Entwicklungspsychologie Vorlesungsskript PDF
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Technische Universität Chemnitz
Prof. Dr. Heiner Rindermann
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This document is a lecture script for a developmental psychology course at TU Chemnitz. It includes a course plan, topics, and a list of recommended textbooks for further study.
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Vorlesung Entwicklungspsychologie Skript Stand 11-X-23 Prof. Dr. Heiner Rindermann TU Chemnitz, Institut...
Vorlesung Entwicklungspsychologie Skript Stand 11-X-23 Prof. Dr. Heiner Rindermann TU Chemnitz, Institut für Psychologie Die Vorlesung wendet sich an Studierende im Bachelorstudium Psychologie und an solche aus Nachbarfächern. Zum Erwerb eines Scheines muss eine Klausur bestanden werden (+ Vorleistung Seminar). Plan Thema Definition Entwicklung, Forschungsmethoden Entwicklungsabschnitte Einflussfaktoren Kognitive Entwicklung Sprachentwicklung Persönlichkeitsentwicklung und Identität Soziale Entwicklung Ethische Entwicklung Das Skript wird aktualisiert, d. h. es werden jährlich kleinere Modifikationen und Ergän- zungen vorgenommen. Allgemeine Literaturempfehlungen: 1. Das bekannteste deutschsprachige Lehrbuch der Entwicklungspsychologie ist das von Rolf Oerter und Leo Montada, fortgesetzt von Schneider & Lindenberger: Oerter, R. & Montada, L. (Hrsg.) (2008). Entwicklungspsychologie. Weinheim: Beltz. (1087 S) Neuauflage: Schneider, W. & Lindenberger, U. (Hrsg.). (2018). Entwicklungspsychologie. Weinheim: Beltz. (925 S) Für den Schneider und Lindenberger sprechen die enorme Themenvielfalt (und Aktualität). Als Buch zum kompletten Lesen ist der Band zu umfangreich. Er ist sehr empfehlenswert zum gezielten Nachlesen und Vertiefen bestimmter Themen der Vorlesung. 2. Sehr kurz und prägnant ist Wicki: Wicki, W. (2016). Entwicklungspsychologie. München: Reinhardt/UTB. (180 S) Man kann hier einen ersten Überblick bekommen. 3. Ebenso sind empfehlenswert: Lohaus, A. & Vierhaus, M. (2019). Entwicklungspsychologie des Kindes- und Jugendalters für Bachelor. Berlin: Springer. Scheithauer, H. & Niebank, K. (Hrsg.). (2022). Entwicklungspsychologie – Entwicklungswissenschaft des Kindes- und Jugendalters. München: Pearson. Schwarzer, G. & Jovanovic, B. (2019). Entwicklungspsychologie der Kindheit. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer. Siegler, R., Eisenberg, N., DeLoache, J. & Saffran, J. (2022). Entwicklungspsychologie im Kindes- und Jugen- dalter. München: Elsevier, Spektrum. 2 4. Alt, aber aus einem Guss sind die beiden Bände von Hanns Martin Trautner: Trautner, H. M. (1992). Lehrbuch der Entwicklungspsychologie. Band 1, Grundlagen und Methoden. Göttingen: Hogrefe, 2. Auflage. (402 S) Trautner, H. M. (1997/1991). Lehrbuch der Entwicklungspsychologie. Band 2, Theorien und Befunde. Göttingen: Hogrefe, 2. Auflage. (36,95 E, 546 S) Für die beiden Trautner-Bände spricht ihre große Systematik. Ein klassisches Lehrbuch aus einem Guss. Die Themenvielfalt ist nicht ganz so umfangreich wie im Schneider-und- Lindenberger. Als Buch zum kompletten Lesen ist aber auch der Trautner zu dick (354+481=835 Seiten, ohne Literatur). Er ist sehr empfehlenswert zum gezielten Nachlesen und Vertiefen bestimmter Theorien und Methoden der Entwicklungspsychologie. 