PDF Pflege Heute: Infektionspflege Kapitel 30

Summary

Dieses Dokument aus dem Bereich der Pflege befasst sich mit der Infektionspflege, einschließlich Präventionsmaßnahmen, Hygienestandards und der Pflege von Patienten mit Infektionskrankheiten. Die Pflege umfasst auch die Patientenbeobachtung, -beurteilung und -intervention sowie die Durchführung von Standardhygienemaßnahmen. Es werden auch Themen wie Isolierung und Hygienemaßnahmen im Gesundheitswesen behandelt.

Full Transcript

Infektiologie: Lehre von den Infektionskrankheiten (Epidemiologie, Vorbeugung, Diagnose, Therapie) einschließlich seuchenmedizinischer Aspekte. Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie: Medizinisches Fachgebiet, das sich v. a. mit Labordiagnostik, Aufklärung von Ursachen und epidem...

Infektiologie: Lehre von den Infektionskrankheiten (Epidemiologie, Vorbeugung, Diagnose, Therapie) einschließlich seuchenmedizinischer Aspekte. Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie: Medizinisches Fachgebiet, das sich v. a. mit Labordiagnostik, Aufklärung von Ursachen und epidemiologischen Zusammenhängen sowie Prävention von Infektionskrankheiten befasst. Infektionskrankheiten kommen in allen medizinischen Fachgebieten vor. Besonders häufig sind sie in der Pädiatrie, da sich das Immunsystem des Kindes mit zahlreichen „neuen“ Krankheitserregern seiner Umwelt auseinandersetzen muss. Auch ältere Menschen erkranken häufiger an Infektionskrankheiten, v. a. aber sind sie erhöht komplikationsgefährdet. 30.1. Pflege bei Infektionskrankheiten Hygiene Kap. 41 Prävention und Gesundheitsberatung Ein Schwerpunkt der Prävention und Gesundheitsberatung bei Infektionskrankheiten ist die Aufklärung des Patienten bzw. der Patientin (im Folgenden „Patientin“), des Bewohners bzw. der Bewohnerin (im Folgenden „Bewohnerin“) und der Angehörigen über die Übertragungswege der Erkrankung, die Gefährdung für die Umgebung und die sinnvollen Hygienemaßnahmen zur Verhinderung einer weiteren Erregerausbreitung. Der zweite Schwerpunkt liegt in Gesprächen über Impfungen (30.3.2). 30.1.1. Patientensituation Infektionskrankheiten können eine Isolierung der Patientin bzw. Bewohnerin erfordern, um eine weitere Ausbreitung der Erkrankung zu verhindern. Für die Isolierte bedeutet dies, längere Zeit allein in einem Zimmer verbringen zu müssen (Ausnahme Kohortenisolierung, 30.1.4), bei stationärer Aufnahme zudem noch in fremder Umgebung. Die persönlichen Kontakte zur Außenwelt sind eingeschränkt. Die Patientin kann sich selbst als „eine Gefahr“ für die anderen sehen und unter einem reduzierten Selbstwertgefühl leiden. Dieses Gefühl kann durch unangemessenes Verhalten der Umgebung (meist aus Unkenntnis) verstärkt werden. Aufklärung, Anteilnahme und Zeit für Gespräche vonseiten der Pflegenden sind daher besonders wichtig. 30.1.2. Beobachten, Beurteilen und Intervenieren Körpertemperatur Viele Infektionskrankheiten gehen mit Fieber (Pflege bei Fieber 5.4, 5.5) einher. Fieber ist eine wichtige Abwehrreaktion des Körpers und sollte bei ansonsten gesunden Kindern und Erwachsenen nicht zu schnell gesenkt werden. Pflegende kontrollieren regelmäßig die Körpertemperatur und begleitende Symptome. Ernährung Patientinnen mit Infektionskrankheiten sind häufig appetitlos. Pflegende bieten leicht verdauliche, fettarme Kost an, wenn möglich Wunschkost. Bei Entzündungen im Mund sind säurehaltige und harte Speisen zu meiden, pürierte, weiche Kost ist zu bevorzugen. Ausreichende Flüssigkeitszufuhr soll ein Flüssigkeitsdefizit durch Erbrechen, Durchfälle oder Fieber vermeiden. Pflegefachpersonen führen ggf. eine Einfuhrbilanz (8.1.2). Kann der Flüssigkeitsbedarf durch Trinken allein nicht gedeckt werden, sind Infusionen (43.5) erforderlich. 30.1.3. Standardhygienemaßnahmen Hygienegerechtes Verhalten 41.4 Grundlage jeglicher Infektionsprävention ist eine Einhaltung der Standardhygienemaßnahmen (Basishygienemaßnahmen, 41.2). Das sind die grundlegenden Hygienemaßnahmen, die generell bei allen Patientinnen gelten. Dazu zählen u. a.: Sorgfältige Händehygiene (Händewaschen, -desinfektion, Haut- und Nagelpflege, Tragen von Schutzhandschuhen 41.2.3, Abb. 30.1) Abb. 30.1 Hygienische Händedesinfektion, eine der bedeutendsten und doch häufig vernachlässigten Maßnahmen, um eine Erregerverbreitung zu verhindern. [J787] Barrieremaßmahmen, um Kontakt mit potenziell infektiösen Körperflüssigkeiten zu vermeiden: Tragen von Schutzhandschuhen (41.2.4) bei jedem Kontakt mit verletzter Haut, Schleimhäuten, Körperflüssigkeiten (einschließlich Blut) oder anderen potenziell kontaminierten Materialien. Zusätzliches Tragen von Schutzkittel, Mund-Nasen-Schutz und Schutzbrille, wenn die Gefahr von Verspritzen bzw. Aerosolbildung infektiösen Materials besteht (z. B. Blutspritzer auf die Kleidung oder ins Auge) (Tab. 41.2) Hustenhygiene (-etikette, alle Personen): Bei Husten oder Niesen Bedecken von Mund und Nase mit einem (Einmal-)Tuch/Mund-Nasen-Schutz und Entsorgen des Tuches ohne Zwischenlagern/Berühren. Händedesinfektion nach möglicher Kontamination der Hände mit respiratorischen Sekreten. Möglichst Abstand von mindestens 1 m zu anderen Personen. Tragen von Mund-Nasen-Schutz durch das Personal bei Atemwegsinfekt, je nach epidemiologischer Situation bei jedem engen Patientenkontakt Reinigung bzw. Desinfektion der patientennahen Umgebung (regelmäßig und bei Kontamination, 41.3.1, 41.3.2) Fachgerechter Umgang mit Lebensmitteln (41.4.4) und Sondennahrung (7.7.4) Fachgerechter Umgang mit und Aufbereitung von Pflegeutensilien (41.4.6), Medizinprodukten und Sterilgut (41.5) Adäquate Abfall- und Wäscheentsorgung (41.6, 41.4.5) Schutz vor Stichverletzungen (14.5.10, 42.5.1). 30.1.4. Quellenisolierung Welche Maßnahmen bei Patientinnen mit Infektionskrankheiten zum Schutz vor Weiterverbreitung der Erreger erforderlich sind, hängt vor allem von Stadium der Erkrankung, Eigenschaften und Übertragungsweg der Erreger ab. Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung einer Infektion werden als Quellenisolierung zusammengefasst. Allgemeine Grundsätze Baulich vorgesehene Infektionsstationen gibt es fast nur in Krankenhäusern der Maximalversorgung oder Zentren für Infektionskrankheiten. Überwiegend werden für die Quellenisolierung Einzelzimmer einer normalen Pflegestation oder ggf. ganze Stationen „umgerüstet“. Unabhängig von baulichen Gegebenheiten gilt: Die Patientenzimmer sind Einbettzimmer mit eigener Nasszelle, möglichst mit einem Vorraum als Schleuse. Patientinnen mit gleichem Erreger können in einem gemeinsamen Zimmer untergebracht werden (Gruppen-, Kohortenisolierung). Die Patientinnen dürfen die Zimmer nicht verlassen, Patiententransporte werden so weit wie möglich beschränkt Das Zimmer wird von außen als „infektiös“ gekennzeichnet (Abb. 30.2). Alle auf der Station Tätigen sowie Besucher werden informiert Abb. 30.2 Für die Quellenisolierung umgerüstetes Zimmer. Ein Informationsblatt an der Tür bittet Besucher um Rücksprache bei den Pflegenden und informiert über die Hygienemaßnahmen. [K115] Unnötiges Betreten der Patienteneinheit erhöht das Risiko der Keimverschleppung. Daher ist es wichtig, die Arbeitsabläufe richtig zu organisieren Alle Pflegeutensilien kommen streng patientenbezogen zum Einsatz und bleiben im Patientenzimmer, bevorzugt verwenden Pflegefachpersonen Einmalmaterialien. Die Patientendokumentation wird außerhalb aufbewahrt und auch zur Visite nicht ins Zimmer gebracht In der Schleuse bzw. vor dem Zimmer befinden sich saubere Schutzkittel, am besten zum Einmalgebrauch, und weitere persönliche Schutzausrüstung, z. B. Handschuhe in verschiedenen Größen Bei allen Pflegetätigkeiten sind Schutzhandschuhe zu tragen, um Kontakt mit potenziell infektiösen Körperflüssigkeiten oder kontaminierten Materialien und Gegenständen zu vermeiden Personal und Besucher tragen bei über Tröpfchen oder die Luft (aerogen) übertragenen Infektionen einen dicht abschließenden Mund-Nasen-Schutz, um sich vor Einatmen der Erreger zu schützen. Welcher Mund-Nasen-Schutz geeignet ist, hängt v. a. vom Erreger ab. Generell wird der medizinische Mund-Nasen-Schutz (MNS, OP-Maske) von den FFP-Masken (FFP = filtering facepiece particle) der Filterklassen FFP 1–3 unterschieden (Abb. 30.3). Je kleiner die Tröpfchen-/Tröpfchenkerngröße, desto höher muss die Filterklasse sein. Ein Teil der MNS erfüllt dabei die FFP-1-Kriterien. Die Patientin trägt im Zimmer keinen Mund-Nasen-Schutz, wohl aber bei Transporten Abb. 30.3 Links: Pflegefachfrau mit korrekt angelegtem Mund-Nasen-Schutz, wie er bei Gefahr einer Tröpfcheninfektion angelegt wird. Rechts: Pflegefachmann mit dicht sitzender FFP2- Maske zum Schutz vor aerogener Infektion. [K115] Meist kann das Geschirr in die krankenhauseigene Spülmaschine gegeben werden (zuletzt abholen und ohne es nochmals abzustellen in den Geschirrwagen stellen). Nur bei wenigen Erkrankungen, etwa Cholera, ist das Geschirr in der Patienteneinheit zu desinfizieren oder Einweggeschirr zu verwenden Wäsche, die direkt mit erregerhaltigem Material in Berührung gekommen ist (infektiöse Wäsche), wird in speziell gekennzeichneten Textilsäcken verpackt und in die Wäscherei gegeben. Bei nasser Wäsche wird zusätzlich ein Kunststoffsack über den Stoffsack gezogen Bei den Abfällen (41.6) muss unterschieden werden zwischen solchen, die aus infektionspräventiver Sicht besondere Entsorgungsbedingungen brauchen (alle meldepflichtigen Erkrankungen nach §§ 6 und 7 Infektionsschutzgesetz, Infektionsgefahr innerhalb und außerhalb der Einrichtung) und solchen, die zwar mit Blut, Sekreten, Ausscheidungen kontaminiert sind, aber aus infektionspräventiver Sicht keine besondere Entsorgung benötigen (Infektionsgefahr nur innerhalb der Einrichtung) und mit dem normalen Hausmüll entsorgt werden können. Pflegende kennen die konkrete Entsorgung von Abfällen nach Hygiene- bzw. Abfallentsorgungsplan Die Ausscheidungen der Patientin können wie üblich ins Abwasser entsorgt werden. Nur tuberkulöses Sputum wird in Einwegbehältern zur Desinfektion oder Verbrennung gegeben Die fortlaufenden Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen sind entsprechend dem Hygieneplan (41.1) für die jeweilige Infektionskrankheit durchzuführen. Hygienepläne für Infektionskrankheiten In Einrichtungen des Gesundheitswesens werden die Hygiene- und Isolierungsmaßnahmen in Hygieneplänen festgelegt. Diese enthalten auch die hygienischen Notwendigkeiten für die Ausscheidungs-, Geschirr-, Wäsche-, Abfall- und Instrumentenversorgung bei den verschiedenen