7→ ej ω t und t 7→ e−j ω t benötigt werden. Beachten Sie, dass man (1.6) auch in der Form Z ∞ 1 ej ω t F (ω) + e−j ω t F (−ω) dω f (t) = (1.8) 2π 0 schreiben kann. Daher gehören für ω 6= 0 immer Paare (ω, −ω) zusammen, und zwar (im physikalischen Sinn) zur Kreisfrequenz |ω|. Die der harmonischen Schwingung mit Kreisfre- quenz |ω| entsprechenden Beiträge zu f werden durch die komplexen Amplituden“ F (ω) und ” F (−ω) ausgedrückt. Mit Hilfe der Eulerschen Formel e±j ω t = cos(ω t) ± j sin(ω t) (1.9) und der aus ihr folgenden Darstellungen der Sinus- und der Cosinusfunktion 1 jωt + e−j ω t cos(ω t) = e (1.10) 2 j sin(ω t) = − ej ω t − e−j ω t (1.11) 2 wird der Zusammenhang zwischen der komplexen und der reellen Schreibweise von harmoni- schen Schwingungen hergestellt. In den Abschnitten 6 und 7 werden wir das weiter verfolgen 4 In den Skripten zu den Fourierreihen wurde das Symbol ω für die Kreisfrequenz der Grundschwingung be- nutzt. Beachten Sie, dass es jetzt eine andere Bedeutung hat: Es stellt nun das Spektrum aller Kreisfrequenzen dar. 5 In der Praxis wird zwischen den Begriffen Frequenz und Kreisfrequenz in derartigen Bezeichnungen kein großer Unterschied gemacht. Genau genommen müssten wir F das Kreisfrequenzspektrum“ von f nennen, ” aber das macht niemand. Fouriertransformation: Einführung 4 und die harmonischen Schwingungen, deren Überlagerung f ist, durch die reellen Winkelfunk- tionen ausdrücken. Hinsichtlich des Sprachgebrauchs wollen wir ein bisschen salopp sein: Da es umständlich ist, zu jedem Wert von ω auch −ω zu betrachten, ist es üblich, die Variable ω der Kürze halber als Kreisfrequenz“ zu bezeichnen, unabhängig von ihrem Vor- ” zeichen, so als ob es negative Kreisfrequenzen gäbe. Das ist zwar nicht ganz korrekt, aber bequem. In mathematischer Hinsicht heißt F die Fouriertransformierte von f , und die ursprünglich gegebene Funktion f heißt die inverse Fouriertransformierte von F. Integrale, wie sie in (1.6) und (1.7) auftreten, nennt man Fourierintegrale. Die praktische Vorgangsweise bei der Fourieranalyse nicht-periodischer Funktionen entspricht jener, die auch bei der Entwicklung einer gegebenen periodischen Funktion in eine Fourierreihe angewandt wird: Zunächst wird F mittels (1.7) berechnet. Dabei wollen wir voraussetzen, dass das Integral existiert. Ist f eine hinreichend friedliche Funktion (mehr dazu im nächsten Ab- schnitt), so bekommt man sie mit (1.6) zurück – jetzt als Fourierintegral dargestellt. Wir haben oben eine intuitiv ansprechende Herleitung dieses Sachverhalts vorgeführt und verzichten auf eine mathematisch strengere Begründung. Eine kleine Präzisierung des Bisherigen müssen wir aber anbringen: Wie bei den Fourierreihen kann es passieren, dass die durch (1.6) ausgedrückte Gleichheit nicht wirklich für alle t ∈ R gilt. In der Regel sind es aber nur die Unstetigkeitsstellen von f , an denen sich die inverse Fouriertransformierte von der Ausgangsfunktion unterscheidet. In einem solchen Fall müsste man (1.6) genauer in der Form Z ∞ 1 = f (t) ae ej ω t F (ω) dω (1.12) 2π −∞ schreiben, wobei das Symbol ae = equal almost everywhere (fast überall gleich) ausgesprochen wird. Solche Unterschiede an einzelnen Stellen sind aber nicht allzu bedeutsam. Wir vereinba- ren, dass das Symbol = auch dann verwendet wird, wenn es eigentlich ae = heißen müsste. Diese Vereinbarung kann auch so verstanden werden, dass Funktionen, die fast überall“ gleich sind, ” miteinander identifiziert werden6. Man kann die Beziehungen (1.6) – (1.7) natürlich auch in umgekehrter Reihenfolge lesen, eine hinreichend friedliche Funktion F vorgeben und mittels (1.6) herausfinden, welche Funktion f durch sie dargestellt wird. Dann bekommt man mit (1.7) die Funktion F zurück. Dabei haben im Wesentlichen nur f und F ihre Rollen vertauscht. Beachten Sie, dass (1.6) und (1.7) eine 1 sehr schöne (fast perfekte) Symmetrie aufweisen! Vom Vorfaktor 2π und den Vorzeichen in den Exponenten abgesehen, haben sie die gleiche Form. In der Literatur findet man bisweilen auch andere Konventionen für die (inverse) Fouriertrans- 6 Genau genommen bezeichnen f und F dann nicht Funktionen, sondern Klassen fast überall gleicher ” Funktionen“. Das ist ein bisschen so, als möchte man für einen bestimmten Zweck zwischen Menschen, die im selben Jahr geboren sind, nicht unterscheiden. Man betrachtet dann nicht einzelne Menschen, sondern Klassen von Menschen, die im selben Jahr geboren sind“. Die genaue Bedeutung des Begriffs fast überall“ ” ” ist in Wahrheit umfassender als hier dargestellt, aber für unsere Zwecke reicht die Version überall außer ” möglicherweise an einzelnen Stellen“ aus. Fouriertransformation: Einführung 5 formation, etwa diese: Z ∞ Z ∞ 1 1 f (t) = √ jωt e F2 (ω) dω und F2 (ω) = √ e−j ω t f (t) dt. (1.13) 2π −∞ 2π −∞ √ Mit F (ω) = 2π F2 (ω) lässt sie sich leicht in die von uns verwendete Konvention umrechnen (und umgekehrt). 2 Fouriertransformation Soeben haben wir das Wort Fouriertransformation“ verwendet. Was ist das? Die Fourier- ” transformation ist die Abbildung, die einer Funktion f ihre Fouriertransformierte zuordnet, also f 7→ F , (2.1) und die inverse Fouriertransformation ist die Umkehrabbildung (inverse Abbildung) dazu, d.h. die Abbildung, die einer Funktion F ihre inverse Fouriertransformierte zuordnet, also F 7→ f. (2.2) Das bezieht sich nicht auf einzelne Funktionswerte f (t) und F (ω), sondern auf die Funktionen als Ganzes. Bei der Fouriertransformation und der inversen Fouriertransformation handelt es sich um Abbildungen auf Funktionenräumen, also um abstraktere Konzepte als die Ihnen bekannten Abbildungen auf Zahlenmengen7. Bezeichnen wir die Fouriertransformation mit F, also F : f 7→ F , (2.3) so können wir anstelle von F auch F(f ) schreiben. Das bedeutet, dass man F (ω) auch in der Form (F(f ))(ω) oder kürzer F(f )(ω) schreiben kann. Die inverse Fouriertransformation wird dann mit F −1 bezeichnet, also F −1 : F 7→ f , (2.4) sodass wir anstelle von f auch F −1 (F ) schreiben können und statt f (t) auch (F −1 (F ))(t) oder kürzer F −1 (F )(t). Manchmal wird stattdessen die Schreibweise F [f (t)] (ω) für F (ω) (2.5) verwendet. Um das mögliche Missverständnis zu vermeiden, F würde auf einen Funktionswert f (t) wirken, werden hier eckige Klammern statt runder gemacht. [f (t)] steht für die Funktion f als Ganzes (repräsentiert durch einen Funktionsterm), nicht für den Funktionswert an der Stelle t. Analog kann man F −1 [F (ω)] (t) anstelle von f (t) schreiben. 