5. Entwicklungsdiagnostik ist hier gut beschrieben: Quaiser-Pohl, C. & Rindermann, H. (Hrsg.) (2010). Lehrbuch Entwicklungsdiagnostik. München: Reinhardt. (333 S) Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Bücher, meist schmalere Einführungen. Wer ein Buch komplett lesen möchte, sollte Wicki lesen. Wer an einem ganz spezifischen Thema interessiert ist, kann insbesondere in den Schneider-und-Lindenberger oder Oerter- und-Montada schauen. Wer sich für bestimmte Theorien und Methoden interessiert, dem ist der große Trautner zu empfehlen. Wen das Thema oder bestimmte Themen besonders interessieren: in verschiedenen Bänden lesen. 3 Prüfungsgrundlage ist das Skript sowie ein Text, der Ihnen im Laufe des Semesters mitge- teilt werden wird. In der Klausur werden Ihnen Fragen zu diesem Text gestellt, die Sie oh- ne Vorlage desselben beantworten müssen. Hinweis für Lehramtsstudierende: In Ihrem Curriculum steht auch „Grundlagen der Lern- und Gedächtnispsychologie“. Diese werden im Seminar „Entwicklungspsychologie für das Lehramt“ behandelt (Gedächtnispsychologie) bzw. deutlich vertieft (Lernpsychologie). 4 Inhaltsverzeichnis 1 ENTWICKLUNG..................................................................................................8 2 FORSCHUNGSMETHODEN............................................................................17 2.1 Querschnitt 17 2.2 Längsschnitt 19 2.3 Kombination von Querschnitt und Längsschnitt: Sequenzmodelle 22 2.4 Experiment 24 2.5 Beobachtung 26 2.6 Befragung 27 2.7 Leistungstests und Fragebögen 29 2.8 Quantitative Methoden 31 2.9 Qualitative Methoden 41 2.10 Kausalitätsfrage 42 3 ENTWICKLUNGSABSCHNITTE....................................................................49 3.1 Entwicklungsaufgaben 50 3.2 Neugeborenen- und Säuglingsalter (0-1) 51 3.3 Kleinkind und Vorschulkind (1-5) 53 3.4 Schulalter bis Pubertät (6-12) 55 3.5 Pubertät und Jugendalter (13-18) 56 3.6 Frühes Erwachsenenalter (18-29) 57 3.7 Mittleres und älteres Erwachsenenalter (30-65) 58 3.8 Alter und hohes Alter (65-) 59 5 4 EINFLUSSFAKTOREN.....................................................................................62 4.1 Gene 62 4.2 Wachstum, Reifung und Differenzierung 71 4.3 Lernen 72 4.4 Erziehung 75 4.5 Sozialisation 80 4.6 Eltern und Geschwister, Familie 80 4.7 Spiel 90 4.8 Kindergarten, Vorschule und Schule 92 4.9 Gleichaltrige 97 4.10 Partnerin und Partner 99 4.11 Beruf 100 4.12 Selbstsozialisation 101 4.13 Eigendynamiken, Scheren-/Matthäuseffekte, Spiralen 104 4.14 Makrosoziale Determinanten: Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur 109 5 KOGNITIVE ENTWICKLUNG......................................................................118 5.1 Kognitive Entwicklung nach Piaget 118 5.2 (Psychometrische) Intelligenz 132 5.3 Sprache 146 5.4 Determinanten und Konsequenzen der kognitiven Entwicklung 161 6 PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG UND IDENTITÄT.......................164 6.1 Begriffe: Persönlichkeit, Identität, Selbstkonzept 164 6.2 Persönlichkeitsentwicklung 178 6.3 Entwicklung nach der Psychoanalyse 183 6 6.4 Geschlechtsidentität und Geschlechtsunterschiede 185 6.5 Emotionen 191 7 SOZIALE ENTWICKLUNG............................................................................193 7.1 Bindung 193 7.2 Partnerschaft 198 8 ETHISCHE ENTWICKLUNG.........................................................................199 8.1 Moralische Entwicklung 199 8.2 Gewalt, Aggression und Delinquenz 212 9 FÖRDERUNG....................................................................................................223 7 1 Entwicklung Kindheit Entwicklung ist im Kindesalter unübersehbar. Fast täglich verändern sich die