Infektionskrankheiten, die Schutzmaßnahmen für Mitarbeiter und ggf. Mitpatientinnen, die laufenden Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen und das Vorgehen, wenn die Patientin aus der Isolierung entlassen wurde. Erreger- und patientenabhängige Maßnahmen Bei Patientinnen mit Infektionserkrankungen, die parenteral übertragen werden (30.2.2), z. B. Hepatitis-B-, HIV-Infektion, genügen die Standardhygienemaßnahmen (41.2, 30.1.3). Einzelzimmerunterbringung ist nicht nötig. Bei Infektionserkrankungen, die durch Kontakt-, Tröpfchen- und/oder aerogene Infektion übertragen werden, werden die Standardhygienemaßnahmen durch übertragungsabhängige, zusätzliche Maßnahmen ergänzt (Tab. 30.1). Wird ein Erreger auf mehreren Wegen übertragen (häufig!), kombinieren Pflegende die jeweiligen Maßnahmen. Bei unklarem Erreger sind bis zur Klärung die strengstmöglichen Maßnahmen erforderlich. Ggf. werden die Maßnahmen je nach Erreger (z. B. schwer desinfizierbar) und Patientensituation (z. B. „Steigerung“ der Maßnahmen bei Kindern, unbeherrschbaren Durchfällen, verwirrten Patientinnen) modifiziert. Besonders strenge, hier nicht aufgeführte Maßnahmen sind bei Tuberkulose und sehr gefährlichen Erkrankungen (z. B. virale hämorrhagische Fieber wie Dengue-, Gelbfieber) nötig. Die Dauer der Maßnahmen hängt von der Erkrankung und der Verfügbarkeit einer antiinfektiven Therapie ab. * Betreuung abgesehen von einigen Erregern nicht auf einer Normalstation, sondern nur auf einer teilbaren Infektionsstation Teilweise ist umstritten, welche Maßnahmen angemessen sind. Die Ausführungen hier sind daher nur Anhaltspunkte, es gilt der Hygieneplan des jeweiligen Hauses , ,. Abschließende Maßnahmen Nach Ende der Ansteckungsfähigkeit, Entlassung oder Verlegung der Patientin wird das Isolierzimmer für die Aufnahme neuer Patientinnen vorbereitet (Schlussdesinfektion, 41.3.2). Die Aufgabenverteilung zwischen Pflege- und Reinigungspersonal variiert von Haus zu Haus, weshalb die Pflegefachpersonen stets die entsprechenden Regelungen beachten. Die notwendigen Maßnahmen sind abhängig von der Erkrankung und im Hygieneplan festgelegt. 30.1.5. Pflege von Patientinnen mit multiresistenten Erregern Definition Multiresistente Erreger (mehrfachresistente Keime): Bakterien, die gegen mehrere Antibiotika resistent (unempfindlich) sind. Im Erbgut verankerte Eigenschaft, die vererbt und an andere Erreger weitergegeben werden kann. Unter bestimmten Voraussetzungen meldepflichtig. Ein großes Problem im gesamten Gesundheitswesen sind multiresistente Erreger (MRE). Bedeutsam sind v. a.: MRSA (Methicillin- oder multiresistenter Staphylococcus aureus, Abb. 30.5) VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken), GRE (Glykopeptid-resistente Enterokokken) MRGN (multiresistente gramnegative Stäbchen/Erreger). Hierzu gehören Enterobakterien (z. B. E. coli), Klebsiella pneumoniae, Pseudomonas aeruginosa oder Acinetobacter baumannii. Die vorangestellte Zahl gibt an, gegen wie viele der vier maßgeblichen Antibiotikagruppen der Erreger resistent ist. Als Ursachen sind sowohl ein unsachgemäßer Umgang mit Antibiotika in Medizin, Tiermedizin und vonseiten der Patientinnen als auch eine Zunahme schwer kranker Patientinnen sowie Hygienemängel zu nennen. Multiresistente Erreger werden genauso übertragen und rufen die gleichen Infektionen hervor wie ihre nichtresistenten „Verwandten“, sind aber wesentlich schwerer zu bekämpfen (Resistenzmechanismen Abb. 30.4) und daher mit einer höheren Mortalität behaftet. Um ihre Verbreitung zu verhindern, sind zusätzliche hygienische Maßnahmen erforderlich. Abb. 30.4 Bakterielle Resistenzmechanismen gegenüber Antibiotika. [L138] Für die Versorgung der betroffenen Patientinnen gelten in stationären (z. B. Krankenhaus) und ambulanten Versorgungssystemen unterschiedliche Maßgaben. Die Patientin, ihre Angehörigen und alle professionellen Kontaktpersonen werden über die Hygienemaßnahmen informiert. Die Hygienekommission bzw. der Hygienebeauftragte der Einrichtung (41.1) muss über den MRE-Befall informiert werden, auch vor- und nachbehandelnde Personen/Einrichtungen werden benachrichtigt. Pflege bei MRSA-Besiedelung MRSA sind die bekanntesten MRE. Die ha-MRSA (hospital acquired MRSA, krankenhausassoziierte MRSA) betreffen v. a. Patientinnen mit Risikofaktoren Die ca-MRSA (community acquired MRSA, mit dem ambulanten Bereich assoziierte MRSA) werden oft bei Aufenthalt in einem Endemiegebiet erworben, verbreiten sich v. a. im näheren familiären Umfeld der Betroffenen und sind nicht mit ha-MRSA-Risikofaktoren assoziiert Die la-MRSA (livestock associated = mit der Tiermast assoziierte MRSA) haben ihren Ursprung in der Landwirtschaft. MRSA-Screening MRSA-Screening bezeichnet die gezielte Suche nach einer MRSA-Kolonisation auch ohne Infektionszeichen. Es ist bei Aufnahme in ein Krankenhaus bzw. eine Pflegeeinrichtung empfehlenswert bei Menschen mit erhöhtem Risiko für eine Kolonisation, z. B.: Bei MRSA in der Anamnese Bei Dialysebehandlung Bei Krankenhausaufenthalt über drei Tagen in den letzten zwölf Monaten Nach Aufenthalt auf einer Intensivstation Bei chronischen Wunden/Hautläsionen Nach (längerem) Kontakt zu MRSA-Patienten, bei regelmäßigem Kontakt zu MRSA (z. B. Tätigkeit in Mastbetrieben) Bei chronischer Pflegebedürftigkeit und Antibiotikatherapie in den letzten sechs Monaten oder Sonden, Kathetern, PEG und Tracheostoma Bei Abwehrschwäche, z. B. unter immunsuppressiver Therapie, bei Diabetes, bei Alkoholabhängigkeit. Die Abstriche für das MRSA-Screening werden vom typischen Reservoir, der vorderen Nasenhöhle (Entnahme aus beiden Nasenhöhlen) entnommen, aber auch aus Rachen, chronischen Wunden, Eintrittsstellen von Sonden und Drainagen, Tracheostoma, Perineum und Leisten. PCR-basierte Schnelltests (30.5.3) benötigen 1,5–5 Std. und dienen als Entscheidungsbasis für vorläufige Maßnahmen. Der kulturelle Nachweis dauert 24–48 Std. Ein Screening beim Personal ist nur bei Verdacht oder bestehender Infektion empfohlen. Abstrichentnahme. Bei trockener Nase, Wunde oder Eintrittsstelle den Watteträger zunächst mit steriler Kochsalzlösung anfeuchten. Abstrichstelle rotierend für 5 Sek. (beide Nasenvorhöfe mit insgesamt einem Watteträger) abstreichen, ihn in das Trägermedium stecken, verschließen und mit dem Begleitschein ins Labor schicken. Dekolonisierung Die Dekolonisierung (Dekolonisation, MRSA-Sanierung) soll eine Infektion bei der Patientin und die Weiterverbreitung innerhalb der Einrichtung verhindern. Sie umfasst ein Maßnahmenbündel, das über 5–7 Tage durchgeführt wird : Nasale Dekolonisierung. 3-mal täglich das Lokalantibiotikum Mupirocin (z. B. Turixin® 2 %, Bactroban® als Nasensalbe) mit einem Watteträger in die Nasenvorhöfe einbringen, Nasenflügel zusammendrücken und Salbe durch Massieren verteilen Oropharyngeale Dekolonisierung. 3-mal täglich Mund-Rachen-Raum mit einem Schleimhautantiseptikum wie Octenidin oder Chlorhexidin (z. B. Octenidol®, Curasept®, Chlorhexamed®) ausspülen oder besprühen, Einwirkzeit nach Herstellerangaben beachten Dekolonisierung der Haut und Haare. 1-mal täglich den ganzen Körper einschl. der Haare mit einer antiseptischen Waschlotion/Reinigungsschaum (z. B. Prontoderm®, Octenisan®, Stellisept® med foam) waschen. Alternativ die Haut mit einem Antiseptikum abreiben. Hautdefekte, chronische Wunden, Eintrittsstellen von Kathetern, Sonden und Tracheostomie müssen in die Sanierung miteinbezogen werden. Spezielle Sets (z. B. Prontoderm® MRSA Kit) enthalten alle Produkte zur Dekolonisierung, manche Sets auch Einmalzahnbürsten, Kämme, Desinfektionstücher (z. B. Schülke Anti MRE Set®). Der Erfolg der Dekolonisierung hängt auch von einer Keimreduktion in der Umgebung der Patientin ab. Deshalb: Täglicher Wäsche- und Bettwäschewechsel Verwendung von Einmalrasieren, Einmalzahnbürsten, -kämmen, alternativ Desinfektion der Utensilien. Deospray statt Deoroller Tägliche Wischdesinfektion des patientennahen Umfelds. Drei Tage nach Abschluss der Sanierung (davor sind falsch negative Ergebnisse durch antiseptische Substanzen möglich) werden an drei aufeinanderfolgen Tagen Abstriche von den nachgewiesenen Besiedlungsorten entnommen. Sind alle Ergebnisse negativ, liegt ein Dekolonisierungserfolg vor, die Isolierung kann aufgehoben werden. Bei erfolgloser Dekolonisierung können weitere Versuche erfolgen, zuvor soll nach weiteren Reservoiren gesucht werden (z. B. Darm, Kontaktpersonen, Haustiere), die dann in die Behandlung einbezogen werden. Es ist aber möglich, dass eine Dekolonisierung nicht oder nicht dauerhaft erreicht werden kann. MRSA in Krankenhäusern Standardhygiene unabdingbar Für die Erregerverbreitung innerhalb der Einrichtungen sind v. a. die Hände des Pflegepersonals, kontaminierte Gegenstände und Flächen von großer Bedeutung. Die sorgfältige Einhaltung der Standardhygienemaßnahmen (41.2, 30.1.3) ist die Grundlage der Prävention und Bekämpfung von MRE. Zusätzliche Maßnahmen (Abb. 30.5) sollen die weitere Ausbreitung von MRSA verhindern , : Patientin isolieren (Einzelzimmer mit Nasszelle, möglichst mit Schleuse, Tür geschlossen). Kohortenisolierung (30.1.4) ist bei gleichem Resistenzprofil und gleichem Sanierungsstand möglich Bei unumgänglichen Transporten entsprechende Abteilung vorher informieren, wenn möglich Transportliege benutzen und danach desinfizieren. Patientin Schutzkittel/frische Kleidung, bei Besiedelung des Nasen-Rachen- Raums Mund-Nasen-Schutz, Begleitpersonen frische Schutzkittel tragen lassen. Kontakte zu Mitpatientinnen vermeiden Patientenzimmer möglichst selten betreten, Zahl der Kontaktpersonen gering halten, Visite/Verbandswechsel am Ende durchführen Bei Tätigkeiten an der Patientin Schutzkittel, Handschuhe und Mund-Nasen- Schutz anziehen, außerdem bei möglichem Kontakt mit kontaminierten Materialien Patientennahe Flächen täglich desinfizieren; nach Entlassung, Verlegung oder erfolgreicher Dekolonisierung Schlussdesinfektion durchführen Pflegeutensilien sowie z. B. Blutdruckmanschette, Stethoskop im Zimmer lassen und ebenso wie Gebrauchsgegenstände (z. B. Brille) desinfizieren Kleidung und Wäsche der Patientin einschließlich Bettwäsche täglich wechseln, Wäschesäcke noch im Zimmer verschließen Essenstablett erst unmittelbar vor dem Abtransport des Essenwagens aus dem Zimmer holen und direkt in den Wagen stellen Patientin erst nach drei negativen Abstrichen aus der Isolationspflege entlassen. Abb. 30.5 Maßnahmen gegen MRSA und andere multiresistente Erreger. Das Problem der resistenten Erreger lässt sich nur durch ein