Familienrecht - Scheidung und Ehetrennung (PDF)
Document Details
Universität Zürich
2024
Roland Fankhauser
Tags
Summary
These lecture notes cover Swiss Family Law, specifically focusing on divorce and separation. The document details various aspects of the legal system's approach to these proceedings. It discusses the legal framework, including provisions for divorce proceedings and the rights of children in such situations. Key aspects are covered in terms of legal prerequisites and consequences in Switzerland. This material primarily applies to Swiss law, focusing on the legal procedures related to divorce and the implications for children.
Full Transcript
Familienrecht § 12 Scheidung und Ehetrennung Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 I. Allgemeines 8 siehe auch: Podcast vom Streit zur Einigung...
Familienrecht § 12 Scheidung und Ehetrennung Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 I. Allgemeines 8 siehe auch: Podcast vom Streit zur Einigung https://podcasts.weblaw.ch/open-access/familienrecht/famrissues/Familienrecht/einigung.html Lernvideo Scheidungsrecht Merkblätter Scheidung 1. Rechtstatsachen 2022: 16’201 Scheidungen, Scheidungsrate bei 39.7% Rückgang von 54,4% (2010) auf 38,7% (2018), seither wieder leicht steigend, wobei im 2022 wieder leichter Rückgang. Die meisten Scheidungen gibt es bei einer Ehedauer zwischen 5-9 und ab 15 Jahren. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 2 2. Gesetzessystematik Art. 111-115 ZGB Scheidungsvoraussetzungen Art. 117-118 ZGB Ehetrennung nicht Aufnahme des Getrenntlebens Art. 119-134 ZGB Scheidungsfolgen Wichtig: – Art. 122 ff. ZGB Teilung der beruflichen Vorsorge (sind 2017 revidiert worden, vgl. Botschaft, BBl 2013 4887 ff.) – Art. 125 ff. ZGB nachehelicher Unterhalt – Art. 133 ZGB Kinderbelange Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 3 Art. 271-304 ZPO Verfahrensbestimmungen Wichtig ZPO: – Art. 271 ff. ZPO Eheschutzmassnahmen (Art. 272 ZPO Untersuchungsgrundsatz) – Art. 276 ZPO Vorsorgliche Massnahmen im Scheidungs- verfahren – Art. 277 ZPO Prozessmaximen – Art. 279 ZPO Genehmigung der Scheidungsvereinbarung – Art. 280/281 ZPO BVG-Teilung (sind revidiert worden, vgl. Botschaft, BBl 2013 4887 ff.) – Art. 298 ZPO Anhörung der Kinder – Art. 299 ff. ZPO Kindesvertretung Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 4 II. Scheidungsvoraussetzungen 1. Allgemeines / Systematik Immer noch grundsätzlich System der gerichtlichen Scheidung, keine Registerscheidung Revision des Scheidungsrechts ab 1.1.2000, u.a. Eliminierung des Verschuldensprinzips bei den Scheidungsgründen, kaum mehr Gedanke des Institutsschutzes bzw. Zerrüttungsprinzips "fast" mine Molle (Verschulden mehr > Verschulden spielt : Grund fir scheidung) Scheidungsgründe knüpften früher überwiegend an Verschulden der Ehegatten an (Ehebruch, Nachstellung nach dem Leben, Misshandlung und Ehrenkränkung, Verbrechen und unehrenhafter Lebenswandel o.ä.) wurden nur allgemein durch Scheidungsgrund der „Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses“ ergänzt Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 5 II. Scheidungsvoraussetzungen 1. Allgemeines / Systematik Scheidungsgründe bzw. -voraussetzungen: Scheidung auf gemeinsames Begehren (beidseitig) Scheidung auf Klage (einseitig) – Scheidung nach Getrenntleben 2 Jahre – Scheidung wegen Unzumutbarkeit Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 6 -Gesamteinigums 2. Scheidung auf gemeinsames Begehren - Teileinigung Voraussetzungen: – Gemeinsames Begehren / gemeinsamer Scheidungswille – Teil- oder Gesamteinigung mittels Vereinbarung (Art. 111 und Art. 112 ZGB) – Homologisierung des Willens in einem best. Verfahren – Persönliche Anhörung (Scheidungs- und Vereinbarungswille) Gericht will sehm das tatschlich , geschieden werden will – Belegpflicht – Genehmigungsfähigkeit der Vereinbarung (vgl. Art. 279 ZPO) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 7 3. Scheidung auf Klage a) Scheidung nach Getrenntleben (Art. 114 ZGB) Einseitiger Scheidungsgrund Gesetzgeber geht davon aus, dass nach 2 Jahren Getrenntleben kein schützenswertes Interesse mehr an der einseitigen Aufrechterhaltung der Ehe bestehe. Massgebend ist das faktische Getrenntleben. &spar ↳ Beweis Mietvertragallein schwer beweisen Whapp). mit neuem zu (Mail, regelmässig daher vorausgesetzt, dass subjektiv Wille zum Getrenntleben besteht und Wille auch objektiv, insbesondere räumlich, zum Ausdruck kommt (vgl. aber z.B. Unzumutbarkeit der Finanzierung getrennter Wohnungen) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 8 Massgebend ist der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens bzw. des Verfahrenswechsels. gemeinsames Begehren ↳ bspir. Begehren zu einsamen → Klageanhebung (def. jener Zeitpunkt, in welchem die klagende Person in der vorgeschriebenen Form um gerichtlichen Rechtsschutz für den von ihr verfolgten Anspruch nachsucht; je nach dem, ob Sühneverfahren oder nicht) Mindestens 2 Jahre ununterbrochenes Getrenntleben (Problem der Versöhnungsversuche) ↳ Praxis nicht sehr relevant Sind diese Voraussetzungen erfüllt, muss die Klage zwingend gutgeheissen werden. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 9 b) Scheidung wegen Unzumutbarkeit (Art. 115 ZGB) Notventil für Scheidung auf Klage, wenn noch keine 2 Jahre vorbei sind, Ausnahmecharakter (keine Verschul- densfragen mehr) Subsidiär zu Art. 114 ZGB Sehr hohe Anforderungen (zumal bei Art. 114 ZGB seit 2004 nur noch 2 Jahre statt 4 Jahre) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 10 2 Voraussetzungen: – Unzumutbarkeit der Weiterführung der Ehe (rechtliches Band) Verhelratt ist > - das noch sein umzumutbar – Gründe dürfen nicht dem klagenden Ehegatten angerechnet werden. Nicht wenn man selbst Schuldhaft die Unzumutbarheitsgrinde verursacht Objektive Gründe (Wohl schuldhaftes) Verhalten des Beklagten Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 11 Kasuistik: – Gewalttätigkeiten, aber auch Stalking – Jahrelanges Ehebruchsdoppelleben (BGE 129 III 1 ff.) – Einseitige Scheinehen (BGE 127 III 347, vorge- täuschter Ehewille) – Finanziell grob schädigendes Verhalten (vgl. FamPra.ch 2004, 114 ff.) – Heikel sind Erkrankungen (BGE 128 III 1, Abwägung). use a Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 12 III. Scheidungsfolgen 1. Allgemeines / Übersicht Im Scheidungsfolgenrecht grösstenteils Verschuldens- prinzip