Kinder, Veränderungen, die sich gut als Zunahme von Kompetenzen beschreiben lassen. Die Entwicklung ist beeindruckend. Bei der Geburt sind Menschenkinder im Vergleich zu Tierjungen eng verwandter Arten (Primaten, Säugetiere) unreif und wenig fähig: Sie können weder greifen noch sich fortbewegen, sich nicht an der Mutter festhalten, sich nicht drehen, sich nicht aufrichten, nicht mit den Augen folgen und nicht lächeln. Selbst der Saugreflex muss erst noch richtig eingeübt werden. Bis auf atmen, schreien, etwas se- hen, saugen, verdauen sowie ein paar Schutzreflexe (Augen schließen, Husten u. ä.) und interne systemische Regulation können sie bei der Geburt nichts. Bei vielen Tierarten vermögen die Jungen dagegen gleich nach der Geburt zu laufen und binden sich an ein ganz bestimmtes Individuum. Affenkinder sind bis zu einem Alter von ein bis zwei Jahren motorisch wie kognitiv weiter als Menschenkinder. Die Entwicklung ist jedoch auf allen Gebieten rapide und spätestens mit dem 2. Lebensjahr sind Menschen in der kognitiven Entwicklung allen anderen Lebewesen voraus. 8 Gelernt werden: Fixieren, Lächeln, Krabbeln, Sitzen, Reden, Gehen, Zählen, Lesen, schlussfolgerndes Denken... Erwachsenenalter Ab dem Erwachsenenalter (je nach Bereich der Entwicklung und je nach Kultur zwischen 16 und 21 Jahren) ist die Entwicklung aber nicht mehr so auffällig, vor allem findet nicht mehr unbedingt eine Entwicklung zum Besseren statt. Entwicklungsprozesse sind im Er- wachsenenalter weit weniger einheitlich als in der Kindheit. Die körperlichen Fähigkeiten lassen ab einem gewissen Alter nach, bei fehlendem Training um so früher. Auch die kognitiven Fähigkeiten lassen nach, vor allem die Geschwindigkeit (Informati- onsverarbeitungsgeschwindigkeit), Wissen ist aber weiter gut aufbaubar. Auch hier gilt: Fehlende Beanspruchung beschleunigt den Abbau. Veränderungen finden auf jeden Fall statt, aber sind diese noch als Entwicklung zu verste- hen? Veränderung vs. Entwicklung: Bloße Veränderungen sind kurzzeitig und reversibel, Ent- wicklungsänderungen halten an und bauen aufeinander auf. 9 Psychologischer Entwicklungsbegriff Entwicklung ist eine langfristige, geordnete, gerichtete und lebensaltersbezogene Verände- rung von (psychischen) Personenmerkmalen. – Entwicklung ist langfristig, relativ dauerhaft. – Entwicklung findet längs der Zeit statt. – Entwicklung ist geordnet und gerichtet, also nicht chaotisch, nicht zufällig, sie ist relativ einheit- lich, strukturiert, es gibt gewisse Abfolgen der Entwicklung (Sitzen vor Gehen, Zählen vor Addie- ren, Entwicklungsschritte bauen aufeinander auf). – Die wichtigsten Entwicklungen sind irreversibel (wer mal gehen konnte, verlernt es nicht). – Entwicklungen sind bis zu einem bestimmten Alter universal einheitlich, vor allem was grundle- gende Entwicklungsprozesse betrifft (Motorik, Reifung, Sozialverhalten, basale kognitive Funk- tionen); je älter Kinder werden und vor allem im kognitiven Bereich, desto größer werden aber die Unterschiede zwischen Personen, zwischen Schichten, zwischen Kulturen. (Abb. T, I, S. 69) – Entwicklung bis zum Erwachsenenalter ist gut als Zunahme, Verbesserung, Kompetenzfort- schritt, als bessere Bewältigung von Anforderungen zu verstehen. – Entwicklung ist vor allem ab der Adoleszenz multidirektional, nicht nur Höherentwicklung auf ein Ziel hin, in der Kindheit und Jugend ist sie eher unidirektional (Aufbauprozess, höherwertig werdend, ein Ziel). – Entwicklungen sind quantitativ (mehr oder weniger, z. B. Erweiterung des Zahlenraumes) und qualitativ (Neues entsteht, Brüche; z. B. Rechnen im Kopf statt Zählen mit den Fingern); die Ab- grenzung quantitativ-qualitativ ist nicht immer scharf möglich. – Entwicklung wird heute als lebenslanger Prozess verstanden (Lebensspanne), Schwerpunkt der Forschung ist aber weiterhin das Kindes- und Jugendalter. 