ganzes Bündel koordinierter Maßnahmen eindämmen. [X221, L143] MRSA in Pflegeeinrichtungen Patientinnen können trotz MRSA-Besiedelung aus dem Krankenhaus entlassen werden. In der nachbetreuenden Pflegeeinrichtung gilt dann, abweichend zu den Maßnahmen im Krankenhaus: Bevorzugt Einbettzimmer, in bestimmten Situationen (z. B. Atemwegsinfektion mit MRSA) obligat. Bei Zweibettzimmer darf die Mitbewohnerin aber keine offenen Wunden, Abwehrschwäche oder Vergleichbares haben Betreuung nicht durch Pflegende mit Hauterkrankungen, Abwehrschwäche, unter Antibiotikaeinnahme Benutzung von Schutzkleidung bei engem Kontakt mit der Bewohnerin, Händehygiene wie im Krankenhaus, Mund-Nasen-Schutz bei Tröpfchenbildung, z. B. beim endotrachealen Absaugen Pflegerische Tätigkeiten nur im Bewohnerzimmer und möglichst nach Versorgung der anderen Bewohnerinnen Besuche und Teilhabe an gemeinschaftlichen Aktivitäten einschließlich Mahlzeiten möglich. Die Bewohnerin muss aber vorher eine hygienische Händedesinfektion durchführen, Erregeraustrittsstellen (etwa Wunden) müssen abgedeckt sein. MRSA in der ambulanten Pflege Die wesentlichen Aspekte in der ambulanten Pflege sind, abweichend von den Maßnahmen im Krankenhaus: Betroffene am Ende einer Tour versorgen Patientinnen über die Regeln der Händedesinfektion in bestimmten Situationen aufklären, z. B. nach dem Schnäuzen mit Einmaltaschentüchern Mund-Nasen-Schutz anlegen bei nasaler Besiedelung der Betroffenen, bei möglicher Aerosolbildung (z. B. Wundversorgung), beim Absaugen Schutzkittel bei möglichem Kontakt zu erregerhaltigem Material tragen, z. B. beim Bettenmachen, bei engem direktem Kontakt, Verbandswechsel. Der Schutzkittel verbleibt bei der Pflegebedürftigen und wird mindestens wöchentlich gewechselt, bei sichtbarer Kontamination sofort Eine normale Reinigung der Wohnung ist ausreichend. Ein desinfizierendes Abwischen von Gegenständen, die die Betroffene häufig berührt, kann empfohlen werden. Notwendig ist eine Flächendesinfektion des patientennahen Umfelds bei Dekolonisierung Wäsche der Patientin bei mindestens 60 °C oder desinfizierend waschen Geschirr in der Spülmaschine bei 60 °C reinigen Abfall wie üblich über den Hausmüll entsorgen. Pflege bei VRE-Besiedelung Mit folgenden Abweichungen gilt bei VRE-Besiedelung das Obige: Ein Mund-Nasen-Schutz ist nur bei nasaler Besiedelung nötig In einem Teil der Häuser dürfen kooperative Patientinnen unter Einhaltung von Schutzmaßnahmen das Zimmer z. B. zu Spaziergängen verlassen, bestimmte Bereiche (z. B. Cafeteria) sind aber tabu Es gibt keine Maßnahmen zur Sanierung Im häuslichen Umfeld sind weit weniger Vorsichtsmaßnahmen nötig als im Krankenhaus. Pflege bei MRGN-Besiedelung Maßnahmen vergleichbar denen bei MRSA werden bei vierfachresistenten MRGN (4MRGN) sowie bei Dreifachresistenz in Bereichen mit erhöht infektionsgefährdeten Patientinnen angeraten. Eine Sanierung wird kaum jemals empfohlen. 30.2. Grundbegriffe der klinischen Infektionslehre 30.2.1. Infektion – Infektionskrankheit Definition Infektion: Haftenbleiben, Eindringen und Entwicklung oder Vermehrung von Mikroorganismen oder Parasiten im menschlichen Körper. Infektionskrankheit: Erkrankung durch eine Infektion. Viele, aber nicht alle Infektionskrankheiten werden von Mensch (oder Tier) zu Mensch übertragen, sind also ansteckend (kontagiös). Bei einer Infektion dringen Erreger in den Körper ein und entwickeln oder vermehren sich dort. Ob aus der Infektion eine Infektionskrankheit wird, hängt von der Pathogenität (Fähigkeit, krank zu machen) des Erregers, seiner Virulenz („Aggressivität“ eines Erregerstamms) sowie der Abwehrlage des Infizierten ab. Viele Infektionen verlaufen stumm (inapparent, ohne Symptome) oder abortiv mit nur leichten Beschwerden. Klinisch manifeste (apparente) Infektionskrankheiten sind nur ein kleiner Teil der Infektionen. Infektionserreger Als große Gruppen infektiöser Krankheitserreger werden Bakterien (30.7.1), Viren (30.8.1), Pilze (30.9), Protozoen (30.10) und mehrzellige Parasiten (Würmer 30.11, Erkrankungen durch Läuse und Skabies 32.5.4) unterschieden. Hinzu kommen die Prionen, „fehlgefaltete“ Körpereiweiße, welche normale Eiweiße in die krankhafte Form „umfalten“. In Deutschland bedeutsam ist nur die klassische Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK). Sie ist meist sporadisch, gelegentlich familiär und sehr selten z. B. durch Duratransplantate übertragen und verläuft unter fortschreitenden Koordinationsstörungen und Demenz tödlich. Bakterien, Viren, Pilze und Protozoen werden als Mikroorganismen zusammengefasst. Unzählige von ihnen finden sich in der Umwelt, auf und im Menschen. Die meisten schaden dem Menschen nicht, etliche sind nützlich, eher wenige Krankheitserreger. Die Mikroorganismen, die physiologischerweise Haut und Schleimhäute des Menschen besiedeln, werden auch als physiologische Standortflora (Normalflora) bezeichnet. Die Gesamtheit der Mikroorganismen auf und im Menschen bildet sein Mikrobiom. Obligat und fakultativ pathogene Erreger Erreger, die bei (fast) jedem nichtimmunen Individuum krankheitserregend sind, heißen obligat pathogen (zwangsläufig krankmachend). Dagegen rufen fakultativ pathogene (unter Umständen krankmachende) Keime nur bei allgemeiner oder lokaler Abwehrschwäche Infektionen hervor. Zu diesen opportunistischen Infektionen gehört beispielsweise der Soor. Lokale und systemische Infektionen Lokale Infektionen wie eine Wundinfektion bleiben auf die Eintrittspforte des Erregers beschränkt. Bei systemischen Infektionen (Allgemein-, generalisierten Infektionen) dringen die Erreger ins Gefäßsystem vor und beeinträchtigen den ganzen Organismus. Epidemie, Pandemie und Endemie Eine Epidemie (Erkrankungswelle) ist eine zeitlich und örtlich begrenzte Häufung von Erkrankungen mit gleicher Ursache, meist Infektionskrankheiten (z. B. Grippe- Epidemie). Breitet sich eine Epidemie über einen Kontinent oder die ganze Welt aus, spricht man von einer Pandemie. Sie führt in aller Regel zumindest bei einem Teil der Erkrankten zu schweren Verläufen. COVID-19-Pandemie Wie schnell sich eine Pandemie heute über die ganze Welt verbreiten und medizinische Versorgung, Bildungswesen, Wirtschaft und Gesellschaft an ihre Belastungsgrenzen bringen kann, hat die COVID-19-Pandemie (COVID 30.8.10) seit 2020 eindrücklich gezeigt (Abb. 30.6). Abb. 30.6 Verlauf der COVID-19-Pandemie in Deutschland in den ersten zwei Jahren. Kontaktbeschränkungen (Lockdowns), Jahreszeit (sinkende Zahlen im Sommer) und Virusvariante (höchster Gipfel durch die sehr ansteckende Omikron-Variante) beeinflussten die Erkrankungszahlen. [X221, L143] Bei einer Endemie („Dauerverseuchung“) ist der Erreger in einer bestimmten Region ständig vorhanden, z. B. die Plasmodien als Malariaerreger in vielen warmen Gebieten. Dann erkranken v. a. Kinder und Zugereiste, während ältere Einheimische durch einen früheren Kontakt mit dem Erreger immun sind. 30.2.2. Infektionskette Definition Infektionskette: Weg der Weitergabe eines Infektionserregers von einem Wirt/seinem Reservoir bis zum neuen (End-)Wirt, bestehend aus Infektionsquelle, Übertragungsweg (bzw. bei mehreren Beteiligten mehreren Übertragungen) und neuem Wirt. Infektionsquellen Jede Infektion hat ihren Ursprung in einer Infektionsquelle, von der aus die Erreger verbreitet werden. Am wichtigsten ist dabei der gesunde oder kranke Mensch, der die Erreger z. B. mit Stuhl (Salmonellosen 30.7.6) oder Atemwegssekreten (Influenza 23.4.1) ausscheidet. Tierische Infektionsquellen sind etwa Rinder und Schweine für die entsprechenden Bandwurmerkrankungen (30.11.1). Erkrankungen durch Erreger, die zwischen Tieren und Menschen übertragbar sind, heißen Zoonosen. Sehr viele Mikroorganismen können zumindest eine gewisse Zeit in der unbelebten Umwelt überleben, die somit auch Infektionsquelle sein kann. Der (natürliche) Lebensraum eines Erregers wird auch als Erregerreservoir (Tab. 30.2) oder allgemeine Infektionsquelle bezeichnet. Exogene und endogene Infektion Bei exogenen Infektionen dringt der Erreger von außen in den Körper ein. Beispiel ist die Influenza (die Influenzaviren werden durch Niesen von einem Menschen zum anderen verbreitet) Endogene Infektionen werden von körpereigenen Keimen (Standortflora) hervorgerufen. Darmbakterien können z. B. eine Harnwegsinfektion hervorrufen. Übertragungswege Der Übertragungsweg einer Infektionskrankheit hängt u. a. von der Empfindlichkeit des Erregers gegenüber äußeren Bedingungen, seiner Ein- und Austrittspforte ab. Am häufigsten ist die Kontaktinfektion: – Eine direkte Kontaktinfektion liegt vor, wenn der Erreger durch unmittelbaren Kontakt übertragen wird – Bei der indirekten Kontaktinfektion sind kontaminierte Gegenstände oder (nicht desinfizierte/gewaschene) Hände zwischengeschaltet, die vorher mit den erregerhaltigen Körperstellen in Kontakt gekommen sind – Meist als Sonderfall der Kontaktinfektion angesehen wird die fäkal- orale Übertragung (Schmierinfektion) durch Verschleppen infektiösen Stuhls mit nachfolgender Aufnahme der Erreger über den Mund Bei der Tröpfcheninfektion setzt der Infizierte v. a. beim Husten, Niesen oder Sprechen erregerhaltige Tröpfchen frei, die der Nächste dann über die Schleimhäute von Nase, Augen oder Mund-Rachen-Raum aufnimmt. Diese respiratorischen Tröpfchen sind relativ groß (Ø > 5 µm) und können nur kurze Distanzen von 1–2 m, maximal 3 m „überspringen“ (die genaue Reichweite ist umstritten) Vergleichbar läuft die aerogene Infektion ab, jedoch handelt es sich hier um Tröpfchenkerne oder andere Teilchen < 5 µm, die mit der Luft ein Gemisch (Aerosol) bilden. Die winzigen Aerosolteilchen können länger schweben und daher mit dem Luftstrom über größere Entfernungen verschleppt werden. Außerdem gelangen sie aufgrund ihrer geringen Größe bis in die tiefen Atemwege Die parenterale Übertragung erfolgt durch Infusion, Transfusion oder Stich mit einer verunreinigten Kanüle. Die sexuelle (genitale) Übertragung durch intensiven Schleimhautkontakt und kleinste Schleimhautverletzungen, wie sie v. a. beim Geschlechtsverkehr stattfinden, gilt als Sonderform der Kontakt- und parenteralen Übertragung Manche Übertragungswege erfordern spezielle Vektoren (aktive Überträger), etwa Mücken oder Ratten. Die Vektoren nehmen die Erreger auf und übertragen sie durch Stich oder Biss auf den Menschen Diaplazentare Übertragung bezeichnet die Erregerübertragung von der infizierten Schwangeren auf das Ungeborene über die Plazenta. Eintrittspforten In natürlichen Körperöffnungen (z. B. Mund, Nase, Vagina, Augenbindehaut), „künstlichen“ Zugängen (z. B. Katheter, Drainagen, Injektionskanülen) und Verletzungen mit Verbindung zwischen „Außenwelt“ und Körperinnerem finden Mikroorganismen ihre Eintrittspforte (Abb. 30.7) in den Körper. Abb. 30.7 Die verschiedenen Eintrittspforten für Mikroorganismen. [L138] 30.2.3. Nosokomiale Infektionen Definition Nosokomiale Infektion (Krankenhausinfektion, hospital-acquired infection, health-care-associated infection, HAI): Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) „eine Infektion mit lokalen oder systemischen Infektionszeichen als Reaktion auf das Vorhandensein von Erregern oder ihrer Toxine, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer stationären oder einer ambulanten medizinischen Maßnahme steht, soweit die Infektion nicht bereits vorher bestand“. Zur Abgrenzung: Ambulant erworbene Infektionen (community-acquired infections, CAI) sind im häuslichen Umfeld erworben. Generell sind bei nosokomialen Infektionen alle Erreger möglich, wobei Bakterien überwiegen. Prinzipiell kann jeder eine nosokomiale Infektion erwerben, es ist aber nicht jeder gleichermaßen gefährdet (Risikofaktoren Tab. 30.3). Häufig handelt es sich bei nosokomialen Infektionen um opportunistische bakterielle Infektionen (30.2.1). Auch nosokomiale Ausbrüche sind möglich, gefürchtet sind z. B. Gastroenteritiden durch Noroviren. Nosokomiale Infektionen können folgenschwer sein. Sie bereiten Beschwerden, müssen behandelt werden, erfordern oder verlängern oft einen stationären Aufenthalt und können im Extremfall zum Tod führen. Hinzu kommen zusätzliche Kosten, z. B. durch Arbeitsausfall. Erhebliches Problem Schätzungen für Deutschland liegen bei ca. 400.000–600.000 nosokomialen Infektionen und 10.000–20.000 dadurch bedingten Todesfällen pro Jahr. Fast 80 % davon sind Pneumonien, Harnwegs-, Wund- (Abb. 30.8), Clostridium-difficile- und Blutstrominfektionen. Wahrscheinlich wäre etwa ein Drittel, evtl. mehr als die Hälfte vermeidbar. Hierzu ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen erforderlich, vor allem konsequente Händehygiene, Hautantiseptik sowie Schutzmaßnahmen beim Legen und im Umgang mit Kathetern. Abb. 30.8 Wundinfektionen, hier einer Operationswunde mit Staphylococcus aureus, gehören zu den häufigsten nosokomialen Infektionen. [G068] 30.2.4. Ablauf einer Infektionskrankheit Stadien von Infektionskrankheiten Typischerweise verläuft eine Infektionskrankheit wie folgt (Abb. 30.9): Abb. 30.9 Beispiel für den Verlauf einer akuten Infektion (Schemazeichnung). [A400] Nach Eindringen (Ansteckung) und einer gewissen „Eingewöhnungszeit“ beginnt sich der Erreger im Körper zu vermehren, die Infizierte hat aber noch keine Beschwerden. Inkubationszeit (Ansteckungszeit) bezeichnet den zeitlichen Abstand zwischen Ansteckung und Krankheitsausbruch. Viele Infektionen sind am Ende der Inkubationszeit besonders ansteckend In der Phase des Krankseins ist die Patientin teils nur leicht, teils aber lebensgefährlich krank. Einige Infektionen verlaufen sogar inapparent (unbemerkt) In der Überwindungsphase wird der Erreger aus dem Körper beseitigt. Gelingt dies nicht, stirbt die Patientin oder der Erreger überdauert in bestimmten Zellen oder Organen. Bei Abwehrschwäche besteht dann die Gefahr des Wiederaufflackerns der Infektion. Die Eingrenzung des Erregers kann mit Dauerausscheidung des Keims verbunden sein, z. B. bei der Salmonellose (30.7.6). Immunität Definition Immunität: Unempfänglichkeit eines Organismus für eine Infektion mit pathogenen Mikroorganismen bzw. deren Toxinen (antiinfektiöse bzw. antitoxische Immunität). Bei der (erworbenen) Immunität sind nach einem früheren Erregerkontakt (durch Infektion oder Impfung) spezifische Abwehrzellen und Antikörper und ein immunologisches Gedächtnis gebildet worden. Diese schützen den Organismus mehrere Monate bis lebenslang vor einer abermaligen Erkrankung durch den gleichen Erreger. Auch inapparente Infektionen können eine Immunität hinterlassen (stille oder stumme Feiung). Kinderkrankheiten Kinderkrankheiten bezeichnen Krankheiten durch endemisch (ständig) vorkommende Erreger, die nach durchgemachter Erkrankung bleibende Immunität hinterlassen, sodass v. a. Kinder erkranken (z. B. Masern, Mumps, Röteln). Da dies auf etliche dieser Erkrankungen nicht mehr zutrifft, wird zunehmend auf den Begriff verzichtet. Leihimmunität Das Blut jeder Schwangeren enthält plazentagängige IgG-Antikörper gegen Infektionserreger. Diese treten in das Blut des Fetus über und schützen das Neugeborene vor den Erregern, gegen die die Mutter immun ist. Der mütterliche Schutz ist jedoch nur vorübergehend, da die mütterlichen Antikörper mit der Zeit abgebaut werden. Daher spricht man von Leihimmunität oder Nestschutz. Im Alter von 3–12 Monaten sind die Antikörperspiegel im kindlichen Blut stark abgesunken, der Säugling wird anfälliger für Infektionen. 30.3. Infektionsprophylaxe 30.3.1. Möglichkeiten der Prophylaxe Definition Expositionsprophylaxe: Vorbeugung von Infektionen durch Vermeidung des Kontakts zu den Infektionserregern. Dispositionsprophylaxe: Vorbeugung von Infektionen durch Verringerung der Empfänglichkeit eines Individuums für eine Infektion. Die wirksamste Infektionsprävention ist, erst gar nicht mit den Erregern in Kontakt zu kommen. Diese Expositionsprophylaxe reicht von Wasser- und Abwasserhygiene über Bekämpfung tierischer Überträger bis zur sorgfältigen Einhaltung der einschlägigen Hygieneregeln. Viele Erreger sind aber allgegenwärtig, ein Meiden ist nicht möglich. Die Dispositionsprophylaxe soll den Menschen weniger empfänglich machen: Unspezifisch ist die allgemeine Stärkung der Abwehr Spezifisch gegen einen Erreger gerichtet ist die Impfprophylaxe (30.3.2) Selten angezeigt ist eine Chemoprophylaxe mit vorbeugender Gabe von Arzneimitteln gegen den Krankheitserreger bei möglichem oder sicherem Kontakt. Die Schutzwirkung ist auf die Zeit der Arzneimittelgabe begrenzt. 30.3.2. Impfprophylaxe Definition (Schutz)Impfung: Künstliche Immunisierung gegen einen Erreger/eine Erkrankung, ohne dass die Betroffene die Erkrankung durchmachen muss. Passive Immunisierung Definition Passive Immunisierung: Übertragung von Antikörpern gegen bestimmte Erreger/Toxine, die von einem anderen Organismus gebildet worden sind. Sofortiger, aber nur Wochen bis wenige Monate anhaltender Schutz. Beispielsweise kann eine Schwangere, und damit v. a. das Ungeborene, in den ersten Tagen nach Kontakt mit einem an Röteln Erkrankten durch Gabe von Röteln- Immunglobulin vor der Infektion geschützt werden. Nachteil der passiven Immunisierung ist ihre kurze Wirksamkeit von 1–3 Monaten, da die Antikörper abgebaut werden. Aktive Immunisierung Definition Aktive Immunisierung: Auslösung eines „kontrollierten Übungskampfes“ mit späterer Immunität durch Gabe von Lebend- oder Totimpfstoffen. Schutz erst nach Wochen, dafür länger anhaltend. Bei der aktiven Immunisierung bildet der Organismus des Geimpften selbst („aktiv“) ein immunologisches Gedächtnis gegen den Erreger und kann ihn daher nach einem Kontakt schnell und meist unbemerkt vernichten. Impfstoffarten Lebendimpfstoffe wie die Masern-Mumps-Röteln-Impfstoffe enthalten lebende und vermehrungsfähige, aber abgeschwächte Erreger. Sie führen meist mit wenig Impfungen zu lang dauernder Immunität, können aber (sehr selten) eine leichte Impfkrankheit (z. B. „Impfmasern“) hervorrufen. Kontraindikationen sind Immunschwäche und Schwangerschaft. Totimpfstoffe enthalten keine lebenden Erreger und sind auch bei Schwangen und Menschen mit Immunschwäche möglich. Sie sind meist besser verträglich als Lebendimpfstoffe, aber weniger immunogen und benötigen deshalb oft mehr Impfungen. Inaktivierte (Ganzvirus-)Impfstoffe wie z. B. der Polio- Injektionsimpfstoff bestehen aus abgetöteten ganzen Erregern Untereinheiten- (Subunit-) und Spaltimpfstoffe beinhalten Erregerbestandteile, häufig Proteinbruchstücke (Proteinimpfstoffe). Hierzu zählen die Influenza-Injektionsimpfstoffe und der Hepatitis-B-Impfstoff Toxoidimpfstoffe, z. B. der Tetanusimpfstoff, bestehen aus Bakteriengiften, die so verändert wurden, dass sie dem Menschen nicht mehr schaden Bei mRNA-Impfstoffen wird künstliche mRNA gegeben. Diese „Bauanweisung“ wird in den Körperzellen an den Ribosomen abgelesen und (kurzzeitig) das antigen wirksame Erregerprotein hergestellt. Ein Teil der COVID-19-Impfstoffe zählt zu den mRNA-Impfstoffen Vektorimpfstoffe enthalten ein gentechnisch verändertes, harmloses und oft vermehrungsunfähiges Trägervirus mit dem Gen für das gewünschte Impfantigen. Die infizierten Körperzellen produzieren daraufhin das antigen wirksame Erregerprotein. Beispiele sind ein Teil der COVID-19- und Ebolaimpfstoffe. mRNA- und Vektorimpfstoffe heißen auch genbasierte Impfstoffe. Sie werden den Totimpfstoffen gleichgesetzt. Impfempfehlungen Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) gibt in der Regel jährlich Impfempfehlungen heraus : Standardimpfungen werden für alle Menschen einer bestimmten Altersgruppe empfohlen, etwa die gegen Tetanus, Poliomyelitis und Diphtherie (Tab. 30.4) G Grundimmunisierung (in bis zu 3 Teilimpfungen G1–G3) A Auffrischimpfung; gegen Diphtherie und Tetanus bei Erwachsenen alle 10 Jahre N Nachholimpfung S Standardimpfung mit allgemeiner Anwendung = Regelimpfung d Verminderter Diphtherietoxoidgehalt ab 5 bzw. 6 Jahren (nach Herstellerangaben) * Sechsfachimpfstoff verfügbar ** Td-Auffrischimpfung alle 10 Jahre. Einmalige Tdap-Auffrischimpfung bei der nächsten fälligen Td-Impfung, bei entsprechender Indikation als TdaP-IPV- Kombinationsimpfung *** Einmalige MMR-Impfung bei nach 1970 Geborenen mit unzureichendem/unklaren Impfschutz Indikationsimpfungen und einige Auffrischimpfungen sind nur bei besonderer Gefährdung durch Erkrankungen, berufliche Exposition oder Reisen angezeigt: – Hierzu gehören die Standardimpfungen außerhalb der genannten Altersgruppen oder in speziellen Situationen, z. B. eine Hepatitis-B- Impfung bei Erwachsenen im Gesundheitsdienst oder eine Polioimpfung bei einem regionalen Ausbruch – Außerdem zählen dazu Impfungen gegen Cholera, FSME, Gelbfieber (virale Tropenerkrankung mit Fieber und Ikterus), Hepatitis A, Japan. Enzephalitis, Meningokokken, Pneumokokken, Tollwut und Typhus. Kombinationsimpfstoffe halten die Zahl der Impfungen möglichst gering. Impffolgen Impfreaktionen zeigen die Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Impfstoff und klingen nach wenigen Tag ab. Typisch sind Beschwerden an der Einstichstelle, Kopf-, Glieder- und Gelenkschmerzen, Fieber, Müdigkeit. Impfkomplikationen gehen über das Maß der Impfreaktionen hinaus; ein Verdacht ist dem Gesundheitsamt zu melden. Impfschäden sind über das normale Maß hinausgehende Impfreaktionen mit gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen. Bei empfohlenen Impfungen steht Betroffenen eine Entschädigung zu. Prävention und Gesundheitsberatung Leider bestehen in Deutschland immer noch Impflücken. Dem liegen z. B. Vergessen, Unterschätzung der Gefahr durch die Erkrankung, Angst vor Impfschäden oder generelle Ablehnung von Impfungen zugrunde, wobei die Impfdebatte teils sehr emotional geführt wird. Bei richtiger Indikationsstellung ist jedoch das Risiko eines Impfschadens geringer als das Risiko durch die Erkrankung. Paradoxerweise leistet gerade der Impferfolg der Impfmüdigkeit Vorschub, weil hierdurch oft das Bewusstsein für die Gefahren der Erkrankung verloren geht. Pflegefachpersonen nutzen ihren Kontakt zu Patientinnen, um den Impfstatus (Immunisierungsstatus) zu überprüfen und über Impfungen zu informieren. 