eliminiert (vgl. allerdings Art. 125 Abs. 3 ZGB). -fast hein Verschulden mehr 4 wichtige Gruppen von Scheidungsfolge – Kinderbelange – Nachehelicher Unterhalt 26B 425 Chatwegen Betreuungsamterhalt an Bedeutung verloren) – Ausgleich der beruflichen Vorsorge – Güterrecht ↳ Fankhauser lict seine auch noch hoch Untenlagen Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 13 Weitere Scheidungsfolgen – Zuteilung der Familienwohnung zur Benutzung (Art. 121 ZGB) – Untergang des gesetzlichen Erbrechts (vgl. Art. 120 Abs. 2 ZGB) erst mit der rechtschriftigenBegehren Scheidung > - Ausnahme 2GB 472-sem. : - 2 Jahre getrennt gelebt nun fur Pflichtteil – Bürgerort und Name → grundsätzlich keine Wirkungen ↳andert sich bi der Heirat nicht ↳ man kann Ledignamen wieder grundsatzlich annehmm Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 14 2. Kinderbelange a) Allgemeines In der Regel Verweisnormen auf das Kindesrecht Hohe praktische Relevanz, weil in 50% der Scheidungs- fälle Kinder betroffen sind, und es sich meist auch um ein konfliktträchtiges Thema handelt (früher Auseinander- setzung um Sorgerecht und persönlichen Verkehr, jetzt um Obhut und Betreuungsanteile) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 15 Gericht hat gemäss Art. 133 ZGB zu entscheiden über: – Elterliche Sorge – Obhut – Persönlicher Verkehr oder Betreuungsanteile – Kinderunterhaltsbeitrag / Verteilung der Kinderkosten Gericht hat gemäss Art. 133 Abs. 2 ZGB bei seinen Entscheiden folgende Kriterien zu beachten: – Sämtliche wichtige / kindeswohlrelevante Umstände – Gemeinsamer Antrag der Eltern (Offizialmaxime) – Meinung des Kindes, soweit tunlich ↳ ab E Jahren Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 16 b) Elterliche Sorge aa) Allgemeines Terminologie: Elterliche Sorge (früher „elterliche Gewalt“, neu teilweise Forderung hin zu „elterliche Verantwortung“) Solange die Ehegatten noch nicht geschieden sind, besteht weiterhin gemeinsame elterliche Sorge. Früher galt das Modell der Staatsintervention, d.h. bei einer Scheidung wurde die gemeinsame elterliche Sorge nicht weitergeführt, sondern der Staat hat dadurch interve- niert, dass bei einer Scheidung die elterliche Sorge neu geregelt wurde. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 17 Heute ist zwar auch ein gerichtlicher Entscheid über die elterliche Sorge notwendig, der Regelfall ist aber die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Es gibt zwei (bzw. drei) Möglichkeiten: – Regelfall: gemeinsame elterliche Sorge chronifiziertes Konfliktverhandling – 1. Ausnahme: Alleinige elterliche↳Sorge Kindeswohlgefahrdung ↓ besserung des Kindeswohl bei alleiniger Sorge – 2. Ausnahme: Keine elterliche Sorge an Eltern und Bestellung eines Vormundes (Art. 298 Abs. 3 ZGB) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 18 bb) Regelfall: Gemeinsame elterliche Sorge Ergibt sich indirekt aus Art. 133 Abs. 1 ZGB und Art. 298 Abs. 1 ZGB e contrario. Gemeinsame elterliche Sorge ist auch möglich, wenn die Eltern sich über die restlichen Kinderbelange nicht einigen können (Art. 298 Abs. 2 ZGB). Diesfalls kommt es zur gerichtlichen Regelung der Obhut, der Betreuungsanteile und der Verteilung der Unterhaltskosten. Art. 298 Abs. 2bis ZGB: Gericht berücksichtigt beim Entscheid über die Obhut, den persönlichen Verkehr oder die Betreuungsanteile das Recht des Kindes, regel- mässige persönliche Beziehungen zu beiden Elternteilen zu pflegen. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 19 Art. 298 Abs. 2ter ZGB: Bei gemeinsamer elterlicher Sorge prüft das Gericht i.S.d. Kindeswohls die Möglichkeit einer alternierenden Obhut, wenn ein Elternteil oder das Kind dies verlangt. Möglich wäre auch, gewisse spezifische Entscheidungs- befugnisse gerichtlich einem Elternteil zuzuweisen, ansonsten aber die gemeinsame elterliche Sorge zu belassen (BGE 141 III 472, 479). Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 20 Trotz gemeinsamer elterlicher Sorge gibt es Einschrän- kungen: – Art. 301 Abs. 1bis ZGB: Alleinentscheidungsrecht des Betreuenden bei alltäglichen Angelegenheiten – Art. 301a ZGB: Alleinentscheidungsrecht über Aufenthaltsort des Kindes bei Binnenwohnsitzwechsel ohne erhebliche Auswirkungen auf elterliche Sorge und persönlichen Verkehr (bzw. Betreuung) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 21 cc) Ausnahme: Alleinige elterliche Sorge Nach Art. 298 Abs. 1 ZGB, wenn dies zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist Lediglich mangelnde Kooperationsfähigkeit genügt nicht (das Gericht kann diesfalls gemäss Art. 298 Abs. 2 ZGB die anderen Kinderbelange regeln). Schwerwiegende elterliche Dauerkonflikte oder anhaltende Kommunikationsunfähigkeit mit nachweislichen Nachteilen für das Kindeswohl rechtfertigen Alleinsorge. Vgl. dazu § 5 Folie 4 (BGE 141 III 472; BGE 142 III 1) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 22 Kriterien für die Regelung der Kinderbelange (vgl. auch Art. 133 Abs. 2 ZGB): Für das Kindeswohl wichtige Umstände Erzieherische Fähigkeiten Kontinuität (bisherige Betreuungssituation) Qualität der persönlichen Beziehungen Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse Möglichkeit, Kind selbst zu betreuen Stabilität der Verhältnisse Bereitschaft, Kontakt zum anderen Elter zu gewähren Gemeinsamer Antrag der Eltern Meinung des Kindes Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 23 Scheidungsverschulden spielt keine Rolle! Untersuchungsgrundsatz und Offizialmaxime / in strittigen Fällen meist Zuteilungsgutachten Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 24 c) Persönlicher Verkehr / Betreuungsanteile Terminologie Vgl. Art. 133 Abs. 1 ZGB Art. 273 Abs. 1 ZGB Verweisnorm! Siehe Kriterienkatalog auf Folie 22 Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 25 d) Kindesunterhalt Vgl. Art. 133 Abs. 1 ZGB Art. 285 ZGB Verweisnorm! Aber Möglichkeit, den Unterhaltsbeitrag über die Volljährigkeit hinaus festzulegen (Art. 133 Abs. 3 ZGB) → Eltern regeln einen Anspruch, der dem Kind alleine zusteht. → Vereinbarung nur zu Gunsten des Kindes → Kind ist nicht daran gebunden, kann Neufestlegung verlangen. → Gilt gemäss BGE 139 III 401 als Regelfall. Indexierung an die Teuerung (vgl. Art. 286 Abs. 1 ZGB: Hinweis auf Lebenskosten) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 26 e) Abänderung der Kinderbelange (Art. 134 ZGB) aa) Allgemeines Vgl. Art. 134 ZGB Es geht um die nachträgliche