10 – Entwicklung betrifft in der Psychologie Veränderungen des Erlebens und Verhaltens, von Fähig- keiten und Persönlichkeit (und so weit relevant: der körperlichen Grundlagen). Nicht gemeint ist mit Entwicklung phylogenetische Entwicklung (Entwicklung von Arten und Unterarten, Genänderung und Genausbreitung in Populationen; Biologie, Paläontolo- gie/alte Lebewesen und deren Entwicklung, Evolutionstheorie). Es wird nur die ontogeneti- sche Entwicklung betrachtet. Nicht gemeint sind historische Entwicklungsprozesse von Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Ideen (makrosoziale Entwicklung; Geschichte, Soziologie, Politologie, Philosophie). Entwicklungspsychologie Wissenschaftliche Untersuchung und praktische Beschäftigung mit Veränderungen des Menschen längs der Lebenszeit mit den Inhalten Verhalten und Erleben, Fähigkeit und Per- sönlichkeit. Wichtige Fragestellungen und Aufgaben der Entwicklungspsychologie Beschreibung von psychischer Entwicklung. Erklärung: Was sind die Determinanten der Entwicklung und was sind Determinanten von zwischen Menschen und Gruppen unterschiedlichen Entwicklungsverläufen? Vorhersage von Entwicklung. Was sind die Folgen von Entwicklung? 11 Wie lässt sich Entwicklung positiv beeinflussen? (Förderung) Was sind förderliche Um- welten, was negative? Wie wirken unterschiedliche Umwelten, z. B. Erziehungsstile, Schule? Wie lassen sich Entwicklungsstörungen vermeiden (Prävention) und reduzieren (Inter- vention; Modifikation durch Beratung und Therapie)? Praxis von Erziehungsberatung, Schulberatung, Altenförderung (Gerontologie oder Ge- rontopsychologie: Wissenschaft zur Erforschung des Alterns). Weitere interessante Fragestellungen und Aufgaben Entwicklung im Kulturvergleich. Einfluss biologischer Determinanten (Grenzgebiet zur Medizin, zur Pädiatrie/Kinderheil- kunde, Geriatrie/Altersheilkunde). Bezüge zur Psychotherapie, insbesondere bei Kindern. Anknüpfungen gibt es vor allem an folgende Gebiete der Psychologie: Pädagogische Psy- chologie (z. B. Erziehung), Differentielle Psychologie (z. B. Intelligenz und Persönlichkeit) und Allgemeine Psychologie (z. B. Lernen). Des Öfteren gibt es auch Bezüge zur Kulturpsychologie, Methodenlehre, den Erziehungs- wissenschaften, Sozialpsychologie (Gleichaltrige, Paar), Ethnologie und Ethologie. (S. a. die vielen Themen im Schneider-und-Lindenberger.) 12 Stabilität Es sind drei Varianten von Stabilität zu unterscheiden: Absolute Stabilität: Ein Mensch bleibt in einer bestimmten Eigenschaft in einem be- stimmten Zeitraum immer gleich. Z. B. Körpergröße ab dem 20. Lebensjahr (beinahe gleich bleibend). Nicht aber Intelligenz; IQ ist meist auch im Erwachsenenalter altersnor- miert und durch die Normierung werden Veränderungen verdeckt. Relative Stabilität (auch normative Stabilität oder Positionsstabilität genannt): Ein Mensch bleibt relativ zu anderen – fast immer den Gleichaltrigen – gleich, z. B. wenn je- mand ein Leben lang den IQ 100 hat, dann war er in der Kindheit zwar weniger intelligent als im Erwachsenenalter und im hohen Alter nahm die Intelligenz wieder ab, im Vergleich zu den Gleichaltrigen war er aber immer gleich intelligent. Relative Stabilität ist die Stabi- lität