30.4. Infektionsschutzgesetz Zweck des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) ist es, übertragbaren Erkrankungen beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Das Infektionsschutzgesetz regelt u. a. die Meldepflicht bei Infektionskrankheiten und den Ausschluss bzw. die Wiederzulassung von (evtl.) Erkrankten von Gemeinschaftseinrichtungen. Es ist zudem wesentliche gesetzliche Grundlage für Rechtsverordnungen und weitergehende Einschränkungen bei besonderen Bedrohungen durch Infektionen, etwa berufliche Tätigkeitsverbote, Versammlungseinschränkungen oder Quarantäne. Meldepflicht bei Infektionskrankheiten Zur Meldung verpflichtet sind im Krankenhaus die Ärzte. Prinzipiell müssen aber alle in Therapie oder Pflege Tätigen melden, also auch Pflegefachpersonen, wenn kein Arztkontakt zustande kommt. Die Meldung muss unverzüglich, spätestens nach 24 Std. beim zuständigen Gesundheitsamt erfolgen. Die Meldepflicht für bestimmte Krankheitserreger hat für Pflegende keine praktische Bedeutung. Meldepflichtige Erkrankungen Namentlich meldepflichtige Erkrankungen (teils schon bei Verdacht) sind , : Botulismus Cholera C.-difficile-Infektionen (schwere Verläufe) Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK), ausgenommen familiär-hereditäre Formen Diphtherie Enteropathisches hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) (Virusbedingte) hämorrhagische Fieber Keuchhusten Masern (Invasive) Meningokokkenerkrankung Milzbrand Mumps Pest Poliomyelitis (jede nicht-traumatische, akute, schlaffe Lähmung gilt als Verdacht) Röteln, Rötelnembryopathie Tollwut, (evtl.) Tollwutexposition (Behandlungsbedürftige) Tuberkulose, Verweigern/Abbruch einer Behandlung Typhus/Paratyphus (Akute) Virushepatitis Windpocken Zoonotische (aviäre) Influenza Mikrobiell bedingte Lebensmittelvergiftung oder akute infektiöse Gastroenteritis bei Beschäftigten in der Lebensmittelverarbeitung oder zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird Bedrohliche übertragbare Erkrankungen, die nicht zu den vorgenannten gehören Impfkomplikationen und -schäden. Nicht namentlich zu melden ist die Häufung nosokomialer Infektionen bei (mutmaßlichem) epidemischem Zusammenhang. Hinzu kommen länderspezifische Meldepflichten, z. B. bei Borreliose. 30.5. Der Weg zur Diagnose 30.5.1. Hauptbeschwerden und Leitbefunde Infektionskrankheiten können praktisch alle Symptome und Untersuchungsbefunde verursachen. Daher ist es kaum möglich, Leitsymptome und -befunde zu definieren. Besonders häufig sind aber Fieber (5.3.5), Lymphknotenschwellung (22.10) und Hautausschläge, kombiniert mit Organstörungen. Atypischer Verlauf Viele Infektionen, darunter die sehr häufigen Atemwegsinfekte (23.4.1, 23.4.2), verlaufen beim Kind ähnlich wie beim Erwachsenen. Andere, teils lebensbedrohliche Infektionen (z. B. Meningitis, 37.9.1) zeigen sich vor allem bei jüngeren Kindern nur durch uncharakteristische Symptome wie etwa Fieber, Trinkschwäche, Erbrechen und Apathie. Auch bei älteren Menschen verlaufen Infektionen nicht selten atypisch, insbesondere besteht oft wenig oder gar kein Fieber. 30.5.2. Strategien der Labordiagnostik Entzündungsantwort des Organismus Viele Infektionskrankheiten führen zu einer generalisierten entzündlichen Reaktion des Organismus. Entzündungswerte Sog. Entzündungswerte sind unspezifisch, d. h. nicht nur bei Infektionen, sondern z. B. auch bei nichtinfektiösen Entzündungen oder Tumoren erhöht. Meist sind sie bei bakteriellen Infektionen höher als bei viralen: Lange bekannt ist die träge reagierende BSG (Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit 27.4.1) Das CRP (C-reaktives-Protein) gehört zu den Akute-Phase-Proteinen, v. a. in der Leber gebildeten Eiweißen, die bei Entzündung und Gewebsuntergang vermehrt produziert werden. Das CRP ist sehr empfindlich und spricht sehr schnell in 6–24 Std. an. Es ist deshalb gut geeignet für Frühdiagnostik wie auch Verlaufskontrolle Bei schweren Infektionen (v. a. Sepsis) kann die Bestimmung von Prokalzitonin sinnvoll sein, das bei Entzündungen unabhängig vom Hormon ausgeschüttet wird. Blutbildveränderungen bei Infektionen Viele Infektionen gehen mit Blutbildveränderungen (27.4.1) einher: Bei bakteriellen Infektionen steigt die Leukozytenzahl meist über 10.000 Leukozyten/µl Blut (Leukozytose), wobei v. a. die neutrophilen Granulozyten erhöht sind. Oft sind die „jungen“ stabkernigen Granulozyten vermehrt (Linksverschiebung) Bei Viruserkrankungen kann die Gesamtleukozytenzahl erhöht, normal oder sogar erniedrigt sein. Meist sind die Lymphozyten erhöht (Lymphozytose) Ein Anstieg der eosinophilen Granulozyten (Eosinophilie) bei normaler oder erhöhter Gesamtleukozytenzahl kommt oft bei Wurmerkrankungen vor. Erregernachweis Ein Erregernachweis sichert die Diagnose und ermöglicht die Therapieplanung: Beim direkten Erregernachweis werden Erreger, Erregerbestandteile oder -produkte nachgewiesen Beim indirekten Erregernachweis werden spezifische Antikörper des Organismus gegen den Erreger nachgewiesen. 30.5.3. Direkter Erregernachweis Mikroskopischer Erregernachweis Bakterien, Pilze, Protozoen, (kleinere) Parasiten und Eier von Würmern sind unter dem Mikroskop sichtbar. Daher kann die mikroskopische Beurteilung eines ungefärbten oder gefärbten Nativpräparats (Frischpräparats) direkt nach der Probenentnahme zur Diagnose führen. Erregerkultur Oft ist die Erregerzahl in der Probe für eine zuverlässige Aussage zu gering. Deshalb werden sie zuerst in einer Erregerkultur vermehrt. Am häufigsten werden Bakterienkulturen (Abb. 30.10) angelegt, gefolgt von Pilzkulturen. Abb. 30.10 Links Bakterienkultur auf Blutagar als Nährmedium (zickzackförmiges Auftragen des Untersuchungsmaterials), rechts Blättchentest. [B109, K115] Die Probe wird auf bzw. in ein geeignetes Nährmedium gegeben und in einem Brutschrank bebrütet. Die Erreger bilden auf festen Nährmedien makroskopisch sichtbare Kolonien, flüssige Nährmedien trüben sich meist. Ihre genaue Differenzierung erfolgt u. a. durch makroskopische und mikroskopische Betrachtung, Untersuchung ihrer Stoffwechseleigenschaften, Antigennachweise oder molekulargenetische Untersuchung. Viele Bakterien wachsen so schnell, dass das Ergebnis schon nach drei Tagen vorliegt. Einige Bakterien (z. B. Tuberkulosebakterien) und viele Pilze brauchen bis zu mehreren Wochen. Viruskulturen sind sehr selten, da hierzu lebende Zellen nötig sind. Materialgewinnung Material vor Beginn einer Antibiotikatherapie gewinnen. Schon eine Gabe kann dazu führen, dass der Erreger nicht mehr in der Kultur wächst, der Patientin aber noch schadet. Ist dies nicht möglich, Material mindestens drei Tage nach Absetzen des Antibiotikums entnehmen. Geht auch dies nicht, Probe direkt vor der nächsten Antibiotikagabe entnehmen Material „vom Ort des Geschehens“ abnehmen, also z. B. beim Harnwegsinfekt Urin (Urinkultur 33.3.1), bei einer Gelenkinfektion Gelenkpunktat (29.3.3) Material korrekt gewinnen: – Haut vor der Punktion von geschlossenen Wund- oder Körperhöhlen desinfizieren, keine vorherige Desinfektion beim Wundabstrich (Abb. 30.11) Abb. 30.11 Wundabstrich. [K115] – Sterile Entnahmematerialien und Transportbehälter benutzen, Transportbehälter sofort verschließen Behälter mit Patienten- und Entnahmedaten versehen Geeignete Transportform wählen. Nährmedium und Transporttemperatur hängen u. a. von Untersuchungsmaterial und vermutetem Erreger ab. Bei seltenen Kulturen rechtzeitig im mikrobiologischen Labor erkundigen Bei Postversand Schutzmaßnahmen (Umverpackung, Kennzeichnung) beachten. Meist werden vom Labor geeignete Behältnisse bereitgestellt. Blutkultur Blutkulturen werden beispielsweise bei Verdacht auf Sepsis, Endokarditis oder von einem Gefäßkatheter ausgehenden Infektionen, bei schweren systemischen Infektionen unklarer Ursache oder anhaltendem unklarem Fieber angelegt. Um die Wahrscheinlichkeit des Erregernachweises zu erhöhen, sind 2–4 Blutkulturen nötig. Muss bei bedrohlichen Infektionen die Antibiotikatherapie sofort beginnen, werden die Blutkulturen gleichzeitig von verschiedenen Körperstellen entnommen. Bei Verdacht auf eine Katheterinfektion wird eine zusätzliche Blutkultur aus dem Venenkatheter abgenommen. Pflege Pflegefachpersonen stellen die notwendigen Materialien bereit : Alles zur venösen Blutentnahme (42.5.1). Das Blut darf nicht aus liegenden Kanülen oder Kathetern abgenommen werden Zwei Blutkulturröhrchen mit Nährlösung (aerob und anaerob, zur späteren Bebrütung mit bzw. ohne Sauerstoff). Das Blut kann mit einem speziellen Adapter und einem geschlossenen Blutentnahmesystem direkt in die Blutkulturröhrchen gefüllt werden. Alternativ wird das Blut mit einer 20-ml- Spritze abgenommen und mit jeweils neuer Kanüle (z. B. 20 G, gelb) in die beiden Blutkulturflaschen hineingespritzt. Für Kinder gibt es spezielle Blutkulturflaschen, für die nur 0,5–4 ml Blut (statt 20 ml beim Erwachsenen) benötigt wird Sterile Handschuhe, Desinfektionslösung und Tupfer für die Gummipfropfen der Flaschen. Nach der Blutabnahme werden die Flaschen mit Patientendaten, Station, Datum und Uhrzeit beschriftet und mit Begleitschein sofort ins (mikrobiologische) Labor transportiert oder bis zum Transport im Brutschrank warmgehalten. Die Nachsorge entspricht der nach venöser Blutentnahme. Antibiogramm Bei Bakterienwachstum in der Kultur schließt sich fast immer eine Resistenzbestimmung (Sensibilitätsprüfung) an. Ergebnis ist das Antibiogramm, das eine gezielte Behandlung