7 Man nennt Abbildungen auf Funktionenräumen auch Funktionale. Mathematisch betrachtet handelt es sich dabei natürlich um Funktionen, aber es sind Funktionen, die nicht auf Zahlen wirken, sondern auf Funktionen! Fouriertransformation: Einführung 6 Eine weitere, in der Praxis oft genutzte Schreibweise, in der beide Variablenbezeichnungen t (für f ) und ω (für F ) vorkommen, die aber ebenfalls die Funktionen als Ganzes meint, sieht so aus: f (t) ◦— F (ω). (2.6) Auf der rechten Seite steht ein Funktionsterm für die Fouriertransformierte jener Funktion, die durch den Funktionsterm auf der linken Seite angegeben ist, und umgekehrt steht auf der linken Seite ein Funktionsterm für die inverse Fouriertransformierte jener Funktion, die durch den Funktionsterm auf der rechten Seite angegeben ist. Beide Funktionen beinhalten die gleiche Information. Das Symbol ◦— heißt Korrespondenzsymbol. Durch die Schreibweise (2.6) wird ausgedrückt, dass die Funktionen f und F , repräsentiert durch Funktionsterme f (t) und F (ω), zusammengehören (einander entsprechen, korrespondieren“). Sie ist nicht ” nur übersichtlich, sondern spart auch Schreibarbeit. Daher werden wir sie ab dem nächsten Abschnitt vorzugsweise verwenden. (Leider wird das Korrespondenzsymbol auch für die – in technischen Anwendungen ebenfalls wichtige – Laplacetransformation verwendet. Man muss also immer aus dem Kontext erschließen, was es bedeutet.) Jetzt wollen Sie sicher ein Beispiel sehen. Hier ist eines: 2 e−|t| ◦—. (2.7) 1 + ω2 Der gleiche Sachverhalt sieht in der Schreibweise (2.5) so aus: 2 F e−|t| (ω) = . (2.8) 1 + ω2 Er kann auch in umgekehrter Richtung“ in der Form ” −1 2 F 2 (t) = e−|t| (2.9) 1+ω ausgedrückt oder ganz ausführlich so beschrieben werden: Mit f (t) = e−|t| gilt Z ∞ 2 F (ω) = F(f )(ω) = e−j ω t e−|t| dt =... = , (2.10) −∞ 1 + ω2 wobei die Punkte für die Berechnung des Integrals stehen, zu der wir im nächsten Abschnitt 2 kommen. Oder, in umgekehrter Richtung“: Mit F (ω) = 1+ω 2 gilt ” Z ∞ −1 1 2 f (t) = F (F )(t) = ej ω t dω =... = e−|t|. (2.11) 2π −∞ 1 + ω2 Abbildung 1 zeigt die Graphen der Funktionen f und F. (Da sie beide reell sind, können wir ihre Graphen zeichnen.) Fouriertransformation: Einführung 7 Abbildung 1: Die Graphen der beiden in (2.7) angeschriebenen Funktionen: Links die 2 Funktion t 7→ e−|t| , rechts ihre Fouriertransformierte ω 7→. 1 + ω2 Nach diesem Beispiel kehren wir zu allgemeinen Betrachtungen zurück. Welche Funktionen f besitzen eine Fouriertransformierte F , und wann liefert die inverse Fouriertransformierte von F die Funktion f zurück? Wir wollen uns nicht sehr in diese Frage vertiefen. Im vorigen Abschnitt wurde formuliert, dass f hinreichend friedlich“ sein muss. In der Praxis funktioniert ” alles wunderbar, wenn die Funktionen f und F im Unendlichen stark genug abfallen und keine Stellen aufweisen, an denen sie auf allzu schlimme Weise unendlich werden. Sprungstellen dürfen sie besitzen, und in den meisten Fällen kommt man mit Funktionen aus, die – außer vielleicht an endlich vielen Stellen – beliebig oft differenzierbar sind. Ein genaueres R∞ Kriterium ist dieses: Falls f stückweise stetig differenzierbar8 ist und −∞ |f (t)| dt existiert, dann existiert der gemäß (1.7) berechnete Wert F (ω) für jedes ω ∈ R. Weiters existiert dann das Integral auf der rechten Seite von (1.6) für jedes t ∈ R, und es gilt Z ∞ 1 ej ω t F (ω) dω = 2π −∞ f (t) wenn f an der Stelle t stetig ist = (2.12) f (t−) + f (t+) sonst. 2 (Die Konvergenz gegen den Mittelwert aus links- und rechtsseitigem Grenzwert an den Unstetigkeitsstellen kennen wir bereits von den Fourierreihen.) Gemäß unserer Vereinbarung, dass es auf die Werte an einzelnen Stellen nicht ankommt und = = bedeuten kann, können wir (2.12) in der Form (1.6) anschreiben. auch ae R∞ Wir erwähnen noch ein anderes Kriterium: Falls −∞ |f (t)| dt existiert, dann R ∞ F (ω) für jedes ω ∈ R, und falls für die existiert der gemäß (1.7) berechnete Wert so definierte Funktion F das Integral −∞ |F (ω)| dω existiert, so ist auch (1.6) für 8 Diese Eigenschaft wurde im Skriptum Fourierreihen: Einführung genauer besprochen. Eine auf ganz R definierte Funktion f heißt stückweise stetig differenzierbar, wenn jedes beschränkte abgeschlossene Intervall so in endlich viele Teilintervalle zerlegt werden kann, dass f in jedem dieser Teilintervalle stetig differenzierbar ist und an jeder Zerlegungsstelle t zwischen den Teilintervallen sowohl der linksseitige Grenzwert f (t−) als auch der rechtsseitige Grenzwert f (t+) existiert. Fouriertransformation: Einführung 8 jedes t ∈ R erfüllt. Aufgrund der Symmetrie zwischen (1.6) und (1.7) gilt diese Aussage auch, wenn die Rollen von f und F vertauscht werden. R∞ Ein häufig anzutreffender Fall liegt vor, wenn zusätzlich das Integral −∞ |f (t)|2 dt R∞ existiert. Dann existiert auch das Integral −∞ |F (ω)|2 dω, und die beiden Integrale erfüllen die Beziehung Z ∞ Z ∞ 2 1 |f (t)| dt = |F (ω)|2 dω. (2.13) −∞ 2π −∞ Bei der Berechnung von Fouriertransformierten ist folgender grundlegende Aspekt oft eine große Hilfe: Aus dem Zusammenspiel zwischen Fouriertransformation und inverser Fourier- transformation folgt, dass es für eine gegebene Funktion f höchstens eine Darstellung der Form (1.6) gibt. Gelingt es, f als Integral in der Form Z ∞ 1 f (t) = ej ω t eineFunktion(ω) dω (2.14) 2π −∞ darzustellen, so folgt automatisch eineFunktion(ω) = F (ω), (2.15) d.h. die Fouriertransformierte von f ist dann gefunden. Für manche Zwecke möchte man die Fouriertransformierte einer Funktion bilden, die im bisher verstandenen Sinn gar keine Fouriertransformierte besitzt, beispielsweise für die konstante Funktion f (t) = 1, für die das Integral (1.7) natürlich nicht existiert, weil der Integrand im Unendlichen nicht gegen 0 strebt. Im Rahmen einer etwas anderen Mathematik kann man auch diese Situationen in den Griff bekommen, doch dazu mehr im Abschnitt 8. Aus der Theorie der Fourierreihen kennen Sie die Begriffe Zeitbereich und Frequenzbereich. Sie werden auch im Zusammenhang mit der Fouriertransformation verwendet. Im Zeitbereich betrachtet man die gegebene Funktion f , die jedem Zeitpunkt t eine Zahl (den Wert f (t) eines Signals zur Zeit t) zuordnet. Im Frequenzbereich betrachtet man die (Kreis-)Frequenz- Anteile, die in f stecken, also die Fouriertransformierte (das Frequenzspektrum) F. Da F das Bildelement“ von f unter der Wirkung der Fouriertransformation F ist, wird der Frequenz- ” bereich auch Bildbereich genannt. Eine weitere Bezeichnung dafür ist Spektralbereich. Wie im Fall der Fourierreihen gilt auch hier, dass manche Probleme besser im Zeitbereich und andere besser im Frequenzbereich behandelt werden. Fouriertransformation: Einführung 9 3 Die Rolle der Integralrechnung und ein durchgerechnetes Beispiel Wir machen zunächst einige grundsätzliche Vorbemerkungen zum Thema Rechenaufwand“ ” im Zusammenhang mit der Fouriertransformation. Wie Sie bereits gesehen haben – und im weiteren Verlauf dieses Skriptums noch deutlicher sehen werden – treten in diesem Gebiet der Mathematik jede Menge Integrale auf. Die meisten sind uneigentliche Integrale9 , konkret: Integrale über ganz R (Integrale von −∞ bis ∞“). Bei genauerer Betrachtung stellt sich ” heraus, dass damit zwei unterschiedliche Ziele verfolgt werden: Viele der Berechnungen in diesem Skriptum, in denen Integrale vorkommen und umge- formt werden, sind Argumentationen allgemeiner Natur, an deren Ende eine Regel steht, die einem dann in konkreten Anwendungen das Integrieren erspart! Um die Fouriertransformierte einer konkreten Funktion zu ermitteln, gibt es mehrere Möglichkeiten: – In vielen Fällen ist es möglich, die Fouriertransformierte der gegebenen Funktion ohne Integralrechnung auf eine verwandte Funktion (oder mehrere