von Differenzen oder von Rangpositionen. Sehr oft wird relative Stabilität mit absolu- ter Stabilität verwechselt; konkret: hohe Stabilität interindividueller Differenzen wird mit deren Unveränderlichkeit gleichgesetzt, was falsch ist (z. B. für Intelligenz: Cunha et al., 2006). IQ= Intelligenzquotient, Mittel 100, Standardabweichung 15. IQ: Klassisch definiert als Intelligenzalter durch Lebensalter, heute Abweichungswert von einer i.d.R. gleichaltrigen Referenzgruppe. Zu Abbildung 1.1: M=Mittelwert, SD=Standardabweichung (Streuung, Abweichung), r=Korrelation, N=Anzahl der Personen. 13 Achtung! In Stichprobenmitteln oft andere Veränderungen als in individuellen Werten (Pinquart, 2003, S. 20). (s. a. Abb. O-u-M, 2002, S. 49) Wachstum und Stabilität in Intelligenz Wachstum und Stabilität in Intelligenz Wachstum in Mittelwerten, Stabilität in Differenzen Wachstum in Mittelwerten, Stabilität in Differenzen 140 140 120 120 100 100 80 80 60 60 IQ1 (M=100, SD=23) IQ2 (M=111, SD=20) IQ1 (M=100, SD=23) IQ2 (M=120, SD=14) fiktive Daten, IQ-Skala, normiert auf ersten Messzeitpunkt, r=.76, N=11 fiktive Daten, IQ-Skala, normiert auf ersten Messzeitpunkt, r=.76, N=11 Abbildung 1.1: Visualisierung einer relativen Stabilität von r=.76 über zwei Messzeitpunkte (IQ1 und IQ2) bei gleichzeitigem Wachstum, rechts mit Varianzreduktion von unten (durch Anstieg der schwächeren Werte) Zur Korrelation kommen wir noch später ausführlich! Strukturelle Stabilität: Die Beziehungen zwischen Merkmalen innerhalb einer Person bleiben stabil, z. B. eine Person war immer extravertierter als kulturinteressiert, dies in ih- rem Leben auf unterschiedlichen Niveaus (also nicht absolute Stabilität) und im Vergleich 14 zu anderen wurde sie immer extravertierter (keine relative Stabilität). Das Verhältnis der Eigenschaften innerhalb der Person blieb aber stabil. Bekannte Namen der Entwicklungspsychologie Deutschsprachige Wissenschaftler: Freud, Baltes, Oerter, Montada, Trautner, Silbereisen, u. a. Englischsprachige Wissenschaftler: Erikson, Bronfenbrenner, Kohlberg (O-u-M, S. 593), Bowlby, Diana Baumrind, Bandura, Schaie, u. a. Französischsprachige Wissenschaftler: Piaget (O-u-M, 2002, S. 418). Russischsprachige Wissenschaftler: Vygotskij (O-u-M, S. 93), Lurija. Mögliche Berufsfelder – Erziehungsberatung – Schulpsychologie – Erziehung (Lehrende, Schule, Heime) – Eheberatung – Psychotherapie Literaturempfehlungen Trautner, Band I, Kapitel 2.5 (S. 45-48) und das ganze Kapitel 1. Oerter-und-Montada: Kapitel 1 von Montada. 15 Erwähnte Literatur Cunha, F., Heckman, J. J., Lochner, L. & Masterov, D. V. (2006). Interpreting the evidence on life cycle skill formation. In E. A. Hanushek & F. Welch (Hrsg.), Handbook of the economics of education (I, S. 697-812). Amsterdam: North-Holland. Pinquart, M. (2003). Gegenstand und Aufgaben der Entwicklungspsychologie. In H.-H. Uslucan & A. Born (Hg.), Studientexte Entwicklungspsychologie (S. 15-39). Köln: Kölner Studien Verlag. 16 2 Forschungsmethoden Forschungsmethoden werden – nach Untersuchungsansätzen (Designs Querschnitt, Längsschnitt und Sequenzmodelle; Experi- ment), – nach Erhebungsverfahren (Beobachtung, Befragung, Leistungstests und Fragebögen, Projektive Tests) – und nach Auswertungsmethoden (Quantitative und Qualitative Methoden) unterschieden. Grundsätzliche, wissenschaftstheoretische und wissenschaftsmethodische Fragen: Kausalität und empirische Forschung. 