Abänderung. Einerseits materielle Bestimmung (vgl. Abänderungs- voraussetzungen in Abs. 1 betreffend elterliche Sorge), andererseits aber auch Verweisnorm (Abs. 2) und schliesslich Regelung über die sachliche Zuständigkeit (Abs. 3 und 4) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 27 bb) Abänderung der elterlichen Sorge und Obhut Voraussetzungen (vgl. Art. 134 Abs. 1 ZGB) – Antrag Elter, Kind oder KSB – Wesentliche (und in gewisser Weise dauerhafte) Änderung der Verhältnisse – Änderung im Interesse des Kindeswohls Sachliche Zuständigkeiten: – Einigung oder Tod eines Ehegatten → KSB (Abs. 3) – Keine Einigung → Gericht (Abs. 4) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 28 dd) Abänderung Kindesunterhalt / Verteilung Unterhalts- kosten Voraussetzungen→ Verweis in Art. 134 Abs. 2 ZGB auf Kindesrecht (Art. 286 ZGB) Sachliche Zuständigkeiten: – Einigung, Genehmigung der Vereinbarung → KSB – Strittig → Gericht Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 29 cc) Abänderung persönlicher Verkehr / Betreuungs- anteile Voraussetzungen → Verweis in Art. 134 Abs. 2 ZGB auf Kindesrecht Sachliche Zuständigkeiten (Art. 134 Abs. 4 a.E. ZGB): – Grundsatz → KSB – Ausnahme, falls Gericht über Abänderung → Gericht der Unterhaltsbeiträge od. elterl. Sorge/ Obhut entscheidet (Kompetenzattraktion) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 30 3. Nachehelicher Unterhalt a) Allgemeines / Terminologisches Massgebende Bestimmungen sind die Art. 125 ff. ZGB. Grundsatz : Selbstversorgung Grundgedanke des nachehelichen Unterhalts ist der Ausgleich ehebedingter Nachteile. Der Unterhaltsbeitrag soll die ehebedingten Nachteile ausgleichen. Nicht nur Vorteile (vgl. Güterrecht, Vorsorgeteilung), sondern auch Nachteile sollen geteilt werden. ; Nachteile sollen auch Idee : Ausgleich ehebedingter Nachteile , weil man nicht erwerbstatig war gemeinsamen getragen werden Als ehebedingter Nachteil gilt in erster Linie die fehlende Möglichkeit, wieder in das Erwerbsleben einzusteigen und selbst für sich aufzukommen. → Ausgleich der wirt- schaftlichen Folgen der Ehe Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 31 nicht uberzeugende Grunde : Nacheheliche Solidarität: Auch wenn Nachteile nicht ehebedingt sind, so kann sich dennoch aus der ehelichen Beistandspflicht eine gewisse Solidaritätspflicht über die Ehe hinaus ergeben. FH falsch : Vertrauensschutz: Geschützes Vertrauen in den Fortbestand der während der Ehe gelebten Lebenshaltung bei lebensprägenden Ehen. keine ist ein Wunsch , aber rechtstheoretische Grundlage Clean break: Ziel ist es, dass zwischen den Ehegatten keinerlei Abhängigkeiten mehr bestehen, jeder hat für sich selbst zu sorgen. Ähnlichkeit zum Vertragsrecht mit neg. und pos. Interesse ist augenfällig. Primat der Eigenversorgung: Obliegenheit zur (Wieder-) Eingliederung in den Arbeitsprozess Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 32 b) Voraussetzungen / Bemessungskriterien aa) Voraussetzungen / Methodisches Vorgehen (vgl. Art. 125 ZGB) aaa) 1. Schritt: Bezifferung des gebührenden Unterhalts (unter Einschluss einer angemessenen Vorsorge) Der gebührende Unterhalt hängt davon ab, ob die Ehe lebensprägend war oder nicht. Aber: Dem Kriterium der Lebensprägung darf kein «Kippschaltereffekt» zukommen, vielmehr ist die konkrete Ehe im Einzelfall zu beurteilen (BGE 147 III 249). Bei lebensprägenden Ehen ist der zuletzt in der Ehe (effektiv) gelebte Lebensstandard massgebend (obere Grenze). Bei nicht lebensprägenden Ehen ist der voreheliche Lebensstandard massgebend (keine Fortführung des ehelichen Lebensstandards, lediglich «Ersatz des Heiratsschadens»). Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 33 Lebensprägung gemäss früherer Rechtsprechung bejaht: bei gemeinsamen Kindern bei langer Ehedauer: Grundsätzlich konnte ab einer Ehedauer von 10 Jahren auch bei kinderlosen Ehen von einer lebensprägenden Ehe ausgegangen werden. Nicht lebensprägend: kinderlose Kurzehen (0-5 Jahre Ehedauer) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zür ich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 34 Lebensprägung gemäss neuer (strengerer) Rechtsprechung des Bundesgerichts > - Kontrete Answirkung wichtig Eine lebensprägende Ehe ist anzunehmen, wenn ein Ehegatte wegen einem gemeinsamen Lebensplan seine Arbeitstätigkeit beziehungsweise seine wirtschaftliche Selbstständigkeit etwa zugunsten der Führung des ehelichen Haushaltes oder der Erziehung der Kinder aufgegeben hat und es ihm aufgrund dieser gemeinsamen Entscheidung nach langjähriger Ehe nicht mehr möglich ist, an sein früheres Erwerbsleben anzuknüpfen oder einer anderen Berufstätigkeit nachzugehen, die einen vergleichbaren wirtschaftlichen Ertrag verspricht (BGE 147 III 249, E. 3.4.3) Verneint bei 3-jähriger Ehe mit Geburt eines Kindes und anschliessend gelebter «klassischen Rollenteilung» bis zur Trennung (ca. 1 Jahr). Mit der Eheschliessung hatte sich die Ehefrau mit ihrem Beratungsunternehmen in die wirtschaftliche Abhängigkeit des Ehemannes begeben, welcher ihr bei der Trennung sämtliche Mandate kündete (BGE 148 III 161). Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 35 Der zuletzt gemeinsam gelebte Lebensstandard stellt die Obergrenze für den Ehegattenunterhalt dar, nicht jedoch für den Kindesunterhalt (BGer 5A_476/2023, E. 3.2.) Vorsorgeunterhalt (Abgrenzung zum Vorsorgeausgleich) gehört dazu. Zur Berechnung vgl. BGE 135 III 158. Eine lebensprägende Ehe schliesst eine zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nicht aus (BGer 5A_801/2022, E. 5.5.1. f.) Auch bei kurzem ehelichem Zusammenleben dauert der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt bis zu jenem Zeitpunkt, ab welchem die (erwerbsrelevanten) Kinderbetreuungsaufgaben entfallen (gemäss Schulstufenmodell: grds. bis zum vollendeten 16. Altersjahr des jüngsten gemeinsamen Kindes (BGer 5A_801/2022, E. 5.7.3.1). Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 36 Die Angemessenheit der Unterhaltsdauer ergibt sich aus einem Zusammenspiel der in Art. 125 Abs. 2 ZGB genannten Kriterien (BGer 5A_801/2022, E. 5.7): - Dauer des ehelichen Zusammenlebens wichtigste Steigerung der Erwerbskraft der unterhaltsschuldenden Partei während des ehelichen Zusammenlebens aufgrund der Aufgabenteilung + Profitieren von seiner beruflichen Entwicklung auch nach der Scheidung Ob unterhaltsansprechende Partei prognostisch ihre (hypothetische) Erwerbskraft (wieder) herzustellen und auszuschöpfen in der Lage ist Erwerbsbehinderung durch Kinderbetreuung Alter und Gesundheitszustand unterhaltsansprechenden Partei vereinbarte Aufgabenteilung Dauer des Erwerbsunterbruchs der unterhaltsansprechenden Partei Art der Ausbildung/früheren beruflichen Tätigkeit Dauer der beruflichen Tätigkeit vor dem Erwerbsunterbruch Weitere fallbezogene Gesichtspunkte entscheidend sein Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 37 Die Rechtsprechung, wonach die Pflicht zur Leistung nachehelichen Unterhaltes im Grundsatz bis zum ordentlichen Pensionierungsalter des Unterhaltspflichtigen dauert, ist nicht einschlägig, denn diese bezieht sich auf Konstellationen, in denen die Parteien das Rentenalter noch nicht erreicht haben. (BGer 5A_987/2023, E. 3.2.) Die Lebensprägung hat auch bei erst im Rentenalter geschiedenen Ehegatten zur Folge, dass ein Anspruch auf Fortsetzung des zuletzt gemeinsam gelebten Standards besteht. Zwar gilt der Grundsatz, dass der nacheheliche Unterhalt zeitlich angemessen zu begrenzen ist, aber nach fast 50-jährigem ehelichem Zusammenleben mit klassischer Rollenteilung und gemeinsamen Kindern lässt sich vor dem Hintergrund des sehr fortgeschrittenen Alters der Parteien von 83 und 77 Jahren eine Befristung der Unterhaltspflicht nicht rechtfertigen. Insofern dauert die Unterhaltspflicht vorliegend bis zum Ableben eines der Ehegatten (BGer 5A_987/2023, E. 3.3.). Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 38 bbb) 2. Schritt: Fehlende eigene Leistungskraft des Berechtigten (Primat der Eigenversorgung) In erster Linie hat der Berechtigte selbst für seinen Unterhalt aufzukommen. Obliegenheit zur (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsprozess bzw. zur Ausdehnung einer bestehenden Tätigkeit. Die Frage ist i.d.R., was unter den konkreten Umständen an eigener Erwerbstätigkeit zumutbar ist, und in tatsächlicher Hinsicht, was sich angesichts der konkreten Verhältnisse bei hinreichenden Anstrengungen effektiv als möglich erweist. Kriterien: Alter und Gesundheit der Eheleute, sprachliche Kenntnisse, bisherige und künftige Aus- und Weiterbildungen, bisherige Tätigkeiten, persönliche und geographische Flexibilität und die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Frühere Faustregel: ab dem 45. Altersjahr kann einem bisher gar nicht erwerbstätigen Ehegatten nicht mehr zugemutet werden, ins Erwerbsleben einzusteigen (aufgehoben in BGE 147 III 308). Heute : Wiedweinstieg ist Pflicht Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 39 Betreuungspflichten stehen einer Erwerbstätigkeit (teilweise) entgegen. Sog. Schulstufenmodell (BGE 144 III 481): 50% ab Kindergarten, 80% ab Sekundarstufe I, 100% ab 16. J. Strenger Massstab: Studierte Informatikerin, welche nicht mehr in ihrem Berufsfeld tätig sein kann, muss nach der Scheidung als Pflegehilfskraft arbeiten, um ihren Lebensunterhalt selbst zu finanzieren (BGE 147 III 308). Der Umfang der Leistungsfähigkeit hängt vom Einkommen (Erwerbseinkommen und Vermögensertrag) ab. Ein Vermögensverzehr wird grundsätzlich nicht gefordert (vgl. zu den Ausnahmen BGE 129 III 7 E. 3.1.2 = Pra 2003 Nr. 85 sowie BGer 5P.173/2002 E. 5; BGer 5A_292/2023). Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 40 ccc) 3. Schritt: Genügende Leistungskraft des Pflichtigen Das Existenzminimum des Pflichtigen ist die absolute Grenze der Der Aflichtige hat Unterhaltspflicht. Existuzminimum garantiert in dies wird nicht eingegriffendas , dur > - Fehlbetrag wird von der Unterhaltsberechtigten getragen Manko haben die Unterhaltsberechtigten zu tragen (Folgen? Kritik?). ↳ Fuhrsorgepflicht und dies muss man auch zurckzahlen Bisheriges Einkommen definiert i.d.R. die Leistungskraft. Einhammn : - 13. ML - Boni - Pauschalspesen Nicht : - wenn man mehr als 100 % arbeitet -Vermigen (Ausnahmen moglich) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 41 ddd) 4. Schritt: Keine Ausschlussgründe nach Art. 125 Abs. 3 ZGB Zurückhaltend/restriktiv anzuwenden (BGE 127 III 65) Restanz des Verschuldensprinzips Deispiel : man entfhrt Kinder ins Ausland , hommt zrick und verlangt Unterhalt Folge : Versagt ode verhurst - Aber : keine Erhhnns miglich ↳ Verschulden nur in eine Richtung zulasten de Unterhaltsberechtighen Person ↳ Kritih Fankhausen Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 42 bb) Bemessung Der nacheheliche Unterhalt wird anhand der zweistufigen Methode mit Überschussverteilung berechnet (BGE 147 III 293; vgl. Folien zur Berechnung des Kindesunterhalts). Ausnahme möglich, bspw. bei aussergewöhnlich günstigen finanziellen Verhältnissen (Ausnahme ist zu begründen), vgl. auch BGer 5A_476/2023, E. 3.2. 2GB 1251 : angemesse Varsorge Person nicht voll Problem die Erwerbsfhig ist kann Altersvorsorge nicht : , ganz einzahlen 15 % dus Lohns , das ist schon viel wenn es nicht eibezaht wird , Merkblatt 9c Beispiel der Berechnung Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 43 Rende : monatlich Abfindungs alles auf einmal c) Form / Modalitäten Rente oder Abfindung, vgl. Art. 126 Abs. 1 und 2 ZGB Voraussetzungen der Abfindung: Antrag, Liquidität, Vorteile für anspruchsberechtigte Person (vgl. BGer 5C.52/2006 zu den Voraussetzungen; BGE 132 III 593 E. 7.3 a.E., wonach eine Abfindung einen Parteiantrag voraussetzt; BGer 5A_512/2008 bejaht die Zulässigkeit der parallelen Festlegung von Rente und Kapitalabfindung) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 44 Folgen bei Abfindung: abänderungsresistent (Wiederver- heiratung etc.), Steuern Berechnung der Abfindung → sog. Kapitalisierung → STAUFFER / SCHAETZLE Bedingungen möglich, z.B. sog. Konkubinatsklausel, Gratifikationsklausel Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 45 d) Vollstreckung Besondere Vollstreckungsinstrumente, weil existenzielle Bedeutung des Unterhalts für den Berechtigten und bekannte fehlende Zahlungsmoral des Verpflichteten Geregelt in Art. 131 u. 132 ZGB (beachte Art. 131a ZGB) Punktuelle Verbesserung bei der Inkassohilfe – Neu: Inkassohilfeverordnung (inkHV), einheitliche Regelung der Inkassoleistungen seit 1.1.2022 – Neu: Art. 290 ZGB Kind erhält neu einen eigenen Anspruch auf unentgeltliche Hilfe (auch volljähriges Kind hat diesen Anspruch). Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 46 Grundsätzlich 3 Bereiche: – Kantonale Inkassohilfe (Pflicht) und Alimentenbevor- schussung (fakultativ) – Schuldneranweisung (Art. 132 Abs. 1 ZGB) → Art. 177, 291 ZGB – Sicherstellung (Art. 132 Abs. 2 ZGB) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 47 e) Abänderung Grundsätzlich zu unterscheiden Inflation ↑ Anpassung an 9) – Abänderung bereits im Urteil vorgesehen bspur , Auto. Anpassung am Index b) – Nachträgliche Abänderung durch Urteil (Reduktion/Erhöhung) C – Nachträgliche Abänderung von Gesetzes wegen Grundsatz: Bei der nachträglichen Abänderung ist nur eine Reduktion, und nur in Ausnahmefällen und unter bestimmten Voraussetzungen eine Erhöhung möglich. Vgl. im Gegensatz dazu Art. 286 ZGB: Kindesunterhalt kann grundsätzlich erhöht und reduziert werden. Nachträgliche Abänderung kann auch vollständig aus- geschlossen werden (vgl. Art. 127 ZGB). Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 48 aa) Automatische Anpassung / Abänderung schon im Urteil Bedingungen können dies vorsehen, vgl. Art. 126 Abs. 3 ZGB (z.B. Konkubinatsklausel). Indexklausel, explizit in Art. 128 ZGB vorgesehen, vgl. auch Art. 282 Abs. 1 lit. d ZPO Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 49 bb) Nachträgliche Reduktion Reduktion Rechtsfolge Aufhebuns Cobnderung) Sistierung Vgl. Art. 129 Abs. 1 ZGB Voraussetzungen: – Ohne beidseitigen Willen nur durch Gericht auf Antrag – Wesentliche und dauerhafte Veränderung der Verhältnisse → Verschlechterung der Verhältnisse des Verpflichteten hohere Loh zspw. → Verbesserung der Verhältnisse des Berechtigten Achtung: Nur wenn im Scheidungsurteil eine den gebühren- den Unterhalt deckende Rente festgesetzt werden konnte. – Veränderung nicht bereits im Scheidungsurteil berücksichtigt (Achtung, nicht unbedingt mit mangelnder Voraussehbarkeit zu verwechseln; vgl. BGE 131 III 189 E. 2.7.4) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 50 Damit die Fakten im Abänderungsprozess leichter eruierbar sind, Angabe von Einkommen und Vermögen (vgl. Art. 282 Abs. 1 lit. a ZPO) Mögliche Abänderungen: – Reduktion – Sistierung / Einstellung – Aufhebung Nachträgliche Indexierung der Rente (Anpassung an die Teuerung), wenn das Einkommen des Pflichtigen unvor- hergesehenerweise ansteigt (vgl. auch Zusammenhang mit Art. 128 ZGB = ursprüngliche Indexierung) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 51 Abänderung (Sistierung) aufgrund nichtehelicher Lebens- gemeinschaft des Berechtigten Zeitpunkt – Ab Zusammenleben Berücksichtigung der kostenredu- zierenden Umstände – Ab gewisser Dauer (BGer 5C.296/2001 E. 3 b)bb) des Zusammenlebens (sog. qualifiziertes Konkubinat) vollständige Sistierung ungeachtet der finanziellen Ersparnisse (BGer 5A_81/2008 E. 5.1.2) 26 ahre-2 Sistierung 5 Jahre > - Anthebuns – Grundsätzlich keine Aufhebung mehr analog Art. 130 Abs. 2 ZGB, sondern nur Sistierung (BGer 5C.93/2006 E. 2.1.2; vgl. aber BGer 5A_760/2012 E. 5.1.2.2: Aufhebung denkbar) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 52 cc) Nachträgliche Erhöhung / Neufestsetzung Vgl. Art. 129 Abs. 3 ZGB Ausnahmefall: Grundsätzlich kann die nacheheliche Unterhaltsrente nicht erhöht werden. Voraussetzungen: – Antrag innerhalb von 5 Jahren seit dem Scheidungsurteil – Im Scheidungsurteil konnte keine den gebührenden Unterhalt deckende Rente festgelegt werden (sog. Unterdeckung). – Unterdeckungstatbestand ist im Urteil / Konvention festgehalten worden (Vorbehalt), vgl. auch Art. 282 Abs. 1 lit. c ZPO. – Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Verpflichteten Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 53 Rechtsfolge: – Neufestsetzung (keine zeitliche Begrenzung) ↳ nicht 5 Jahre begrenzt – Erhöhung In der Praxis toter Buchstabe Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 54 dd) Manko-Nachforderung beim Kindesunterhalt (Art. 286a ZGB) 1. Gebührender Unterhalt konnte nicht gedeckt werden. 2. Verhältnisse auf Seiten des Zahlungspflichtigen haben sich ausserordentlich verbessert. 3. «Manko» der letzten 5 Jahre kann eingefordert werden. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 55 ee) Erlöschen von Gesetzes wegen Vgl. Art. 130 ZGB 3 Fälle des Erlöschens: von Gesetzes wegen , keine Klage nothly 1 , – Tod des Unterhaltsverpflichteten (passive Vererblich- keit) 2 , – Tod des Unterhaltsberechtigten (aktive Vererblichkeit). 3 – Wiederverheiratung des Unterhaltsberechtigten Gegenteilige Vereinbarung möglich Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 56 4. Vorsorgeausgleich a) Allgemeines / Dreisäulensystem aa) Allgemeines Altersvorsorge basiert in der CH auf dem Dreisäulen- system (Art. 111 Abs. 1 BV): – 1. Säule: Eidgenössische Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung – 2. Säule: Berufliche Vorsorge > - michtig fur Vorsorgeberechnung ZGD122ff. – 3. Säule: Selbstvorsorge - Teil des Guterrechts Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 57 Das meiste Geld wird gebunden, v.a. in der 2. Säule, angespart. Partizipation daran sehr wichtig, ähnlicher Gedanke wie bei der Errungenschaftsbeteiligung. Ob Aktiven zur 2. Säule (Art. 122-124e ZGB) oder 3. Säule (Güterrecht) gehören, ist relevant für die Möglichkeit gegenteiliger Vereinbarungen sowie für die Behandlung von Ertrag auf vorehelichem Kapital. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 58 mindwhims Was wird bei 2GB 1251 ausgeglichen ? 1. Sin hat nichts mit der Scheidung zu tun ist , Sozialverschungsrecht bb) 1. Säule (AHV) Dient(-e) der Existenzsicherung. Aufteilung (Splitting) erfolgt über das Sozialversicherungs- recht, d.h., sie ist nicht Gegenstand des zivilrechtlichen Scheidungsverfahrens. Die Beitragsleistungen erfolgen über Lohnabgaben (in Prozenten des Einkommens). Nichterwerbstätige, welche Kinder betreuen, erhalten Erziehungs- und Betreuungsgutschriften. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 59 Für die Scheidung kann allenfalls relevant sein, mit welcher Rentenhöhe die Ehegatten nach dem Splitting rechnen können. Im AHVG und den dazugehörenden Verordnungen geregelt AHV Erziehungsgutschriften müssen nachehelich zugeteilt werden (zwei Möglichkeiten: hälftig an beide Eltern oder ganz an einen Elternteil) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 60 cc) 2. Säule (Berufliche Vorsorge) Dient (zusammen mit der 1. Säule) der „[…] Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise […]“ im Alter (vgl. Art. 1 Abs. 1 BVG). Öffentlich-rechtlich normiert (BVG, FZG), privatrechtlich organisiert. Finanzierung über Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge Obligatorisch versichert sind alle Arbeitnehmer, die ein bestimmtes Mindesteinkommen erzielen (derzeit mind. CHF 22’050.