Funktionen) zurückzuführen, deren Fouriertransformierte man bereits kennt. Im Abschnitt 5 werden die Regeln vorgestellt, die dies ermöglichen. – Wenn Sie die Möglichkeit haben, zur Berechnung von Fourierintegralen ein Com- puteralgebrasystem zu verwenden, dann tun Sie das! – Sie können aber auch eine Integraltafel“ (Liste vieler unbestimmter und bestimm- ” ter Integrale) oder eine Liste von (inversen) Fouriertransformierten“ zu Hilfe neh- ” men (derartige Listen – man nennt sie auch Korrespondenztabellen – finden sich oft in einschlägigen Lehrbüchern, so auch im Nachfolgeskriptum Fouriertransfor- mation: Beispiele) oder auf vertrauenswürdigen Seiten im Web suchen, ob Sie die Lösung finden. – Falls von Ihnen verlangt wird, ein Fourierintegral selbst auf dem Papier zu berech- nen, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als auf die Methoden der Integralrechnung zurückzugreifen. Ein Beispiel dafür werden wir noch in diesem Abschnitt durch- rechnen. Wirklich wichtig bei der Anwendung der Fouriertransformation ist nicht das mühsame Berech- nen von Integralen, sondern ein grundsätzliches Verstehen des Konzepts, eine vorgegebene Funktion als kontinuierliche Überlagerung harmonischer Schwingungen darzustellen, und die Interpretation (und gegebenenfalls auch die nachfolgende Weiterverwendung) des Ergebnisses. Nach diesen Vorbemerkungen, die vor allem dazu gedacht sind, allfällige Ängste vor der In- tegralrechnung im Zusammenhang mit der Fouriertransformation nicht allzu groß werden zu lassen, kommen wir nun als Beispiel der Berechnung einer Fouriertansformierten auf die Beziehungen (2.7) bis (2.11) zurück, die alle dasselbe ausdrücken. In (2.10) ist die Berechnung 9 Dieses Konzept wurde im Skriptum Integrieren – kurz und bündig besprochen. Fouriertransformation: Einführung 10 von F (ω) angedeutet, und wir wollen nun die Punkte ausfüllen. Sei also f (t) = e−|t|. Um das Integral Z ∞ F (ω) = e−j ω t e−|t| dt (3.1) −∞ zu berechnen, bedenken wir, dass |t| für t ≥ 0 gleich t und für t < 0 gleich −t ist. Daher ist e−|t| für t ≥ 0 gleich e−t und für t < 0 gleich et. Das motiviert uns, das Integral (3.1) in eine Summe zweier Teilintegrale zu zerlegen, die jeweils mit elementaren Methoden berechnet werden können: Z ∞ Z 0 Z ∞ −j ω t −|t| −j ω t t e e dt = e e dt + e−j ω t e−t dt = −∞ −∞ 0 Z 0 Z ∞ (1−j ω) t = e dt + e(−1−j ω) t dt = −∞ 0 (1−j ω) t 0 (−1−j ω) t ∞ e e 1 1 = + = − = (3.2) 1 − j ω −∞ −1 − j ω 0 1 − j ω −1 − j ω 1 1 2 2 = + = =. 1−jω 1+jω (1 − j ω)(1 + j ω) 1 + ω2 Das Einsetzen der Integrationsgrenzen −∞ und ∞ istR im Sinn eines GrenzwertsR 0 zu verstehen. 10 0 Genau genommen ist das uneigentliche Integral −∞ als Grenzwert von L für L → −∞ R∞ RL definiert und 0 als Grenzwert von 0 für L → ∞. Das hat man bei einer Rechnung wie (3.2) im Hinterkopf, auch wenn es nicht immer so ausführlich angeschrieben wird. So ist etwa 0 e(1−j ω) t e0 e(1−j ω) L 1 = − lim =. (3.3) 1−jω −∞ 1−jω L→−∞ 1 − j ω 1−jω | {z } | {z } 1 0, siehe (3.4) 1−jω Den Grund, warum der zweite Summand des Ausdrucks zwischen den Gleichheitszeichen gleich 0 ist, sehen wir durch die Umformung e(1−j ω) L = |{z} eL e|−j{zω L} −→ 0 (3.4) L→−∞ −→ 0 Betrag 1 L→−∞ ein. (Erinnern Sie sich, dass jede komplexe Zahl der Form ej ϕ für ϕ ∈ R den Betrag 1 hat11.) Damit sind die Beziehungen (2.7), (2.8) und (2.10) R ∞bestätigt. Da f stückweise stetig differen- zierbar – und sogar stetig – ist und das Integral −∞ |f (t)| dt existiert, sagt uns die Theorie, dass auch (2.9) und (2.11) erfüllt sind, d.h. dass für alle t ∈ R Z ∞ 1 2 ej ω t dω = e−|t| (3.5) 2π −∞ 1 + ω2 10 Siehe dazu das Skriptum Integrieren – kurz und bündig. 11 Siehe dazu das Skriptum Polardarstellung komplexer Zahlen und die komplexe Exponentialfunktion. Fouriertransformation: Einführung 11 gilt. Im Abschnitt 5 werden wir Rechenregeln besprechen, bei deren Begründung zwar Integrale vorkommen, die aber letzten Endes, wie bereits erwähnt, der Vermeidung der Integralrechnung dienen. Auf weitere rechentechnische Aspekte, die die Integralrechnung betreffen, wird im Nachfolgeskriptum Fouriertransformation: Beispiele eingegangen. 4 Fouriertransformierte einer Gaußfunktion Um neben (2.7) noch ein zweites Beispiel einer Fouriertransformierten zur Hand zu haben, wollen wir ein solches noch kurz vorstellen. Eine Gaußfunktion ist eine Funktion der Form 2 t 7→ e−t bzw. eine Funktion, die daraus durch Verschiebung und Reskalierung des Arguments12 und Multiplikation mit einer Konstanten gewonnen wird13. Die allgemeinste Form ist 2 t 7→ c e−b (t−a) (4.1) mit a, b, c ∈ C und Re(b) > 0. Gaußfunktionen spielen in manchen Anwendungen der Fourier- transformation (meist mit reellem b) eine wichtige Rolle, und sie haben eine bemerkenswerte Eigenschaft: Die Fouriertransformierte einer Gaußfunktion (in t) ist wieder eine Gaußfunktion (in ω). Als Beispiel soll uns die Beziehung 2 √ −ω2 /4 e−t ◦— πe (4.2) dienen. Wir werden sie nicht vorrechnen, sondern bitten Sie, sie hier einfach zur Kenntnis zu nehmen. Abbildung 2 zeigt die Graphen der beiden Funktionen. Mit Hilfe der im nächsten Abschnitt vorgestellten Rechenregeln können aus (4.2) auch die Fouriertransformierten aller anderen Gaußfunktionen (4.1) mit positivem b (bzw. allgemeiner mit einem b ∈ C, für das Re(b) > 0 gilt) ermittelt werden. Abbildung 2: Die Graphen der beiden in (4.2) angeschriebenen Funktionen: Links die 2 √ 2 Funktion t 7→ e−t , rechts ihre Fouriertransformierte ω 7→ π e−ω /4. Aufgrund ihrer Form nennt man die Graphen der Gaußfunktionen auch Gaußsche Glockenkurven. 12 Als Argument wird hier die unabhängige Variable einer Funktion bezeichnet (also das x in f (x)). Siehe dazu auch Fußnote 22. 13 Aus Ihrem Mathematikunterricht wissen Sie vielleicht, dass die Dichtefunktion der Normalverteilung durch einen Funktionsterm der Form (4.1) mit a, b, c ∈ R und b, c > 0 definiert ist. Plotten Sie selbst die Graphen einiger Gaußfunktionen! Für c > 0 nimmt die Funktion (4.1) an der Stelle t = a ihr Maximum an. Sie besitzt zwei Wendestellen, beide √12b von dieser Maximumstelle entfernt. Sie ist beliebig oft differenzierbar, und alle ihre Ableitungen streben im Unendlichen sehr schnell gegen 0 und besitzen daher eine Fouriertransformierte. Fouriertransformation: Einführung 12 5 Eigenschaften der Fouriertransformation Die Fouriertransformation besitzt einige Eigenschaften, die als Rechenregeln in konkreten Berechnungen extrem hilfreich sind. Insbesondere erlauben sie es, aus einigen wenigen be- kannten Fouriertransformierten auf die Fouriertransformierten zahlreicher weiterer Funktionen zu schließen. Im Folgenden dürfen alle auftretenden Funktionen komplexwertig sein, und wir nehmen an, dass zwischen f und F (und, wo benötigt, zwischen g und G) die Beziehungen (1.6) und (1.7) gelten. I Linearität der Fouriertransformation Sind die Funktionen f und g gegeben und ihre Fouriertransformierten F und G bekannt, und ist c ∈ C eine beliebige Konstante, so kennen wir auch die Fouriertransformierten der Linearkombinationen f + g und c f. Aus der Linearität des Integrals ( Das Integral einer ” Summe ist die Summe der Integrale“ und Das Integral des c-fachen ist das