2.1 Querschnitt Der Querschnittsansatz vergleicht Personen unterschiedlichen Alters zu einem Zeitpunkt. Der Querschnittsansatz simuliert einen Quasi-Längsschnitt über Altersdifferenzen hinweg. Querschnitte sind einfach vorzunehmen. Man braucht vergleichbare Altersstichproben, die sich nur im Alter unterscheiden sollten. Da Forschungsprojekte zeitlich begrenzt sind, ebenso Wissenschaftlerstellen und das aktive Wissenschaftlerleben, ist es meist die einzig mögliche Untersuchungsvariante für mehr als nur wenige Jahre umfassende Zeiträume. 17 Quelle: Fig. 2. Mean standardised z-scores for all five cognitive measures by age and gen- der. Whitley et al. (2016). 18 Probleme Es werden nicht Veränderungen im engeren Sinne untersucht, sondern nur Unterschiede zwischen verschiedenen Personen unterschiedlichen Alters. Personen unterschiedlichen Alters unterscheiden sich nicht nur aufgrund ihres Alters, son- dern auch aufgrund unterschiedlicher, historisch bedingter Erfahrungen. In einem Quer- schnitt sind verschiedene Altersstufen und verschiedene Kohorten (Geburtsjahrgänge) ent- halten. Alter und Kohortenzugehörigkeit sind konfundiert (s. a. Video „Alter“: „Kohorten- fehler“). Heute anzutreffende Unterschiede zwischen Alten und Jungen können in der Vergangen- heit und in der Zukunft anders aussehen. Beispiel: In Querschnittsstudien zeigt sich ein relativ starker Intelligenzabfall mit dem Al- ter, nicht aber in Längsschnittstudien (z. B. Schaie, 1994; Meisenberg et al., 2006; Whitley et al., 2016; weniger Unterschied: Salthouse, 2013). Warum? 2.2 Längsschnitt Der Längsschnittansatz kommt dem Anliegen der Entwicklungspsychologie, der Beob- achtung des Verhaltens und Erlebens im Verlauf, am nächsten. Im Längsschnitt werden dieselben Personen zu mehreren Zeitpunkten im Verlauf des interessierenden Lebensab- schnitts untersucht. Veränderungen werden tatsächlich untersucht. Individuelle Entwick- lungsverläufe sind abbildbar. 19 Probleme – Es wird in der Regel nur eine Kohorte (Geburtsjahrgang) untersucht. Veränderungen sind mit spe- zifischen historischen Ereignissen verbunden (z. B. Zusammenbruch der kommunistischen Syste- me im Osten Europas, Modernisierung in Spanien von 1975 bis heute). Sind die Ergebnisse dann noch auf andere Generationen übertragbar? Generalisierbarkeit? – Durch wiederholte Messung kann das untersuchte Merkmal verändert werden (z. B. Intelligenz- messung, z. B. Partnerschaft), Übungseffekte, Reflexion... – Selektiver Ausfall: Bestimmte Personen fallen eher aus, machen nicht weiter mit (eher dabei: bür- gerlich, intelligent, gesund). – Der Untersuchungsaufwand ist groß (Zeitdauer). – Grundsätzlich ist die Schwundquote (statistische Mortalität) ein Problem. Beispiel: Die wohl bekannteste Längsschnittstudie stammt von Terman, seit den 20er Jah- ren wurden weit überdurchschnittlich intelligente Personen (damals Kinder) in ihrem Le- benslauf untersucht, beginnend mit Terman, später von anderen Autoren fortgesetzt (z. B. Holahan & Sears, 1995). Hochintelligente wiesen besonderen Erfolg im Leben auf (Ein- kommen, Berufsprestige, Gesundheit). Beispiel: Nach Whalley und Deary (2001) ist Intelligenz von Kindern ein wichtigerer Prä- diktor als Sozialstatus ihrer Eltern zur Vorhersage der Lebensdauer der Kinder (Intelligenz bei 1921 in Schottland geborenen 11jährigen 1932 und Todesalter 1997 bei 2792, r=.18). Bei Frauen war der Zusammenhang enger als bei Männern. Warum? Weil Männer unter IQ=80 kaum mehr in den Zweiten Weltkrieg eingezogen wurden und diese Subgruppe des- halb ein geringeres Sterberisiko während dieser Zeit aufwies als intelligentere Männer. 20 90