von Infektionen ermöglicht. Klassisch ist der Blättchentest (Abb. 30.10): Auf den beimpften Nährboden werden mit verschiedenen Antibiotika getränkte Blättchen gelegt. Je stärker das Antibiotikum das Erregerwachstum hemmt, desto größer ist der Hemmhof um das Blättchen. Ein neues, schnelleres Verfahren ist die MALDI-TOF (matrix-assisted laser desorption ionization time-of-flight). Dabei wird die Proteinzusammensetzung in der Probe mittels Massenspektrometrie bestimmt und zur Keimidentifizierung, aber auch Resistenzbestimmung genutzt. Immunologischer Antigennachweis Der immunologische Antigennachweis weist Erregerantigene ohne vorherige Anzüchtung nach. Bei Vorhandensein des Erregerantigens in der Probe kommt es durch Zugabe von Antikörpern zu einer Antigen-Antikörper-Reaktion, die z. B. durch Agglutination oder Farbstoffreaktion sichtbar gemacht wird. Teilweise sind Schnelltests verfügbar. Beispiel sind Streptokokken- oder SARS-CoV-2-Schnelltests, bei denen sich bei Vorhandensein des Erregers ein farbiger Streifen auf dem Trägerstreifen der Testkassette bildet (Abb. 30.12). Abb. 30.12 Funktionsprinzip eines immunologischen Antigen- Schnelltests, hier eines COVID-19-Antigen-Schnelltests (Ak = Antikörper, Ig = Immunglobulin). Nach dem gleichen Prinzip funktionieren auch Schwangerschaftstests. [L143] Molekularbiologischer Erregernachweis Hierbei wird Erreger-DNA bzw. -RNA mittels molekulargenetischer Methoden nachgewiesen: Aufgrund der geringen Konzentrationen wird die Erbsubstanz in einem ersten Schritt z. B. durch Polymerase-Kettenreaktion (PCR) stark vermehrt Im zweiten Schritt wird ein z. B. farblich oder radioaktiv markiertes DNA- Stück, das genau komplementär („entgegengesetzt“) ist zum gesuchten Stück in der Erreger-Erbsubstanz, als Gensonde dazugegeben. Enthält die Probe das gesuchte DNA-Stück (und damit den Erreger), „paaren“ sich beide, was über die Markierung sichtbar gemacht wird. Viele der zum MRSA-Screening eingesetzten Schnelltests (30.1.5) basieren auf diesem Prinzip. 30.5.4. Indirekter Erregernachweis Die Auseinandersetzung des Organismus mit den Erregern führt zur Bildung spezifischer Antikörper (Abb. 30.13), die im Labor bestimmt werden können. Abb. 30.13 Antikörperverlauf. Bei einer Infektion werden zuerst IgM-Antikörper und erst später IgG-Antikörper gebildet (Ig = Immunglobulin). Während die IgM-Konzentration im Blut nach der Erkrankung schnell wieder absinkt, sind IgG-Antikörper oft sehr lange nachweisbar. [A400] Das Vorhandensein von Antikörpern zeigt, dass irgendwann eine Infektion mit dem Erreger stattgefunden hat. Als beweisend für eine akute Infektion gilt der Nachweis spezifischer IgM, die Serokonversion (erstmaliges Auftreten von Antikörpern bei vorheriger Seronegativität), oder ein deutlicher Anstieg des IgG-Antikörpertiters (der Antikörperkonzentration). Beispiel für den indirekten Erregernachweis ist die Hepatitisserologie (25.4.2). 30.6. Sepsis Definition Sepsis: Lebensbedrohliche Organfunktionsstörungen durch fehlregulierte Antwort des Körpers auf eine Infektion. Sterblichkeit über 10 %. Medizinischer Notfall. Septischer Schock: Sepsis mit zirkulatorischen, Stoffwechsel- und/oder Zellveränderungen, die mit einer (weiter) erhöhten Sterblichkeit verbunden sind (Sterblichkeit über 40 %). Erkennbar an einem erhöhten Laktatspiegel im Blut und der Notwendigkeit, Vasopressoren (blutdrucksteigernde Medikamente) zu geben, um einen ausreichenden Blutdruck aufrechtzuerhalten (trotz Volumenzufuhr). Bakteriämie: Nachweis von Bakterien in der Blutkultur (30.5.3), möglicherweise mit Zeichen einer Infektion, aber ohne Sepsis. Blutstrominfektion (BSI): Nachweis von Infektionserregern im Blut mit Infektionszeichen jeglichen Schweregrades. Krankheitsentstehung Aus einem Infektionsherd im Körper gelangen immer wieder infektiöse Erreger, - bestandteile oder toxische Produkte ins Blut und rufen eine Entzündungsantwort des Organismus hervor. Die fehlregulierte Immunantwort richtet sich letztlich gegen den Organismus, u. a. durch Aktivierung des Gerinnungssystems und Freisetzung zytotoxischer Substanzen. Früh- und Neugeborene sowie Abwehrgeschwächte sind besonders gefährdet. Symptome und Untersuchungsbefund Hohes, intermittierendes Fieber mit Fieberspitzen Tachypnoe, Tachykardie und Hypotonie Appetitlosigkeit, bei jüngeren Kindern oft Durchfälle und Erbrechen Allgemeiner körperlicher Abbau Grau-blasse, marmorierte Haut, evtl. Petechien (punktförmige Hautblutungen) oder Exanthem durch Bakterienembolien Leber- und Milzvergrößerung Zusätzliche Krankheitszeichen je nach Sepsisherd, z. B. Rückenschmerzen bei einer Nierenbeckenentzündung. Eine Pilzsepsis beginnt meist schleichend mit nur leichtem Fieber. VORSICHT! Fieber fehlt oft bei Säuglingen, alten oder abwehrgeschwächten Patientinnen! Komplikationen Hauptkomplikationen einer Sepsis sind: Gerinnungsstörungen, besonders Verbrauchskoagulopathie (DIC 27.9.2) Multiorganversagen, v. a. Nieren- (33.5.7), Lungenversagen (ARDS, 23.15) Septische Metastasen im Gehirn mit vielen kleinen Bakterien- und Eiterherden (embolische Herdenzephalitis) Septischer Schock (14.4.4). Vorsicht – anfangs ist die Haut der Patientin warm und gut durchblutet, der Blutdruck normal. Die Patientin sieht gesünder aus, als sie ist! Diagnostik Die Verdachtsdiagnose wird klinisch gestellt. Der qSOFA-Score (q = quick, SOFA = Sequential Organ Failure Assessment) soll helfen, Patientinnen mit möglicher Sepsis ohne technische Untersuchungen zu erkennen. Kriterien sind: Atemfrequenz > 22 Atemzüge/Min. Systolischer Blutdruck ≤ 100 mmHg Bewusstseinsveränderung. Patientinnen mit vermuteter Infektion, die mindestens zwei dieser Kriterien erfüllen, werden zum einen auf Organfunktionsstörungen untersucht, z. B. durch Blutuntersuchungen (Nieren-, Leber-, Gerinnungswerte, Laktat, BGA). Zum anderen wird die Infektionsdiagnose gesichert, falls dies noch nicht erfolgt ist. Die Untersuchungen umfassen unter anderem: Blutuntersuchungen, v. a. Blutkulturen (30.5.3), Differenzialblutbild, CRP, Prokalzitonin (30.5.2) Sonografie des Abdomens (z. B. Cholezystitis (25.5.3) Gestaute Harnwege, Pyelonephritis (33.5.3)) Röntgenaufnahme des Thorax (z. B. Pneumonie (23.4.4)) Urinstatus und Urinkultur Evtl. Lumbalpunktion (37.3.2) mit Liquorkultur Evtl. Stuhlkulturen, Kulturen von Kathetern (Abb. 30.14) oder Implantaten. Abb. 30.14 Steriles Verpacken einer Katheterspitze (hier ein ZVK, 43.5.4).Die Pflegefachperson fasst mit einer sterilen Pinzette das Katheterende und schneidet die Spitze mit einer sterilen Schere ab, die auf eine sterile Kompresse fällt (a).Die Spitze wird dann in ein steriles Untersuchungsröhrchen gegeben und zur mikrobiologischen Untersuchung geschickt (b). [K115] Behandlungsstrategie Entscheidend ist der sofortige Behandlungsbeginn : Unverzügliche i. v.-Antibiotikatherapie (innerhalb 1 Std. nach Diagnose), zunächst als kalkulierte Antibiotikatherapie (30.7.1) Volumenzufuhr i. v. (43.5), möglichst enterale Ernährung (7.7.4) Falls möglich, Legen neuer Gefäßzugänge/Katheter und Entfernung der alten, da diese evtl. der Infektionsherd sind Sanierung des Sepsisherds Intensivmedizinische Behandlung, z. B. mit Vasopressoren (blutdrucksteigernden Medikamenten, etwa Noradrenalin), Thrombozytentransfusion, Beatmungstherapie. Pflege Patientinnen mit einer Sepsis werden auf einer Intensivstation (Kap. 45) behandelt. Patientenbeobachtung und -überwachung Engmaschige Kontrolle von Bewusstsein, Blutdruck, Puls, Atmung und Temperatur, ggf. kontinuierliches Monitoring (45.2.2), einschl. Pulsoximetrie und Blutgasanalyse (23.3.3, 23.3.4) Überwachung der Sauerstofftherapie (3.5.5) Überwachung der Urin- (Stundenurin, 8.1.2) und Stuhlausscheidung (8.2.2) Überwachung der Infusionstherapie (43.5.5), medikamentösen Therapie und enteralen Ernährung (7.7.4) Flüssigkeitsbilanzierung (8.1.2) Bei liegendem ZVK Kreislaufeinschätzung mittels ZVD-Messung oder PiCCO®-System (21.1.3) Beobachtung von i. v.-Zugängen (43.5.4), Drainagen (44.5.5), Wunden (43.13.2) auf Infektionszeichen Beobachtung auf Schmerzen (13.2). Weitere Maßnahmen Die weiteren Maßnahmen sind abhängig von den durchgeführten Behandlungen und dem Allgemeinbefinden des Patienten. Sepsisprophylaxe Die Pflegenden tragen maßgeblich zur Sepsisprophylaxe bei. Entscheidend ist das hygienegerechte, aseptische Vorgehen, etwa beim Umgang mit Blasenkathetern (8.1.5), beim Verabreichen von Infusionen (43.5.2, 43.5.5) und beim Verbandswechsel (43.13.6). Spickzettel Sepsis Definition: Infektion mit lebensbedrohlichen Organfunktionsstörungen durch fehlregulierte Antwort des Körpers. Ursache/Risikofaktoren: Infektionsherd mit ständigem/wiederholtem Freisetzen von Erregern in die Blutbahn. Symptome: Fieber, Schüttelfrost, schlechtes Allgemeinbefinden, Atem-, Kreislauf-, Organstörungen. Diagnostik: Blutkultur, Suche des Infektionsherds, Diagnose von Folgeschäden. Therapie/Pflege: Antibiotika i. v., ggf. chirurgische Herdsanierung. Intensivmedizinische Pflege. 30.7. Bakterielle Infektionen 30.7.1. Bakterien Definition Bakterien: 0,2–5 µm große, einfach gebaute Einzeller. Bakterien (Abb. 30.15) besitzen weder Zellorganellen noch Zellkern (Prokaryonten, das Erbgut liegt lose im Zytoplasma). Sie vermehren sich ungeschlechtlich durch Querteilung. Ein Teil der Bakterien ist aktiv beweglich oder bildet hitze- und trockenresistente Dauerformen (Sporen). Bakterien können auch Toxine (Gifte) bilden: Abb. 30.15 Aufbau eines Bakteriums in der Schemazeichnung. Geißeln und Kapsel sind nicht bei allen Bakterien vorhanden. [L138] Exotoxine werden von lebenden Bakterien abgegeben, z. B. das Tetanustoxin (30.6.12) Endotoxine werden erst nach Auflösung der Bakterien frei. Sie verursachen z. B. viele Lebensmittelvergiftungen. Einteilung Haupteinteilungskriterien bei Bakterien sind: Bakterienform (Abb. 30.16), z. B. Kokken (Kugelbakterien), Stäbchenbakterien, Vibrionen (gebogene, einfach gekrümmte Stäbchen), Spirochäten (Schraubenbakterien, schraubenförmig gekrümmte Stäbchen) Abb. 30.16 Verschiedene Bakterienformen, die lichtmikroskopisch zu unterscheiden sind. [L138] Verhalten gegenüber Sauerstoff. – Aerobe Bakterien können nur bei Anwesenheit von Sauerstoff wachsen – Fakultativ anaerobe Bakterien können mit und ohne Sauerstoff leben – Für obligat anaerobe Bakterien ist Sauerstoff ein Gift Fähigkeit zur Sporenbildung. Verhalten in der Färbung nach Gram. Bei der Gramfärbung wird das Murein der Zellwand angefärbt. – Grampositive Bakterien wie etwa Staphylokokken (30.7.2) enthalten viel Murein und erscheinen in der Gramfärbung unter dem Lichtmikroskop dunkelviolett. – Gramnegative Bakterien haben nur eine dünne Mureinschicht und sehen rot aus. Behandlung bakterieller Infektionen Kausal werden bakterielle Infektionen durch Antibiotika (Pharma-Info 30.1) sowie ggf. durch chirurgische Sanierung des Infektionsherds behandelt. Bei Infektionen mit toxinproduzierenden Bakterien kann die frühzeitige Gabe eines Antitoxins (Gegengifts) entscheidend sein, so etwa bei der Diphtherie. Hinzu kommen symptomatische Maßnahmen je nach Art und Schwere der Erkrankung. 