c-fache des ” Integrals“) folgt f (t) + g(t) ◦— F (ω) + G(ω) (5.1) und c f (t) ◦— c F (ω). (5.2) Wir rechnen (5.1) und (5.2) mit Hilfe von (1.7) nach: Die Fouriertransformierte der Summe f + g ist gegeben durch Z ∞ Linearität des Integrals (Summe) e−j ω t f (t) + g(t) dt = −∞ Z ∞ Z ∞ −j ω t = e f (t) dt + e−j ω t g(t) dt = F (ω) + G(ω). (5.3) −∞ −∞ | {z } | {z } F (ω) G(ω) Die Fouriertransformierte von c f (also des c-fachen von f ) ist gegeben durch Z ∞ Linearität des Integrals (Vielfaches) e−j ω t c f (t) dt = −∞ Z ∞ =c e−j ω t f (t) dt = c F (ω). (5.4) | −∞ {z } F (ω) Die Beziehungen (5.1) und (5.2) können auch in der Form F(f + g) = F(f ) + F(g) (5.5) F(c f ) = c F(f ) (5.6) Fouriertransformation: Einführung 13 angeschrieben werden. Sie besagen gleichzeitig, dass auch die inverse Fouriertransformation linear ist, dass also stets F −1 (F + G) = F −1 (F ) + F −1 (G) (5.7) F −1 (c F ) = c F −1 (F ) (5.8) gilt. Hier ein Beispiel für die Anwendung von (5.2): Für c ∈ R folgt aus (4.2) und (5.2) sofort und ohne weitere Berechnung 2 √ 2 /4 c e−t ◦— π c e−ω. (5.9) I Fouriertransformierte einer im Argument verschobenen Funktion In konkreten Anwendungen steht man oft vor der Situation, dass die Fouriertransformierte F von f bekannt ist und die Fouriertransformierte der im Argument verschobenen Funktion t 7→ f (t − a) für ein a ∈ R benötigt wird. Diese können wir mit (1.6) wie folgt ermitteln: Z ∞ Z ∞ 1 1 f (t − a) = ej ω (t−a) F (ω) dω = ej ω t e−j a ω F (ω) dω. (5.10) 2π −∞ 2π −∞ | {z } Die geschwungene Klammer zeigt die gesuchte Fouriertransformierte. Dabei wurde die Regel (2.14) – (2.15) angewandt. Daraus folgt f (t − a) ◦— e−j a ω F (ω). (5.11) In Worten: Die Verschiebung t → t − a in f (t), also eine Zeitverschiebung, entspricht der Multiplikation von F (ω) mit e−j a ω. Wir können dieses Ergebnis auch mit Hilfe von (1.7) erhalten: Die Fouriertransformierte von t 7→ f (t − a) ist gegeben durch Z ∞ Z ∞ −j ω t Variablensubstitution t = τ + a e f (t − a) dt = e−j ω (τ +a) f (τ ) dτ = −∞ −∞ Z ∞ = e−j a ω e−j ω τ f (τ ) dτ = e−j a ω F (ω). (5.12) −∞ | {z } F (ω) Auch andere Eigenschaften der Fouriertransformation, die wir im Folgenden besprechen wer- den, können wahlweise mit (1.6) oder mit (1.7) begründet werden. Wir werden ab jetzt immer den leichteren Weg wählen. Manche der Regeln zur Berechnung der Fouriertransformierten haben Namen. So wird (5.11) als Verschiebungssatz (englisch shift theorem) bezeichnet. Fouriertransformation: Einführung 14 Beispiel einer Anwendung des Verschiebungssatzes (5.11): Für a ∈ R folgt aus (2.7) und (5.11) sofort und ohne weitere Berechnung 2 e−j a ω e−|t−a| ◦—. (5.13) 1 + ω2 Den Graphen von e−|t−a| bekommt man durch eine Verschiebung des Graphen von e−|t| (der in Abbildung 1 links dargestellt ist) parallel zur t-Achse um a. (Das Maximum liegt nun bei t = a.) Da die Fouriertransformierte in diesem Fall nicht reell ist, kann man ihren Graphen nicht so zeichnen wie in Abbildung 1 (rechts). Ersatzweise kann man die Graphen von Real- und Imaginärteil plotten, wie in Abbildung 3 für a = 2 illustriert. Aufgrund der fast perfekten Symmetrie zwischen (1.6) und (1.7) bekommen wir zu jeder Regel für die Berechnung einer Fouriertransformierten eine Regel, in der f und F ihre Rollen vertau- schen, möglicherweise mit einem zusätzlichen Faktor 2π oder einem geänderten Vorzeichen. Ersetzen wir F (ω) durch F (ω − a) und fragen, welche Funktion von t damit dargestellt wird, so berechnen wir mit (1.7) Z ∞ Z ∞ −j (ω−a) t F (ω − a) = e f (t) dt = e−j ω t ej a t f (t) dt (5.14) −∞ −∞ | {z } und lesen die inverse Fouriertransformierte ab: Es ist die Funktion t 7→ ej a t f (t). Die zu (5.11) verwandte Aussage, die sich im Wesentlichen durch eine Vertauschung der Rollen von f und F ergibt, lautet also: ej a t f (t) ◦— F (ω − a). (5.15) In Worten: Die Verschiebung ω → ω − a in F (ω), also eine Frequenzverschiebung, entspricht der Multiplikation von f (t) mit ej a t. In der Literatur werden (5.15) und (5.11) manchmal als erster und zweiter Verschiebungssatz bezeichnet. Fouriertransformation: Einführung 15 Abbildung 3: Illustration der in (5.13) vorkommenden Funktionen für a = 2: Oben der Graph der Funktion t → 7 e−|t−2| , unten die Graphen von Real- und Imaginärteil 2 e−2 j ω 2 cos(2 ω) der Fouriertransformierten ω 7→. Der Realteil ist ω 7→ (blau), der 1 + ω2 1 + ω2 2 sin(2 ω) Imaginärteil ist ω 7→ − (grün strichliert). 1 + ω2 I Fouriertransformierte einer im Argument reskalierten Funktion Nun sei wieder F die Fouriertransformierte von f , und wir würden gern die Fouriertransfor- mierte der Funktion t 7→ f (b t) für ein b ∈ R, b 6= 0 finden. Mit (1.7) berechnen wir sie zu14 Z ∞ Variablensubstitution t = τ /b e−j ω t f (b t) dt = −∞ Z ∞ 1 1 ω = e−j ω τ /b f (τ ) dτ = F. (5.16) |b| −∞ |b| b | {zω } F b Daraus folgt die Regel 14 Wieso tritt hier der Betrag von b auf? Für b < 0 ergibt die Variablensubstitution wegen dt = dτ b zunächst den Vorfaktor 1b , aber ein Integral von ∞ bis −∞“. Wird letzteres zu einem Integral von −∞ bis ∞“ ” ” gemacht, bekommt man ein zusätzliches Minuszeichen, das zusammen mit dem (negativen) Vorfaktor 1b zu 1 |b| kombiniert wird. Fouriertransformation: Einführung 16 1 ω f (b t) ◦— F. (5.17) |b| b Sie heißt Ähnlichkeitssatz. Werden die Rollen von f und F vertauscht, also die inverse Fouriertransformation von F (b ω) gesucht, so ergibt sich mit Hilfe einer analogen Rechnung die Regel 1 t f ◦— F (b ω), (5.18) |b| b die man aber auch direkt aus (5.17) durch die Ersetzung b → 1b und die Anwendung von (5.2) 1 mit c = |b| erhalten kann (und die im Grunde nichts anderes aussagt als (5.17)). Beispiel einer Anwendung des Ähnlichkeitssatzes (5.17): Für b > 0 folgt aus (2.7) mit Hilfe von (5.17) sofort und ohne weitere Berechnung 2 2b e−b |t| ◦— = 2. (5.19) b 1 + ωb 2 b + ω2 Was wurde durch die Modifikation von e−|t| zu e−b |t| bewirkt? Den Graphen von e−b |t| bekommt man durch eine Stauchung bzw. Streckung des Graphen von e−|t| (der in Abbildung 1 links dargestellt ist) parallel zur t-Achse um den Faktor 1b. Den Graphen der Fouriertransformierten bekommt man aus dem Graphen der Fourier- transformierten von e−|t| (der in Abbildung 1 rechts dargestellt ist) durch eine Stauchung bzw. Streckung parallel zur ω-Achse um den Faktor b und eine Stau- chung bzw. Streckung parallel zur zweiten Achse um den Faktor 1b. Hier noch einige weitere Beispiele der Anwendung der bisherigen Rechenregeln: Wird auf (5.19) der Verschiebungssatz (5.11) für ein a ∈ R angewandt, so ergibt sich die noch allgemeinere Korrespondenz −b |t−a| 2 b e−j a ω e ◦—. (5.20) b2 + ω 2 Analog finden wir aus (4.2) mit Hilfe des Ähnlichkeitssatzes für b > 0 sofort die Regel √ ω2 −b2 t2 π e ◦— exp − 2 , (5.21) b 4b wobei wir hier exp für die Exponentialfunktion zur Basis e geschrieben haben, um Ihnen √ beim Lesen die Verwendung einer Lupe zu ersparen. Man kann auch b durch b ersetzen, womit diese Regel (für b > 0) die Form r ω2 −b t2 π e ◦— exp − (5.22) b 4b Fouriertransformation: Einführung 17 annimmt. Durch eine nachfolgende Anwendung des Verschiebungssatzes für ein a ∈ R erhalten wir r r ω2 ω2 −b (t−a)2 π −j a ω π e ◦— e exp − = exp − − j a ω. b 4b b 4b (5.23) Diese Beispiele illustrieren, dass Verschiebungen und Reskalierungen des Arguments wichtig sind, um den Kontakt mit realistischen (beobachtbaren, messbaren) Größen herzustellen: So kann etwa die Variable t im Ausdruck e−|t| streng genommen nicht die physikalische Zeit darstellen, da sie dimensionslos ist, und im Ausdruck 1 + ω 2 kann die Variable ω aus dem gleichen Grund keine physikalische Kreisfrequenz darstellen. Das wird behoben, indem in (5.20) a die Dimension einer Zeit (gemessen etwa in Sekunden) bekommt und b die Dimension einer inversen Zeit (gemessen etwa in Sekunde−1 ). Dann hat t die Dimension einer Zeit und ω die Dimension einer (Kreis-)Frequenz. In (5.23) hat b die Dimension Zeit−2 (gemessen etwa in Sekunde−2 ), und a hat die Dimension einer Zeit. I Fouriertransformierte der im Argument gespiegelten Funktion Um die Fouriertransformierte der Funktion15 t 7→ f (−t) zu finden, berechnen wir mit (1.7) Z ∞ Variablensubstitution t = −τ e−j ω t f (−t) dt = −∞ Z ∞ = ej ω τ f (τ ) dτ = F (−ω). (5.24) −∞ Die sich daraus ergebende Regel f (−t) ◦— F (−ω) (5.25) ist ein Spezialfall von (5.17) mit b = −1. Der Spiegelung im Argument von f entspricht die Spiegelung im Argument von F. I Fouriertransformierte der komplex konjugierten Funktion Um die Fouriertransformierte von f (d.h. der Funktion t 7→ f (t) ) zu finden, berechnen wir mit (1.7) Z ∞ Z ∞ −j ω t e f (t) dt = ej ω t f (t) dt = F (−ω), (5.26) −∞ −∞ woraus sich die Regel 15 Ist f reellwertig, so entspricht der Übergang von f zur Funktion t 7→ f (−t) der Spiegelung des Graphen an der zweiten Achse. Fouriertransformation: Einführung 18 f (t) ◦— F (−ω) (5.27) ergibt. Die zugehörige, durch Vertauschung der Rollen von f und F erhaltene Regel f (−t) ◦— F (ω) (5.28) besagt nichts wesentlich anderes. Sie kann durch Anwendung von (5.25) auf (5.27) erhalten werden. Wir fassen (5.27) und (5.28) in Worten zusammen: Werden beide Funktionen f und F komplex konjugiert, so muss eine von ihnen im Argument gespiegelt werden. I Vertauschen von f und F Aufgrund der Symmetrie zwischen (1.6) und (1.7) ist die Fouriertransformierte einer Funktion f fast“ gleich ihrer inversen Fouriertransformierten. Das hat bei den bisher besprochenen ” Regeln immer zu zwei Varianten geführt, bei denen f und F hinsichtlich der betrachteten Operationen (etwa: Verschiebung des Arguments um −a und Multiplikation mit e−j a ω bzw. ej a t ) ihre Rollen getauscht haben. Sie haben aber in den mit dem Korrespondenzsymbol ◦— ausgedrückten Regeln nicht ihre Plätze getauscht: Stets ist f links und F rechts ge- standen. Nun wollen wir die Symmetrie zwischen (1.6) und (1.7) so ausnutzen, dass f und F tatsächlich ihre Plätze tauschen. Dazu beginnen wir mit einer Funktion f und interpretieren sie als Fouriertransformierte einer anderen Funktion. Nach wie vor bezeichnen wir mit F die Fouriertransformierte von f. Nur müssen wir mit den Argumenten (t versus ω) aufpassen. Die Fouriertransformierte von f ist durch (1.7) gegeben. Wir schreiben das in der Form Z ∞ F (ω) = F(f )(ω) = e−j ω t f (t) dt (5.29) −∞ an. Die inverse Fouriertransformierte derselben Funktion f erhalten wir, indem wir (1.6) be- rechnen, aber mit f anstelle von F : Z ∞ −1 1 F (f )(t) = ej ω t f (ω) dω. (5.30) 2π −∞ Um die Funktionen (5.29) und (5.30) besser vergleichen zu können, benennen wir die Variable in (5.29) von ω in t um und die Integrationsvariable von t in ω: Z ∞ F (t) = F(f )(t) = e−j ω t f (ω) dω. (5.31) −∞ Der Vergleich mit (5.30) zeigt, dass die einzigen Unterschiede das Vorzeichen im Exponenten 1 und der Vorfaktor 2π sind. Es gilt daher 1 1 F −1 (f )(t) = F(f )(−t) = F (−t). (5.32) 2π 2π In unserer Kurzschreibweise sieht das so aus: Fouriertransformation: Einführung 19 1 F (−t) ◦— f (ω). (5.33) 2π Diese Regel heißt Vertauschungssatz. Durch Anwendung von (5.2) mit c = 2π und einer Spiegelung im Argument (5.25) kann man sie auch in die Form F (t) ◦— 2π f (−ω) (5.34) bringen. Kennt man also ein Paar (Funktion, Fouriertransformierte), so kennt man automa- tisch auch ein Paar, in dem die beiden Funktionen (bis auf den Faktor 2π und eine Vorzei- chenänderung im Argument) ihre Plätze getauscht haben. Ein Beispiel dazu: Aus (2.7) folgt mit dem Vertauschungssatz (5.34) 2 ◦— 2π e−|ω| (5.35) 1 + t2 oder, nach Anwendung von (5.2) mit c = 12 , 1 ◦— π e−|ω|. (5.36) 1 + t2 Der Vertauschungssatz kann auch verwendet werden, um die Fouriertransformation zweimal hintereinander auf eine Funktion f anzuwenden. In unserer Kurzschreibweise sieht das so aus: f (t) ◦— F (ω) F (t) ◦— 2π f (−ω). (5.37) Im ersten Schritt wird F auf f angewandt – das Ergebnis ist F(f ) = F. Im zweiten Schritt wird F auf das Ergebnis des ersten Schritts angewandt. Es gilt also F(F(f ))(ω) = 2π f (−ω). (5.38) Die zweifache Wirkung der Fouriertransformation führt zu der im Argument gespiegelten Ver- sion von 2πf. Wendet man die Fouriertransformation noch zwei weitere Male an, so ergibt sich: Die vierfache Wirkung der Fouriertransformation führt auf 4π 2 f , d.h. bis auf den Faktor 4π 2 auf die ursprüngliche Funktion f zurück. Fouriertransformation: Einführung 20 I Fouriertransformierte einer Faltung Für zwei auf ganz R definierte Funktionen f und g ist die Faltung16 f ? g die durch Z ∞ (f ? g)(t) = f (s) g(t − s) ds (5.39) −∞ definierte Funktion. Man kann sich f ? g vorstellen als jene Funktion, die man bekommt, wenn jeder Funktionswert f (t) ersetzt wird durch eine Mittelung“ von Funktionswerten f (s) mit ” Gewichten“, die durch g bestimmt werden. Das Bilden der Faltung ist in f und g symme- ” trisch, d.h. es gilt stets f ? g = g ? f. (Man nennt eine solche Operation kommutativ“.) ” Weiters gilt stets (f ? g) ? h = f ? (g ? h) (d.h. die Faltung ist auch assoziativ“). Für die ” Fouriertransformierten F und G ist die Faltung – völlig analog – als Z ∞ (F ? G)(ω) = F (ν) G(ω − ν) dν (5.40) −∞ definiert. Eine besonders schöne Eigenschaft der Faltung zeigt sich, wenn wir die Fouriertrans- formierte von f ? g berechnen. Mit (1.7) ist sie zunächst als Integral Z ∞ e−j ω t (f ? g)(t) dt (5.41) −∞ gegeben. Wenn wir nun (5.39) für (f ? g)(t) einsetzen, bekommen wir ein zweifaches Integral (also das Integral eines Integrals). Um in solchen Fällen nicht den Überblick zu verlieren, empfiehlt es sich, Integrale in der Form Z ∞ Z ∞ dt Funktion(t) anstelle von Funktion(t) dt (5.42) −∞ −∞ zu schreiben, also mit dem Integrationselement dt gleich nach dem Integralzeichen. Alles, was rechts davon steht, wird integriert. Damit wird (5.41) zu Z ∞ Z ∞ Z ∞ −j ω t −j ω t dt e (f ? g)(t) = dt e ds f (s) g(t − s). (5.43) −∞ −∞ −∞ Nun vertauschen wir die beiden Integrationen. Es ist nicht von vornherein klar, dass man das darf, aber man kann es rechtfertigen. Damit wird (5.43) zu Z ∞ Z ∞ ds f (s) dt e−j ω t g(t − s). (5.44) −∞ −∞ Im zweiten Integral führen wir die Variablensubstitution t = τ + s durch und erhalten Z ∞ Z ∞ ds f (s) dτ e−j ω (τ +s) g(τ ) = −∞ Z ∞ −∞ Z ∞ −j ω s = ds f (s) e dτ e−j ω τ g(τ ) = F (ω) G(ω). (5.45) −∞ −∞ | {z }| {z } F (ω) G(ω) 16 Dieser Begriff ist uns aus der Theorie der Fourierreihen bekannt. Er wurde im