-/Jahr). Ausgeschlossen (Obligatorium) sind Selbstständigerwerbende und Teilzeitarbeitende unter ca. CHF 1‘700.– monatlich (freiwillige Versicherung möglich). Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 61 Alle Guthaben, die den Bestimmungen des BVG und des FZG unterstehen. Teilung erfolgt über Scheidungsrecht und FZG. PK bei Wechsel des Arbeitsgeben mit neuer Freizügigkeitskonto: Bei Austritt aus PK Überweisung der Freizügigkeitsleistung an neue PK, ansonsten auf ein Freizügigkeitskonto oder auf eine Freizügigkeitspolice. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 62 dd) 3. Säule (Selbstvorsorge) Private Vorsorge Um die private Vorsorge zu fördern, wird sie steuerlich begünstigt, ist dann aber gebunden (sog. Säule 3a oder gebundene Vorsorge). Dies ist über Bank(stiftungs)- sparen oder Versicherungssparen möglich. Freie Vorsorge ist das „normale“ Sparen = Säule 3b. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 63 (Nur) Erwerbstätige können bis zu einem Grenzbetrag pro Jahr einen entsprechenden Betrag vom steuerbaren Einkommen abziehen. Bei Auszahlung wird es zu einem reduzierten Steuersatz besteuert. – Unselbstständigerwerbende: Derzeit rund CHF 7’056 – Selbstständigerwerbende: 20% des jährlichen Erwerbseinkom- mens (max. CHF 35’280.-) Wird güterrechtlich erfasst, nicht über Art. 122 ff. ZGB. Da es sich um Güterrecht handelt, kann eine gegenseitige Partizipation über die ehevertraglich vereinbarte Güter- trennung ausgeschlossen werden. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 64 b) Berufliche Vorsorge (Art. 122 ff. ZGB) aa) Grundlagen Art. 122 ZGB sieht den Grundsatz des Vorsorgeaus- - gleichs vor. - > bis zur Einleitung des Scheidungsverfahren Art. 123, 124 und 124a ZGB umschreiben, wie der Aus- gleich in den drei unterschiedlichen Konstellationen vorzunehmen ist: Ausnahme : 1 Wenn noch kein Vorsorgefall eingetreten ist, erfolgt der Vorsorgeausgleich mittels hälftiger Teilung der Austrittsleistungen (Art. 123 ZGB). 1:100 3 j 75 also a , Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 65 2 Wenn ein Ehegatte zwar bereits eine Invalidenrente bezieht, aber das reglementarische Rentenalter noch nicht erreicht hat, wird der Vorsorgeausgleich basierend auf jener hypothetischer Austrittsleistung vorgenommen, auf die der Invalidenrentner bei Fall schwierigster Wegfall der Invalidenrente Anspruch hätte (Art. 124 ZGB). > - 3 Wenn nach dem reglementarischen Rentenalter eine Invalidenrente oder eine Altersrente bezogen wird, wird die Rente geteilt (Art. 124a ZGB). shal (in and das Authabas # ele mid 1 - 2. → Beachte auch Art. 124b Abs. 1 und 2 (Ausnahmemöglich- keiten), Art. 124b Abs. 3 (überhälftige Teilung), Art. 124e Abs. 1 (Ausgleich über angemessene Entschädigung) und Art. 7d und 7e SchlT ZGB. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 66 des Teilungssubstrat (von welde Guthaben gehm wir aus ) ? bb) Berechnung Art. 123 Abs. 3 ZGB verweist auf die Bestimmungen des FZG. Grundsätzlich ist das zwischen Eheschluss und Rechts- hängigkeit des Scheidungsverfahrens angesparte Gutha- ben der 2. Säule zu teilen. Massgebende Zeitpunkte sind damit die Eheschliessung und die Einleitung des Scheidungsverfahrens. Kein «Vorsorgeunterhalt» während des Scheidungs- verfahrens ( BGE 145 III 169). Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 67 Berechnung: Guthaben im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens abzüglich aufgezinstes Guthaben im Zeitpunkt des Eheschlusses (Unterschied zum Güterrecht, wo das voreheliche Guthaben nicht aufgezinst wird bzw. der Ertrag zu teilen ist) → Zins zur Aufzinsung nach BVG- Mindestzinssatz Massgebend sind Austrittsleistungen (inkl. Freizügigkeits- guthaben und WEF-Vorbezüge, exkl. Einmaleinlagen aus Eigengut). Falls eine Invalidenrente vor dem reglementarischen Rentenalter ausgerichtet wird, ist die hypothetische Aus- trittsleistung massgebend. Verrechnung der gegenseitigen Leistungen Vgl. Skizze! Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 68 Guthaben bei Einleitung des Scheidungsverfahrens Teilungssubstrat 11/1 // IIAufzinsung , ' des vorendlichen Guthaben Voreheliches Guthaben "IIIIIIIIIIIII t Zeit der Ehe Eheschluss - Einleitung Scheidungsverfahren Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 69 cc) Verzicht oder Verweigerung der Teilung Abweichungen vom Grundsatz der hälftigen Teilung nur unter den Voraussetzungen von Art. 124b ZGB zulässig (siehe kommende Folien) Es geht beim Vorsorgeausgleich nicht darum festzu- stellen, welcher Ehegatte wie viel zum Unterhalt der Familie beigetragen hat (vgl. aber BGE 145 III 56 E. 5.4), sondern um eine egalitäre Teilhabe am Vorsorgeaufbau des jeweils anderen Ehegatten. Im Bereich der Vorsorgeteilung gilt der Untersuchungs- grundsatz und die Offizialmaxime. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 70 Voraussetzungen (Art. 124b ZGB): – Verzicht (Abs. 1): Gewährleistung einer angemessenen Altersvorsorge Rechtstatsächliche Untersuchungen zeigen, dass oft ohne ernstzunehmende gerichtliche Kontrolle verzichtet wird, insbesondere bei sehr kleinen Guthaben. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 71 – Verweigerung (Abs. 2): Wichtige Gründe Güterrechtl. Auseinandersetzung / wirt. Verhältnisse Vorsorgebedürfnisse/ Altersunterschied Andere wichtige Gründe (vgl. BGE 145 III 56: Verhalten während der Ehe grundsätzlich kein Kriterium. Ausnahme: «besonders schockierende Situationen»; i.c. Ehefrau trug während der ganzen Ehedauer sowohl die alleinige finanzielle Last der Familie als auch die Verantwortung für Kinder und Haushalt. Zusätzlich wurden sie und die Kinder vom Ehemann schikaniert und geschlagen; vgl. auch BGer 5A_694/2018 E. 4.2: Dass die Ehegatten offensichtlich nicht in gleicher Weise an den Unterhalt der Ehegemeinschaft beigetragen haben, stellt alleine keinen genügenden Grund dar). Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 72 – Überhälftige Teilung (Abs. 3) Betreuung gemeinsamer Kinder Angemessene Vorsorge Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 73 c) Rententeilung (Art. 124a ZGB) aa) Voraussetzungen (alternativ) IV-Rente nach reglementarischem Rentenalter Altersrente bb) Bemessung Teilung der Rente(n) anhand Ehedauer und Vorsorgebe- dürfnissen (grsl. Berechnung des auf die Ehedauer entfallenden Rententeils, dann hälftige Teilung; -> Richter kann sich bei Ausübung seines Ermessens von den Grundsätzen des Art. 124b ZGB leiten lassen und von der hälftigen Teilung abweichen (vgl. BGE 145 III 56 E. 5.1). Umrechnung Rentenanteil in lebenslängliche Rente des berechtigten Ehegatten (vgl. Rechner auf Webseite BSV) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 74 d) Angemessene Entschädigung (Art. 124e ZGB) Vorbehalten für Spezialfälle Bei Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der Teilung Liquidität erforderlich Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 75 e) Umwandlung bestehender Renten (Art. 7e SchlT ZGB) Auch bereits geschiedene Ehegatten sollen vom verbes- serten Vorsorgeausgleich profitieren können. Renten, die nach bisherigem Recht als angemessene Entschädigung zugesprochen wurden, konnten unter bestimmten Voraussetzungen in eine lebenslängliche Rente umgewandelt werden (nur möglich gewesen bis 01.01.2018). Vorteil der berechtigten Person = Rentenanspruch erlischt nicht mehr wie bisher mit dem Tod der verpflichteten Person. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 76 6. Weitere Scheidungsfolgen (Familienwohnung, Name, Erbrecht) a) Familienwohnung (Art. 121 ZGB) Falls die Familienwohnung im Miteigentum steht, kann güterrechtlich eine Zuweisung an den Ehegatten erfolgen, der ein überwiegendes Interesse nachweisen und volle Ent- schädigung leisten kann (vgl. Art. 205 Abs. 2 ZGB). Diese güterrechtliche Zuweisung ist aber in folgenden Fällen nicht möglich: - Abe – Familienwohnung / -liegenschaft ist gemietet. ↳ keine dingliche Berechtigung – Familienwohnung / -liegenschaft steht nicht im Miteigentum. Alleineigentum wegen Erbe ↳ des Ehemannes bspur , – Interessierte Partei kann die Liegenschaft aus finanziellen Gründen nicht übernehmen. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 77 Trotzdem können insbesondere Kindsinteressen es als angezeigt erscheinen lassen, dass der eine Ehegatte (mit den Kindern) weiterhin in der Familienwohnung bleiben kann. → Hier hilft Art. 121 ZGB. Voraussetzung ist insbesondere das Vorliegen wichtiger Gründe (beruflich, gesundheitlich, namentlich aber wegen der Kinder). Möglichkeiten durch Art. 121 ZGB: > - – Bei Mietwohnung: Übertragung der Rechte und Pflichten auf - den einen Ehegatten (Art. 121 Abs. 1 ZGB, Folgen Abs. 2) – Bei Eigentum der Parteien: Befristetes und entgeltliches - Wohnrecht (Art. 121 Abs. 3 ZGB) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 78 Folgen der Scheidung auf das Y b) Erbrecht ihm 2GB 472 ↑. Vgl. Art. 120 Abs. 2 und 3 ZGB -> Gegenteil zum gesetzlichen Erbrecht Gewillkürtes Erbrecht: Grundsätzlich bestehen keine Rechte aus Verfügungen von Todes wegen, die vor der Rechtshängigkeit der Klage errichtet wurden. (Vermutung, dass eben diese Verfügungen unter der stillschweigenden Bedingung errichtet wurden, dass die Ehe nicht bereits vorher durch Scheidung aufgelöst wurde. Umgekehrt wird bei Verfügungen von Todes wegen nach der Scheidungs- klage vermutet, dass diese auch gelten, wenn die Ehe geschieden ist.) Gesetzliches Erbrecht geht erst mit rechtskräftiger - Scheidung unter. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 79 b) Erbrecht Vgl. Art. 120 Abs. 2 und 3 ZGB Seit dem 01.01.2023 gilt, dass der Ehegatte bzw. die Ehegattin mittels privatautonomer Absprachen/ Anordnungen (testamentarisch, erbvertraglich) ab Rechtshängigkeit der Scheidung den Erbanspruch des anderen entziehen bzw. wegbedingen kann Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 80 c) Name und Bürgerrecht Vgl. Art. 119 ZGB Grundsätzlich entfaltet die Scheidung keine unmittelbaren Wirkungen. Name: Möglichkeit, jederzeit den Ledigennamen wieder anzunehmen whrend ↳ auch Ehe Ledigname: Darunter ist der vor einer ersten Ehe und nicht der unmittelbar vor der Ehe geführte Name zu verstehen (zur Auslegung des Begriffs «Ledignamen», vgl. Aebi-Müller, Das neue Familiennamensrecht – eine erste Übersicht, SJZ 108/2012, S. 449 ff.). Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 81 IV. Scheidungsverfahren 1. Verfahrensarten a) Scheidung auf gemeinsames Begehren (Art. 285 ff. ZPO) Vgl. Merkblatt b) Scheidung auf Klage / kontradiktorisches Verfahren (Art. 290 ff. ZPO) Vgl. Merkblatt Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 82 c) Verfahrenswechsel (Art. 288 / 292 ZPO) „Scharniere“ zwischen dem Verfahren auf gemeinsames Begehren und dem Verfahren auf Klage Wichtig für Zeitpunkt des Art. 114 ZGB ist Art. 288 ZPO. d) Zustimmung zur Klage oder Widerklage Vgl. Art. 292 ZPO Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 83 2. Verfahrensgrundsätze / Zuständigkeiten / Vorsorgliche Massnahmen a) Allgemeines Art. 274 ff. ZPO b) Zuständigkeiten (Art. 23 Abs. 1 ZPO) Wahlgerichtsstand, d.h. Gericht am Wohnsitz eines Ehe- gatten Art. 198 lit. c ZPO → Kein Schlichtungsverfahren bei Scheidungsverfahren Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 84 c) Vorsorgliche Massnahmen (Art. 276 ZPO) Massnahmen für die Dauer des Verfahrens Regeln über Eheschutz sinngemäss anwendbar (vgl. aber Relativierung durch BGer, wonach bei der Unterhaltsfest- legung die Kriterien des nachehelichen Unterhalts nach Art. 125 ZGB mit zu berücksichtigen sind, BGer 5P.279/2005 E. 5.3.2.1) Kein Vorsorgeunterhalt während des Scheidungs- verfahrens (Vorsorgelücke) BGE 145 III 169 Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 85 d) Ermittlung des Sachverhalts (Art. 277 ZPO) Regel: Grundsätzlich gilt der Untersuchungsgrundsatz (Art. 277 Abs. 3 ZPO). Ausnahme: Bei Güterrecht und nachehelichem Unterhalt gilt der Verhandlungsgrundsatz (Art. 277 Abs. 1 ZPO). Gegenausnahme: Bei vermögensrechtlichen Schei- dungsfolgen besteht eine Einreichungsaufforderungs- pflicht für relevante Urkunden (Art. 277 Abs. 2 ZPO). Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 86 e) Einheit des Scheidungsurteils (Art. 283 ZPO) Grundsätzlich sind alle Scheidungsfolgen gemeinsam mit der Scheidung im gleichen Urteil zu entscheiden (ratio legis?). Ausnahmen: - Teilurteil betreffend Vorsorgeteilung (Art. 281 Abs. 3 ZPO oder Art. 283 Abs. 3 ZPO). - Teilurteil betreffend Güterrecht (Art. 283 Abs. 2 ZPO) - Teilurteil im Scheidungspunkt: Bei Zustimmung beider Ehegatten oder überwiegendem Interesse (BGE 144 III 298) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 87 3. Stellung der Kinder Podcast Kinder im Scheidungsrecht https://podcasts.weblaw.ch/open- a) Allgemeines access/familienrecht/famrissues/Familienrecht/kinder.html Art. 295 ff. ZPO, insb. Art. 297 ff. ZPO Kind nicht als Objekt, sondern als Subjekt des Verfahrens Vgl. Art. 314a und 314abis ZGB für Verfahren vor KSB b) Kindsanhörung (Art. 298 ZPO) Art. 298 ZPO – Abs. 1: Grundsatz (gemäss BGer ist Alter ab 6 Jahren grds. kein Hinderungsgrund) – Abs. 2: Protokoll – Abs. 3: Beschwerdemöglichkeit bei Verweigerung Prozessuales Pendant zu Art. 133 Abs. 2 ZGB Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 88 c) Kindsvertretung / Vertretungsbeistandschaft (Art. 299 - 301 ZPO) aa) Anordnung 2 Fälle: – Anordnung prüfen, wenn wichtige Gründe vorliegen (Konkretisierung beispielhaft in Art. 299 Abs. 2 ZPO) → Ermessensentscheid des Gerichts – Antrag des urteilsfähigen Kindes → Zwingende Anordnung Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 89 bb) Ernennung durch Gericht Früher: Durch VB (= Schwachstelle) Heute: Beistand = in fürsorgerischen und rechtlichen Fragen erfahrene Person (vgl. allerdings BGE 142 III 153, 168) cc) Aufgaben Meinung des Kindes in den Prozess einbringen (umstrit- ten, ob rein subjektiv oder am Wohl des Kindes objekti- viert; vgl. BGE 142 III 153 E. 5.2) ↳ sehr schlechtes Urteil Anträge und Rechtsmittel gem. Katalog von Art. 300 ZPO Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 90 d) Untersuchungsgrundsatz und Offizialmaxime (Art. 296 ZPO) Mitwirkungspflicht bei Abstammungsgutachten (Art. 296 Abs. 2 ZPO). Bundesgericht hält polizeilichen Zwang zur Durchsetzung für zulässig (BGer 5A_745/2014). Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 91 4. Vorsorgeausgleich a) Allgemeines Beteiligung Dritter (Rechtskrafterweiterung auf Dritte) Offizialmaxime und Untersuchungsgrundsatz b) Einigkeit über den bzw. Feststehen des zu überwei- senden Betrags (Art. 280 ZPO) Vereinbarung (Betrag ist zu beziffern) Guthabens- und Durchführbarkeitsbescheinigungen Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 92 c) Uneinigkeit (Art. 281 ZPO) Wenn keine Einigung erzielt werden konnte, aber die massgeblichen Guthaben und Renten feststehen, kann das Gericht den Betrag festlegen (Art. 281 Abs. 1 ZPO). Zu überweisender Betrag lässt sich nicht leicht fest- stellen, dann Überweisung an das Berufsvorsorgegericht (Art. 281 Abs. 3 ZPO => Durchbrechung des Grund- satzes der Einheit des Scheidungsurteils, Art. 283 ZPO) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 93 5. Scheidungsvereinbarung = Scheidungskonvention a) Allgemeines Äusserst praxisrelevant Im Gesetz nur rudimentär geregelt. Vgl. Art. 111 ZGB und Art. 285 lit. e ZPO (Belege), Art. 279 ZPO (Genehmigungsvoraussetzungen), Art. 282 ZPO (Inhalt) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 94 b) Gerichtliche Genehmigung (Art. 279 ZPO) Die Voraussetzungen in Art. 279 Abs. 1 ZPO geregelt: – Klar – Vollständig – Auf freiem Willen beruhend und nach reiflicher Über- legung geschlossen – Inhalt nicht offensichtlich unangemessen (beschränkte Inhaltskontrolle) Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 95 Zur Angemessenheitsprüfung: – Es ist heftig umstritten, ob diese Prüfung nicht auf eine weitergehende, eigentliche Angemessenheitsprüfung ausgeweitet werden soll. – Massstab ist jene Lösung, die ein Gericht getroffen hat. – Prüfungsbeschränkung gilt nur betreffend jener Schei- dungsfolgen, bei welchen die Parteien volle Disposi- tionsbefugnisse haben. – Insb. volle Prüfung bei Kinderbelangen (Offizial- maxime) und bei der Vorsorgeteilung Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 96 Zur Bindungswirkung: – Bei Verfahren nach Art. 111 ZGB noch persönliche Anhörung und Bestätigung (freie Widerrufbarkeit bis zu diesem Zeitpunkt) – Umstritten ist, ob bei Abschluss einer Vereinbarung in einem streitigen Verfahren eine Bindungswirkung eintritt und somit nur noch die Nichtgenehmigung verlangt werden kann. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 97 6. Rechtsmittel a) Allgemeines Grundsätzlich sind die Rechtsmittel in der ZPO geregelt. Für bundesrechtliche Rechtsmittel ist das BGG zu konsultieren. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 98 b) Grundsatz der Teilrechtskraft und Ausnahme (Art. 282 Abs. 2 ZPO) Art. 315 Abs. 1 ZPO Rechtskraft wird im Umfang der Berufungsanträge aufgeschoben. Z.B. kann im Scheidungspunkt das Urteil in Rechtskraft erwachsen, bzgl. der Scheidungsfolgen aber noch nicht. Ausnahme: Wird der Unterhaltsbeitrag für den Ehegatten angefochten, so kann die Rechtsmittelinstanz auch die nicht angefochtenen Kindesunterhaltsbeiträge neu beur- teilen und abändern (Konnexität!). Art. 282 Abs. 2 ZPO Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 99 c) Anfechtung im Scheidungspunkt bei gemeinsamem Begehren (Art. 289 ZPO) Betrifft nur die Scheidung auf gemeinsames Begehren. Scheidungspunkt Begrenzung auf Willensmängel Ansonsten stehen die üblichen Rechtsmittel (Berufung) zur Verfügung. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 10 0 V. Ehetrennung (Hinweis) ↑ Getrenntleben ↳ gemeinsam wohnen Scheidung light (Scheidung ↳ fur Religiose) wenn nicht mehr 1. Allgemeines Kaum praxisrelevant Meist religiöse Gründe 2. Voraussetzungen und Verfahren Gleiche Voraussetzungen wie bei der Scheidung Verfahrensbestimmungen sind analog anzuwenden. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 10 1 3. Folgen der Ehetrennung a) Grundsatz: Gleiche Folgen wie bei Regelung des Getrenntlebens Die Unterhaltspflicht beurteilt sich nicht nach den scheidungsrechtlichen Bestimmungen über den nachehe- lichen Unterhalt (Art. 125 ff. ZGB). Anwendbar ist vielmehr Art. 176 i.V.m. Art. 163 ff. ZGB. Die Unterhaltsansprüche des getrennt lebenden Ehe- gatten stellen somit ehelichen und nicht nachehelichen Unterhalt dar. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 102 Wohl aber Relativierung durch BGer Rechtsprechung bei Art. 163 ZGB und Art. 275 ZPO Insbesondere kein Entfallen des gesetzlichen Erbrechts und keine Teilung der beruflichen Vorsorge b) Ausnahme: Gütertrennung von Gesetzes wegen Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 103 Verweis: Das Güterrecht wird in dieser Vorlesung nicht behandelt. Als Kurzeinführung steht auf OLAT ein Lernvideo zur Verfügung. Familienrecht, § 12, Prof. Dr. iur. Roland Fankhauser, HS 2024 Universität Zürich, Rechtswissenschaftliche Fakultät 104 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.