30.7.2. Erkrankungen durch Staphylokokken Definition Staphylokokken: Traubenförmig angeordnete, grampositive Kugelbakterien. Staphylokokkeninfektionen führen sehr häufig zur Eiter- und Abszessbildung. Eiter (Pus): Bei bakteriellen Entzündungen abgesonderte Flüssigkeit aus eingeschmolzenem Gewebe und neutrophilen Granulozyten. Staphylococcus epidermidis gehört zur Standortflora des Menschen. Staphylococcus aureus siedelt bei bis zu 40 % auf der Haut und im Nasen-Rachen- Raum, häufiger bei Krankenhauspersonal und Langzeitpatientinnen. Beide sind fakultativ pathogen (Staphylococcus aureus ist stärker pathogen als Staphylococcus epidermidis). Staphylokokkeninfektionen können nahezu jedes Organ und jede Körperhöhle befallen. Erkrankungen durch Staphylococcus aureus Lokalinfektionen sind Wundinfektionen, Furunkel/Karbunkel (abszedierende Haarbalgentzündungen 32.5.2), Impetigo contagiosa (eitrige Hautentzündung 32.5.2), eitrige Augenbindehautentzündung (35.6.1) Pharma-Info 30.1: Antibiotika Antibiotika sind gegen Bakterien wirksame Arzneimittel (Tuberkulostatika 23.4.5). Antibiotika hemmen das Wachstum von Bakterien (Bakteriostase) oder töten sie sogar ab (Bakterizidie). Dazu nutzen sie die Unterschiede zwischen der menschlichen und der Bakterienzelle (Abb. 30.17, Tab. 30.5). Nebenwirkungen ergeben sich zum einen durch die Schädigung der Standortflora (30.2.6) in Darm, Haut, Schleimhaut und (weiblichem) Genitale. Am häufigsten sind eine überwiegend leichte antibiotika-assoziierte Diarrhö und Pilzinfektionen der Haut oder – bei der Frau – des Genitale. Zum anderen gibt es wie bei allen Medikamenten substanzspezifische Nebenwirkungen. Abb. 30.17 Angriffspunkte verschiedener Antibiotika. [L138] Antibiotikaresistenz Kann ein Antibiotikum einen Erreger nicht schädigen, so ist dieser resistent dagegen. Die Resistenz kann eine natürliche, von Anfang an vorhandene Eigenschaft sein oder z. B. durch Mutationen oder Übertragung von Bakterien-DNA erworben. Multiresistente, d. h. gegen mehrere Antibiotika unempfindliche Erreger, sind ein zunehmendes Problem (30.1.5). Grundsätze Im Idealfall wird das Präparat nach Antibiogramm (30.5.3) ausgewählt Kann in schweren Fällen nicht gewartet werden, erfolgt zunächst eine kalkulierte Antibiotikatherapie, d. h. nach dem vermuteten Erreger, die nach Vorliegen des Antibiogramms eventuell umgestellt wird Falls irgend möglich, werden Engspektrumantibiotika verabreicht, die nur gegen wenige Erreger wirken. Breitspektrumantibiotika schädigen die Standortflora mehr und begünstigen Resistenzen Die Antibiotikatherapie wird in vorgeschriebener Dosierung und Dauer durchgeführt. „Halbe Sachen“ führen eher zu Resistenzen und einem Wiederaufflackern (Rezidiv) der Infektion. Pflege Wichtig ist die genaue Einhaltung von Dosierung und Dosierungsintervall mit gleichmäßiger Verteilung der Antibiotika über den Tag. „Dreimal täglich“ bedeutet „alle acht Stunden“ Bei der oralen Gabe sind Einnahmezeitpunkt und Wechselwirkungen mit Nahrungsmitteln (Packungsbeilage) zu beachten Die Pflegenden beobachten die Ausscheidungen der Patientin. Leichte Durchfälle sind meist harmlos. Heftige, v. a. blutige Durchfälle können Zeichen einer schweren und gefährlichen C.-difficile-assoziierten Diarrhö (Tab. 30.6) sein. Bei oraler Behandlung vermindern Durchfälle und Erbrechen evtl. die Resorption des Antibiotikums wie auch anderer Präparate (Arzt bzw. Ärztin informieren). Ob die vorbeugende Einnahme von Probiotika, etwa spezieller Lactobacillus- Präparate (z. B. Lactobact®) oder Arzneihefe (z. B. Perenterol forte®), die Gefahr von Durchfällen vermindert, wird kontrovers diskutiert Frauen werden nach Juckreiz im Genitalbereich und Scheidenausfluss befragt, ggf. erfolgt eine antimykotische Lokalbehandlung Allergien gegen Antibiotika sind verhältnismäßig häufig, insbesondere Hautausschläge. Pflegende beobachten die Haut der Patientin und informieren bei neuen Rötungen oder anderen Effloreszenzen Arzt bzw. Ärztin. Bedrohlich sind anaphylaktische Reaktionen, die v. a. bei Antibiotikainfusionen auftreten (14.4.4) Die Zubereitungsvorschriften sind beim Richten einer Infusion genau zu beachten, da viele Antibiotika sich nur mit bestimmten Lösungsmitteln mischen lassen (43.5). Die Pflegenden schützen sich durch Handschuhe vor Kontakt, da dieser zu Resistenzbildung, z. B. der Hautbakterien, führen kann. Da Antibiotika die Gefäßwände reizen, beobachten die Pflegenden den peripheren Venenzugang auf Entzündungszeichen. Beispiele für systemische Erkrankungen sind die Brustdrüsenentzündung der stillenden Mutter (Mastitis puerperalis 34.22.1), die Staphylokokken- Pneumonie und die Knochenmarkentzündung (Osteomyelitis 29.6.4) Von Staphylokokken gebildete Exotoxine sind vor allem verantwortlich für die Staphylokokken-Lebensmittelvergiftung (30.7.2), das staphylogene Lyell-Syndrom (Staphylococcal scalded skin Syndrome, SSS, Syndrom der verbrühten Haut, Abb. 30.18, 32.5.2) und das toxische Schocksyndrom (TSS) mit Schocksymptomen, Fieber und feinfleckigem Ausschlag. Abb. 30.18 Staphylogenes Lyell-Syndrom bei einem Säugling. Kennzeichnend ist eine großflächige Epidermolyse (Ablösung der Epidermis unter Bildung von Blasen). [G086] Lebensgefährliche Komplikationen sind die Staphylokokken-Sepsis (30.6) oder - Endokarditis mit oft rascher Herzklappenzerstörung (21.8.1). Gefürchtet Staphylococcus aureus ist ein häufiger Erreger nosokomialer Infektionen, die fast immer auf menschliche Träger zurückzuführen sind. Vorbeugend sollten Personen mit aktiven Staphylokokken-Infektionen keine Neugeborenenstationen, Intensivstationen oder Operationsabteilungen betreten. Dazu kommt das Problem der Mehrfachresistenzen, die die Sterblichkeit schwerer Infektionen erhöhen (MRSA 30.1.5). Behandlungsstrategie Zur Behandlung von Staphylokokken-Infektionen eignen sich vor allem sog. Staphylokokkenpenizilline (Pharma-Info 30.1, z. B. Staphylex®) sowie einige Cephalosporine. Abzsesse und Empyeme müssen chirurgisch drainiert werden, wenn sie sich nicht von selbst entleeren. Gegen MRSA (30.1.5) noch wirksam sind oft Vancomycin (z. B. Vancomycin CP®), Linezolid (z. B. Zyvoxid®), Daptomycin (z. B. Daptomycin-ratiopharm ®) und Tigecyclin (z. B. Tygacil®). Pflege Die Pflege bei Staphylokokkeninfektionen richtet sich vor allem nach dem betroffenen Organsystem (z. B. Pflege bei Pneumonie). Hinzukommen – neben den Standardhygienemaßnahmen (41.2) – ggf. Hygienemaßnahmen zur Verhinderung weiterer Infektionen, v. a. bei MRSA (30.1.5). 30.7.3. Erkrankungen durch Streptokokken Definition Streptokokken: Grampositive Kugelbakterien, die sich oftmals kettenförmig aneinanderreihen. Häufige Erreger eitriger Infektionen beim Menschen mit oft flächenhafter Ausbreitung. Streptokokken können eingeteilt werden: Nach ihrer Fähigkeit, den roten Blutfarbstoff aufzulösen (nicht, teilweise und vollständig hämolysierende Streptokokken, auch γ-, α- und β-hämolysierende Streptokokken genannt) Nach ihren antigenen Eigenschaften in die Gruppen A–Q. Streptokokken-Erkrankungen Angina tonsillaris, Scharlach 36.6.1 Zu den Lokalinfektionen gehören Wundinfektionen (43.13.1), die Impetigo contagiosa (32.5.2), das Erysipel und die Phlegmone, eine flächenhafte eitrige Entzündung der Unterhaut Streptococcus pneumoniae (früher Pneumokokken) ruft typischerweise Broncho- und Lobärpneumonien (23.4.4), Nasennebenhöhlen- und Mittelohrentzündungen (36.5.3, 36.4.2) sowie Meningitiden hervor. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion. Insbesondere Menschen mit Alkoholabhängigkeit, Krebs, nach Milzentfernung oder bei Abwehrschwäche anderer Ursache sind gefährdet. Auch Streptokokkenerkrankungen können zur Sepsis (30.6) und Endokarditis (21.8.1) führen. Streptokokkeninfektionen lassen sich meist mit Penizillin (z. B. Isocillin®) sehr gut behandeln. Streptokokken-Zweiterkrankungen Die heute seltenen Streptokokken-Zweiterkrankungen (Streptokokken-Folge-, - Nach-Krankheiten) treten meist 1–4 Wochen nach Abklingen der eigentlichen Erkrankung auf. Sie sind immunologisch bedingt: Gegen Streptokokkenantigene gebildete Antikörper richten sich dabei gegen ähnliche körpereigene Strukturen. Wichtig sind: Das akute rheumatische Fieber. Diagnosekriterien sind rheumatische Karditis, v. a. Endokarditis (21.8.1), (vorübergehende) Gelenkentzündungen, Koordinationsstörungen und Hautausschlag bzw. subkutane Knoten Die akute Poststreptokokken-Glomerulonephritis (33.5.5). Im Serum ist der Antistreptolysin-Titer, kurz AST, erhöht (Streptolysin ist eine von den Streptokokken produzierte Substanz). Erysipel Definition Erysipel (Wundrose): Flächenhafte Entzündung der Haut und Unterhaut, am häufigsten durch Streptokokken. Insgesamt gute Prognose, jedoch Rezidivneigung mit Gefahr eines Lymphödems. Krankheitsentstehung Beim Erysipel dringen die Erreger meist über kleine Wunden in die Haut ein, breiten sich aus und führen zu einer flächigen, nicht-eitrigen Hautentzündung. Symptome, Befund und Diagnostik Nach einer Inkubationszeit von 1–3 Tagen bekommt die Patientin Fieber. Der betroffene Hautbezirk (meist Gesicht oder Unterschenkel) ist flammend gerötet, geschwollen und schmerzt. Typisch ist die scharfe Begrenzung der Rötung (Abb. 30.19). Abb. 30.19 Patientin mit Gesichtserysipel. Die Haut ist flammend rot (scharfe Begrenzung der Rötung!), geschwollen und überwärmt. [R189] Die Diagnose ist meist anhand der typischen Symptome möglich. Behandlungsstrategie Die Behandlung besteht in der systemischen Penizillingabe (Pharma-Info 30.1). Ursächliche oder begünstigende Grunderkrankungen (z. B. Fußpilz) sollten gesucht und behandelt werden. Pflege Pflege bei Fieber 5.4, 5.5 Die betroffene Extremität wird hochgelagert und soll möglichst wenig bewegt werden. Bei einem Gesichtserysipel soll die Patientin wenig sprechen und nicht kauen (passierte Kost bestellen). Feuchte, kühlende Umschläge (mit Antiseptikum nur bei größerer, infizierter Eintrittspforte) sind zwischen den Antibiotikagaben möglich.. Pflegende beobachten engmaschig die Haut und die Vitalzeichen einschl. Temperatur, um eine Ausbreitung des Erregers sofort zu erfassen. Prävention und Gesundheitsberatung Patientinnen werden zur Rezidivprophylaxe beraten: Hautbarriere stärken: nicht zu heiß und zu lange duschen, (seifenfreie) Syndets verwenden, trockene Haut regelmäßig eincremen (6.1.4, 6.1.5) Haut täglich sorgfältig beobachten, v. a. bei Lymphödem, Varizen, Diabetes mellitus Fußpilz, chronischen Juckreiz und Hauterkrankungen behandeln lassen Verletzungen vermeiden, z. B. Fußpflege von Podologen durchführen lassen, feste Handschuhe, Schuhe bei der Gartenarbeit tragen. 