Skriptum Fourierreihen: Beispiele für periodische Funktionen eingeführt und war dort als Integral über eine Periode definiert. Das englische Wort für Faltung ist convolution. Fouriertransformation: Einführung 21 Das Ergebnis lautet: Die Fouriertransformierte einer Faltung f ? g ist gleich dem Produkt der Fouriertransformierten der gefalteten Funktionen17 : (f ? g)(t) ◦— F (ω) G(ω). (5.46) Diese Regel nennen wir den Faltungssatz. Die Variante des Faltungssatzes, in der f und g mit F und G die Rollen tauschen, erhalten wir durch eine zu (5.41) – (5.45) analoge Berechnung18. Sie lautet 1 f (t) g(t) ◦— (F ? G)(ω). (5.47) 2π Auch das ist ein sehr schönes Ergebnis: Die Fouriertransformierte eines Produkts zweier Funk- 1 tionen ist gleich 2π mal der Faltung der Fouriertransformierten. I Fouriertransformierte der Ableitung Wieder sei F die Fouriertransformierte von f. Zusätzlich sei f differenzierbar, und die Ablei- tungsfunktion f 0 besitze ebenfalls eine Fouriertransformierte. Um diese zu ermitteln, berechnen wir19 mit (1.6) 1 d ∞ jωt Z Z ∞ 0 1 ∂ jωt f (t) = e F (ω) dω = e F (ω) dω = 2π dt −∞ 2π −∞ ∂t Z ∞ 1 = ej ω t j ω F (ω) dω. (5.48) 2π −∞ | {z } Die geschwungene Klammer zeigt die Fouriertransformierte der Ableitung f 0. Daher gilt die Ableitungsregel f 0 (t) ◦— j ω F (ω). (5.49) Die verwandte Regel, die durch Rollentausch von f und F hervorgeht, wird analog hergeleitet. Sie lautet −j t f (t) ◦— F 0 (ω) bzw., nach Anwendung von (5.2) mit c = j, 17 Von den Fourierreihen ist uns eine ganz ähnliche Regel bekannt. 18 1 Die einzigen Unterschiede in der Berechnung rühren daher, dass (1.6) einen zusätzlichen Vorfaktor 2π enthält und die Vorzeichen in den Exponenten umgedreht sind. 19 Dass man die Ableitung nach t in das Integral hineinziehen darf, kann man genauer rechtfertigen. Fouriertransformation: Einführung 22 t f (t) ◦— j F 0 (ω). (5.50) Die Ableitung einer der beiden Funktionen entspricht (bis auf einen Faktor ±j) der Multipli- kation der anderen mit ihrem Argument. Um ein Beispiel für die Anwendung der Ableitungsregel vorzuführen, wählen wir die Beziehung (4.2), also 2 √ −ω2 /4 e−t ◦— πe. (5.51) 2 Die Ableitung der linken Seite ist gleich −2t e−t. Daher gilt 2 √ 2 − 2t e−t ◦— j π ω e−ω /4 (5.52) oder, nach Anwendung von (5.2) mit c = − 21 , √ −t2 π 2 te ◦— − j ω e−ω /4. (5.53) 2 Dieses Ergebnis hätte man auch mit Hilfe der Regel (5.50) und der Beziehung d −ω 2 /4 2 dω e = − ω2 e−ω /4 erhalten können. Durch weitere Anwendungen von (5.50) 2 können die Fouriertransformierten aller Funktionen der Form t 7→ tn e−t für n ∈ N 2 berechnet werden. Sie sind alle von der Form p(ω) e−ω /4 , wobei p ein Polynom vom Grad n ist. I Integrale von Produkten Sind F und G die Fouriertransformierten von f und g, so gilt der Satz von Parseval Z ∞ Z ∞ 1 f (t) g(t) dt = F (ω) G(ω) dω. (5.54) −∞ 2π −∞ Die bereits früher angeschriebene Beziehung (2.13) ist ein Spezialfall für g = f. Für den Beweis von (5.54) verwenden wir zuerst (1.6) für g und danach (1.7) für f : Z ∞ Z ∞ Z ∞ 1 dt f (t) g(t) = dt f (t) dω ej ω t G(ω) = −∞ 2π Z ∞ Z−∞∞ −∞ Z ∞ 1 jωt 1 = dω dt f (t) e G(ω) = F (ω) G(ω) dω. (5.55) 2π −∞ −∞ 2π −∞ | {z } F (ω) R∞ Für Integrale der Form −∞ dt f (t) g(t) wird manchmal die Kurzschreibweise hf, gi verwendet. Sie haben viele Eigenschaften mit den Skalarprodukten von Vektoren gemeinsam. hf, gi wird daher auch als das innere Produkt von f und g bezeichnet. Mit (5.27) erhalten wir aus (5.54) die verwandte Beziehung Z ∞ Z ∞ 1 f (t) g(t) dt = F (−ω) G(ω) dω, (5.56) −∞ 2π −∞ die wir im Abschnitt 8 benötigen werden. Fouriertransformation: Einführung 23 I Einige weitere Eigenschaften der Fouriertransformation Wir erwähnen noch einige weitere Eigenschaften der Fouriertransformation, die sich aus dem Bisherigen ergeben: Wird (1.6) für t = 0 und (1.7) für ω = 0 ausgewertet, so folgen die Beziehungen Z ∞ F (ω) dω = 2π f (0) (5.57) −∞ Z ∞ f (t) dt = F (0). (5.58) −∞ f ist genau dann eine gerade Funktion (d.h. f (−t) = f (t) für alle t ∈ R), wenn F eine gerade Funktion ist (d.h. wenn F (−ω) = F (ω) für alle ω ∈ R): f ist gerade ⇔ F ist gerade. (5.59) f ist genau dann eine ungerade Funktion (d.h. f (−t) = −f (t) für alle t ∈ R), wenn F eine ungerade Funktion ist (d.h. wenn F (−ω) = −F (ω) für alle ω ∈ R): f ist ungerade ⇔ F ist ungerade. (5.60) f nimmt genau dann nur reelle Werte an (d.h. f (t) = f (t) für alle t ∈ R), wenn F (ω) = F (−ω) für alle ω ∈ R gilt: f (t) = f (t) für alle t ∈ R ⇔ F (ω) = F (−ω) für alle ω ∈ R. (5.61) Es folgt dann |F (ω)| = |F (−ω)| für alle ω ∈ R. Unter sehr milden Bedingungen gilt die bemerkenswerte Poissonsche Summenformel ∞ X ∞ X f (n) = F (2π n). (5.62) n=−∞ n=−∞ Ist der Wert einer der beiden Reihen bekannt, so bekommt man sofort den der anderen. Im Anhang sind alle besprochenen Rechenregeln in Tabellenform (zusammen mit einigen Tipps für’s Rechnen) zusammengestellt, damit Sie sie beim Lösen von Übungsaufgaben und bei der Bearbeitung von Anwendungen auf einen Blick parat haben. Fouriertransformation: Einführung 24 6 Sinus-Cosinus-Form der Fouriertransformation Ist F die Fouriertransformierte von f , so kann (1.6) mit Hilfe der Eulerschen Formel (1.9) und der Definitionen 1 a(ω) = F (ω) + F (−ω) (6.1) 2 j b(ω) = F (ω) − F (−ω) (6.2) 2 für ω ≥ 0 bzw. der dazu äquivalenten, ebenfalls für ω ≥ 0 geltenden Beziehungen F (ω) = a(ω) − j b(ω) (6.3) F (−ω) = a(ω) + j b(ω) (6.4) in die Form Z ∞ 1 f (t) = a(ω) cos(ω t) + b(ω) sin(ω t) dω (6.5) π 0 gebracht werden, wobei (1.7) durch Z ∞ a(ω) = cos(ω t) f (t) dt (6.6) Z−∞ ∞ b(ω) = sin(ω t) f (t) dt (6.7) −∞ (für ω ≥ 0) ersetzt wird. Das ist die Sinus-Cosinus-Form der Fouriertransformation20 und ihrer Inversen. Durch sie wird explizit gemacht, dass – wie bereits in Abschnitt 1 erwähnt – in der ursprünglichen Formulierung (1.6) – (1.7) jeweils Paare (ω, −ω) zu einer harmonischen Schwingung mit Kreisfrequenz |ω| gehören. Beachten Sie, dass nun sowohl in (6.5) also auch in (6.6) – (6.7) die Variable ω nur Werte ≥ 0 annimmt, also mit gutem Gewissen als die ” Kreisfrequenz“ bezeichnet werden kann. Die Funktionen a und b sind genau dann beide reellwertig, wenn f reellwertig ist. Für ein reellwertiges f treten also nur reelle Größen auf. (Man spricht dann auch von der reellen Form der Fouriertransformation.) Aus (6.3) folgt, dass für ein reellwertiges f und ω ≥ 0 gilt: a(ω) = Re(F (ω)) (6.8) b(ω) = −Im(F (ω)). (6.9) Die Sinus-Cosinus-Form der Fouriertransformation ist insbesondere zur Analyse gerader und ungerader Funktionen f geeignet: 20 (6.6) wird auch die Fourier-Cosinus-Transformierte von f und (6.7) die Fourier-Sinus-Transformierte von f genannt. Fouriertransformation: Einführung 25 Ist f gerade (d.h. f (−t) = f (t) für alle t ∈ R), so gilt Z ∞ a(ω) = 2 cos(ω t) f (t) dt (6.10) 0 b(ω) = 0 (6.11) für ω ≥ 0 und Z ∞ 1 f (t) = cos(ω t) a(ω) dω (6.12) π 0 für t ∈ R. Ist f ungerade (d.h. f (−t) = −f (t) für alle t ∈ R), so gilt a(ω) = 0 (6.13) Z ∞ b(ω) = 2 sin(ω t) f (t) dt (6.14) 0 für ω ≥ 0 und Z ∞ 1 f (t) = sin(ω t) b(ω) dω (6.15) π 0 für t ∈ R. Ähnlich wie bei den Fourierreihen (wo eine gerade Funktion durch eine reine Cosinusreihe und eine ungerade Funktion durch eine reine Sinusreihe dargestellt wird) wird nun eine ge- rade Funktion durch ein reines Cosinusintegral und eine ungerade Funktion durch ein reines Sinusintegral dargestellt. 