30.7.4. Erkrankungen durch Enterokokken Die fakultativ pathogenen Enterokokken leben physiologischerweise im Darm des Menschen. Krankheitsbilder durch Enterokokken sind v. a. Harnwegsinfekte (33.4.1) und Eileiterentzündungen (34.5.1), die sich zur Endokarditis (21.8.1) und Sepsis (30.6) ausweiten können. Enterokokken werden an sich z. B. durch Amoxicillin (z. B. Amoxicillin AbZ®) erfasst. Gerade bei Nosokomialinfektionen sind aber Resistenzen nicht selten (VRE, 30.1.5). 30.7.5. Erkrankungen durch Meningokokken und Gonokokken Meningokokken (Neisseria meningitidis) und Gonokokken (Neisseria gonorrhoeae, Erreger der Gonorrhö 32.5.5) sind gramnegative Kokken. Beide überleben außerhalb des Körpers nur kurze Zeit. Meningokokken-Meningitis und Meningokokken-Sepsis Definition Meningokokken-Meningitis: Eine der häufigsten eitrigen Hirnhautentzündungen, v. a. bei Säuglingen und Kleinkindern (37.9.1). Meningokokken-Meningitis, -Sepsis sowie teilweise der Nachweis sind meldepflichtig (30.4). Meningokokken sind bei ca. 10 % der Bevölkerung im Nasen-Rachen-Raum nachweisbar. Sie werden vorwiegend durch Tröpfcheninfektion übertragen und dringen vom Rachen aus ins Blut ein. Die Meningokokken-Meningitis setzt nach wenigen Tagen Inkubationszeit hochakut ein, evtl. nach vorheriger Rachenentzündung. Die Patientinnen zeigen mit hohem Fieber, Kopfschmerzen, Erbrechen und Nackensteife die typischen Meningitis-Symptome (37.9.1) Für die Meningokokken-Sepsis typisch sind Blutungen in Haut (Abb. 30.20) und innere Organe. Sonderform ist das Waterhouse- Friderichsen-Syndrom, bei dem es zusätzlich zu Nebennierenversagen, Verbrauchskoagulopathie und raschem Tod kommt. Abb. 30.20 Hautblutungen bei Meningokokken- Sepsis. [E325] Aufgrund der Schwere der Krankheitsbilder beginnt die Behandlung sofort nach Liquor- und Blutkulturabnahme. Mittel der Wahl ist die i. v.-Gabe bestimmter Cephalosporine wie Ceftriaxon (z. B. Rocephin®, Pharma-Info 30.1), evtl. auch Penicillin G. Eine Isolierung ist bis 24 Std. nach Beginn der Antibiotikatherapie erforderlich (30.1.4). Bei engen Kontaktpersonen kann die vorbeugende Gabe von Antibiotika angezeigt sein. Die Impfung gegen Meningokokken der Gruppe C ist für alle Kinder empfohlen (30.3.2). Pflege bei Meningitits 37.9.1 Pflege bei Sepsis 30.6 30.7.6. Infektiöse Gastroenteritiden Definition Infektiöse Gastroenteritis: Ansteckende (Brech-)Durchfallerkrankung durch eine Vielzahl von Erregern. Jahreszeitlicher Gipfel in den Sommermonaten. Häufig bei Reisen in warme Länder. Bei ansonsten Gesunden meist selbstlimitierender Verlauf, Gefährdung vor allem für Säuglinge, alte oder (abwehr-)geschwächte Menschen. Unter bestimmten Bedingungen meldepflichtig, ebenso verschiedene Krankheitserreger (30.10). Infektiöse Gastroenteritis Krankheitsentstehung Die meisten Erreger infektiöser Gastroenteritiden werden fäkal-oral übertragen. Symptome und Untersuchungsbefund Leitsymptome sind Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfälle und Fieber. Der Untersuchungsbefund ist bis auf einen evtl. Abdominaldruckschmerz unauffällig. Insbesondere Säuglinge und Kleinkinder trocknen aber durch Erbrechen, Durchfälle und Fieber rasch aus. Daher ist die klinische Einschätzung des Wasserverlusts bei ihnen besonders wichtig. Auch alte Menschen sind durch Dehydratation angesichts der oft verminderten Organreserven und ihrer weiteren Erkrankungen erhöht gefährdet. Diagnostik Ein Erregernachweis aus Stuhl, Erbrochenem oder Nahrungsmittelresten ist nur nötig bei schweren oder langen Verläufen oder Risikopatientinnen. Blutuntersuchungen können beispielsweisezur Kontrolle des Wasser- und Elektrolythaushalts erforderlich sein. Behandlungsstrategie Die Behandlung besteht im oralen oder intravenösen Flüssigkeits- und Elektrolytersatz (Rehydratation), bei gefährdeten Patientinnen, schweren Verläufen und bestimmten Erregern evtl. auch in einer Antibiotikatherapie. Rehydratation bei Kindern Besonders dringlich ist die Rehydratation bei Kindern. Die Glukose-Elektrolyt- Lösung (z. B. Oralpädon®) wird v. a. bei Erbrechen häufig und in kleinen Mengen gegeben, z. B. alle 5 Min. 1–2 Teelöffel. Säuglinge werden außerdem weiter gestillt oder erhalten ihre gewohnte Milch (verdünnt oder unverdünnt). Bei geduldiger Durchführung der oralen Rehydratation ist ein intravenöser Flüssigkeitsersatz nur selten nötig. Nach dem Durchfall sollte die Kost ein paar Tage fettarm sein, unverdünnte Säfte sind ungünstig. Gabe von Lactobacillen (z. B. Infectodiarrstop®, probiotische Joghurts) kann Diarrhöen durch Rotaviren positiv beeinflussen. Pflege Pflege bei Diarrhö 24.2.5 Pflege bei Erbrechen 8.3.3 Pflege bei Fieber 5.4, 5.5 Quellenisolierung 30.1.4 Prävention und Gesundheitsberatung Einige einfache Maßnahmen können infektiösen Gastroenteritiden vorbeugen: Hände häufig waschen, v. a. nach jedem Toilettengang und vor dem Kontakt mit Lebensmitteln Auf sorgfältige Küchenhygiene achten (z. B. rohe Lebensmittel von gekochten Speisen trennen), Spül-/Abtrockentücher regelmäßig und heiß waschen Grundregeln im Umgang mit Lebensmitteln beachten (41.4.4), z. B. Kühlkette bei kühlpflichten Lebensmitteln nicht unterbrechen, Fleisch durchgaren, abgekühlte Speisen auf ≥ 65 °C wiedererhitzen Bei Reisen in südliche Länder gilt zusätzlich: Nur gekochte Speisen oder kurz zuvor selbst geschältes Obst essen („boil it, cook it, peel it or forget it“) Meeresfrüchte und Eis meiden Zum Zähneputzen abgekochtes Leitungswasser oder Mineralwasser aus der Flasche verwenden Getränke nur aus original verschlossenen Flaschen oder Dosen trinken. Eiswürfel in Restaurants ablehnen (meist aus Leitungswasser). Besonderheiten bei einzelnen Erregern Gastroenteritis durch Campylobacter Campylobacter-Bakterien sind gramnegative Stäbchen und derzeit in Deutschland die häufigsten Erreger bakterieller Gastroenteritiden. Vor allem C. jejuni und C. coli rufen häufig Durchfallerkrankungen mit hohem Fieber und schweren Allgemeinerscheinungen hervor. Hauptinfektionsquellen sind Geflügel, Rohmilch/- produkte, (halb-)rohes Hack, aber auch Haustiere. Die Erkrankung dauert ungefähr eine Woche. Reaktive Arthritiden (Gelenkentzündungen) sind möglich. Erkrankungen durch Clostridien Clostridien Tab. 30.6 Einige Stämme von Clostridium perfringens können zu einer Lebensmittelvergiftung führen. Der Erreger wird mit der Nahrung, vornehmlich Fleischprodukten, aufgenommen, das Toxin bildet sich im Darm. Die Inkubationszeit beträgt 6–24 Std. Der Durchfall dauert nur 1–2 Tage. C.-difficile-assoziierte Diarrhö Clostridioides (früher Clostridium) difficile kommt bei unter 5 % der gesunden Erwachsenen, aber bis zu 30 % der Krankenhauspatientinnen oder Pflegeheimbewohnerinnen im Darm vor. Ausgelöst v. a. durch Antibiotikabehandlung kann aus dieser C.-difficile-Infektion (CDI) eine C.- difficile-assoziierte Diarrhö (CDAD) werden mit der pseudomembranösen Kolitis als Schwerstform. Gastroenteritis durch Escherichia coli Mehrere Stämme von Escherichia coli (E. coli 30.7.7) können auf unterschiedlichen Wegen (z. B. Toxinbildung, Eindringen in die Darmwand) Durchfallerkrankungen hervorrufen. Besonders zu erwähnen sind: Die Reisediarrhö durch enterotoxische E. coli (ETEC) Die den Shigellendurchfällen ähnelnden Erkrankungen durch enteroinvasive E. coli (EIEC) Die Säuglingsenteritis durch enteropathogene E. coli (EPEC, Dyspepsie- Koli) Die v. a. bei Kindern und Älteren auftretende hämorrhagische Dickdarmentzündung durch enterohämorrhagische E. coli (EHEC), bei der als Komplikation ein lebensbedrohliches (und meldepflichtiges) hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS, 33.5.7) mit hämolytischer Anämie und Nierenversagen auftreten kann. Salmonellenerkrankungen Salmonellen sind gramnegative Stäbchen aus der Familie der Enterobakterien (30.7.7). Salmonellen-Gastroenteritiden Salmonellen-Gastroenteritiden (Salmonellosen) werden durch Enteritis- Salmonellen hervorgerufen. Infizierte Menschen scheiden die Salmonellen mit ihrem Stuhl aus, befallenes Geflügel ist am ganzen Körper kontaminiert. Bei Nichtbeachtung der Hygienevorschriften geraten die Salmonellen auf Lebensmittel und vermehren sich. Die Übertragung erfolgt oral durch die Aufnahme kontaminierter Nahrung. Die Salmonellen-Toxine rufen im Dünndarm eine Entzündung mit Durchfällen hervor. Die Inkubationszeit beträgt meist wenige Stunden bis einen Tag. Ausbreitung von Salmonellen Quelle einer Salmonellen-Infektion sind seit der für Geflügel vorgeschriebenen Impfung häufig rohes oder unzureichend gegartes Fleisch und Rohwurst. Durch Berührung primär nicht kontaminierter Speisen (Kreuzkontamination) können praktisch alle Speisen Ausgangspunkt einer Erkrankung/eines Ausbruchs sein. Vor allem Dauerausscheider erschweren die Krankheitsbekämpfung, da sie nicht erkennbar krank sind. Typhus und Paratyphus Typhus-Paratyphus-Salmonellen verursachen mit Typhus und Paratyphus seltene, aber schwere Allgemeinerkrankungen (meldepflichtig, 30.4). Leitsymptome sind allgemeines Krankheitsgefühl, treppenartig ansteigendes Fieber mit für die Fieberhöhe niedrigem Puls, zunächst Obstipation, später kommen Durchfall und Benommenheit dazu. Gastroenteritiden durch andere Bakterien Einige Staphylokokken (30.7.2) verursachen durch ihre Toxine eine Lebensmittelvergiftung. Insbesondere verdorbene Milch-, Ei- und Fleischprodukte können Staphylokokkentoxine enthalten, die nach wenigen Stunden zu Krankheitsgefühl und massivem Erbrechen führen. Das hitzestabile Enterotoxin wird beim Kochen nicht zerstört. Bei ansonsten Gesunden heilt die Erkrankung nach 1–2 Tagen aus. Shigellen sind die Erreger der Shigellose (bakteriellen Ruhr). Sie werden fäkal- oral durch Kontakt, kontaminierte Lebensmittel oder mit Fäkalien verunreinigtes Wasser übertragen. Nach ½–4 Tagen setzen Allgemeinbeschwerden und (evtl. schleimig-blutige) Durchfälle ein, typischerweise mit krampfartigen Bauchschmerzen

Use Quizgecko on...
Browser
Browser