7 Amplituden- und Phasenspektrum Die Fouriertransformierte F einer komplexwertigen Funktion f kann in der Form21 F (ω) = |F (ω)| ej ϕ(ω) (7.1) geschrieben werden, wobei ϕ(ω), die Phase (der Phasenwinkel oder das Argument22 ) von F (ω), reell ist. Sie ist nur bis auf ganzzahlige Vielfache von 2π bestimmt. Um sie eindeutig zu machen, kann sie auf einen geeigneten Bereich eingeschränkt werden, z.B. auf das Intervall [0, 2π) oder auf das Intervall (−π, π]. Sie kann mit Hilfe der Beziehungen23 Re(F (ω)) = |F (ω)| cos(ϕ(ω)) (7.2) Im(F (ω)) = |F (ω)| sin(ϕ(ω)) (7.3) 21 Dabei handelt es sich um die Polardarstellung von F (ω), siehe das Skriptum Polardarstellung komplexer Zahlen und die komplexe Exponentialfunktion. 22 Hier haben wir leider ein Wort mit zwei Bedeutungen vor uns: Es bezeichnet die unabhängige Variable einer Funktion (also das x in f (x)) und den Phasenwinkel einer komplexen Zahl (also das ϕ in r ej ϕ ). Was von beiden gemeint ist, muss aus dem jeweiligen Zusammenhang erschlossen werden. Wenn wir bisher von einer im Argument verschobenen Funktion“ und dergleichen gesprochen haben, so hat sich das auf die erste ” Bedeutung bezogen. Vergleiche Fußnote 12. 23 Auch dazu siehe das Skriptum Polardarstellung komplexer Zahlen und die komplexe Exponentialfunktion. Fouriertransformation: Einführung 26 berechnet werden. Will man die gesamte Information, die in F steckt, grafisch darstellen, so kann man entweder die Graphen von Real- und Imaginärteil (also von Re(F ) und Im(F )) oder die Graphen von Betrag und Phase (also von |F | und ϕ) zeichnen. Während die Funktion ω 7→ F (ω), d.h. die Fouriertransformierte von f , wie wir bereits aus Abschnitt 1 wissen, als das Frequenzspektrum (kurz Spektrum) von f bezeichnet wird, wird die Funktion ω 7→ |F (ω)| das Amplitudenspektrum von f genannt und die Funktion ω 7→ ϕ(ω) das Phasenspektrum von f. Ist f reellwertig, so bekommen die Ausdrücke Amplitude“ und Phase“ in Bezug auf die ” ” harmonischen Schwingungen, aus denen f aufgebaut ist, die gleiche Bedeutung wie bei den Fourierreihen reellwertiger Funktionen: Die Beträge der (reellen) Größen (6.1) und (6.2) stellen dann die Amplituden der Cosinus- bzw. Sinusanteile in (6.5) dar, und aus (6.3) – (6.4) folgt für ω ≥ 0 |F (ω)|2 = |F (−ω)|2 = |a(ω)|2 + |b(ω)|2. (7.4) Weiters folgt aus (6.8) – (6.9) und (7.2) – (7.3), dass für reellwertiges f und ω ≥ 0 die Bezie- hung a(ω) cos(ω t) + b(ω) sin(ω t) = |F (ω)| cos ω t + ϕ(ω) (7.5) gilt. (Beweis: Additionstheorem für cos ω t+ϕ(ω) anwenden!) Damit kann die Sinus-Cosinus- Form der inversen Fouriertransformation (6.5) für eine reellwertige Funktion f sofort zu Z ∞ 1 f (t) = |F (ω)| cos ω t + ϕ(ω) dω (7.6) π 0 umgeformt werden. Diese Form zeigt sehr schön, dass |F (ω)| die Amplitude und ϕ(ω) die Anfangsphase (bezüglich der Cosinusform24 ) der in f steckenden harmonischen Schwingung mit Kreisfrequenz ω ist. 8 Distributionen und ihre Fouriertransformierten Im Abschnitt 2 wurde erwähnt, dass man in einem bestimmten Sinn auch die (inverse) Fou- riertransformierte von Funktionen bilden kann, für die sie eigentlich gar nicht existiert. Genau genommen handelt es sich dabei nicht immer um Funktionen. Der allgemeine Begriff dafür ist Distributionen oder verallgemeinerte Funktionen. Wir werden im Folgenden skizzieren, was es damit auf sich hat, dabei aber mathematisch nicht sehr streng vorgehen. Wichtig ist, dass Sie eine Idee davon bekommen und ein paar Rechenregeln kennenlernen. Gehen wir aus von der Frage, ob es eine Funktion δ gibt, deren Fouriertransformierte die konstante Funktion D(ω) = 1 (für alle ω ∈ R) ist. Das Integral (1.6) mit D anstelle von F Wenn man will, kann man anstelle von cos ω t + ϕ(ω) auch sin ω t + ϕ(ω) + π2 schreiben. Daher ist 24 ϕ(ω)+ π2 die Anfangsphase bezüglich der Sinusform der Darstellung einer harmonischen Schwingung. Zu diesen beiden Darstellungsformen harmonischer Schwingungen siehe auch das Skriptum Fourierreihen: Einführung. Fouriertransformation: Einführung 27 existiert in diesem Fall nicht, da der Integrand im Unendlichen nicht gegen 0 strebt. Daher können wir nicht erwarten, dass δ eine gewöhnliche Funktion ist. Was könnte δ sonst sein? Der Schlüssel zur Antwort besteht darin, eine weitere Funktion ψ hinzuzuziehen, die ausgespro- chen schöne Eigenschaften besitzt: Sie soll reellwertig sein, beliebig oft differenzierbar, und im Unendlichen soll sie sehr rasch abfallen. Ihre Fouriertransformierte Ψ besitzt dann ebenfalls sehr schöne Eigenschaften. Wir nennen eine solche Funktion eine Testfunktion. Nun lassen wir uns von den bisher erzielten Rechenregeln leiten: Mit δ und D anstelle von f und F sowie ψ und Ψ anstelle von g und G folgt aus (5.56), dass Z ∞ Z ∞ 1 δ(t) ψ(t) dt = D(−ω) Ψ(ω) dω = −∞ 2π −∞ | {z } Z ∞ 1 1 (5.57) für ψ und Ψ = Ψ(ω) dω = ψ(0). (8.1) 2π −∞ Dieses Ergebnis muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! Für jede Testfunktion ψ gilt Z ∞ δ(t) ψ(t) dt = ψ(0). (8.2) −∞ Das Integral ergibt stets nur einen Wert, der von der Stelle t = 0 herrührt. Auch wenn man ψ in beliebiger Weise ändert, sodass nur ψ(0) gleichbleibt, ändert sich der Wert des Integrals nicht. Er ist immer ψ(0). So eine Funktion δ gibt es nicht! Sie müsste an (fast) allen Stellen t 6= 0 den Wert 0 besitzen, nur an der Stelle t = 0 müsste sie 6= 0 sein, aber da es beim Integrieren einer Funktion nicht auf die Werte an einzelnen Stellen ankommt, müsste das Integral gleich 0 sein, im Widerspruch damit, dass man ψ(0) 6= 0 wählen kann. Intuitiv kann man sich damit behelfen, dass δ(0) = ∞ ist, um zu erzwingen, dass die linke Seite von (8.2) ungleich 0 sein kann, aber ∞ ist natürlich keine Zahl. Es gibt nun zwei (gleichwertige) Möglichkeiten, diese Situation in exakte Mathematik zu verwandeln, und eine intuitive (zwar falsche, aber nützliche) Vorstellung: Exaktifizierung Version 1: δ wird als Abbildung betrachtet, die jeder Testfunktion ψ ihren Wert an der Stelle 0 zuordnet: δ : ψ 7→ δ[ψ] = ψ(0). (8.3) Die linke Seite von (8.2) wird lediglich als symbolische Schreibweise für δ[ψ] aufgefasst, die dadurch gerechtfertigt ist, dass mit δ in formaler Hinsicht so gerechnet werden kann, als wäre δ[ψ] ein Integral. Exaktifizierung Version 2: Die linke Seite von (8.2) wird als Grenzwert verstanden. Dazu wird anstelle von δ eine von einem positiven Parameter ε abhängige Familie von Funktionen δε : t 7→ δε (t) betrachtet. Jede dieser Funktionen soll einem Signal entspre- chen, das zunächst 0 oder sehr klein ist, in der Nähe der Stelle t = 0 kurz aufflammt und danach wieder zusammenfällt. Je kleiner ε ist, umso kürzer soll dieses Aufflammen dauern, und für jedes ε > 0 soll Z ∞ δε (t) dt = 1 (8.4) −∞ Fouriertransformation: Einführung 28 gelten. Beispiele solcher Familien von Funktionen sind 0 wenn |t| > ε ( ε 1 δε (t) = oder δ ε (t) = 1 (8.5) π ε2 + t2 wenn |t| ≤ ε. 2ε Abbildung 4 gibt eine Vorstellung, wie ihre Graphen aussehen. In beiden Fällen gilt lim δε (t) = 0 für t 6= 0, während δε (0) für ε → 0 unbegrenzt wächst (also gegen ε→0 ” ∞ strebt“). Das bedeutet, dass der Graph von δε einen bei t = 0 zentrierten Peak“ ” besitzt, der umso schmäler und umso höher ist, je kleiner ε ist, und zwar so, dass wegen (8.4) der Flächeninhalt unter dem Graphen stets gleich 1 ist. Die linke Seite von (8.2) wird nun verstanden als Z ∞ lim δε (t) ψ(t) dt. (8.6) ε→0 −∞ Obwohl lim δε (t) für t = 0 nicht existiert, existiert der Grenzwert (8.6) für jede Test- ε→0 funktion sehr wohl (und ist gleich ψ(0)). Diese Sichtweise ist mathematisch äquivalent zur oben formulierten Exaktifizierungsversion 1, kommt aber der Vorstellung, die man sich über δ machen sollte, besser entgegen. Abbildung 4: Die Graphen von vier der in (8.5) angegebenen Funktionen: Oben die ε 1 Funktionen t 7→ für ε = 0.1 (rot) und ε = 0.05 (blau). Unten die Funktion, π ε2 + t2 1 deren Werte für |t| ≤ ε gleich und ansonsten 0 sind, für ε = 0.2 (rot, punktiert) und 2ε ε = 0.1 (blau). Für beide Familien von Funktionen gilt: Je kleiner ε ist, umso größer sind die Funktionswerte nahe 0, aber umso kleiner ist der Bereich, in dem die Funktionswerte nennenswert von 0 verschieden sind. In allen Fällen ist der Inhalt der Fläche unter dem Graphen geich 1. Fouriertransformation: Einführung 29 Die (zwar falsche, aber nützliche) Vorstellung: δ(t) = lim δε (t) hat einen Peak“ ε→0 ” bei t = 0, der unendlich schmal und unendlich hoch ist. Man stellt sich darunter ein Signal vor, das zu allen Zeiten t 6= 0 gleich 0 ist, nur zur Zeit t = 0 ist es unendlich“. ” Dieses unendlich“ wird durch die Bedingung ” Z ∞ δ(t) dt = 1 (8.7) −∞ R∞ genauer festgelegt. Um ein Integral der Form δ(t) ψ(t) dt zu berechnen, wird so −∞ argumentiert: Das Produkt δ(t) ψ(t) ist gleich δ(t) ψ(0), da es für t 6= 0 sowieso gleich 0 ist und für t = 0 nichts geändert wurde. Daher: Z ∞ Z ∞ Z ∞ δ(t) ψ(t) dt = δ(t) ψ(0) dt = ψ(0) δ(t) dt = ψ(0). (8.8) −∞ −∞ −∞ | {z } 1, wegen (8.7) Wegen δ(t) = 0 für t 6= 0 müssen wir uns nicht auf Testfunktionen beschränken, die im Unendlichen ja sehr rasch abfallen müssen. Ganz allgemein gilt für weitgehend beliebige Funktionen φ, die an der Stelle 0 stetig sind, φ(t) δ(t) = φ(0) δ(t) und als Folge t δ(t) = 0. (8.9) sowie Z ∞ δ(t) φ(t) dt = φ(0). (8.10) −∞ Weiters ist δ eine gerade“ Distribution, was formal in der Form ” δ(−t) = δ(t) (8.11) ausgedrückt werden kann. Dies wird verallgemeinert durch die Beziehung 1 δ(b t) = δ(t), (8.12) |b| die für jedes reelle b 6= 0 gilt und aus (8.10) durch die Variablensubstitution t = b τ (und nachfolgender Umbenennung τ → t) gewonnen werden kann. Die Eigenschaften (8.7) und (8.9) – (8.12) legen fest, wie man mit δ(t) rechnet. Analog zu δ(t) kann man auch δ(ω) betrachten. Die Beziehungen (8.7) und (8.9) – (8.12) gelten genauso, wenn die Integrationsvariable ω ist. Insbesondere gilt Z ∞ δ(ω) φ(ω) dω = φ(0) (8.13) −∞ für weitgehend beliebige Funktionen φ, die an der Stelle 0 stetig sind. Wenn man oft mit δ zu tun hat und diese (falsche, aber nützliche) Sichtweise bevorzugt, stellt sich mit der Zeit ein Gefühl dafür ein, was man mit δ(t) tun darf und was nicht. (Man darf δ(t) beispielsweise nicht quadrieren!) Fouriertransformation: Einführung 30 Wie auch immer man es betrachtet: δ wird (ein bisschen salopp) die (Diracsche25 ) Deltafunk- tion genannt. Eine genauere Bezeichnung ist Delta-Distribution. Sie stellt in physikalischer Hinsicht ein Signal dar, das der obigen (zwar falschen, aber nützlichen) Vorstellung entspricht. Eine im Argument um ein a ∈ R verschobene Deltafunktion, symbolisch mit δ(t − a) be- zeichnet, entspricht einem unendlich schmalen und unendlich hohen Peak an der Stelle t = a. Analog zu (8.10) gilt Z ∞ δ(t − a) φ(t) dt = φ(a) (8.14) −∞ für jede Testfunktion φ. Man nennt ein solches Signal auch einen Delta-Impuls (zum Zeit- punkt a). Abbildung 5 zeigt, wie er symbolisch dargestellt werden kann. Abbildung 5: Ein Delta-Impuls zum Zeitpunkt a wird manchmal symbolisch mit einem Pfeil dargestellt, um anzudeuten, dass der Peak an der Stelle t = a unendlich hoch“, ” aber auch unendlich schmal“ ist. Die Bezeichnung δ(t − a) der zweiten Achse bezieht ” sich auf die gesamte Deltafunktion“, nicht bloß auf den Peak, also auch darauf, dass ” in einem formalen Sinn δ(t − a) = 0 für t 6= a gilt. Neben der Deltafunktion gibt es noch andere Distributionen. Die Deltafunktion ist nur die prominenteste. Ganz allgemein ist eine Distribution eine Abbildung, die jeder Testfunktion eine Zahl zuordnet (wobei wir auf die Details, welche derartigen Abbildungen zugelassen sind, nicht eingehen). Erinnern wir uns daran, dass wir δ(t) als jenes Signal konstruiert haben, dessen (formal auf- gefasste) Fouriertransformierte gleich der konstanten Funktion 1 ist. Wir schreiben das in der gewohnten Weise als Regel δ(t) ◦— 1 (8.15) an. Das bedeutet, dass zu einem Delta-Impuls alle Kreisfrequenzen in gleicher Weise beitragen! Verwenden wir die Schreibweise von (1.6), so ergibt sich mit Z ∞ 1 δ(t) = ej ω t dω (8.16) 2π −∞ 25 Benannt nach dem Physiker Paul Adrien Maurice Dirac (1902 – 1984), der vor allem für die Vorhersage der Antiteilchen bekannt ist. Fouriertransformation: Einführung 31 eine weitere formale Charakterisierung der Deltafunktion. Das wird manchmal so interpretiert, dass die harmonischen Schwingungen, deren Überlagerung das Integral auf der rechten Seite ausdrückt, einander für t 6= 0 vollständig auslöschen. Für t = 0 hingegen steht rechts ein divergentes Integral mit Integrand 1, das einer unendlichen Verstärkung entspricht. In einem mathematisch präziseren Sinn gilt die Beziehung (8.16) nur, wenn sie mit einer Testfunktion multipliziert und danach integriert (man sagt auch: mit einer Testfunktion ausgeschmiert“) ” wird. Dann bekommen wir Z ∞ Z ∞ Z ∞ Z ∞ Z ∞ (8.16) 1 jωt 1 δ(t) ψ(t) dt = dt dω e ψ(t) = dω dt ej ω t ψ(t) = −∞ 2π −∞ −∞ 2π −∞ | −∞ {z } Ψ(−ω) Z ∞ Z ∞ 1 1 (5.57) für ψ und Ψ = Ψ(−ω) dω = Ψ(ω) dω = ψ(0), (8.17) 2π −∞ 2π −∞ also nichts anderes als (8.1). Wir erwähnen nebenbei (ohne Herleitung) die Beziehung ∞ X ∞ X j nt e = 2π δ(t − 2π n). (8.18) n=−∞ n=−∞ Die rechte Seite stellt eine periodische Abfolge von Delta-Impulsen dar, mit Peaks zu jenen Zeiten, die den ganzzahligen Vielfachen von 2π entsprechen, und heißt Dirac-Kamm. (Um diese Bezeichnung zu verstehen, versuchen Sie, sich ihren Graphen“ vorzustellen, wenn für jeden Delta-Impuls δ(t − 2π n) die in Abbil- ” dung 5 gezeigte Darstellung verwendet wird!) Auch hier ist bemerkenswert, dass die unendlich vielen harmonischen Schwingungen, die überlagert werden, einander zu allen Zeitpunkten, die nicht einem ganzzahligen Vielfachen von 2π entsprechen, vollständig auslöschen. Eingeschränkt auf t ∈ [−π, π] nimmt (8.18) die Form ∞ X ej n t = 2π δ(t) (8.19) n=−∞ an und spielt bezüglich der Fourierreihen periodischer Funktionen eine zu (8.16) analoge Rolle. Ersetzt man in (8.18) t durch 2π t, multipliziert beide Seiten mit f (t) und integriert über R, so erhält man die Poissonsche Summenformel (5.62). Als letzte Möglichkeit, wie man sich die Deltafunktion vorstellen kann, führen wir die (Heavi- sidesche26 ) Stufenfunktion (Sprungfunktion) 0 wenn t < 0 θ(t) = (8.